St. Ingherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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420 ⸗Zustellungsgebüuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfaltz 10 Q, bei außerpfalzischen und solchen
auf welche die Erpedition Auskunst ertheilt, 13 ⸗, bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.
A 250.
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Sonntag, 23. Dezember 1883. 18. Jahrg.
iti das Feuer unter dem Kessel, und als der Vater
VPolitische Ueberficht. nach einer halben Stunde nachsehen wollte, fand
Deutsches Reich. er dieselbe mit förmlich gebratenem Körper todt vor
Berlin, 20. Dez. (Unfall des russischen dem Kessel auf dem Boden liegen. Wahrscheinlich
aisers.) Bei dem hiesigen russischen Botschafter ist fingen die Kleider der Verunglüctten Feuer und fand
heute Vormittag die Nachricht eingegangen, daß dieselbe hierdurch den Tod.
Kaiser Alexander, als er zur Jagd fuhr, aus dem 8Blieskastel, 21. Dez. Die Theaterge⸗
Schlitten, dessen Pferd scheu geworden war, gee ellschaft „Schroth“ hat hier bereits drei Vor
schleudert wurde und dabei eine Verletzung der tellungen gegeben, welche jedes Mal ein recht
rechten Schulter erlitien hat. Die Verletzung soll ahlreiches Publikum herbeilodten. Das gestern
jedoch nicht gefährlich sein. Die Nachricht wurde Abend zur Aufführung gelangte Stüch Dr. Klaus“
alsbald unserem Kaiser übermittelt. zat die Aufmerksamkeit der Zuhbrer bis zum letten
Berlim, 21. Dez. Die Nordd. Allg. Zig. sagt, Augenblicke gefesselt. Vor allem gefiel Herr
oer Besuch des Kronprinzen beim Papste hat unter OAppel, der bis jett jedes Mal seine Rolle am
den feierlichen und erfreulichen Bedingungen statt- jelungensten spielte. Auf den ersten Weihnachts-
zefunden, welche vorauszusehen waren. Selbstver- Liertag ist eine Kindervorstellung angelundigt, der
ftändlich ließ der Kronprinz unmittelbar nach seiner vir einen recht zahlreichen Besuch wünschen.
Ankunst in Rom durch den preußischen Gesandten — Kaiferslautern, 19. Dez. Das Bud⸗
von Schlözer sich beim Papfte anmelden und jet der Stadt für 1884 ist gestern don der Ge—
ꝛbenso selbstverständlich empfing der Papft darauf Reindevertretung einstimmig beschlossen worden.
den hohen Gast in feierlicher und herzlichet Weise. die gewöhnlichen Auzgaben beziffern sich nun auf
Begenüber den vielfach unrichtigen and unvollstan- 348,504 Mi. 84 Ppfg; die außerordentlichen auf
digen Zeitungsberichten über jenes Zusammentreffen 348,630 Mti.; die ordentlichen Einnahmen auf
reproduzirt alsdann die Norddeutsche den Bericht 348, 188 Mi. 61 Pfg. die außerordentlichen auf
des Osserdatore als den allein richtigen und voll- 349,087 Mk. 83 Pfg. Zu den ordentlichen Ein⸗
ständigen, aus welchem hervorgeht, daß die Dauer nahmen gehört das Ergebniß einer Umlage von 91
der Unterredung ewa eine Stunde war. »Ct. der Staatssteuern, nämlich 183,700 M., zu
Ausland. den außerordentlichen weitere 24 pCt., nämlich
Paris, 20. Dez. Der Senat hat heute die 18,000 Mt. Insgesammt werden also 115 pCt.
ur Tonkin verlangten Kredite von 9 und 20 Mill. oder 10 pCt. mehr als in diesem Jahre erhoden.
mit 215 gegen 6 Stimmen bewilligt. Minister- Fine wesentliche Abweichung vom diesjahrigen Bud⸗
president Ferry theilte mit, daß der Angriff auf jet weist das nächstjährige nur in den auüßkrordent⸗
Songtay unmittelbar bevorstehe. ichen Ausgaben bei dem Capitel „Oeffentliche Ar⸗
Paris, 20. Dez. Die erste Truppensendung »eiten“ auf. Dort werden 324,750 Mk. (gegen
bon 3000 Mann mii den Generalen Millot, Ne- 278,775 Mtk. in diesem Jahre) gefordert. Die
grier und Bridre de l'Isle geht am 23. Dezember Vollendung des Schlachthaus- Neubaues (160,000
nach Tongking ab, die zweile Sendung von 3200 It.), der Turnhalle (18,000 Mi.) und die Er⸗
Mann folgt am 10. Januar. euerung der Fruchthalle (24.000 Mk.) bilden das
Paris, 21. Dez. Eine Depesche Courbet's daupterforderniß davon.
jagt, bei dem Angriff auf die außeren Werke von — Landau, 19. Dez. Der gestern in Kon⸗
Songtay seien franzosischer seits drei Offiziere ge⸗ urs erllärte Kürschner Johann Brüderle hier
fallen und etwa zehn verwundet, sowie 70 Solda⸗ vurde gestern Abend in Haft genommen, weil die
hen getödtet und 170 verwundet worden. Vermuthung nahe liegt, daß er fich eines betrüge⸗
Rtom, 21. Dez. Der sKronprinz ist um ischen Bankerotts schuldig gemacht hat. (CE. A.)
Mitternacht abgereist. Der König vor Italien, — Frankenthal, 18. Dez. Die Mann⸗
die Minister und die Behörden waren am Bahnhof jeimer Sozialdemokraten machten am 5. August d.
mwesend. Eine zahlreiche Vollsmenge begrüßte J. einen Ausflug nach Speyer und amüsirten sich
den Kronprinzen enthusiastisch. »ort auf dem Schultz'schen Bierkeller. Ein 41
New⸗NYork, 20. Dez. Dem New-Pork He⸗ Jahre alter Schuster Appel von Mannheim, ein
rald wird aus Hongkong unterm 20. d. M. ge⸗ rüherer Komiler, wurde dort von verschiedenen Be⸗
neldet: Die Franzosen nahmen die hauptsächlichsten, annten aufgefordert, auch sein Theil zur allgemeinen
n fünf defeftigten Dorfern bestehenden Vorposten Anterhaltung beizutragen und gab diesem Wunsche
Songtay's nach harinäckigem Widerstand; der Ver- jluch Folge, indem er ein der Amtstracht der
lust der Fraazosen wird auf 200 Mann und 15 orotest. Geistlichen ähnliches Kostüm anlegte, ein
Iffiziere Todte und Verwundete angegeben. Von Gbarret aufsetzte, ein Buch in die Hand nahm und
Courbet's Truppen waren nur 4060 Mann bei ꝛine in den Normen der protest. Kirchenpredigt ge⸗
dem Gefechte beiheiligt, die übrigen 3000 Mann haltene Bierpredigt vortrug, deren Inhalt übrigens
bildeten die Reserve. Die Chinesen hielten die völlig harmlos war. Dadurch hat sich aber Appel
Festung besetzt. Der Sturm auf dieselbe vom Lande ines Vergehens gegen 8 166 des R.⸗Str.G.B.
und von der See war auf den 17. d. M. festgesetzt. chuldig gemacht und wurde dafür heute von der
— Strafkammer des k. Landgerichts hier zu 3 Tagen
Befängniß verurkheilt.
Man verabreichte den Sträflingen anstait Schmalz
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erbillert stürzten die Sträflinge eines Tages in die
Zuüche, prügelien die beiden Köoche durch und warfen
sie in den Hof. — Es ist unbegreiflich, wie es
nach solchen Vorgängen noch Leute geben kann,
welche behaupien, in den Zuchthäusern gehe es den
Straͤflingen zu gut. Wer da bedenkt, daß das
kssen nicht allzu reichlich bemessen ist, daß dasselbe
jon erschreckender Eintdnigkeit ist, daß die größte
Delikatesse in dem allwöchentlich einmal verabreich⸗
ten Drittheil eines — Herings besteht, der wird
ꝛine solche Behauptung nicht aufstellen kͤnnen, es
ei denn, er stelle die Thatsachen auf den Kopf.
Dazu das Essen noch schlecht zubereitet,“ statt
Schmulz — Schmiere, wahrlich, nach dem „guten
deben im Zuchthause braucht sich Niemand zu sehnen.
F Koaln, 20. Dez. Heute Mittag ist bei
dem Bahnhof Gereon eine Maschine auf die Loks⸗
motive von dem Crefelder Personenzug gestoßen;
3. Beamten wurden getödtet, einer leicht verleßt,
Passagiere wurden nicht verlezt.
4Bautzen, 18. Dez. Der „B. B.“ wird
don hier geschrieben: Ein durch die „humanen“
Hesetze des 19. Jahrhunderts zum „Vagabunden“
gestempelter Ungluͤcklicher stand dieser Tage vor der
hiefigen Strafkammer. Johann Kloßz weiß nicht,
wann er geboren ist, wo er geboren ist, wer seine
Eltern waren, welcher Religion er angehört. Man
dernehme seine Leidensgeschichee: Seine Mutter
tarb früh, es war eine hecrumziehende Schauspielerin.
Der Junge arbeite bei einem Zimmermannn, einem
Abdecker, aber nie lange Zeit, weil stets die Polizei
lam und Legitimationen verlangte, die er nicht be⸗
aß. Jede Gemeinde, sich vor der Unterstüßung
ürchtend, jagte den Burschen über ihr Weichbild
— fie hatte ja Schule und Kostgeld bezahlen müssen.
Die Polizei hetzte ihn, den ausweislosen Flüchtling,
zurch. ganz Mitteleuropal! Die Schweiz schickte
ihn per Schub nach Bayern, dieses nach Preußen.
Der Bursche war mittlerweile ein Mann geworden,
er konnie nicht lesen, nicht schreiben, hatte nichts
zelernt. Von Preußen wieder per Schub nach
Desterreich, von da nach Rußland „abgeschafft.“
VBon dort wieder nach Preußen „verschickt“. End⸗
ich thaten sich in Liegnitz die Pforten des Zucht⸗
hJauses für den halb zu Tode gehehten Menschen
nuf. Er fühlte sich wie im Himmel. Endlich ein
Obdach, leidliches Essen — keine Polizei, keinen
Schub. Die Strafzeit verging, Kloß wurde ent⸗
assen. Sofort präsentitte man ihm den Befehl
des Regierungspräsidenten, daß er unverweilt nach
Desterreich abzuschieben sei. Das geschah auch
prompt. — — Im September wurde bei Bischofs⸗
werda in Sachsen ein Bettler ohne Legitimation
derhaftet, es war Klotz. Es erfolgte seine Verur⸗
theilung wegen verbotswidriger Rückkehr nach Sach⸗
sen und Vagabondage! Selbst die Richter konnten
sich des Mitleids nicht erwehren, als Kloß weinend
angab, er sei ja nur nach Deutschland zurückge⸗
kommen, um endlich einmal zu erfahren, wo er
denn eigentlich hingehen soll. Hat Klotß seine Strafe
im Bautzener Landgerichtsgefängniß verbüßt, was
wird dann ?? Wird ihn die Verwaltungsbehörde
wieder „abschieben“ und wohin? Nimmt sich nie⸗
mand des Heimathlosen an?
f London, 20. Dez. Nach einer bei dem
Lloyd eingangenen Depesche wurde ein Theil der
Mannschaft des verbrannten Postdampfers San
Augustin“ von der englischen Brigg Vennine“ in
Forunna qelandet
Lokale und pfiäszische Nachrichten.
— R. Im Rebiere Kirkel wurde dieser Tage
eine Eiche gefällt, deren Stamm 1,50 m mittlern
Durchmesser hat und 22 Cm. Holz liefert. Gewiß
brausten schon mehrere Jahrhunderte die Stürme
durch deren Aeste.
—AR. Neuhäusel, 21. Dez. Gestern Nach⸗
nittag verunglückte die 28 Jahre alte Tochter des
Ackerers Ludwig Schwarz von hier auf gräßliche
Weise. Dieselbe schürte nämlich in der Futterküche
Vermischtes.
Bayreuth. Der „B. Vztg.“ wird von
sier geschrieben: Gegen 80 Sträflinge des Zucht⸗
jauses Plassen burg bei Cronach standen wegen
ger s. Z. dort erfolgten Revolte vor der hiesigen
ztraflammer. Viele wurden freigesprochen, einige
rhielten Gefängnißstrafen von 4—*Jahr.
Die Revol te war wegen ungenießbarer Kost erfolqgt