Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
— — 
Der St. Ingberter Anzeiger? erscheint wbchentlich füufmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mäl wöchentlich mit Unterhaltungs 
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A⸗ 252. J Donnerstag, 27. Dezember 1883. 
18. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
In einzelnen Blättern taucht wieder die 
„Reichs⸗Eisenbahn⸗Idee“ auf. Ein. Mun⸗ 
hener Brief der Köln. Ztg. streift insbesondere 
die Möglichkeit eines Verkaufs der Pfälzischen 
kisenbahnen, deren Käufer jedenfalls der Staat 
Bayern nicht sein würde. Briefe aus München 
an die Nordd. Allg. Ztg. gaben jüngst sogar der 
bayerischen Staatsregierung zu bedenken, ob sie 
selbst nicht schleunigst die Frage in Fluß bringen 
müsse; — und weniger sorgfältig arbeitende Re— 
daktionen außerhalb Boyerns reimen sich nun zu⸗ 
sammen, wie dies uns das „nächstens“ geschehen 
werde u. s. w. Auch die Reise des württemberg⸗ 
ischen Ministerpräsidenten nach Friedrichsruh voll 
der Reichseisenbahn-Idee gegolten haben und för⸗ 
derlich gewesen sein Zu alledem ist nur soviel 
zu sagen, daß ein Uebergang der einzelnen Staats⸗ 
bahn⸗Netze in Reichsbesitz durch keinerlei wirthschaft⸗ 
liche Nothwendigkeit gefordert wird, daß Preußen 
selbst dies gar nicht wünschen kann, und daß nur 
ein Bundes-Regulativ mit bestimmten Tarifnormen 
jäglich als größeres Bedürfniß empfunden, und 
jedenfalls auch aufgerichtet wird, wenn die Ver— 
taatlichungs⸗Aktion Preußen vollbracht ist. Was 
aber Herrn von Mittnacht's Besuch bei dem Fürsten 
Bismarck betrifft, so gehört schon viel Oberflächlich⸗ 
keit dazu, denselben mit einer Veräußerung der 
einzelstaatlichen Hoheit über die Bahnen in Ver— 
bindung zu bringen. Wer den Schwaben kennt, 
ja, wer ihn nur gelegentlich seiner Haltung in der 
bekannten halberledigten „Briefmarken- und Post⸗ 
kartenfrage“ beiläufig beobachtet hat, mußte sich 
sagen, daß Herr von Mittnacht lediglich fich nun 
ein Ansehen und seine Stellung in Württemberg brin⸗ 
gen könnte, wenn er den eiferfüchtigen Besitzerstolz der 
Schwaben auf ihre Bahnen herausfordern wollte. 
„Die Württemberger Post muß württembergisch 
pleiben,“ rief groß und klein, als nur die Post⸗ 
larten mit bezahlter Antwort mit besonderen, für's 
ganze Reich giltigen Marken versehen werden sollten. 
Das parnikularistische Lärmen möchten wir hören, 
wenn die Schwaben ihre Eisenbahnen hergeben 
müßten. (Pf. L. C.) 
Berlin, 26. Dez. Der Cardinal Fürst Hohen⸗ 
lohe wurde gestern Abend von Majestäten empfan⸗ 
gen und von denselben zum Thee geladen. 
Ausland. 
(Franuzsfische Hetzereien.) Aus Paris 
wird der Vossischen Zeitung gemeldet: Die Blät— 
ter begingen einen heftigen Feldzug gegen die „per⸗ 
fide“, „unloyale“ ꝛc. Concurrenz der deutschen 
Spielwaaren-Industrie und geben ihren Lesern 
chlaue Merkzeichen an, mit deren Hilfe sie den 
Ankauf deutscher Artikel vermeiden können. Billig⸗ 
eit wäre das erfte dieser Merkzeichen. 
Besetzung Sontays. GEnglische Zeitungs⸗ 
elegramme konstatiren, daß die Soldaten bei Be—⸗ 
etzung Sontays, erbittert durch den Anblick acht 
enthaupteter Turkosleichen, alles niedermachten nund 
keinen Vardon acwöbrten 
inmitielbar im Hausgange sich befindet, vergessen 
uzumachen. Seine Frau, welche in diesem Mo— 
nent durch den Gang gehen wollte, nicht ahnend, 
»aß die Fallthür offen ist und überhaupt gar nicht 
wissend, daß ihr Mann sich in dem Keller befindet, 
ftürzte in Ermangelung von Beleuchtung derart in 
den Kellerraum, daß sie nach Verlauf von 2 Stun⸗ 
zen ihren Geift aufgab. Pf. Bztg.) 
— Speyer, 22. Dez. Bei der heute statt⸗ 
tattgehabten Verloosung der pfälzischen Aussteuer⸗ 
Anftalt wurden folgende Nummern gezogen: 778 
Bewinnerin: Louise Schlegel in Landau; 375, 
Frieda Hoffmann in Zweibrücken; 178, Lina Weis 
n Pirmasens; 667, Joh. Schmitt in Landstuhl; 
)69. Marie Köchler in Landstuhl; 374, Auguste 
Zchmidtborn in Zweibrücken; 1197, Marie VLouise 
Becker in Zweibrücken; 516, Wilh. Jak. Redel⸗ 
berger in Lautzkirchen; 627, Heinr. Niederhöfer in 
Edenkoben; 1245, Max Wolff in Böchingen: 318, 
Rosa Stolter in Montbijou. 
— Die „Pf. Zig.“ bringt folgende gelungene 
Satyre auf die in gewissen Kreisen herrschende 
Sucht, durch möglichst ausgiebigen Gebrauch von 
Fremdwörtern sich ein gewisses gelehrtes Ansehen 
zu verleihen. Ein junger Vorderpfälzer bemerkt 
deim Anblick eines den Winter über auf dem Felde 
tehen gebliebenen rostigen Pfluges: „Solche Uten⸗ 
ilien in dieser Saison der Atmosphäre und dadurch 
»em Oxidirungsprozeß zu exponiren, ist bei uns zu 
dause nicht Usus.“ Darauf entgegnet der Corre— 
pondent der „Pf. Z.“: Realiter mag diese Expek— 
oration im Rechte sein, aber formaliter muß doch 
zegen dieselbe durch eine Marginalglosse coram 
dublico protestirt und diese Enunziation umsomehr 
derhorreszirt werden, als dieselbe dem Munde eines 
in der Elementarschule als Expektant intermmistisch 
olazirten Seminarabiturienten entstammt und im 
hinblick auf den Autor aus diesem exorbitanten 
Dictum consequenterweise das Factum resultirt, daß 
die so sympathisch acceptirten, auf Purifizirung 
unserer deutschen Sprache gerichteten Intentionen 
eines um die Linguistik sehr meritirten pfälzischen 
Pädägogen bei der jtingeren Generation seiner Col⸗ 
legen leider nur minimale Beachtung finden. 
nun heute daran, mit etlichen Arbeitern den Stein 
umzulegen, um, wie man erzählt, Fundamenisteine 
zu gewinnen! Der Stein war auf der einen Seite 
osgegraben, als er unverhofft umschlug und einen 
22jährigen Burschen Namens Köster unter sich be— 
zrub. Der Ungläckliche war sofort todt. Ein anderer 
Arbeiter wurde so schwer am Kopf verletzt, daß er 
in der darauffolgenden Nacht starb. 
T. Die reichen Elsässer.). Welche kolos— 
ale Privatvermögen in den Kreisen der elsässischen 
Broßindustriellen vorhanden sind, davon gibt ein 
»eim Landgericht in Kolmar auhängiger Prozeß 
Zunde, welcher gegen die Familie des vor einigen 
Jahren vrrstorbenen Fabrikanten Hartmann ange— 
strengt ist wegen Verheimlichung des wahren Ver— 
mögensstandes des Verstorbenen und nachträglicher 
Zahlung von 790,476 Mk. zu wenig erlegter Erb— 
chaftssteuer an die Staatskasse. 
fLotteriebetrug. In Lauphbeim wickelte 
sich dieser Tage ein raffinirter Betrugsfall ab. Ein 
Schuster aus Schwarzach suchte einen bekannten 
dandelsmann in Laupheim auf und bot ihm ein 
Gewinnloos der BadenBadener Lotterie am, auf 
das die höchste Prämie mit 6000 Mk. entfallen 
war. Der Vermittler führte ihn in ein Wechsel⸗ 
geschäft und dieses telegraphirte nach Baden⸗Baden 
und erkundigte sich nach dem Thatbestand; auf die 
zustimmende Antwort erhielt der Schuster 3600 M. 
und sofort wurde das Loos persönlich in Baden⸗ 
Baden präsentirt und von der Collekte der Gewinn, 
bestehend in Juwelenschmuck und einer Equipage, 
»erabfolgt. In Stuttgart sollte der Schmud dei 
Hofjuwelier Föhr verkauft werden. Aber ein Tele 
aramm schlug wie ein Blitz ein, das Loos war ge⸗ 
fälscht, eine Rummer war ausgehoben und die Ge⸗ 
winnnummer eingesetzt. Der Schuster ist verhaftet. 
Aus Baden⸗Baden langte ein Abgesandter an, der 
die Juwelen wieder in Empfang. nahm. 
F.Hamburg, 14. Dez. Einen interessanten 
Proceß um die Heirathscourtage hat kürz⸗ 
lich das hiesige Landgericht entschieden. Ein Makler 
hatte nämlich einem hiesigen Kaufmann eine Ber— 
liner Dame mit 12,000 Mark Vermoögen als Frau 
verschafft und dafür, als „usancemäßige“ Courtage 
2 pet. von jener Summe beansprucht Da sich der 
Kaufmann aber nur zur Zahlung von 150 Mark 
bereit erklärte, kam es zur Klage, und diese endete 
damit, daß das Gericht den Anfpruch des Vermitt- 
lers als unbegründet abwies, weil für Heirathsver⸗ 
mittelungen keine usancemäßigen Courtagen bestehen 
und die Vergütung nur auf freiwilliget Ueberein. 
kunft beruhen kann. 
F Berlin, 24. Dez. Gestern Abend ist in 
einem hiefigen großen Juwelengeschaft ein bedeulen 
der Juwelendiebstahl durch zwei Frauen verübt 
worden; es wurden 150 Vrillantringe im Gesammt⸗ 
werthe von etwa 100,000 Mt. gestohlen. 8000 
Mtk. Belohnung sind auf die Wiederbringung des 
gestohlenen Gutes und Festnahme der Thaker geseßt. 
fF In vielen Familien ist der Brauch, 
beim Schlafengehen die Petroleumlampe herabzu⸗ 
drehen, wodurch sich in den meisten Fällen, und 
wenn das Petroleum aoch so gut ist, ein ekelhafter, 
zedrüchender und sogar schädlicher Rauch und Dunsi 
entwickelt. Diesem Uebelftande ist leicht dadurch 
Wzuhelfen, daß man den Docht vor Gebrauchnahme 
n starkem Essig weicht und dann wieder vollig 
rodden werden läͤßt; er brennt dann ohne Geruch 
uind ersetzt die kleine Muͤhe zehnfach. 
Für die Redaktion verantwortlich; F. X Den 3— 
Vermischtes. 
Der zur Errichtung eines Landesdenkmals 
u Wörth-Fröschweiler für die im Jahre 
1870771 in Frankreich gefallenen Bayern gesam 
nelte Fond hat z. Z. die Höhe von 38.389 Mk 
28 Pfg. erreicht. 
4 Das kgi. Oberpostamt sür Oberbayern 
rläßt folgende Bekanntmachung, die auch für uns 
jelien dürfte: Bei dem außerordentlich gesteigerten 
Briefpostverlehr während der Neujahrsperiode dürfte 
8 zweckmäßig erscheinen, das Publikum daraus 
qvufmerksam zu machen, daß die Briefe mit Neu⸗ 
ahrswünschen ⁊c. nicht erst am letzten Tage dieseß 
Jahres aufgegeben werden und mit deutlichen und 
die Wohnungsangabe enthaltenden Adressen versehen 
iein müssen, wenn deren rechtzeitige Zustellung er—⸗ 
rolgen soll. 
F Nieder-Saulheim, 21. Dez. Ein er—⸗ 
schütternder Unglücksfall trug fich heute Mittag in 
der Gemarkung des nahen Ober⸗Saulheim zu. An 
der Kaiserstraße, nach Wörrstadt zu, einige hunder! 
Schritt von dem höchsten Punkt unserer Provinz 
der „Wörrstadter Höhe“, steht eine steinerne Ur⸗ 
unde uralter Zeiten, der sogenannte „Lange Stein“, 
ein Koloß von etwa 8 Fuß Dicke und 10 Fuß 
Bodenhöhe. Der Besitzer des Ackers machte sich 
Lokele und vfälzische Nachrichten. 
— Kaiserslautern, 22. Dez. Geftern 
Abend ereignete sich in der Landelstraße in dem 
dause der Wittwe Schreck, ein bedauernswerther 
Anglücksfall. Der im Hause wohnende Handels⸗ 
mann Seiter ging in den Keller, um etwas zu 
dolen, hatte jedoch die Kellerthür (Fallthür), welche