Full text: St. Ingberter Anzeiger

— IUl III. 
Amtliches Organ des königl. Amlegerichts Sl. Ingbert. 
der St. Jugberter Anzeiger⸗ erscheint wochentlich fuufmal: An Montag, Dieunstag, Donnerstag, Camstatg und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1A 60 — einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 14 75 O, einschließlich 
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auf welche die Exrpedition Auskunft ertheilt, 1I3 , bei Neelamen 80 4. Bei Amaliger Sinrückung wird nur dreimalige berechnet. 
1. — 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 1. Jan. Cultusminister v. Lutz 
t vom Konige in den erheblichen Freiherrnstand 
rchoben worden. J 
Berlin, 2. Januar. Aus Rom ksmmt heute 
die Drahtnachricht, daß Herr von Schlözer von 
sier aus neue Justruktionen erhalten habe, infolge 
dessen er die Verhandlungen mit der Curie wieder 
aufgenommen habe. Die Erziehung des Clerus 
ildet dabei einen Hauptfaktor. 
Ausland. 
Rom, 1. Januar. König Humbert 
mpfing heute den Botschafter v. Kendell, welcher 
in eigenhändiges Schreiben des deutschen Kaisers 
aͤberreichte, in besonderer Audienz. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. In gbert. Von S. Maj. dem Könige 
vurde zum Neujahre dem Reichsrathe Herrn Hüt⸗ 
enwerksbesitzer Gustav Krämer dahier das Rit⸗ 
rkreuzdes Verdienstordensder Bayer. 
Zdrone verliehen. — Außerdem erhielten 
noch folgende Pfalzer Ordens- ⁊tc. Auszeichnungen: 
Das Ritterkrenz erster Klasse des Verdienft- 
rdens vom hl. Michgel: der stellvertretenden Ober⸗ 
agenieur der vereinigten Pfälzischen Eisenbahnen, 
z)einr. Wilh. Opfermann in Kaiferslautern,“ der 
Iberlandesgerichtsrath Ludwig Alois Molitor in 
zweibrücken, der Kreisbaurath Josef Karg in 
Speyer, der Bezirksamtmann Rudolph Freiherr 
„ Loffelholz-Colberg in Frankenthal, der Bürger⸗ 
ncister Georg Kutterer in Ludwigshafen, der Rek⸗ 
»r und Professor der Industrieschule in Kaisers⸗ 
autern, Dr. Georg Recknagel, der Regierungs⸗ 
ind Kreisforstrath der Regierungsfinanzkammer der 
Ifalz Franz Kleespies, der Oberzollinfpektor Karl 
Rerk in Ludmigshafen. Der Oberstabsarzt Dr. 
Franz Mohr, Regimentsarzts des 2. FeldeArt. 
stegts. Die filberne Medaille des Verdienstordens 
er Bayerischen Krone: der Schullehrer Joh. Briti- 
jer zu Landau, der Schullehrer Jos. Wacher in 
Schönau, der Schullehrer Phil. Jak. Berger in 
S*peyer. Den Titel und Rang eines Commerzien⸗ 
athes: Der Fabrikdirektor Friedr. Engelhorn in 
dudwigshafen, der Dirigent der bayer. Noten⸗ 
ankfiliale in Ludwigshafen, Sebast. Lederle 
In einer Gemeinde des Bezirks Zwei⸗ 
zrücken, wo umlängft ein Gemeindebrunnen ver⸗ 
echte, mußte ein „Wünschelruthenbesitzer“ aus dem 
nahen Reichslande die Quelle suchen. Ergößlich 
var es anzusehen, wie dieser, Künstler“ in andäch— 
iger Haltung die Wünschelrulhe in Händen, und 
n Begleitung einiger Gemeinderäthe und vieler 
deugierigen die Straßen und Plätze des Ories be⸗ 
uing, um die eigensinnige wiederspenstige Quelle 
vufzuspuren. Endlich war die betreffende Stelle 
gefunden und zwar 7 Meter tief in der Erde, wo 
ruch sofort mit nicht geringen Kosten nachgegraben 
vurde. Bereits hat man das Nutzlose dieses Ver⸗ 
ahrens eingesehen und den ziemlich tiefen Schacht 
vieder zugeworfen. Wie verlautet, soll die Sache 
iber ein Nachspiel erhalten, da dieser Quellenfinder 
zerichtlich belangt und die Veranlasser der berreffen⸗ 
den Kosten zur Zahlung derselben angehalten wer— 
en sollen. 
— In Pirmasens wurde in der Neujahrs 
ocht der ledige Schuster Georg Kn'err bei einer 
chlägerei mit einem Sielscheide erschlagen. 
Donnerstag, 3. Januar 34. 
19. Jahrg. 
1L 
— Odenbach, 30. Dez. Gestern arbeiteten 
die beiden Maurer Peter Hertel und Johannes Zapp 
yon Gimsweiler in ihrem oberhalb der Maurer'- 
chen Mühle in der Gemarkung von Becherbach ge⸗ 
legenen Steinbruche. Ungefähr um 4 Uhr des 
Rachmittags löste sich unerwartet eine Sandmasse 
und überschüttete den Hertel derart, daß er nach 
dause getragen werden mußte, woselbst er nach 
einer leidensvollen Stunde verstarb. Der Ver—⸗ 
blichene stand im besten Mannesalter, hinterläßt 
ine arme Wittwe mit fünf Kindern, wovon das 
älteste erst 8 Jahre alt ist. 
— In einer der letzten Nächte wurde in Lan⸗ 
dau in ein Gartenhäuschen eingebrochen. Das 
Erste. was der oder die Diebe vorfanden, war eine 
Flasche, welche sie vollftäändig leerten und leer zu⸗ 
rückließen. Es scheint, daß die Einbrecher an dem 
Inhalt der Flasch genug hatten, denn sie ließen 
alle übrigen Gegenstände unberührt. Man wird 
ziese Genügsamkeit erklärlich finden, wenn man hört, 
zaß diese Flasche Blutlausessenz enthielt; eine 
Flüssigkeit, welche in den Apotheken nur mit der 
»en Todtenkopf tragenden Giftetikette abgeqgeben 
verden darf. 
— Um den Werth der Hettenleidelhei— 
ner Thonäcker kennen zu lernen, dürfte es für 
nanche unserer Leser von Interesse sein, zu er—⸗ 
ahren, daß am 27. Dez. die Herren Gebr. Rieß 
n Enkenbach einen 119 Dezimalen umfassen den Thon⸗ 
zrubenacker um den hohen Preis von 24,000 Mt. 
ꝛersteigern ließen. 
Schmid von Saaralben und des Herrn v. Ott von 
deskastel. Das Landgericht verurtheilte indessen 
nach einer glänzenden und meisterhaften Rede des 
Rechtsanwalts Dr. Reinhard, der den als Neben⸗ 
kläger zugelassenen Oberförster Mang vertrat, beide 
Angeklagte zu je 50 Mk. Geldbuße und legte ihnen 
die Kosten auf. Die Verhandlung fand, entsprech⸗ 
end dem großartigen Aufsehen, welches die plötzliche 
Versetzung des Oberförsters Mang seinerzeit her⸗ 
dorgerufen hatte, vor einem zahlreichen Publikum 
statt, das dicht gedrängt den Gerichtssaal füllte 
ind zu dem namentlich viel Beamte aus der Stadt 
ind vom Lande gehörten. In all' diesen Kreisen, 
namentltch in den forstmännischen, erregt selbst⸗ 
redend das heutige Urtheil große Genugthuung. 
F Mainz, 1. Jan. (Carneval.) Heute 
jerrschte auf den Straßen unserer Stadt ein sehr 
»ewegtes Leben, indem durch einen äußerst origi⸗ 
nellen Carnevalszug die Kasse des Mainzer Carne⸗ 
al⸗ Vereins auf einem großen Wagen durch die 
dauptstraßen der Stadt gefahren wurde, es ist dies 
jewöhniich die erste offentliche Thätigkeit des großen 
Larneval· Vereins, der fich dadurch heute sehr gut 
zei der Bürgerschaft ainführte. 
x Verflossene Woche verstarb in Frankfurt 
J. M. eine alte Junger, die nur von der Wohl⸗ 
hätigkeit ihrer Mitbürger lebte und solche recht 
üchtig auszubeuten verstand, mit Hinterlassung 
ines Vermögens von 120,000 Mark, welche laut 
Testament nicht ihren Verwandien, sondern ganz 
fremden Menschen zufallen. 
F (Aus dem Soldatenleben im 
Frieden.) Im August 1883 wurde, so schreibt 
»as „B. Tgbl.“ der Rekrut Roberts aus Aktvalm 
hei Barwalde in Hinterpommern, damals in Berlin 
'n Arbeit, als sogenannter, Unsicherer“ zu dem in 
Frankfurt a. O. garnisonirenden 12. Infanterie⸗ 
Regiment eingezogen und der 3. Korporalschaft der 
l. Ersatz-Kompagnie zugetheilt und mit diesen 
chon alteren Mannschaften gemeinsam ausgebildet. 
Anfangs September dieses Jahres nun waären die 
zenannten drei Korporalschaften, nachdem die vor⸗ 
mittägigen Exerzierübungen absolvirt und das Mit⸗ 
— 
dirt. Der militärische Turnplatz liegt außerhalb der 
ꝛeine gute halbe Stunde vor der Stadt belegenen 
aserne auf einem umzäunten, vom Publilum von 
der Straße aus übersehbaren Platze. Der Führer 
der 1. Korporalschaft, Unteroffizier Möhus, leitete 
die Uebungen bei derjenigen Abtheilung, zu der 
der Füfilier Roberts gehörte. Bei der Uebung 
‚Klimmziehen mit Füße aufwärts Strecken“ be— 
nerkte Unteroffizier Mobus, daß Roberts weder 
Zztrümpfe noch Fußlappen trug. sondern die durch 
zas vormittägige Ererzieren im Kasernehof-Sande 
estaubten bloßen Füße unter dem Beinkleid zum 
Borschein kamen. Da das Tragen von Fußbeklei⸗— 
»ung in den Stiefeln militärische Vorschrift, war 
Roberts zweifellos straffällig. Die Strafe aber, 
velche Unteroffizier Möbus ihm zudiktirte, ist eine 
Brutalität, die jeden Leser mit dem nämlichen Un⸗ 
willen erfüllen wird, wie uns selbft. Möbus ließ 
nämlich dem Roberts den Stiefel vom rechten Fuße 
abziehen, führte denselben an die in zwei Gliedern 
aufgestellten 18 Mann seiner Korporalschaft heran 
uind befahl zuerst dem Flügelmann, mit seinen 
scharfbenagelten Kommißstiefeln dem Roberts „orden⸗ 
ich‘“ auf i bloßen Fuß zu treten. Der Befehl 
purde ausgeführt. Dasselbe Manöver wiederholie 
ich dann mit sämmtlichen 18 Mann der Korporal⸗ 
haft; an jeden Einzelnen führte Möbus den FSüsilier 
Verm ischtes. 24. 
f Der Notär v. Wenning in Vilshofen 
st nach Veruntreuung bei ihm niedergelegter Gelder 
im Werthe von 50.000 Mt. spurlos verschwunden. 
FSaarbrücken, 31. Dez. Nachdem die 
heglückenden Weihnachtsfeiertage vorübergegangen, 
ohne daß gröbere Exzesse in hiesigen Städten vor⸗ 
jekommen waren, hat sich gestern Abend nach ein⸗ 
zetretener Dunkelheit in der Nähe des hiesigen 
Bahnhofs ein schreckliches Unglück ereignet. Urge—⸗ 
ahr 15 Minuten nördlich hinter dem Bahn⸗Terrain 
nuf dem St. Johanner Rothenhofe geriethen mehrere 
Rotten⸗ Arbeiter und Hülfs-Weichensteller in einen 
Ztreit, wobei einige Feysterscheiben an einem Hause 
ingeschlagen wurden. Zwei an der Rauferei be⸗ 
heiligten Burschen stürzten nach dem Recontre über 
nie beinahe senkrechte, über 20 Meter hohe Bahn⸗ 
pöschung herab, von wo sie in bewußtlosem Zu⸗ 
tande ins hiefige Civil⸗Hospital verbracht wurden. 
Infolge der schweren Kopfverletzungen ist der eine 
»er Verletzten um halb 12 Uhr bereits gestorben, 
vährend für den Zweiten wenig Hoffnung zur 
dettung vorhanden ist. Ob die beiden Berunglückten 
on anderen Betheiligten in den Abgrund getrieben 
der gar geworfen worden, oder ob sie auf etwaiger 
Flucht den Weg und die Richtung bei der Dunkel⸗ 
jeit verfehlt haben und so verunglückt sind, wird 
die bereits eingeleitete Untersuchung klar stellen. 
(S. u. Bl.3tg.) 
Straßburg, 29. Dezbr. Der vielbe⸗ 
prochene Fall des Oberförsters Mang wurde 
eute, nachdem das Reichsgericht zu Leipzig die von 
derrn Mang eingelegte Revision angenommen und 
die erste Freisprechung aufgehoben hatte, vor dem 
iesigen Laudgerichte von Neuem verhandelt. Am 
—„chluß seines Plaidoyers beantragte der Erste 
7;taatsanwalt die Freisprechuag der beiden weqen 
leleidigung Angeklagten, des Gutsbesitzers Baron