St. Ingherter Amziger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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A 242.
Dienstag, 11. Dezember 1883.
18. Jahrg.
Politische Uebersicht. I
Entschädigungen zugesprochen, in welchen die Ver—
inglückten zur Zeit ihres Todes vermöge
Hefetzes verpflichtet waren, die Hinterbliebenen zu
rnähren. Wenn z. B. die hinterbliebenen Kinder
ermöge ihres Allers und ihrer Gesundheit im
Ztande seien, sich selbst den Unterhalt zu erwerben.
o hätten sie überhaupt keinen Anspruch auf Ent⸗
hädigung wegen Verlustes ihrer Eltern. Diese
igorofse Auffassung stützt sich auf das Haft-
Fflichigesetz, aus welchem weiter abgeleitet wird,
zaß auch das Vorhandensein eines, wenn auch nicht
uf lange Zeit ausreichenden Vermögens des Hin⸗
erbliebenen die Entschädigungsverbindlichkeit der
zahnverwaltung ausschließt. Auffallend ist, daß
das Landgericht Karlsruhe die Behauptung der
kläger weiter nicht beachtet hat, worüber in der
»auptberhandlung vorzugsweise die Vorträge der
zertreter sich ergingen, daß nämlich die Entschä⸗
igungsverbindlichkeit der Bahnverwaltung auch auf
zahrlässigkeit im Bahnbetrieb und besonders bei
er Abfertigung und Führung des Unglückszuges
lestützt werde. Das Landgericht hat selbst die Er⸗
jebung der Akten der Strafkammer Freiburg und
der Alten über die Disziplinaruntersuchung gegen
die Führer jenes Zuges abgelehnt. Es ist nicht
inzunehmen, daß die Kläger sich dei dieser Ent—
cheidung beruhigen werden; es wäre aber dringend
u wünschen, daß durch enisprechendes Entgegen⸗
ommen der großherzoglichen Generaldirektion gegen⸗
iber den unglücklichen Hinterbliebenen, welche ihrer⸗
eits sich ebenfalls einer möglichsten Mäßigung ihret
Ansprüche befleißigen sollten, eine gütliche Er—
edigung der Prozesse erzielt würde, durch welche
die schmerzliche Erinnerung an jene Schreckensnacht
»om 3. September 1882 immer wieder aufge—⸗
crrischt wird. (Str. P.)
Der Kultusmiuister, Herr v. Goßler, ist
orgestern fruh vom Reichskanzler aus Friedrichs⸗
uh zurüchgekehrt und schon vorgestern Nachmittag
) Uhr 30 Minuten ging ein Courier mit wichtigen
Aktenstücken nach Rom, zu dem preußischen Ge⸗
andten am Varikan, Herrn v. Schlözer. Depeschen
ind Briefe vom Auswärtigen Amt an den Kron⸗
zrinzen gehen heute dirett nach Barcelona ab
diese Eile bezieht sich, wie wir hören, auf die
Wohnungsfrage. Die Veröoffentlichung der Nach⸗
ticht von dem Besuche des Kronprinzen in Rom
am sehr ungelegen, da sie erst bei der Ankunfi
des Kronprinzen in Genua bekannt gemacht werden
ollte. Moglicherweise dürfte sich nun Herc v.
goßler auch nach Genua begeben.
Das Gerücht von einer Dreikaiserzusam⸗
menkunft taucht wieder einmal auf und zwar
n einer Berliner Meldung des Standard. Die
Zusammenkunft soll eine Frucht der zwischen dem
eutschen Reichslanzler und Herrn v. Giers jüngst
epflogenen Unterhandlungen sein, durch welche wie⸗
jer ausgezeichnete Beziehungen zwischen Deutschland
md Rußland herbeigeführt wurden. Aus dem
Vesen des deutsch⸗dofterreichischen Bundes fließe es
ls natürliche Folge hervor, daß der Kaiser von
Desterreich an einer Zusammenkunft der Kaiser von
dußland und Deuischland theilnehme. Die Anwesen⸗
seit des deutschen Botschafters am Wiener Hofe,
es Fürsten von Reuß, in Berlin hänge mit dieser
Ungelegenheit zusammen. Soweit der Standard.
die Meldung hat aber keinen größeren Anspruch
juf Beachtung, als jene früheren Gerüchte, welche
n diesem Sommer über eine Znusammenkunft der
daiser von Deutschland und Rußland umliefen.
gerade die Thatsache, daß unsere Beziehungen zu
Rußland seit dem Besuche des Herrn v. Giers in
Berlin und Friedrichsruhe unstreitig freundlichere
geworden sind, entzieht einer Kaiserzusammenkunft
ede Unterlage und auch ein äußerer Anlaß dazu
ist nicht abzusehen.
Ausland.
Mom, 9. Dez. Der Besuch des Kronprinzen
beim italienischen Hofe wird jetzt offiziell für den
17. Dezember angezeigt. Ein nachheriger Besuch
v„eim Papst gilt als beschlossen.
Rom, 10. Dezbr. Das offiziöse Journal
Stampa“ schreibt: Der deutsche Kronprinz könne
einer Befriedigung über den enthusiastischen Em⸗
ofang in Genua nicht besser Ausdruck geben, als
daß er nach Rom lomme, um den König und das
Volk zu begrüßen, die ihm anläßlich des Todes
VBiktor Emanuels so viele Beweise der Sympathie
und Freundschaft gegeben haben. „Diritto“ hebt
hervor, der Besuch des Kronprinzen erfolge im Namen
ind Auftrag seines kaiserlichen Vaters. „Bersag-
üeri“ sagt: Der Besuch des Kronprinzen beim
önige fei die Haupisache, der Besuch desselben bei
dem Papste, der erst nach dem Besuche bei dem
önige stattfinde, trele in die zweite Stelle zurück.
Der parlamentarische Skandal, welcher sich am
s. Dezember im Corridor der italienischen
Zammer abspielte und anderen Tages zu dem bluti⸗
gen Säbelduell zwischen dem heißblütigen Linken⸗
sührer Nicotera und dem Generalsekretär im Mini—⸗
terium des Innern und Abgeordneten Lovito führte,
hat jetzt sein Opfer gefordert. Ein Telegramm aus
Rom meldet uns, daß Lovito um seine Entlassung
gebeten und dieselbe erhalten hat. Man erinnert
fich, daß Nicoteras Wuth über Lovito daher kam,
weil letzterer dem Verfasser einer Schmähschrift, in
welcher der sonst als rechtlicher und ehrenwerther
Mann bekannte Nicotera wie ein Lump und Dieb
hingestellt wurde, zu einem Orden und dessen Vater
zu einer Anslellung verholfen hatte. Die Regier⸗
ungsblätter versuchten anfangs, Lovito von der Be⸗
schuldigung, seine Haände dabei im Spiel gehabt zu
zaben, weiß zu waschen, der Versuch muß aber
nicht geglückt sein, sonst würde Depretis seinen
Beneralsektretär nicht der Linken als Opfer preisge⸗
geben haben.
Sevilla, 8. Dezbr. „Fern im Süd ldas
chöne Spanien!“ Hier in der Hauptstadt Anda⸗
iusiens hat man ein volles Recht, dieses Lied
xFmanuel Geibels zu singen. Wunderbar fruchtbare
Felder und Auen erstreden sich bis an die Thore
der Stadt, die von außen her einen ungemein
jauberen Eindruck macht. Der charakteristische
Brundzug der Stadt ist die Pracht der arabischen
Baukunst. Die blendend weißen, mit flachen Dächern
und Balkons versehenen, zweistöckigen Häuser haben
im Innern den von den Wohnräumen umgebenen
Juadratischen Patio“, um welchen sich ringsum
ine Galetie mit Blumen und Orangen zieht. Oft
hefinden sich in dem „Patio“, Fontainen mit zier⸗
lichstem Saäulenwerk. Ueberall, auf den Straßen
und aus den Häusern blicken uns freundliche
Menschen, schöne, festlich gekleidete Frauen entgegen.
Alle Platze, daruuter besonders der Platz von San
yrancisco und die Hauptstraße, sind mit buntge⸗
chmückten Menschen erfüllt. Das Leben war um
so lebendiger, ais heute ein hoher katholischer Fest⸗
lag war. Das Wetter war bei etwa 10 Grad
Wärme außerordentlich angenehm. Leider wird bei
dem so kurz bemessenen Aufenthalt des Kronprinzen
in Sevilla die Besichtigung sich auf die hervor⸗
ragendsten Denkmaäler der Baukunst beschränken
Deuisches Reich.
Die Frage der Ausfuhr-Vergütung des
Malz⸗Aufschlags interessirt allerdings in hohem
Hrade. Es wurden in der Pfalz im Jahr 1878
rusgeführt 59, 000, im Jahr 1879 rund 59,500,
agegen 1880 bereits 101,000, im darauffolgen⸗
Jen Jahre 107,000 und im vorigen Jahre sogar
14,000 Hektoliter Bier. Die Ausfuhr aus dem
zanzen Königreich betrug im vorigen Jahre rund
Miillion Hektoliter. Die Pfalz nimmt also her⸗
orragenden, man kann sagen, von Stunde zu
Stunde wachsenden Antheil an dieser Produktion.
Wenn darum die Absicht bestehen sollte, die Rück—
»ergütung von 2 Mk. 60 Pf. auf 1 Ml. 60 Pf.,
Iso auf den Sat zurückzuschrauben, welcher vor
»er Erhöhung des Malzaufschlags bestanden hat, so
jaben in der That unsere Vertreter im Landtag
inen sehr rühmlich anzuerkennenden Beschluß gefaßt,
ndem sie sich dahin einigten, ihren vollen Einfluß
u Gunsten der Erhaltung des Satzes zum Min⸗
esten auf einer annähernd gleichen Höhe, wie
etzt, — einzusetzen. (Pf. L. C.)
Aus München, 9. Dez. wird der Pf. L. C.
eschrieben: Nach Berichten, die hieher gelangten,
serrscht in der Psalz ewas Verwunderung, daß
as Anliegen wegen des Kohlentarifs noch
nicht weiter gefördert erscheint, als his zu den „gün⸗
ligen Aussichten“. Hierzu ist jedoch zu erinuern,
aß es wünschenswerth erscheinen mußte, jene Frage
cst in Verbindung mit dem Etat der pfälzischen
eisenbahnen zu berathen. damit alle dabei Interes⸗
rien billigerweise ihren Standpunkt genügend dar⸗
egen können. Das Referat über die Petition selbst,
velche demnach nicht im Petitions⸗Ausschuß, sondern
m Finanz⸗Ausschuß zum Austrag kommen wird,
t Herrn Dr. von Schauß überwiesen. Inzwischen
estaͤtigt sich Ihre jüngste Meldung, daß die Re⸗
zierung den in der Petition dargelegten Sachver⸗
jalt als vollkommen richtig anerkennt. Es hat auch
nicht den Anschein, als ob in der Kammer dieser
ußerordentliche Status der Kohlentarifirung in
Unsehung der pfälzischen Interessen irgend mißdeu⸗
et werde. Nur wird in der Form der Abhilfe
noglicherweise ein anderer, als der vorgeschlagene
Weg zu betreten sein.
Der Cultus-Etat wird voraussichtlich an
nesem Donnerssstag an den Kammer⸗Ausschuß ge⸗
angen. Damit werden die parlamentarischen Ver⸗
andlungen in München auch außerhalb der baye⸗
ischen Grenzpfähle wesentlich an Interefse gewinnen.
die sonstigen Geschäfte des Landtags werden fich
n der allernächsten Zeit, alles vor Neujahr, noch
us der provisorischen Steuergesetzgebung
ind der Beraihung des Eisenbahn-Etats
usammensetzen. Die Hauptaufgabe des Finanz
usschusses besteht nunmehr in der Durcharbeitung
»es Etais der Post- und Telegraphen⸗Ver⸗
valtung. womit am nächsten Montag begonnen
verden sou. — Die Anträge des Referenten Gun⸗
enhäuser zum Gesetz wegen der Landescultur⸗
Kentenbank find fertig gestellt. Der Behand⸗
ung des Gegenstandes steht nichts mehr im Wege.
(Pf. L. C.)
Die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe
uuf die Entjchädigungsklagen einer Anzahl von
pugstettener Verunglückten a durchweg zu Ungunsten
er letztern ausgefällen. Das Gericht hat einfach
en Standpunkt der badischen Generaldirektion an⸗
ruommen und nur in den Fällen äußerst geringe