Full text: St. Ingberter Anzeiger

Söhne m erzählt, auf Wahrheit beruhe? Hat sich 
derselbe, wie es einem gewissenhaften Vater zu⸗ 
kommt, von der Lebensweise seiner Söhne über⸗ 
zeugt? Kann derselbe die Orte und Personen an⸗ 
geben, wo und mit wem die berichteten Bälle und 
Saufgelage ꝛc., welche die enormen Summen ber⸗ 
schlungen haben, Statt fanden? War es der ganze 
Unteroffiziersstand, der das Geld seiner Söhne mit 
verpraßte? Und warum wurden diese Summen 
hingegeben? Sind sie ihnen abgezwungen worden, 
oder wollten sie sich dadurch einen Ruf erwerben, 
oder Rücksichten und Freiheiten erkaufen, die der 
Anteroffizier nicht gewähren kann? Ich finde, und 
Jeder sieht es, daß der Verkehr zwischen Einjähr— 
igen und Unteroffizieren so gering ist, daß solche 
grave Beschuldigungen keinen Grund haben können, 
uind weise sie deßhalb zurück. Eine leider traurige 
Erfahrung. welche ich beim Militär wie im bür— 
gjerlichen Stande gemacht habe, muß ich zugeben 
ind möchte daran Jeden, der mit dem Korrespon- 
denten gleiches Schicksal gehabt, erinnern. Jeder 
leichtsinnige Verschwender findet überall Subjekte, 
velche leichtsinnig hingeworfene Gelder sich zu Nutzen 
nachen; dagegen versteht Jeder, der den Schweiß 
jeines Vaters zu würdigen weiß, sich unnützer 
Ausgaben zu enthalten, und wird deßhalb auch von 
Jedem als braver Mann höher geachtet.“ 
— Das Ergebniß der Wohlthätigkeits— 
spenden bei den verschiedenen Komités der 
Pfalz zur Linderung der Noth der 
leberschwemmten entziffert sich nach der 
Nr. Pr.“ wie folgt: —A — 
Kreishilfskomite in Speyer 916047 37 
Hilfskomite in Frankenthal. 186900 — 
Zentralhilfskomite Ludwigshafen 207000 — 
II. Hilfskomite Ludwigshafen 83000 — 
Lokalhilfstomite Oggershein. 30000 — 
Lokalhilfskomite Kandee. 15000 — 
. VLokalhilfskomite Germershein. 20000 — 
Summa: 1459947 37 
— Ludwigshafen, 3. Febr. Eine wohl 
aur von wenigen Zuschauern bemerkte Scene spielte 
sich gestern Abend auf dem Perron unseres Sta⸗ 
ionsgebäudes ab. Al⸗ der um 8 Uhr 21 Min. 
ällige Straßburger Schnellzug im hiesigen Bahn⸗ 
hof einfuhr und hielt, stieg ein elegant gekleideter 
ilterer Herr aus einem Coupe 2. Classe, mit un⸗ 
zewöhnlicher Erregung schnell den Zug entlang 
schreitend und in die verschiedenen Coupes forschende 
Blicke werfend. Als er an einem der letzten Waggons 
anlangte, schien er gefunden zu hahen, was er 
suchte, denn er trat hinzu und öffnete rasch die 
nur angelehnte Thüre; ein unterdrückter Doppel⸗ 
schrei ertönte aus dessen Inneren, in einer Ecke 
lehnend saß ein junges Pärchen, sie mit thränen⸗ 
seuchtem Auge, die Hände faltend wie um Vergeb⸗ 
ing flehend, der junge Mann finster und trotzig 
den Nähertetenden fixirend. Der alte Herr schien 
nun eindringliche Worte zu den Beiden, insbeson⸗ 
hdere zu der jungen Dame zu sprechen, denn nach 
einigen Secunden tiefen Schweigens sprang letztere 
yon ihrem Sitze auf und warf sich mit dem Rufe: 
„Ach, Vater! verzeihe mir! in die ausgebrei⸗ 
reten Arme des alten?Herrn, der sie tiefbewegt an 
die Brust preßte. Diese Beiden verließen nun das 
Bahnhofsgebäude. Der Begleiter der jungen Dame, 
der ihnen folgen wollte, wurde durch eine gebieter⸗ 
sche Handbewegung des alten Herrn zurückgewiesen) 
ind promenirten langere Zeit auf der Haupistraße 
auf und ab, worauf sie sich wieder nach dem 
Wartesaale zurück begaben, um wahrscheinlich einen 
der nächsten Züge zur Heimfahrt wieder zu be— 
nitzen. (Pf. K.) 
— In ausgiebigem Maße ist die Wohlthätig⸗ 
leit den Wasserbeschädigten zu Hilfe gekom— 
nen. Kleider Nahrungsmittel und Geld gingen so 
reichlich ein, daß nicht nur die erste Noth gehoben 
verden konnte, daß an manchen Orten ein Ueber⸗ 
schuß da ist, der wie es scheint, nicht überall rich⸗ 
tige Verwendung findet. So erhält das „Pf. J.“ 
ein „Eingesandt' aus Friesenheim dessen In⸗ 
jalt die Hilfstomite's gemahnen sollte, einzuhalten 
mit ihrem Segen und den Ueberfluß aufzubewahren 
für spätere Noth oder ihn den Ueberschwemmten 
nmu Main zu senden, die, wie sich jetzt herausstellt, 
dei der Vertheilung der Liebesgaben viel zu kurz 
gekommen sind. In dem „Eingesandt“ wird kon⸗ 
tatirt, daß Viele, die Weniges oder gar Nichts 
berloren, im Besitze guter Kleidungsstücke sind und 
ihren nöthigen Bedarf an Lebensmitteln fassen, so 
daß sie es nicht mehr für nöthig erachten, ihrer 
bisherigen Arbeit nachzugehen und ihre Familie 
vie ehedem zu ernähren, sondern von den zur Ver— 
heilung kommenden Liebesgaben leben. Zudem 
eigt manches Individuum noch schweren Undank 
zurch sein ungezogenes Benehmen gegen die Mit— 
zlieder und Mitarbeiter d.s Hilfskomite's. Diesen 
Mißständen ist nur abzuhelfen, wenn die Schma⸗ 
otzer unnachsichtlich ein für allemal von den Ko— 
nite's abgewiesen werden. Die Gaben werden ge— 
pendet, um wirklicher Noth zu steuern, nicht, um 
Faullenzern auf die Strümpfe zu helfen. 
— Seine Majestät der König haben geruht, 
inter'm 27. Januar l. Is. dem kgl. Regierungs⸗ 
irektor Karl Gebhard in Speyer die Funktion 
»es königlichen Commissärs bei den Pfälzischen 
Fisenbahnen allergnädigst zu übertragen. 
Vermischtes. 
F Die Sammlung für Errichtung eines Landes⸗ 
denkmales zu Wörth-Fröschweiler für die im Jahre 
870471 in Frankreich gefallenen Bayern hat bis 
tzt die Summe von 32,865 Mtk. 39 Pf. ergeben. 
fFSaarbrücken, 3. Febr. Am Abend des 
28. November v. J. stieg eine Familie aus Bur— 
zach, von einer Hochzeit kommend. zu St. In g⸗ 
dert angeheitert in den nach hier abgehenden Eisen⸗ 
hahnzug, in welchem bereits in einem besonderen 
Toupee drei Herren von St. Johann, Malstatt und 
deusweiler Platz genommen hatten. Unterwegs 
wischen Scheidt und Schaafbrücke singen die Hoch— 
jeitsgäste mit den drei ruhigen Reisenden zu sticheln 
in, dem gleich Angriffe von 5—6 Personen 
'olgten; mit Stöcken, Schirmen und Fäusten wurde 
zeschlagen, mehrere überstiegen die Scheidewand, und 
»er Herr aus St. Johann, Metzger Lang, erhielt 
ine große Anzahl Messerstiche am und in den 
aicken Ueberzieher, von denen zwei bis auf den 
Zörper drangen. Die überaus rohe That führte die 
Betreffenden heute vor die Schranken der Straf⸗ 
ammer und zog ihnen eine exemplarische Sirafe 
zu: dem Schuhmacher Christian Seel, der seinen 
dindern mit bösem Beispiele vorangegangen und 
ꝛen Vorfall hervorgerufen, 9 Monate, dessen Söhnen, 
)em Schustergesellen Mathias Seel 1 Jahr und 
dem Hüttenardeiter Johann Seel 10 Monate, und 
edem der beiden Schwiegersöhne, Bergmann P. 
Ahl und Schmied P. Harimann, je 8 Monate 
Befängnis; der Vater mit seinen beiden Söhnen 
vurden in der Sitzung verhaftet und fest verbun⸗ 
den fofort nach dem für solche Burschen bestimmten 
Irt gebracht. (Saar⸗ u. Bl.»Ztg) 
F In Warburg wurde ein Bettler verhaftet, 
velcher eine Baarsumme von 10,000 M., sowie 
erschiedene Silbersachen bei sich führte. 
FGWahlsprüche der Hohenzollern.) 
urfürst Friedrich I.: „Wer Goit vertraut, den ver⸗ 
äßt er nicht.“ — Kurfürst Friedrich II.: „Es will 
uns nicht geziemen, daß wir anderen Reichthum 
uchen, als Ehre, Macht, Land und Leute.“ — 
Albrecht Achilles: „Nirgend kein rühlmicheres Ster⸗ 
zen, als auf dem Schlachtfelde.“ — Joh. Cicero 
All Ding will Weil.“ — Joachim l., Nestor 
Klug und gerecht.“ — Johann II., Hektor 
.Wohlthäter sein für Alle, das ist Fürstenart.“ — 
— Johann Georg: „Gerecht und milde.“ — Joh. 
Friedrich: „Die Furcht Gottes ist der Weisheit 
Unfang.“ — Johann Sigismund: „Dem Rechte 
jetreu und meinem Volke.“ — Georg Wilhelm: 
„Anfang, bedenk' das Ende!“ — Friedrich Wil⸗ 
jelm, der große Kurfürst: „Mit Gott!“ — König 
Friedrich J.“ „Jedem das Seine.“ — König Fried⸗ 
ich Wilhelm J.: „Ich setze die Krone fest wie 
einen ehernen Felsen.“ — Friedrich der Große: 
„Es ist nicht noͤthig, daß ich lebe, wohl aber, daß 
ich meine Pflicht thue und für mein Vaterland 
kämpfe.“ — Friedrich Wilhelm II.: Mein Wille 
st rein, das Weitere gehe ich der Vorsehung an⸗ 
sjeim.“ — Friedrich Wilhelm III.: „Meine Zeit 
st Unruhe, mein Hoffen in Gott.“ — Friedrich 
Vilhelm 19y.: „Ich und mein Haus, wir wollen 
em Herrn dienen.“ — Kaiser Wilhelm J.: „Immer 
z»en Andern hören, dann erst wägen und wagen, 
Alles mit Gott.“ 
F Ein krähender Hund () soll in Tenessee 
ristiren. Er kam als Hofhund viel mit den 
hühnern in Berührung und hat von ihnen das 
kdrähen abgelauscht. Er erhebt den Kopf in einem 
leinen Bogen und senkt ihn nachher, ganz wie es 
»ie Hähne thun. Daß er nicht 'mit den Vorder⸗ 
Ffoten so schlagen kann, wie die Hähne mit den 
Flügeln stört einigermaßen die Illusion. Vielleich! 
st's auch nur eine Ente. 
Fe Carl Koßmaly giebt in der Tonger'schen 
Musik⸗Zeitung folgende zeitgemäße Umdichtung de 
lhland'schen Frühlingsliedes zum Besten: 
Kaum daß der junge Tag erwacht, 
Ist auf Klavierspiel man bedacht; 
Es klappert an allen Enden. 
O herbe Pein, o Ohrenzwang, 
Zu dulden Stunden⸗, Tagelang — 
Und niemals will sich's wenden! 
Es wird gehämmert Tag für Tag, 
Wie in der Schmiede, Schlag für Sch!ag 
Zu zwei und zu vier Händen. 
Man klimpert im fernsten, tiefsten Thal, 
O welche Marter, welche Qual — 
Das Klimpern will nicht enden! 
1 Der in Bern, dem Sitz des Weltpostder— 
eins, erscheinende „Bund“ veröffentlicht folgende 
Zzuschrift: Im internationalen Postverkehr, welcher 
eine heutige enorme Ausdehnug wohl zum größten 
Theil den Erleichterungen verdantt, welche in deu 
etzten Jahren durch den Welipostverein resp. die 
eitenden Männer desselben angestrebt und ausge⸗ 
ührt worden sind, macht sich heute noch eine 
Schranke und ein Hemmniß fühlbar, deren Weg— 
all sowohl vom großen, die Post benutzenden Pub⸗ 
icum, als namentlich vom Handelsstand begrüßt 
verden dürfte. Wir meinen die Aufhebung der 
zwar bedeutend vereinfachten, aber doch immer noch 
hunten Musterkarte der nationalen Postmarken und 
deren Ersetzung durch ein einheitliches internatio— 
nales Postwerthzeichen, welches in allen Staaten 
des Weltpostverbandes Geltung hätte. Die enorme 
Erleichterung, welche damit im Kleinverkehr ge— 
scchaffen würde, bedarf wohl gar keiner weiteren 
Auseinandersetzung, jeder mit dem Ausland ver— 
kehrende Privatmann, jeder Kaufmann, welcher schon 
in den Fall gekommen, Rückfrankaturen, Informa— 
tionen ⁊c. zu honoriren oder Geldsendungen in 
Bruchtheilen zu completiren, fremdländische Post— 
marken in Zahlung zu nehmen, kennt diese fühlbare 
Lücke, welche sich im Postverkehr heute noch zeigt. 
Wir verkennen zwar durchaus nicht die Schwierig— 
keiten, die sich dieser Neuerung und Vereinfachung 
entgegenstellen, sind auch überzeugt, daß die Ide 
in maßgebenden Kreisen vielleicht schon eine alt 
und bei Seite gelegte ist, wir können uns aber 
nicht vorstellen, daß sie absolut undurchführbar wäre 
ondern glauben im Gegentheil. daß im Verein mit 
der bekannten weltpostmeisterlichen Energie und dem 
zuten Willen der Verbandsstaaten sich der Modus 
leicht finden ließe, welcher diesen letzten Stein des 
Anstoßes heben würde. 
f(GEinneues Sprengmitel, Amido— 
Jène,) ebenso furchtbar in seiner Wirkung, wie 
das Dynamit, ohne dessen Gefährlichkeit für Er— 
zeuger und Manipulanten; Sprengpatronen, welch— 
dem furchtbarsten Stoß und Schlag widerstehen, 
die einen Druck bis 5000 Kgr. ertragen und in— 
'olge dessen gänzlich ungefährlich jeder bei einem 
Zahn⸗ oder sonstigen Transporte möglichen Kata— 
trophe ausgesetzt werden können, — dies ist die 
erfindung eines französischen Chemikers namen?“ 
Bises, welche von einem Konsortium er— 
vorben wurde, an deren Spitze ein begüterten 
ranzösicher Kavalier Graf Vassal⸗Montoicil steht 
ind welches sich, wee das „N. Wiener Tgbl.“ 
chreibt, vor den Augen zahlreicher Experten betreffs 
einer Leistungsfähigkeit, sowie seiner gänzlichen 
Angefährlichkeit erpropt hat. Die Proben mit dem 
AImidogéne fanden im ärarischen Steinbruche nächs 
yöflein bei Kritzendorf statt. Vorerst wurde die 
Angefährlichkeit dieses Sprengmittels demonstriert 
Man entflammte an einer glimmenden Zigarre die 
Sprengpatronen, sie explodierten nicht, sondern 
derglimmten mit einem zischenden Geknister und 
einem Lichtefekte, ähnlich jenem der bengalischen 
derzen. Man schoß aus Revolvern in einen Hau—⸗ 
fen solcher Patronen, sie flammten auf ohne Ex— 
plosion. Nun wurden Patronen mit maͤchtigen a 
Schmiedhämmern bearbeitet, sie zerstäubten zu Pul⸗ do 
ber ohne jegliche Erplosion. Man schleuderte von Ht 
mächtiger Höhe gewaltige Felsblöcke auf dieselben, e 
— dasselbe Resultat. Die riesige Widerstandskraft ber 
des Amidogéne beweist wohl am besten der Um⸗- Ifi 
tand, daß auf diese Sprengmasse aus 10 Meter p 
döhe eine Steinmasse von 3200 Kgr. geschleudert nd 
vurde, ohne eine Explosion hervorzurufen. Das br 
Amidogoöne explodiert eben nur im Sprengobjekte b 
elbst, dort sind auch seine Wirkungen wahrhaft sar