Full text: St. Ingberter Anzeiger

zwinge, wie jener Mangel in der Justizorganisalions⸗ 4 
frage eine für die Stadt verhängnißvolle Rolle ge— 
spielt habe, des Weiteren, daß die Erleichterung 
der Erwerbung eines heutzutage unerläßlichen 
größeren Wissens entschieden zu den Kreisaufgaben 
gehöre, endlich, daß Donauwörth die einzige un— 
mittelbare Stadt ohne eine selbst in den kleinsten 
Städten und Orten befindliche Mittelschule sei und 
längeres Andauern dieses Mangels das Ansehen 
und Wohl der Stadt gefährde. Man solle nicht 
länger zögern, diese für Stadt wie Kreis fühlbare 
Lücke im schwäbischen Unterrichtsnetze endlich aus— 
zufüllen. 
PfälzischessSchwurgericht (4. Quar⸗ 
tal 1883.) 1) 3. Dezember, Vorm. 8 Uhr. 
Nerhaudlung gegen Margaretha Frech, 23 Jahr alt 
ledige Dienstmagd von Dudweiler, wegen Meineides. 
Verlreter der k. Staatsbehörde: Herr Staatsanwalt 
Wagner, Vertheidiger: Herr Rechtspraktikant Gießen. 
— 2) 3. Dezember, Vorm. 11 Uhr. Verhandlung 
gegen Georg Kramer, 28 Jahr alt, Eisendreher von 
Lachen, zuletzt in Zweibrücken, wegen Straßenraub; 
Vertreier der k. Staatsbehörde: Hr. Staatsanwalt 
Schneider, Vertheidiger: Herr Anwalt Rosenberger 
8) 4. Dezember, Vorm. 83 Uhr. Verhand⸗ 
lung gegen Audreas Schneider, 41 Jahr alt, Tag- 
ner von Ruppertsecken, wegen Brandstiftung; Ver— 
treter der k. Staatsbehörde: Hr. Staatsanwalt 
Wagner, Vertheidiger: Herr Rechtspraktikant Löwen⸗ 
berg. — 4) 4. Dezember, 3 Uhr Nachm. Verhand⸗ 
lung gegen Carl Simon, 20 Jahr alt, Tüncher 
von Kirchheimbolanden, wegen Verbrechens wider 
die Sittüchkeit. Vertreter der k. Staatsbehörde. 
Hr. Staatsanwalt Wagner, Vertheidiger: Herr An— 
wPpalt Löw. — 5) 5. Dezember, Vorm. 84 Uhr. 
Verhandlung gegen Elisabetha Müller, 30 Jahr 
alt, Ehefrau von Nikolaus Schmitt, Ackerer in Reh⸗ 
weiler, wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem 
Tode. Vertreter der k. Staatsbehörde: Herr Staats— 
anwalt Schneider, Vertheidiger: Herr Anwalt Geb— 
hart. — 6) 6. Dezember, Vorm. 8 Uhr. Ver— 
handlung gegen Georg Schwaab, 38 Jahr alt, 
Redakteur in Speyer, wegen Majestätsbeleidigung 
durch die Presse. Vertreter der k. Staatsbehörde: 
Hr. Staatsanwalt Petri, Vertheidiger: Herr Anwali 
GFebhart. — 7) 6. Dezember, Nachm. 8 Uhr. Ver⸗ 
handlung gegen Rosina Stier, 44 Jahr alt, ledig 
oͤhne Gewerde, von Rechtenbach, wegen Mords 
Vertreter der k. Staatsbehörde: Hr. Staatsanwalt 
Schneider, Vertheidiger: Herr Rechtspraktikant 
Mayer. — 8) 7. Dezember, Vorm. —A 
Verhandlung 1. gegen Susanna Thomas, 27 Jahre 
alt, Ehefrau von Georg Geibert, Bahnwart in 
Mutterstadt, 2. gegen Anna Margaretha Schlenz, 
55 Jahre alt, Ehefrau von Adam Christ, Tagner 
in Böhl, wegen Meineids. Vertreter der k. Staats— 
behoörde: Herr Staatsanwalt Wagner. Vertheidiger 
ad 1 Hert Anwalt Schuler, ad 2 Herr Rechts— 
praktikant Escales. — 9) 8. Dezember, Vorm 84 
uüuhr. Verhandlung gegen Johann Peter Kiefer 
24 Jahr alt, Tagner von Ehlingen, wegen Noth⸗ 
zuchtsversuchs. Vertreter der k. Staatsbehörde 
Hr. Staatsanwalt Schneider, Vertheidiger: Her— 
Rechtspraktikant Acker. — 10) 10. Dezember, Vorm 
81 Uhr. Verhandlung gegen Jakob Schlitthelm 
59 Jahr.alt, Dienstknecht von Gerolsheim, wegen 
Nothzuchtversuchs. Vertreter der k. Staatsbehörde 
Hr. Siaatsanwalt Wagner, Vertheidiger: Herr 
Rechtspraktikant Ziegenhain. — 11) 10. Dezember 
Nachm. 3 Uhr. Verhandlung gegen Nikolaus Man— 
derscheid, 89 Jahre alt, Tagner von Homburg, 
wegen Verbrechen wider die Sittlichkeit. Vertreter 
der k. Staatsbehörde: Herr Staatsanwalt Schneider, 
Vertheidiger: Herr Rechtspraktikant Schulz. 
— die Verkehrsmittel der Pfalz., 
so wird der Pf. L. C. geschrieben, erheischen eine 
Einrichtvng, deren sich Berlin und Frankfurt seit 
geraumer Zeit erfreuen. Es ist dies die „Eisen— 
dahn⸗Auskunfts⸗Stelle“ zur Erledigung 
von Aufragen aus dem Publikum. Ein jüngster 
Erlaß des preußischen Eisenbahn-Ministers ordnete 
den unmitielbaren Verkehr dieser Stelle mit allen 
preußischen Eisenbahn⸗ Direktionen und Betriebsämtern 
an. Auf diese Weise ist die Auskunfts-Stelle im 
Siande, auf jede Aufrage, die sie nicht gleich selbs' 
bescheiden kann, in der denkbar kürzesten Frist. oder, 
wie der Kaufmann sagt, „postwendend“ Bescheid 
—XXLD Diese Auskunfts— 
Stellen beziehen sich auf alles, was den Verkehr 
angeht. Der mit Shawl und Bädecker Reisende 
kann erfahren, wie er am zweckmäßigsten die Rund⸗ 
reise bis Palermo zusammenstellt. Der Großhandel 
tann erfahren, wo, für was und wie lange es Diffe⸗ 
rentialtarife nach Memel gibt u. s. w., u. s. w. 
Unsere Pfalz ist so lebhaft am Zwischenverkehr be⸗ 
theiligt und liefert selbst so viel Verg nügungsreisende 
und Güterfracht, daß eine Auskuunfts⸗Stelle, am 
besten wohl in Ludwigshafen, weil dort dieselbe 
mit den Ausschlußbahnen am umfassendsten zu⸗ 
sammenwirken könnte, ohne allen Zweifel den ganzen 
Tag über Arbeit erhalten würde. Das Bedurfniß 
aber wäre dann so sehr klar bewiesen, daß man 
nur eines nicht recht würde begreifen mögen: die 
Neuheit der Einrichtung. 
Vermischtes. 
F* Würzburg, 30. Nov. Gestern Abend 
hat sich ein dahier immatrikulirter Student S. aus 
unbekannten Gründen vergiftet. 
F (GDdie neueste Mode) In Ruürnderg 
rägt man jetzt vielfach vorn an der Kravatte statt 
iner gewöhnlichen Busennadel eine Edison'sche Glüh 
ampe. Den Knopf der Nadel bildet eine solche 
dampe, und da die betreffenden Herren in ihrer 
Tasche eine kleine Batterie bei sich haben, so ge⸗ 
aügt ein Fingerdruck, um das Lämpchen in das 
Bluͤhen zu bringen. Das Spielzeug kostet 36 Mi. () 
Sehr wackere Jäger liegen in Landshut 
in Garnison. Dreimal in einer Woche brannte es 
zefährlich in der Stadt und dreimal zeichneten sich 
die Jäger durch ihre Hilfeleistungen aus. Die stä— 
dische Behörde schickte ihnen zum Dank 100 Mark 
zamit sie sich etwas zu gute thäten. Die Jaäger 
chickten das Geld zurück und baten: gebt's den 
Urmen! 
Nachdem in Pappenheim der ebenso hoch⸗ 
jeborene, wie hochverschuldete Graf Ludwig zu Pap⸗ 
henheim am 2. August l. J. gestorben ist, kommi 
runmehr auch die über dessen Allodialvermögen ver⸗ 
jängte Gant in aller Kürze zur definiliven Erle⸗ 
digung. Einstweilen gelangte Ende vorigen Monats 
nach dem auf der Gerichtsschreiberee des k. Land⸗ 
gerichts Eichstätt offenliegenden Vertheilungsplan die 
debensversicherungspolice des verlebten Grafen Lud⸗ 
wig. bestehend nach Abzug der Kosten in 21388 M. 
in der Art zur Bertheilung an die Gläubiger, daß 
bei einer Gesammtschuldenmasse von — man höre! 
— 877638 Mtk. auf die Gläubiger — man höre 
— 2,43 Prozent ihrer Forderungen treffen. Ein 
weiterer Betrag, erübrigt durch die umfichtige Lei⸗— 
tung Seitens der gräfl. Domänial-Kanzlei und der 
Masse⸗Verwaltung, kommt ebenfalls demnächst zur 
dinausgabe an die Gläubiger. 
F Straßburg. Die Sammlungen für die 
hinterbliebenen des ermordeten Apothelers Lisen⸗ 
hJardt haben einen Betrag von 33,002. Ml. er⸗ 
geben. 
F Der „K. Zig.“ wird über die gegenwärtige 
rage der rheinischen Industrie berichtet: 
Waͤhrend die Berichte aus den Rheingegenden über 
»ie Lage der Roheisenindustrie nicht günstig lauten, 
vird über die dortigen Maschinenfabriken und Eisen⸗ 
zießereien mitgetheilt, daß dieselben fast ohne Aus⸗ 
iahme flott beschäftigt sind. Dasselbe gilt von den 
desseljchmieden. Die Maschinenbau⸗Aktiengesellschaft 
Humboldt“, hat gegenwärtig über tausend Arbeiter 
n Thätigkeit. Die dortige chemische Industrie er⸗ 
reut sich im allgemeinen fortdauernd einer günstigen 
Beschaäftslage. Erweiterungen und Reuanlagen in 
iesem Industriezweige sind auch im verflossenen 
ZQuartal wieder mehrfach entstanden. Die Schwarz⸗ 
zulverfabriken haben volle Beschäftigung, ebenso die 
Bleichfarbenfabriken. Die Tuchindustrie arbeitet nach 
vie vor unter günstigen Verhältnissen. Die bedeu⸗ 
enden Militärtuchlieferungen, welche in diesem 
Jahre in Auftrag gegeben sind, gewähren fur die 
rächste Zeit ausreichende Beschaftigung. Trotz des 
segenwärtig sehr niedrigen Preises der deutscheu 
dumpen hat die Kunstwoll⸗Industrie sich nicht gün— 
tiger gestaltet, was hauptsächlich der neuerlich auf⸗ 
jetretenen Konkurrenz aus dem Koͤnigreich Sachsen 
ugeschrieben wird. Die günstige Lage der Jute⸗ 
Industrie im Kreise Bonn hat keine Aenderung 
erfahren. Eine bedeutende Betriebserweiterung ist 
in einer der Jutefabriken für die nächste Zeit in 
Aussicht genommen. 
F Berlin, 29. Nob. Eine Jaguarhetze auf 
einem Berliner Bahnhof — das ist ein echt welt⸗ 
tädtisches Ereigniß, über das wir mit um so 
zrößerer Genugthuung berichten können, als es 
zöllig unblutig verlief. In den frühesten Morgen ⸗ 
tunden lief heute im Betriebsbureau des hiesigen 
hamburger Bahnhofs eine Depesche aus Hannover 
in, daß in dem als Gepäckwagen benutzten ge⸗ 
ichlossenen Güterwagen 1090 der Berlin⸗Hamburger 
xFisenbahn ein Raubthier sich aus dem Käfig los. 
zemacht habe und in dem Wagen umherlaufe. 
Das Zugpersonal des von Hamburg kommenden 
Zuges hatte in Hagenow Gepäck auszuladen; als 
die Leute aber den erwähnten Wagen öffneten, 
dierten ihnen die funkelnden Augen eines zum 
Sprunge bereiten Jaguars entgegen, und so hatten 
sie nichts Eiligeres zu thun, als die Thür schleunigst 
wieder zuzuschieben und das Betriebsamt Berlin 
bon der Ankunft des unliebsamen Passagiers zu 
benachrichtigen. Nach Ankunft des Zuges wurde 
der in Rede stehende Wagen alsbald nach dem 
Auslande-Geleise des Eilgut-Bahuhofs geschafft, 
und das zahlreich versammelte Bahnpersonal ver. 
suchte zunächst, auf irgend einem Wege die Aus- 
packung des Thieres zu bewerkstelligen. Sobald 
aber einer der Beamten die Schiebethür ein wenig 
öffnete, stürzte der Jaguar außs dem Hinter. 
grunde des Waggons nach dem lichtspendenden 
Thürspalt und versuchte, denselben mit seiner ge— 
valtigen Pranke zu erweitern, woran er indeß durch 
einige Stockschläge verhindert wurde, so daß er die 
Tatze zurückzog. In demselben Augenblick wurde 
auch die Thür wieder vorgeschoben und geschlossen. 
Da ohne „Sachverständige“ in dieser kitzlichen Si— 
tuation nicht wohl etwas anzufangen war, so wurde 
aunmehr nach dem Zoologischen Garten geschickt 
it der Bitte, einige Wärter und einen sicheren 
Käfig zur Stelle zu schaffen. Die Direktion des 
Gartens entsprach denn auch dieser Bitte und bald 
erschienen einige Raubthierwärter mit den nöthigen 
Beräthschaften. Ein ausbruchssicherer Käfig wurde 
mit aufgezogenem Fallgitter dicht an den Eisenbahn— 
vagen gestellt und dessen Schiebethür sodann ge— 
zffnet. Der Leopard verspürte indessen keine Lust, 
in den Käsig zu spaziren, er drückte sich vielmehr 
'n eine Ecke und wartete dort mit Gleichmuth der 
kntwickelung der Dinge. Da dieser passive Wider⸗ 
tand auf direktem Wege nicht zu brechen war, so 
mußte man in der Decke des Waggons größere 
Löcher durchstemmen — eine Prozedur, die, nebenbei 
bemerkt, 40 Mark Entschädigung kostet — und 
darauf von oben aus mittelst Eisenstangen die Bestie 
in den an der Thür aufgestellten Käfig treiben, 
»eine mühsame und langwierige Arbeit, die schließlich 
iber doch gelang. In dem Wagen befanden sich 
noch einige Käfige mit anderen Thieren, darunter 
einer mit zwei schwarzen Schafen ausländischer 
Race. Eines derselben wurde von dem Jaguar 
durch Tatzenhiebe verwundet. 
f Eine tragikomische Selbstmord— 
iffaire spielte jüngst in Berlin. Der Held des⸗ 
seloben ist der erst 19 Jahre zählende Handlungs⸗ 
diener Max H.....l. welcher seit dem 1. April 
d. J. in dem S.. schen Kolonialwaarengeschäft 
in der Schwerdterstraße in Berlin konditionirte, wo 
der schmucke Jüngling das seltene Glück genoß, von 
wei hübschen Köchinnen, einer jungen reichen 
Wittwe und einer Hauswirthstochter geliebt zu 
werden. Trotz dieser Ueberfülle von Anbetung hatte 
der Geliebte dennoch Raum genug in seinem Herzen 
für jene vier Damen, mit denen er, wenn sein 
Sonntag dran war, Berlins Theater und Concerte 
esuchte, wobei der in solchen Dingen sehr gewandte 
Ddandlungsbeflissene so glücklich operirte, daß ihm 
eine von den Vieren untreu wurde, trotzdem er 
tets nur eine derselben ausführte. Bald genug 
kam jedoch der Prinzipal dahinter, daß seine Kasse 
die Ausgänge des Kommis bestreiten mußte, und 
als er demselben am Dienstag den Lehrling des 
Heschäfts gegenüberstellte, der ihm die zu wieder⸗ 
holten Malen bei der Ladenkasse gemachten Anleihen 
auf den Kopf zusagte, da lief der Beschuldigte mit 
den Worten zum Hause hinaus, daß er seinen hier 
in der Weißenburgerstraße wohnhaften Onkel holen 
wolle, „der alles in Richtigkeit“ bringen werde. 
Anstatt aber zu seinem Verwandten zu gehen, war 
der so plötzlich aus allen Liebeshimmeln gerissene 
ommis in den Lagerkeller gegangen, woselbst ihn 
pat Abends der Prinzipal im tiefsten Schlaf vor⸗ 
fand. Dort lag er nämlich als der urtomischste 
aller Selbstmörder — neben sich ein ungeladenes 
Pistol, einige entleerte Rothweinflaschen und ein 
mit Bleistift geschriebener Zettel, an seinen Onkel 
gerichtet, warin der junge Mann feierlichst Abschied 
vom Leben nimmt, das ihm nur unglückliche Liebe 
und einen verfehlten Beruf gegeben, denn nachgerade 
habe ihn das „Häringe und Seife verkaufen“ an— 
geekelt. Als man den Berufsverfehler weckte und 
ihm mittheilte, das sich kein Mensch mit ungeladenen 
Histolen ins Jenseits befördern kann, fügie er sich