Full text: St. Ingberter Anzeiger

wurde am 12. d. vom Verwaltungsgerichtshof in! 
München kostenfällig abgewiesen. Der Gerichtshof 
chloß sich den ausführlichen und zutreffenden Mo⸗ 
en der Vorinstanz in allen Punkten an und hob 
peziell hervor, daß die Kreisregierung ebenso be⸗ 
fugt wie verpflichtet sei, eine materielle Prüfung 
des von den Sachverständigen abgegebenen Gutach⸗ 
—AV Anlaß gegeben ist, 
die Richtigkeit des Gutachtens anzuzweifeln. 
n bekannten Klagen der Pfal z hinsicht⸗ 
ich der Metzer Garnison (Präsenzstand, Ernte⸗ Urlaub 
zc.) wird nach geeigneter Verwendung seitens der 
yfälz. Abgeordneten höchst wahrscheinlich abgeholfen 
derben. die Allg. Zig. schreibt: Die Bestimmungen 
uber die Rekruurung der Armee pro 1888385 
derden in den nächsten Tagen im Armee-Verord⸗ 
nungsblatte publizirt werden. Diese Bestimmungen 
nöchten deßhalb ein besonderes Interesse bieten, 
veil sich vielleicht hieraus entnehmen läßt, ob die, 
deun wir nicht irren, von norddeutschen Blättern 
zuerst gebrachte Nachricht von einer beabsichtigten 
Frhoͤhung des Sollstandes der die bayerische 
Besatzüngsbrigade in Metz bildenden In⸗ 
fanterieReginenter Nr. 4 und 8 sich beroahrheiten 
vird. 
Nach einer durch das kgl. bayerische Staats— 
ministerium des Innern, Abtheilung für Landwirth⸗ 
chaft, Gewerbe und Handel, an die Direktion des 
»fälz. Gewerbemuseums gelangten Mittheilung wurde 
bon“ der italienischen Regierung ein Preis von 
10,000 Lire ausgesetzt, welcher Demjenigen ver—⸗ 
liehen werden soll, der in der Sektion für Elek— 
rizität der allgemeinen italienischen Ausstellung in 
Turin eine Erfindung oder einen Complex von Ap⸗ 
daraten vorführen wird, durch welche in beträcht⸗ 
icher Weise die Lösung der Probleme gefördert 
vird, welche mit der Auwendung der Elektrizität 
nuf die Industrie durch Uebertragung der mechani⸗ 
schen Kraft auf Entfernungen, zur Beleuchtung und 
zu der Metallurgie zusammenhängen. Dabei werden 
zur auf der Ausstellung vorgeführte Erfindungen 
an Apparaten in Betracht gezogen werden, an 
velchen sich sichere praktische Experimente machen 
afsen, und können um diesen Preis auch auslän⸗— 
dische Aussteller concurriren. Erwähnte Ausstellung 
findet im April d. J. in Turin statt und werden 
etwaige Reflectanten darauf aufmerksam gemacht, 
daß zur Ertheilung von Aufschlüssen oder einer 
ztwa nöthigen Vertretung die kgl. Regierung der 
Pfalz, sowie die pfaͤlzische Handels- und Ge⸗ 
verbekammer von der Erlassung dieses Preisaus- 
schreibens gleichfalls durch das kgl. Staatsmini— 
texium verfändigt sind. Es dürfte sohin im In⸗ 
eeresse einschlägiger Industrieen liegen, sich zur 
weiteren Information darüber an vorgenannte 
—A 
— das k. Kultusministerium hat sich veranlaßt 
zesehen, den Rektoraten der Studienanstalten, Real⸗ 
Iymnafien und Realschulen die Anordnung in Er⸗ 
nnerung zu bringen, daß in den Semestral,xJahres⸗ 
ind Abjolutorialzeugnissen auch die Fortschritte der 
Schüler im Turnen zu verzeichnen und Dispensa— 
monen hievon, welche sich auf ein Semester oder 
darüber erstrecken, vorzumerken sind. 
Vermischtes. 
4 Der Humorist des Münchener Vaterlands, 
Dr. Sigl, bietet in der lezten Nummer seines 
Blattes folgendes Pröbchen seiner Laune. In den 
Vorstand der „Patrioten“ wurde der Abg. Spett 
Jewählt. (Ein würdiger „Patriot“, zwar nicht 
Partanischem Geiste, — Geist braucht kein „Patriot“ 
— aber von fast spartanischen Sitten und edler 
Einfachheit. Um seine Gewänder zu schonen, macht 
Spett Morgens bereits seine Aus- und Geschäfts— 
gänge in dem einfachsten ländlichen Habit seiner 
Jäter, die er mit einem Gang zum Metzger und 
auf den Markt abschließt, allwo der Edle sich eigen— 
händig ein halbes Pfund Fleisch — von der 
zilliglsen Sorte natürlich — benebst Kartoffeln 
und Grünzeug käuflich erwirbt, die er in einem 
zuweilen ganz frisch gewaschenen Nasentüchlein 
deimträgt, seiner Hausfrau übergibt, es zusammen 
in einem Topflein zu sieden, und ro bene gesta 
in der Kammer zur Ehre Gottes und zum Nutzen 
seines Geldbeutels einsam verspeist. Was übrig 
hleibt, wird säuberlich in ein Papierlein gewickelt, 
in das Röcklein gesteckt und Abends mit etwas 
edlem wohlriegenden Strachino, hier „Streichkos“ 
geheißen, — er hat nach langem Suchen hier end⸗ 
iich die billigste Bezugsquelle entdeckt — in irgend 
inem heiligen Casino, wo es gerade das billigste 
zier giebt, verpraßt. So schont Herr Spett 
eine Staatsgewänder und gleichzeitig seine Diäten 
ind ist ein Muster edelster „patriotischer“ Sitte 
ind Einfachheit und steht bei allen „Guten“, be— 
»nders Abends mit dem Strachino im Säcklein 
»der Wämslein, im besten Geruch und Wohl⸗ 
jefallen. 
(Gum Militärbefreiungs-Prozeß,) 
In der Untersuchungssache wider den Regiments⸗ 
ind Oberstabsarzt Dr. Schmitten, 4. Rhein. In⸗ 
anterie⸗-Regiments Nr. 80, wegen Bestechung und 
Theilnahme an betrügerischer Befreiung Wehrpflich— 
iger vom Militärdienste wurde am Samstag, den 
. Februar c. in Trier bei dem Gerichte der 16. 
Division Kriegsgericht abgehalten. Dasselbe war 
zusammengesetzt aus einem Generalmajor als Präses, 
zwei Obersten, zwei Oberstlieutenants, zwei Majors 
und zwei Rittmeistern. Als Leiter der Verhandlung 
und Referent fungirte der Divisionsauditeur Justiz⸗ 
rath Boͤcker. Die Verhandlung dauerte von 9 Uhr 
Vormittags bis 19s Uhr Nachmittags, ohne Unter— 
brechung. Ueber das Urtheil haben die Mitglieder 
—— — 
mäß Stillschweigen zu bewahren, bis dasselbe be⸗ 
tätigt und publizirt worden ist. 
Maunheim, 18. Febr. Heute früh um 
7 Uhr ist auf der Station Heidelberg der Oden— 
välder Personenzug bei der Einfahrt mit beiden 
Maschinen entgleist. Verletzungen sind nicht vor— 
gekommen. 
F Darmstadt, 13. Febr. Artillerie-Lieute— 
rant Stromer von Reichenbach hat sich aus un—⸗ 
lücklicher Liebe in seiner Wohnung erschossen. 
Zinnen wenigen Wochen ist dies hier der 8. Selbst⸗ 
nord eines Militärs. 
fF Weilburg, 13. Febr. Vermuthlich aus 
stache gegen den Bahnwärter waren auf das Schienen⸗ 
geleise vor Guntersau 30 — 40 Kilo schwere Steine 
jelegt worden, welche die Lokomotive des folgenden 
Zersonenzuges glücklicherweise bei Seite schob, so 
daß die beabsichtigte Entgleisung nicht erfolgte. 
FGostbarer Schmuck. Bei dem in 
Wiesbaden stattgehabten Costümball der Prin⸗ 
essin Ardeck trug die Prinzessin Leuchtenberg einen 
-„chmuck, der auf ca. 7 Millionen Mark geschätzt 
vird. Ein Diadem aus dieser Collektion hat der 
raiserin Josephine gehört. Die Prinzessin Leuchten— 
jerg hatte sich übrigens — was nebstbei erwähnt 
ei — für diesen Ball-Abend einen Friseur aus 
Zaris verschrieben. 
F Aachen, 12. Febr. Nachdem der Ausbau 
»er Hohe Venn-Bahn, d. h. der Bahn von Aachen 
»der Rothe Erde über Montjoie und St. Vith nach 
Brüm bereits durch Gesetz vom 15. Mai 1882 
jsenehmigt worden ist, liegt jetzt dem Landtage ein 
gesetzentwurf vor, welcher den Anschluß dieser 
BZahn an das luxemburgische Eisenbahnnetz bezweckt. 
Durch den Bau dieser nur 18 Kilometer langen 
Strecke würde die direkte Verbindung zwischen 
lachen und Luxemburg hergestellt und die Renta— 
zilität außer Frage gestellt sein. Die sämmtlichen, 
»om Staat zu tragenden Kosten belaufen sich für 
»en Grunderwerb auf 143,000 Mk. und die 
igentlichen Baukesten auf 2,657,000 Mk. Die 
Staatsregierung hat davon abgesehen, im vorliegen⸗ 
den Falle den zunächst interessierten Bewohnern die 
Hrunderwerbskosten aufzuerlegen, weil besonders 
ieser Theil der Eifel arm und außerstande ist, er— 
jebliche Beiträge zu leisten; doch kam auch maß⸗ 
zebend in Betracht, daß der durch diese kleine Ver⸗ 
»indungsbahn (St. Vith⸗Ufflingen) hergestellte große 
Transiwerkehr binnen kurzem die Erträgnisse so 
teigern werde, daß die volle Verzinsung des vom 
Ztaate aufgewendeten Anlagekapitals gesichert er— 
cheint. Nach dem bisherigen Projekt sollte diese 
Linie von St. Vith in südwestlicher Richtung nach 
)er Landesgrenze bis zur Wilhelm⸗Luxemburg-Eisen⸗ 
zahn unweit Ufflingen geführt werden. Die Eisen⸗ 
‚ahn-Verwaltung ventiliert jetzt das Projett, die 
Abzweigung von der Hohe Venn-Bahn nicht bei 
5t. Vith, sondern von einem südlich davon gelegenen 
zeeigneten Punkte stattfinden zu lassen; vorausgesetzt 
vird, daß keine Mehrkosten als 2,8300,000 Mtk. 
ntstehen und ein besserer Aufschluß der Gegend 
rmöglicht wird. 
FLeipzig, 14. Febr. Dem Vernehmen 
jach ist der bei Weitem größte Theil der bei dem 
Bostdiebstahl entwendeten Werthobjekte bereits wieder 
in Besitze der Postverwaltung. Der muthmaßliche 
khäter ist bereits festgenommen. 
F (14 Jahre die Kugel imKopfe.) Der 
zus Schlesien gebürtige, jetzt beim Lübecker Zollamt 
angestellte, 40jährige Carl Herrmann Linke, In⸗ 
haber des eisernen Kreuzes; machte schon den Feld— 
zug von 1866 glücklich beim 22. Infanterie-Re— 
ziment mit, den Feldzug 187071 begann er als 
Füsilier mit dem 11. Infanterie-Regiment und 
vurde, ꝛum ersten Male bei Mars la Tour am 
16. August 1870 au der rechten Hand verwundet. 
nach Deutschland ebacuirt. Schon im Oetober 
ehrte er zu seinem Truppentheile zurück und nahm 
noch an der Belagerung von Metz Theil. Alsdann 
„lieb er glücklich gesund bis zu einem Gefecht bei 
x5äPuisay in der Nähe von Le Mans am 7. Januar 
1871, wo auch ihm die blaue Bohne „Halt!“ 
ommandirte. Der ecrste Arzt ließ den Besinnungs- 
osen als aufgegeben liegen, bis er später ins 
Feldlazareth gebracht wird. Es schließt sich eine 
steihe schwerer Leiden an, Wanderung durch 
nehrere Lazarethe, mühselige Transporte, Unter— 
uchungen, bei denen man zwar eine Kugel ver— 
nuthete, aber nie fand, und dann wieder suppo— 
nirte, dieselbe habe wohl nur angeschlagen und den 
dnochen zertrümmert. Im März endlich ist der 
Batient in Homburg angelangt, wo sich die Wunde 
war schloß, aber die Schmerzen innerlich sich bis 
ur Unerträglichkeit steigerten, so daß er noch jetzt 
iußert, er habe lieber sterben wollen, als den Zu— 
tand noch länger ertragen. Die Aerzte entschlossen 
ich auf sein Drängen zur Operation, allein ein 
inzugezogener Professor verhinderte dieselbe, weil 
nan nicht aufs Ungewisse los operiren solle; die— 
er vertröstete den Patienten, die Sache werde in 
nicht allzu langer Zeit aufbrechen, was auch unter 
Linderung der Schmerzen eintrat. Im Herbst 
»esselben Jahres wurde L. vom Militär als In⸗ 
»alide entlassen und pensionirt. Er blieb dann 
bis zum Jahre 1878 in seiner Heimath, alles 
var gut, als plötzlich wieder Schmerzeu, und zwar 
nun in wechselnden Zwischenräumen eintraten, in 
etzter Zeit inmer heftiger wurden und schlaflose 
Nächte verursachten, kurz, den L. derartig im Be⸗ 
uuf störten, daß er sich nunmehr zu einer Operation 
ntschloß. Dieselbe wurde am 8. Februar im Lü— 
yecket Krankenhause mit Glück vollzogen. Nach 
Spaltung der Haut und Weichtheile schräg über 
ꝛen Kiefer zeigte sich eine Ecke der Kugel, welche 
ilsdann gut gefaßt und mit der konisch abgerun— 
deten Spitze voran herausgezogen werden konnte. 
Das Projectil, eine echte Chassepotkugel, ist 23 
yramm schwer (25 Gramm normales Gewicht). 
3142 Ctmir. und 1 Etmtr. im Durchmiesser. Ihre 
Bestalt ist gut erhalten bis auf einen seitlichen 
)reieckigen großen Eindruck. 
Neungroße Eisenhättenwerke ha— 
ben ihren Abnehmern soeben gemeinschaftlich ange— 
zeigt, daß sie vom 11. Februar an einen Aufschlag 
don 4 Mk. pro Tonne auf Walz- und Hammer— 
eisen eintreten lassen. 
Geichsgerichts-Entscheidun g.) Ist 
in der Hauptversammlung einer Strafsache dem 
Angeklagten entgegen der gesetzlichen Vorschrift: 
„Dem Ängeklagten gebührt das letzte Wort“, das 
letzte Wort nicht ertheilt worden, so liegt nach einem 
Uctheil des Reichsgerichts, J. Strafsenats, vom J. 
Dezember 1883, darin allein nicht unbedingt ein 
Revisi onsgrund. „Es ist zwar richtig — so heißt 
es in den Urtheilsgründen — daß dem Angeklag⸗ 
ten in der Hauptverhandlung nicht das letzte Wort 
zegeben worden ist. Aber es ist aus den Umständen 
nicht zu eninehmen und in der Revision nicht be⸗ 
Jauptet worden, daß der Augeklagte hierdurch in 
einer Vertheidigung verkürzt worden wäre, derselbe 
insbesondere andernfalls noch weitere Vertheidig⸗ 
ungsmomente vorgebracht haben würde.“ 
Gr.⸗Moheuvre, 7. Febr. In welch' 
zraujamer Weise Krankheit und Tod eine Familie 
—V 
Helegenheit gehabt. Die aus 11 Gliedern bestehende 
Familie H., aus Oberleuken stammend, zog vor 
was mehr als Jahresfrist hierher und schlug sich 
er fleißige Familiendater, uͤnterstützt von seinem 
lGjährigen Sohne, redlich durch. Kurz nach der 
Hierherlunft starb ein krankliches Kind. Im Ob⸗ 
sober d. J. erkrankte ein neunjähriges Söhnchen 
im Nerbenfieber und nahm während sechs Wochen 
die unausgesetzte Pflege der Mutter in Anspruch; 
das Kind henaß, aber die überangestrengte Muttet 
zekam ebenfalls das Nerbenfieber und starb Ende 
November. Darauf kam die Reihe an den Vater, 
»er von der traurigen Krankheit nach achtwöchent⸗ 
icher Arbeitsunfähigkeit zwar genaß aber nun nach 
der Reihe seine sieben Kinder, im Alter von zwei 
His siebzehn Jahren, Alle am Typhus auf das