Full text: St. Ingberter Anzeiger

Die neueste Statistik der Arbeiter-⸗Kolonie 
gilhelmsdorf weist nach, daß in der Zeit 
m j. Dezember 1881 bis J. Oltober 1883 ins- 
sammi 1187 arbeitslose Männer in der Kolonie 
aahme gefunden. Westpfahlen lieferte naturge⸗ 
naß die höchste Zahl, nämlich 460, Rheinland 
die übrigen Staaten und Provinzen variiren 
Dischen Z3 und 55. Ausländer sind 19 aufge—⸗ 
nmen, darunter 2 Deutsch-Amerikaner, 4Oester⸗ 
acher und Ungarn, 1 Däne, 1 Schwede, 1Russe, 
Afrikaner aus Oran, und um Aufnahme gebeten 
at neuerdings auch ein — Mohr. Von diesen 
187, meist in alleräußerster Noth und vielfach nach 
angem Stromerleben aufgenommen, find, nachdem 
sch Kleider verdient und wieder arbeiten gelernt, 
66 wieder abgegangen, und zwar wurden 830 
urch Vermittlung des Vordandes in Stellung ge⸗ 
acht, wahrend die Uehrigen sich selbst solche ver— 
chaffen konnten, was ihnen bei vagabondirender 
sbensweise nicht möglich gewesen wäre. 42 Mann 
auliefen mit Hinterlafsung von Schulden für erhaltene 
dleider. Der Bestand am 1. Oktober war 221 
Nann. Unter den Aufgenommenen befanden sich 
772 Evangelische, 408 Katholiken und 7 Israeliten. 
dur 374 besaßen noch eine feste Heimath, wogegen 
zi3 oder 683 pCt. domizillos waren. 475 
anen bereits mit den Gerichten Bekanntschaft ge— 
nacht, und zwar waren dieselben zumeist wegen 
getielns bestraft. Die Zahl der Berufsklassen und 
gewerbe, auf welche die Verpflegten sich vertheilen, 
st 75, darunter figuriren, Hand⸗, Fabuik. und 
andwirtschaftliche Arbeiter mit 352, aber auch 102 
faufleute und Komptoiristen, 6 Lehrer, 11 Be— 
mten, 2 Pharmaceuten; 5 Techniker zogen die 
Irbeit mit Hacke und Spaten in Wilhelmsdorf 
»em Stromerleben vor. 
(Bieder ein „lenkbares“ Schiff.) 
— 
Argern garnisonirenden Insanterie-Regiments Nr. 
4 legte seinem Regiments-Commando ein von ihm 
onstruirtes Modell eines lenkbaren Luftschiffes vor. 
hierüber wurde an das Corpscommando berichtet 
ind dieses betraute den Genie⸗-Direktor von Her—⸗ 
aannstadt mit der Untersuchung und Berichterstat⸗ 
ung über die vorgelegte Erfindung. Dieser äußerte 
ich nun dahin, daß an der Sache allerdings etwas 
ei, daß er aber die Construktion nicht vollends er⸗ 
runden könne, da Infanterist Schmidt nicht geneigt 
ei, ihm hierüber Aufschluß zu geben. Diese An⸗ 
elegenheit gelangte zur Begutachtung an das tech⸗ 
ische und administrative Militär⸗Comite in Wien 
ind dieses fand sich veranlaßt, den mittlerweile 
um Corporal beförderten Projektanten nach Wien 
u berufen. Nun erst soll sich zeigen, was eigent⸗ 
ich an dieser Erfindung „daran sei.“ 
f Die Einnahmen des Oktroi von Paris im 
RAtober belaufen sich auf 12,908, 411 Franken und 
ind um 748,205 Franken geringer, als im Okt. 
1882. Das Gesammtergebniß des Oktroi für die 
jerflossenen zehn Monate dieses Jahres beträgt 
15,231,637 Franken und bleibt hinter dem der 
rsten zehn Monate von 1882 um 5,729,206 Fr. 
urück. 
FRoubaurx, 6. Nov. Montagabend brach 
n einer Fabrik dahier Feuer aus, wodurch eine 
zenzin-Explosion herbeigeführt wurde, in Folge 
velcher zehn Personen getödtet Jund zwanzig ver⸗ 
vundet wurden. 
fLondon, 7. November. Nach einer Mel⸗ 
ung aus Accrington (Grafschaft Lancaster) hat heute 
rüh in einer Kohlengrube in Monkfield eine Ex—⸗ 
losion stattgefunden. Von 110 Bergleuten, welche 
n der Grube waren, wurden bis jetzt nur 6 auf⸗ 
sefunden. Einer späteren Meldung zufolge wurden 
us der Kohlengrube bei Accrington 50 Bergleute 
erwundet hervorgezogen. Die übrigen 60 sind 
och verschüttet. 
Vegetarisches. 
(Aus Schorer's Familienblatt.) 
Noch vor zehn bis fünfzehn Jahren verhöhnte 
ind verspottete man in Deutschland die Vegetarier, 
diese „Hungerleider“, „Grasfresser“, „Gemüsehei⸗ 
igen“ u. s. f.) heute disputiert und diskutiert man 
nit ihnen; abermals in ein paar Dezennien —? 
iun ich bin keine Prophetin, aber ich lebe der 
lnezeugung daß uns, uns Vegetariern, die Zukunft 
ehört. 
Die Statuten der vegetarischen Vereine in 
england, Amerika, Deutschland, der Schweiz lassen 
ich unter folgende zwei Paragraphen zusammenfassen: 
1. Als Mitglied des Vegetariervereins wird 
nufgenommen, wer versichert, mindestens ein Viertel⸗ 
ahr lang kein Fleisch und nichts vom Körper eines 
khieres gegessen zu haben, und zugleich den festen 
5nischluß kund gibt, dergleichen nie wieder ge— 
tießen zu wollen! 
II. Es liegt in der Natur der vegetarischen 
»der naturgemäßen Lebensweise, und wird daher 
‚orausgesetzt, daß alle, welche ihr folgen, sich auch 
er spirituosen und narkotischen Getränke, sowie des 
kabakrauchens enthalten. 
In mehr als zwanzig Städten Deutschlands, 
JZesterreichs und der Schweiz bestehen bereits Vege⸗ 
ariervereine, und zur Besprechung ihrer Angelegen⸗ 
eiten erscheinen zwei Monaisschriften: J. Vereins⸗ 
latt für Freunde der naturgemäßen Lebensweise; 
zrößingen in Baden; und IHN. Vegetarische Rund⸗ 
chau, Berlin W., Wilhelmstr. 35. Außerdem 
aben noch folgende Zeitschriften den Vegetarismus 
uuf ihr Programm geschrieben: Die Bayreuther 
Blätter; Herausgeber Hans Freiherr v. Wolzogen; 
er Kulturkämpfer von Otto Glagau; das Zwan⸗ 
igsie Jahrhundert von Max Engelmann; der Natur⸗ 
irzt von Dr. G. Wolboldt; Zeitschrift für volks— 
huͤmliche Gesundheitspflege von H. Canitz. Wie 
»iel und wie glühend Richard Wagner für die 
Innahme der vegetarischen Lebensweise geschrieben, 
st belannt. 
Das Schrotbrod oder Grahambrod, welches die 
Begetarier essen, wird in mehr als hundert deutschen 
ind schweizer Städten bereits gebacken und die 
Nachfrage nach demselben wächst von Jahr zu Jahr. 
Es bestehen ferner vegetarische Kuranstalten und 
jegetarische Speisehäuser in verschiedenen Gegenden 
ind Städten Deutschlands und der Schweiz. 
Der Traum, das Ideal der Vegetarier ist indeß 
dzie Gründung einer vegetarischen Kolonie, eines 
rdischen Paradieses, wo man von „Obst und Brod“ 
ebt, wo es der „Thränen und Seufzer“, der 
Krankheiten und Verbrechen“ weniger, weit weniger 
seben wird, als in den Stätten, wo man „den 
zauch zu seinem Gotte macht“, dem Laster der 
krunkenheit fröhnt und die zahmen Hausthiere 
nordet, um ihre Leichen zu verzehren. 
Die englischen Vegetarier betreiben die vege— 
arische Propaganda besonders eifrig; ihre Zeitschrift: 
he Dietetic Reformer ist ein sehr gut redigiertes 
Blait, und ihre Flugblätter sind mit warmer 
leberzeugung geschrieben. Auch die deutschen vege⸗ 
arischen Flugblätter sind schon in weite Kreise ge— 
zrungen und haben manche Carnivoren zum Nach— 
enken und zur Prüfung veranlaßt. 
Der Pariser vegetarische Verein, erst vor zwei 
Jahren gegründet, gibt ein Journal: La réformo 
limentaire heraus; doch im Lande der Gastronomie 
var excellence, der menus, der restaurants, der 
liners und soupers hat der Vegetarismus fast keine 
Inhanger mit einem leidenschaftlichen credo, fast keine 
zünger striktester Obserbanz wie in Deutschland 
ind England. — Mäßigkeits- und Thierschutz 
ereine und Bestrebungen sind Vorstufen des Vege⸗ 
arismus. 
Es gibt Vegetarier aus verschiedenen Gründen, 
velche indeß alle zu demselben Resultate gelangt 
ind. Wir können die Motive, welche zur Annahme 
der Pflanzenkost führen, etwa unter folgende 
kubriken bringen: 
I. Vegetarier aus religiösen Gründen, z. B. 
die Danieliten in England. 
II. Vegetarier aus wissenschaftlichen Gründen. 
die größten Gesetzgeber und Aerzte empfahlen seit 
zralten Zeiten die Pflanzenkost. 
III. Vegetarier, aus Gesundheitsgründen. Die 
krfahrung lehrt, daß man durch die Pflanzenkost, 
urch Bewegung in freier Luft, durch Bäder und 
Waschungen seine Gesundheit erhält. 
IV. Vegetarier aus ästhetischen und humanen 
Hründen. Alle Weisen, alle Dichter alter und neuer 
Zeit sprachen zu gunsten der reinen Pflanzenkost. 
V. Vegetarier aus sozialen und ökonomischen 
Fründen. Durch die Annahme der billigen Pstan⸗ 
enkost ist die große soziale Frage gelöst. 
Und vielleicht noch 1V. Vegetarier aus Krank— 
seitsgründen. Sogenannte Muß⸗Vegetarier, die 
er Pflanzenkost nur die Fristung ihres von Ex— 
essen aller Art zerrütteten Daseins noch verdanken. 
zine von Vollblut-Vegetariern kaum anerkanute 
hesinnungsgenossenschaft. 
Die Litleralur über Vegetarismus ist bereits 
ine sehr reiche; vegetarische Kochbücher sind in Aus— 
vahl vorhanden. 
Alle sogenannten Einwände gegen die vegeta— 
rische Lebensart sind bereits gründlich widerlegt 
worden. Auf die meisten derselben kann man mit 
den folgenden zwei Aussprüchen unserer großen 
Philosophen antworten: 
Der Mensch versteht die Sprache der Natur 
nicht mehr — weil sie zu einfach if. 
Arthur Schopenhauer. 
Würde die Geometrie unseren Leidenschaften 
widersprechen, so würde es sicher nicht an 
Leuten fehlen, welche die Zuverlässigkeit ihrer 
Beweise zu bestreiten unternähmen. 
Leibniz. Meta Wellmer. 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Koaiserslautern Frau Elisabetha 
Entzeer, geb. Flach, 56 J. a.; in Schmittshausen 
Maria Elisabetha Fuhrmann, geb. Lützenberger, 
33 J. a.; in Diedesfeld Bertha Gies, 15 J. a.; 
n Neustadt a.H. Sebastian Boeckler.; am 1. 
November: Peter Görlinger, Tüncher in Ens— 
zeim, 64 J'a.; am 1. Nodember: Louise Mich⸗ 
er, geb. Schwarz auf der Gassenmühle bei Ens⸗ 
jeim, 38 J. a. 
Dienstesnachrichten. 
Der protest. Lehrer Jakob Hamm in Dellfeld 
vurde zum Lehrer an der protest. Schule zu Saal⸗ 
tadt, der kathol. Lehrer in Dernbach, Johannes 
Burgey, zum Lehrer der kathol. Schule in Wei— 
enheim a. S., der interimistische protest. Schulver⸗ 
veser in Niederstaufenbach, Heinrich Schneider, 
um Verweser der wieder errichteten protest. Schul⸗ 
—0 
erweser Johann Lieser in Ramstein zum Lehrer 
zer kathol. Schule zu Herbitzheim, der interimist. 
Verweser an der kathol. Schulverweserstelle zu Ober⸗ 
zexbach, Franz Sapper, zum Schulverweser er⸗ 
iannt; der kathol. Schullehrer Nikolaus Reggel 
zu Schifferstadt tritt vom 1. Januar 1884 an in 
den bleibenden Ruhestand. 
Marktberichte. 
* St. Ingbert, 7. Nooember. (Viktualienmarkt.) 
artoffeln 530 Kilo 1,80 —2 M. Butter pern! / 2 Kilo 1 M. 
bis 1M. 20 Pf., Eier per Dutzend 80 Pf., Kappes 
her Kopf 3 bis 20 Pf., Ruüsse per 100 Stück 18 — 
20 Pfg., Stroh per Gebund 70 —00 Pfg., Aep fel per Ztr. 
3 bis 6 M., Birnen 4 bis 6 M. 
e. Ensheim, 8. November. (Viktu alienmarkt.) Kar 
toffeln: rothe 2 M. 50 Pf., weiße 2 M. — Pf. per 50 
ꝛiio, Butter 1 M. 10 bis 1 M. 20 Pf. ver !/x Kilo, 
Fier 1 M. per Dutzend. 
Homburg, 7. Nodember. (Fruchtmittelpreis und Viktu⸗ 
alienmarkt. Weizen 9 M. 46 Pf. Korn 7 M. 77 Pf. 
Spelztern — M. — Pf. Spelz 6 M. 10 Pf., Gerfie 
zreihige O M. — Pf. Gecrste Areihige — M. — Pf., 
hafer 6 M. 63 Pf. Mischfrucht 8 M. 05 Pf., Erbsen 
M. — Pf., Wicken O M. — Pf., Bohnen 0 M. 
— pPf., Kleesamen — M. — Pf., Kornbrod 6 Pfund 
30 Pf. Gemischtbrod 6 Pfund 72 Pf. Ochsenfleisch — Pf. 
Rindfleisch 60 Pf., Kalbfleisch 50 Pf., Hammelfleisch — Pf. 
Schweinefleisch 60 Pf. Butter 1Pfund O M. 96 Pf. 
dartoffeln per Zentner 1 M. 50 Pf. 
Landstuhl, 5. Novbr. (Fruchtmitte lpreis und Vik⸗ 
ualienmarkt.) Weizen dO M. — Pf., Korn O M. — Pf., 
Spelz O M. — Pf., Hafer 6 Mi. 80 Pf. Gerste 0 M. 
— Pf., Wicken — M. — Pf., Erbjen 0 M. — Pf. 
zinsen — M. — Pf., Kleesamen - M. — Pf., Kartoffeln 
der Ztr. O M. — Pf., Kornbrod 6 Pfd 65 Pf., Weis⸗ 
»rod 2 Pfd. 45 Pf., Gem. Brod 2 Pfd. 85 Pf. Butter 
per Pfd. V M. 90 Pf., Eier per Dutzend 84 Pf. 
Raiserslautern, 5. Novbr. (Fruchtmittelpreis und 
Ziktualienmarkt. Weizen 9 Mk. 24 Pf., Korn 7 M. 
39 Pf., Spelzkern — M. Pf. — Spelz 6 M. 83 Pf. 
HBerfie 6 M. 73 Pf., Hafer 6 M. 66 Pf. Erbsen O0 M. 
ppf., Wichen O M. — f., Linsen — M. — Pf. Klee⸗ 
samen O M. - xf., Schwarzbrod 6 Pfund 74 Pf., 
3 Pfd. 37 Pf., Gemischtbrod 8 Pfund 42 Pf. Butter pro 
gfd. 1,10-0,00 M. Eier 2 Stüd 16 Pf., Kartoffeln pro 
Jentner 1 M. 70 bis 2 M. 20 Pf. Stroh 8 M. — Pf., 
s 3 M. 25 Pf., Heu pro Ctr.8 M. O Pf., bis 8 M. 
50 Pf., Kleeheu 8 M. 50 Pf., bis 4 M. — pf. 
Für die Redaktion verantwortlich: F. X. Deme 8. 
— 
Schmidt u. Günther's Leiziger Illustrirte 
I eunt 1884 Rr. 3, heraus egeben vom Königl. 
berförster Nintz sch e, enthält folgende Arkikel: 
Ueber die Fischotter. Von C. F. v. Homeyer. — Die 
Ztadien der Fischere' rechtsame. Von Eduard Rüdiger. 
— Eine Mövenjagd. Vom Oberförster Quensell. — 
Mancherlei. — Illustrationen: Fischottern. Von C. F. 
Deiker. — Des Kindes Liebling. 
Die Illustrirte Jagdzeitung von Schmidit u. 
Bunther in Leipzig erscheint am 1und 15. des Mon ats 
ind kostet bei den Buchhandlungen halbjährlich M. 8. Bei⸗ 
den Vostanstalten vierteljährlich M. 1.50.