St. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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Politische Schwerpunkte
Vor einer Reihe von Jahren war in Europa
nel von der Aufrechterhaltung des politischen Gleich⸗
ewichtes die Rede und wurden thatsächlich viele
jer damaligen Streitfragen vom Standpunkte des
oolitischen oder europäischen Gleichgewichtes aus
ehandelt. Wenn man aber auch nur auf Grund
ieser Gleichgewichispolitik jedem Staate sein glei⸗
—C
naßgebenden Mächten, zumal Frankreich, indessen
ar nicht ein das europäische Gleichgewicht faktisch
jelten zu lassen, sondern bis Sedan sollte immer
as französische Schwergewicht allein und natürlich
u Gunsten Frankreichs oder seiner Schützlinge ent⸗
cheiden. Damit ist nun aber durch die Gewalt
er Ereignisse gründlich aufgeraumt worden, sowohl
nit der pheasenhaften europäischen Gleichgewichts-
;olitik als auch mit dem eigenmächtigen ungerechten
-zchwergewichte einer einzelnen Großmacht und es
heint, als wenn sich die Dinge mehr und mehr
ach gesunden, natürlichen politischen Schwerpunkten
ntwickeln würden.
Der Meister und Protektor dieser Politik ist der
eutsche Reichskanzler und man kann wohl sagen,
aß er damit viel Unheil von unserem Erdtheile
bgewandt hat, indem er sich durch die natürlichen,
olitischen Schwerpunkte bei allen Streitfragen lei—
en ließ und weder in eine Zwietracht säende
Bleichmacherei, noch in eine Oberherrschaftspolitik
erfiel. Nach dem französischen Kriege war es da⸗
er des Fürsten Bismarck Bemühen die politischen
vchwerpunkte Europas zu einer Annäherung zu
ringen, und es entstand das Dreikaiserbündniß.
dies vermochte nun allerdings den folgenschweren
Drientkrieg, zu dem sich Rußland berechtigt und
erpflichtet glaubte, nicht fern zu halten, wohl
virkte aber dieses Bündniß so weit nach, daß aus
)em Orientkriege kein europäischer entstand und
or allen Dingen zwischen Rußland und Oesterreich
ine Verständigung auf der Balkanhalbinsel erzielt
vurde. Viel Murren und Klagen ist nun zwar
achträglich in den panslawistischen Kreisen über
ie angebliche Uebervortheilung oder Beeinträchtigung
ußlands auf der Balkanhalbinsel laut geworden,
iber der Lärm hat sich gelegt und der russische
kaiser und seine gegenwärtigen Berather haben es
iffen ausgefprochen, daß es die Interessen Ruß⸗
ands erheischen, mit Deuischland und Oesterreich
ute Beziehungen zu unterhalten und Fragen,
velche zweien oder allen drei Kaisermächten an—
ehen durch eine entgegenkommende Verständigung
u lösen. Man braucht auch offenbar nicht in die
heheimnisse der Diplomaten eingeweiht zu sein, um
iie Mission des russischen Ministers Herrn von
ʒiers, der erst in Varzin und Berlin und später
n Wien gewesen ist, als im Sinne der oben er⸗
ähnten Verständigungspolitik zu erklären. Ruß—
and muß sich eben von den beiden politischen
ẽchwerpunkten Berlin und Wien angezogen fühlen,
'enn in keiner anderen europäischen Hauptstadt
indet sie noch einmal in gleicher Stärke dieselben
ind ist man in Petersburg offenbar auch ganz von
)der französischen Alliance abgekommen, da in Paris
ein imponirender politischer Schwerpunkt sich zu
ilden vermag, sondern die Republik in jeder schwie—
igen Frage von einer Verlegenheit in die andere
allt, wie wir es in der famosen Prätendenfrage
esehen haben, wegen welcher das Cabinet Duclerc
n Paris stürzte und Herr Falliores sich einstweilen
uf die Bresche gestellt hat. wo er wohl auch bald
Samstag, 3. Februar 1883.
18. Jahrg.
jinsinken wird, denn länger als sechs Monate lebt
ehr selten ein französisches Ministerium und so—
ange sich dies nicht ändert und die französische
sepublik nicht mehr Ruhe und Weisheit zeigt,
vird auch Frankreich nicht als politischer Schwer⸗
yunkt in Betracht kommen.
samen Grenze sofort nach dem Tage der Kriegs—
erklääͤrung verwendbar. Nach unserem heutigen Modus
sind in einer reitenden Batterie, an welche man
die höchsten Anforderungen auf Schnelligkeit, Aus—
dauer und Manöverirfähigkeit stellt, nach der Mobil⸗
nachung sehr viel mehr rohe als gebildete Pferde.
Sollte Deutschland einmal isolirt gegen eine Coa⸗
lition von Großmächten kämpfen müssen, so hilft
uns gegen solche Fälle auch keine noch so ungemessene
einseitige Vermehrung der Artillerie; denn die Schlach⸗
ten müssen durch die Infanterie entschieden werden,
ind bei allem hervorragenden Antheil an deren
Schicksal kann die Artillerie allein keine Siege er⸗
echten. Sie muß deshalb in einem angemessenen
VBerhältniß zu den Hauptwaffen, zur Infanterie und
Cavalerie, stehen. Deren numerische Stärke steht
wiederum durch die allgemeine Wehrpflicht in be—
stimmter Beziehung zur Volkskraft, zur Bevölkerungs⸗
zahl, von deren Zunahme uns leider jährlich unbe⸗
auutzt ein großer Theil durch die Auswanderung ver—⸗
oren geht. So lange wir nicht mehr Infanterie
ind Cavallerie im Frieden schon aufstellen können,
st auch die Formirung neuer Friedensbatterieen weder
rothwendig noch von Vortheil. Doch auch in diesem
außersten Falle eines Krieges gegen eine Coalition
hne eigene Bundesgenossen braucht Deutschland nicht
zu verzagen, sondern kann erwarten, daß, gestützt
auf die großartigen Verkehrsmittel, welche der neueren
driegführung zu Gebote stehen, seine Armeen in
einer Weise verwendet werden, die auf der vollen
Höhe der Aufgabe steht, das Heiligste, das Vater—
and, gegen „eine Welt in Waffen“ zu vertheidigen.
Die Zaghaften mögen sich dann der Siege des
großen Friedrich, seiner kleinen Armee, der Zahl
ind der großeu Streitkräfte seiner Gegner erinnern!
Immerhin aber hoffen wir, daß es der deutschen
Staatskunst gelingen wird, auch ferner durch eigene
Coalitionen so maͤchtig da zu stehen, daß NRiemand
den Frieden zu brechen wage!
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 1. Febr. Der Minister des
Aeußeren Frhr. v. Crailsheim wird sich am
3. ds. Monats in der bereits viel besprochenen An⸗
gelegenheit einer einheitlichen Einführung der Posst⸗
werthzeichen nach Berlin begeben.
Berlin, 1. Febr. Die Interpellation Sonne⸗
mann in Sachen des Unglücks der Cimbria verlief
im Sande. Sonnemann brachte absolut nichts vor,
vas der Besprechung werth gewesen wäre, sein
Auftreten erwies sich als eine Popularitätshascherei,
die es nicht scheute, ein so tief erschütterndes na—
tionales Unglück für sich ausnützen zu wollen.
Minister Scholz ließ in seiner Antwort deutlich
jenug durchblicken, daß man den Zweck der Inter⸗
neslation durchschaue und einstimmig ging das
haus auf seinen Wunsch ein, keine Diskussion der
Interpellation eintreten zu lassen.
Berlin, 1. Febr. In der Budgetcommission
erklärte der Regierungsvertreter heute, daß noch in
dieser Session eine Vorlage betreffend' die Rüben—⸗
uuckersteuer eingebracht werde.
Berlin, 1. Febr. Fürst Bismarkk befindet
ich unwohl und wird auf mehrere Tage genöthigt
ein, das Bett zu hüten.
Zur Frage der Verlegung des Reichsgerichts
zach Berlin bringen die Berliner Polit. Nachr.
jeute die interessante Mittheilung, daß eine Eingabe
es Reichsgerichts an den Kanzler existire, in wel—
her gebeten wird, dem Reichsgericht die Entscheid
ingen zweiter Instanz in Patentsachen abzunehmen
veil in Leipzig das technische Material zur Beur—
heilung fehle.
Der Seniorenkonvent des Reichssstages be—
chloß, erst nach Erledigung des Etals, des Relicten⸗
gesetzes und der Verordnung wegen giftiger Farben,
wischen dem 12. und 15. Februar eine Vertagung
)es Reichstages eintreten zu lassen. Derselbe soll
noch vor Ostern wieder zusammentreten, wenn das
zreußische Abgeordnetenhaus die Geschäfte so zeitig
rledigt, daß noch 14 Tage bis Ostern übrig bleiben.
Die „Allg. Ztg.“ erörtert in einer Serie von
Artikeln die zuerst von der „Köln. Ztg.“ angeregte
deutsche Artilleriefrage und gelangt nach
ingehender Berücksichtigung aller in Betracht kom⸗
nenden Verhältnissen zu folgenden Schlüssen. So—
zald es sich um den Kampf Deutschlands mit einer
inzelnen der anderen Großmächte handelt, erscheint
nach keiner der in Frage kommenden Richtungen hin
ine Vermehrung der Friedenszahl unserer Batterieen
ils nothwendig oder wünschenswerth. Wollte man
m Interesse ihrer Schlagfertigkeit und Leistungs⸗
ähigkeit im Felde aber etwas Ersprießliches thun,
o würde es von großem Nutzen sein, die reitenden
Zatterieen schon im Frieden auf eine der mobilen
echt nahe kommenden Stärke von Mannschaften
ind Pferden zu setzen, so, daß sie alle sechs Geschütze
ind einen Theil der Munitionswagen bespannt hätten,
vie es bei der russischen reitenden Artillerie der Fall
st. Frankreich hat für seine ersten Cavalerie⸗Unter⸗
ehmungen sechs reitende Batterieen permanent mobil,
Neutschland dagegen nur drei solche an der gemein—
Ausland.
Von diplomatischer Seite wird dem Berl Tgbi.
in Bezug auf den Besuch des Herrn v. Giers
in Wien geschrieben: „In allen Fragen, welche
das frühere „Dreikaiserverhältniß“ streiften, verhielt
sich Graf Kalnoky reservirt — dem Fürsten Bis—
marcd in dieser Materie jede Initiative überlassend.
In allen anderen Fragen jedoch, welche Rußland
und Oesterreich- Ungarn ganz direkt betreffen, wurde
ein völliges Einvernehmen erzielt, vornehmlich in
der Donaufrage, wobei sich Rußland in der be—
kannten „Kilia“ Angelegenheit sehr nachgiebig zeigte.
Im französischen Ministerium des Inneren sind
einige Berichte von Präfecten aus den Westde⸗
partements eingetroffen, welche die Existen;
einer royalistischen Verschwörung be—
tätigen. Agenten des Königs, oder richtiger des
Henerols Charette, bearbeiten das Landvolk der
Bretagne und veranstalten Zusammenkünfte, die be⸗
onders an Markttagen häufig abgehalten werden.
Es wurden verschiedene bonapartistische Personlich-
keiten zu dieser Agitation verwendet, um den Glauben
zu verbreiten, daß Royalisten und Bonapartisten
zusammengingen. Bis jetzt beschränken sich die
Führer auf eine gewissermaßen platonische Agitation.
Die Präfecten wurden angewiesen, falls die Rohalisten
zu einer wirklich gefährlichen Agitation übergehen
ollten, die strengsten Maßregeln zu ergreifen.
New⸗Yort, 30. Jan. Der Tarif, nach
velchem die Dampfer⸗Gesellschaften zur Steuer für
die Auswandererbeförderung herangezogen werden.