Full text: St. Ingberter Anzeiger

die Hauptsache bilden. Die „Armée frangaise“, 
ein gambettistisches Blatt, bringt die höchst amü— 
ante Studie über „den nächsten Krieg“, dessen Ver⸗ 
sauf in der Vorstellung des Verfassers, eines Offi— 
iers, welcher in der Umgebung des General Gallifet 
zu suchen sein soll, so viel des Interessanten ent— 
zäit, daß wir denselben nnsern Lesern nicht glauben 
horenthalten zu dürfen: „Nachdem vier Kuvallerie— 
zivisionen zwischen Luneville und Nancy zusammen⸗ 
Jezogen, erhielt am 28. April die französische Re⸗ 
zierung ein Ultimatum vom Kaiser von Deutschland 
nit der Erklärung, das er diese Konzentrirung von 
Ztreitkräften als eine Drohung betrachte und das 
Zzurückziehen der Kavalleriemassen, sowie die Schleif⸗ 
ing von Nancyh verlange. Die französische Regierung 
miwortete mit einer Weigerung und gab noch den⸗ 
selben Abend Befehl zur Mobilisirung. Am 2. Mai 
var dieselbe beendet und einige Tage später standen 
zrei französische Armeen an der Grenze aufmarschirt, 
ie erste bei Vesoul, die zweite bei Lungres und 
Fhaumont, die dritte bei Bar-le-Duc; dahinter noch 
wei Reserve-Armeen. PDer Operationsplan der 
Franzosen geht dahin, auf dem Höhenplateau von 
dothringen den Deutschen eine Schlacht zu liefern, 
Metz und Straßburg zu blokiren, auf Kaiserslautern 
vorzugehen, den Rhein zwischen Straßburg und 
Mainz zu überschreiten, und dann gegen Würzburg 
sin zu marschiren. Am 7. Mai beginnen die 
Feindseligkeiten. Die Deutschen werden langsam 
urückgeworfen und es kommt am 20. zu der 
S„chlacht bei Baronville, die von sechs 
Uhr Morgens bis vier Uhr Nachmittags unentschieden 
schwankt, bis dann von dem siegreichen Vordringen 
des rechten Flügels der Franzosen die Deutschen, 
ie schwere Verluste erlitten haben, auf Kaisser s 
au'tern zurückgehen. Am 30. und 31. Mai 
Schlacht bei Kaiserslautern, die wieder mit dem 
Zurückwerfen der Deutschen endet. Die Franzosen 
Jehen am 5. Juni über den Rhein, besetzen Mann⸗ 
Jjeim und rücken in konzentrirten Massen über 
Darmstadt gegen Würzburg. An der Tauber 
erfolgt dann die große Schlacht, über deren Gewinn 
vie Franzosen sich bereits im Voraus quittiren. 
Während die militärischen Operationen ihren 
Lauf nehmen, waren Verhandlungen, denen die 
Nähe der Truppen große Chancen des Erfolges 
oerlieh, mit Bayern, Württemberg und Baden an— 
gjeknüpft worden. Frankreich schlug diesen drei 
Mächten die Neutralität vor und verpflichtete sich, 
Preußen die Wiederherstellung des deutschen Bundes 
aufzuerlegen. Der Uebergang über den Rhein war 
entscheidend gewesen; ein Vertrag wurde auf den 
obigen Basen abgeschlossen und geheime Instruk⸗ 
ltionen an die kommandirenden Generale der Korps 
dieser drei Staaten gesandt. Die Schlacht am 18. 
Juni gab die Gelegenheit, die ersten Bedingungen 
der Vorträge auszuführen. Der Angriff der deut⸗ 
ichen Stellungen geschah auf der Front der ganzen 
Linie, während die Mosel-Armee den feindlichen 
linken Flügel zu umgehen suchte. Auf dem anderen 
Flügel hatte die Reservearmee Tags zuvor eine 
große Anzahl Brücken über den Main geschlagen 
und zwei ihrer Korps auf das rechte Ufer geworfen. 
Als die Schlacht begann, nahm die Artillerie dieser 
orps rapide Stellung gegenüber von Wertheim 
und bestrich die Positionen des rechten Flügels. 
Der Erfolg war ein sofortiger. Auf dem entgegen— 
gesetzten Flügel wichen die Bayern fast unmittelbar 
nach Beginn der Aktion und übergaben Mergent⸗ 
geim den Franzosen; ihr Beispiel wurde befolgt 
»on den Würtembergern und Badensern. Es 
war ein wahres Desastre für die Preußen, die 
zegen ein Uhr in großer Unordnung auf Würzburg 
uind Karlstadt zurückwichen, in der Nacht vom 18. 
um 19. über den Main gingen unter dem Schutze 
weier noch intakter Armeekorps, die jedoch in un— 
eren Händen die Hälfte ihres Effektiv ließen. Am 
olgenden; Tage, den 19. Juni, empfing der frau— 
zösische Generallissimus. in Würzburg von Seiten 
des Königs ven Preußen das Anerbieten eines 
Waffenstillstandes und der ungesäumten Einberufung 
eines Kongresses, um den Frieden abzuschließen. 
dieses Anerbieten wurde sofort angenommen. Die 
Franzosen und Russen sind übrigens gnädige Sieger, 
iie begnügen üch mit Elsaß-Lothringen uͤnd Ost— 
oreußen; daneben wird der deutsche Bund von 1866 
wieder hergestellt.“ — So der französische Feldzugs⸗ 
»lan. Es wäre gewiß im höchsten Maße von In— 
teresse, zu erfahren, was unser Moltke zu dem Er— 
huß des französischen Strategen sagt. Wir glauben, 
daß die einzige Antwort des Feldmarschalls sein 
derühmtes „Schweigen“ sein würde 
F Langen, bei Voralberg, Bez. Bregenz 
Oeslerreichj, 14. Nop. Die Sonde, welche durch 
die Richtung und die Höhenlänge des der Vollen— 
zung nahen Arlberg-⸗Tunnels geführt wurde, 
timmt ausgezeichnet. Der ojffizielle Durchschlag 
des Tunnels erfolgt am nächen Montag. (Die 
Bauunternehmung des Arlberg-Tunnels besteht aus 
»en HH. Giacomo Ceconi und Brüder Lapp; letztere 
tammen aus Ixheim bei Zweibrücken.) 
4F (Etwas von überspannten Eng— 
ändern.) Wie bekannt, soll Mitte dieses Mo— 
ijates der Durchschlag im Arlbergtunnel stattfinden. 
zu diesem Zwecke haben sich, wie der Bozener 
zeitung migetheilt wird, zwei Engländer mit dem 
Anerbieten an die Bauunternehmung gewandt, sie 
vollten je 100 Lst. (über 1000 fl.) aussetzen, wenn 
hnen gestattet wäre, nach erfolgtem Durchschlag im 
Tunnel sich als Erste die Hände reichen zu dürfen. 
Dieses echt englische Anerbieten soll angenommen 
ind der betreffende Betrag dem Fonds für das 
Arbeiterfest, das nach glücklich beendetem Durchschlag 
tattfindet, überwiesen worden sein. 
FGnteressante Erfindung.) Aus Pe— 
ersburg wird von einer neuen Erfindung auf dem 
Hebiete der Telephonie berichtet. Ein Herr Dr. 
Wreden hat einen Apparat zur Uebertragung des 
Tones konstruirt, welcher es ermöglicht, daß sämmt— 
iche Zuhörer in dem Raume, wo dieser „Phono⸗ 
phor“ thätig ist, die übertragene Musik gleichzeitig 
dernehmen, ohne erst ihre Ohren mit dem Instru— 
mente in Verbindung zu bringen. Der Effekl soll 
ein ganz überraschender sein. 
FeEin Brückeneinsturz ereignete sich kürz— 
lich in der Probinz Kars (im Kaukasus). Es 
türzte nämlich die erst vor zwei Jahren erbaute 
zroße Eisenbahnbrücke über den Fluß Arpatschaw 
zusammen und begrub mehrere Menschen und Thiere, 
velche sich während des Einsturzes auf der Brücke 
defanden, unter ihren Trümmern in den Fluthen 
des Wassers. Die Brücke kostete mehr als 700.000 
Rubel. 
(Ein Dampfschiff aus Papiey) ver— 
ehrt auf dem Ontariosee. Bei einer Länge von 
35 Fuß mit 5 Fuß Breite hat das Fahrzeug einen 
Fassungsraum für 10 Personen, der vollständig aus 
Zellulose-Papier hergestellt ist. Zwei Schrauben, 
velche von einer Dampfmaschine in Bewegung ge⸗ 
etzt werden, geben dem Schiff eine außerordentliche 
Beschwindigkeit; auf dem eisernen Gerippe befinden 
ich die aus einem einzigen großen Blatte ange— 
kertigten Außenborde, das Verdeck ist lackirt und 
indet dessen Reinigung sehr bequem statt, ohne daß 
dasselbe beschädigt wird. Da das Fahrzeug sehr 
leicht, ist es tragfähiger als eiserne und hölzerne 
Schiffe; alle Verbindungen und das lanagwierige 
Kalfaltern sind überflüssig. 
GSifersucht im Theater.) Ein junger 
Zchauspieler in New⸗-PYork hatte sich in diesem 
Zommer mit Miß Wepbster, der schönen Tochter 
eines der reichsten Wollspinnerei-Besitzers, verlobt. 
Zu Beginn der Herbstsaison ward ein neues Stück, 
„Fast ein Abenteuer“, aufgeführt, in welchem dem 
zlücklichen Bräutigam die erste Liebhaberrolle zufiel. 
Die Braut mit ihrer Mutter saß bei der Premiére 
in der Prosceniumsloge, und die Nähe der Geliebten 
rrug noch dazu bei, das Spiel des Künstlers zu 
beseelen. Am nächsten Morgen erhielt der Schau— 
pieler einen formellen Absagebrief seiner Braut 
nit der geharnischten Erklärung, es wäre ihr total 
uinmöglich,, zu vergessen, wie er dieselben Worte, 
degleitet von denselben Blicken und Geberden, wie 
chon so oft an sie, nun an eine Schauspielerin 
richten könne, und nun sei sie geneigt, auch die ihr 
zewidmeten Liebesworte für eine Komödie zu halten. 
Als sich der Künstler ein wenig von dem Eindrucke 
)es vernichtenden Schreibens erholt hatte, sandte er 
der jungen Miß eine Antwort, in welcher er sich 
dem Urtheilsspruche seiner Braut demüthig beugte, 
dabei jedoch das Ansuchen stellte, sie möge ihm das 
etzte Opfer bringen und heute Abend nochmals der 
Aufführung des neuen Stückes beiwohnen. Todten⸗ 
oleich saß das junge Mädchen in der Loge, warf 
aum einen einzigen Blick nach der Bühne, und 
als die große Liebesscene herannahte, da erhob sich 
der junge Schauspieler, der eben vor der Theater⸗ 
iebhaberin auf die Kniee gesunken, stellte sich ker— 
engrade vor die Rampe und rief ins Publikum: 
„Meine Herren und Damen! Ich bitte um Ver— 
eihung, allein ich liebe meine Braut Miß Rose 
Webster, so heiß und innig, daß ich außer Stande 
»in, Worte der Zärtlichkeit an ein anderes weib— 
iches Wesen zu richten!“ Der junge Künstler mußte 
ine bedeutende Strafsumme für sein Ertempore 
erlegen; dennoch wird Erinnerung an diesen Geid⸗— 
derlust die Seligkeit seiner Flitterwochen keinen 
Uugenblick getrübt haben, 
FGrisirstuben für Damen.) In Cin— 
cinnati gibt es seit einiger Zeit Barbier- beziehungs⸗ 
weise Frisirstuben für Damen. Was sie dort 
machen, all' die Jungen und Alten, die Brünetten 
und Blonden, die Modedame und die „Sales-Lady“, 
der Backfisch und das Schulmädchen? Sie lassen 
sich „Langtry⸗-Bangs“ schneiden. Seit einiger Zeit 
st es nämlich in Cincinnati Mode geworden, daß 
»ie Damen eine ganz eigenthümliche Sorte von 
Stirnfranzen tragen. Von beiden Seiten an der 
Schläfe werden drei Finger breite Strähne des 
daares abgeschnitten und dann bis in die Mitte 
des Kopfes hinein das Haar so zugestutzt, daß es 
dann an der Seite gescheitelt à 1Ia Wahnsinn mit 
den Fingern aufgewirbelt getragen werden kann. 
Das sind Langtry-Bangs, und da diese jetzt Mode 
und diese die absoluteste und uneingeschränkteste 
dZerrscherin des schönen Geschlechtes in Amerika 
ind die Frauen wiederum die absoluten Herrscher— 
nnen über die „Herren der Schöpfung“ sind, so 
ind die Langtry-Bangs augenblicklich allmächtig, 
und die höchsten Machthaber des Landes sind die 
harbiere, die es verstehen‘, Langtry-Bangs zu 
chhneiden, die „power hehind the throne“. 
Gemeinnütziges. 
(Verfahren zum Härten von Papppdeckel, 
velcher lackirt oder emailliert werden soll.) 
Das Verfahren bezweckt eine derartige Imprägnier— 
ing des Pappdeckels vor dem Lackiren ꝛc., daß der— 
elbe hart und fest wird und sich nicht verzieht, 
venn er der Feuchtigkeit ausgesetzt oder erhitzt wird, 
vie es zum Einbrennen des Lackes erforderlich ist. 
Die zum Inprägnieren dienende Masse besteht nach 
der Pap.⸗“Ztg. aus folgenden Ingredienzien: 1 T. 
Schellack in Alkohol gelöst, IT. rohes oder ge— 
rochtes Leinbb und 5—7 8g Zinkchlorit (als trockenes 
Pulver) auf jedes Liter der Masse. Die gründlich 
jemischte Masse wird mit Hülfe einer Bürste auf 
den Pappdeckel aufgetragen, oder der letztere wird 
in ein Bad von jener Flüssigkeit eingetaucht. Nach 
dem Trocknen wird der Pappdeckel mit Sandstein 
geglättet. 
(Ein sehr gutes Schmiermittel für Wagen 
ind Maschinen) ist das Ricinusöbl. Da es sehr 
ausgiebig ist und eine große Schmierkraft besitzt, 
'o kommt es auch verhältnißmäßig billig zu stehen, 
hilliger, als viele der käuflichen Schmiermittel, die 
man, um ihr Gewicht und Volumen zu vermehren, 
nur zu oft mit wmerthklosen Stoffen versetzt. 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Lemberg Friedrich Richard, 6 J. 
a., S. v. Fr. Hunsicker; in Karlsruhe Heinrich 
Gulde von Winzingen, 47 J. a.; in Eindd 
Wilhelm Brunner, 72 J. a.; in Kaiserslauutern 
Friedrich Fuch s, Glasermeister, 60 J. a.; in 
Frankentbeg Mereor⸗tha Reavnicor, 34 J. a. 
Marktberichte. 
Homburg, 14. November. (Fruchtmittelpreis und Viktu⸗ 
zlieninarkt. Weizen 9 M. 34 Pf. Korn 7 M. 89 Pf., 
Spelzkern — M. — Pf., Spelz 6 M. 10 Pf., Gerste 
dreihige O M. — Pf., Gecste 4reihige 7 M. — Pf., 
Hafer 6 M. 24 Pf., Mischfrucht 8 M. 17 Pf., Erbsen 
— M. — Pf., Wicken O. M. — Pf., Bohnen 0.M. 
— pf., Kleesamen — M. — Pf., Kornbrod 6 Pfund 
60 Pf. Gemischtbrod 6 Pfund 72 Pf. Ochsenfleisch — Pf. 
Rindfleisch 69 Pf., Kalbfleisch 530 Pf., Hammelfleisch — Pf. 
Schweinefleisch 60 Pf. Butter 1 Pfund O M. 95 Vif. 
startoffeln per Zentner 1 M. 50 Pi. 
Kaiserslautern, 13. Norbr. (Fruchtmittelpreis und 
Viktualienmarkt, Weizen 9 Mt. 28 Pf., Korn 7 M. 
30 Pf., Spelzkern — M. — Pf., Spelz6 M. 72 Pf., 
Berste 6 M. 80 Pf., Hafer 6 M. 63 Pf., Erbsen 9 M. 
— Pf. Wicken O M. — Pf. Linsen 18 M.67 Pf., Klee⸗ 
samen 561M. 75 vf., Schwarzbrode6 Pfund 74 Ppf., 
3 Pfd. 37 Pf., Gemischtbrod 3 Pfund 42 Pf. Butter pro 
Pfd. 1,05 -0,00 M. Eier 2 Stüdck 16 Pf., Kartoffeiun pro 
Zentner 1M. 70 bis 2 M. 20 Pf., Stroh 8 M. — Pf., 
Ais 3 M. 25 Pf., Heu pro Ctr. 3 M. O Pf., vis 83 M. 
50 Pf., Kleeheu 3 M. 50 Pf., bis 4 M. — Pf. 
Fur die Redaktion verantwortlich: æ X Demet,. 
Im Verlage von Otto Dreyer, Berlin W.., neu 
rschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen: Der 
geschulte Kaufmaun, von Alb. Seldins. 8. Aufl. 
30 Bogen 8. Preis 3 Mk. .-Dieses Buch ist keine Zu⸗ 
ammenstellung von kaufmännischen Formularen über Buch— 
ührung Soll und Haben, Wechselkunde ꝛc., sondern eine 
rebensschule sur den jungen Handelsbeflissenen. Es führt 
zenselden ein in das geistige Debet und Credit das Ge⸗ 
chäftslebens und soll ihn durch populairwissenschaftliche 
Ibhandlungen über seinen Beruf für seine Laufbahn vor⸗ 
wereiten — Als Geschenk sehr geeianet