Full text: St. Ingberter Anzeiger

machen möchte. Von der Deidesheimer'schen Re⸗ 
stauration aus hat übrigens unser fortschrittlicher 
„Vertrauensmann“ Exkursionen in andere Wirth⸗ 
schaften uuternommen, angeblich um die „Stim⸗ 
mung zu sondiren“, und daß diese für ihn gar 
zicht so übel war, geht schon aus dem Umstande 
herbor, daß es ihm auch dort gelungen ist, auf 
Rechnung“ der Fortschrittspartei „Wahlschulden“ 
ju machen. Als Anerkennung für seine Verdienste 
in das politische Leben der Gegenwart darf er 
ine Erholungsreise in der Dauer von 6 Monaten 
antreten. (F. 3.) 
Der kgl. Bezirksamtmann Frehr. Löffelholz 
». Colberg in Frankenthal wurde, wie der 
„Pf. K.“ meldet, zum kgl. Regierungsrath in 
Speyer und der Bezirksamtsassassor Geib in Bayreuth 
zum kgl. Bezirksamtmann in Frankenthal ernannt. 
—Karlsberg. Dieser Tage hat sich in dem 
henachbarten Orte Wattenheim ein wohlhabender 
sraelitischer Kaufmann mit einer christlichen Hünd⸗ 
erin verlobt. Es ist dies der Abschluß einer lang⸗ 
ährigen Neigung und hat der junge Mann ein 
schweres Opfer gebracht, da sich seine strenggläu— 
zigen Anverwandten infolge dieses Schrittes von 
ihm lossagten. 
— (Zur Besteuerung der kleineren 
Brannfsweinbrennereien.) Nachdem u. A. 
das Hagelversicherungsgesetz und der Cultusetat 
durchberathen, auch die Angelegenheit des pfälzischen 
dohlenfrachttarifs ausgetragen ist, sind eigentlich die 
für uns wesentlichsten Gegenstände der diesjährigen 
Kammersession erledigt. Immierhin dürfte noch 
einiges zur Sprache kommen, was für besondere 
Kreise von Belang ist. Wir denken hiebei zunächst 
mm die Petition des Vereins der Branntweinbren⸗ 
nereibesiher der Pfalz um Aufhebung der Gewerbe⸗ 
tteuer für den landwirthschaftlichen Brennereibetrieb. 
Im Petitionsausschuß, dessen Berichterstatter Graf 
d. Preysing sein diesbezügliches Referat bereits fertig 
gesiellt hat, wurde auch der Herr Finanzminister 
schon zu einer Aeußerung veranlaßt. Dieselbe geht 
daͤhin, daß aus gründsählichen Erwägungen, wie 
um der Folgen willen dem Gesuche nicht will⸗ 
fahrt werden könne. Die kleineren Brennereien, 
welche ja die ersten 12 Hektoliter ohnehin steuerfrei 
hätten, würden auch keineswegs einen Vortheil dabei 
erzielen, weil sie ja dem entsprechend zu größeren 
Umlagen herangezogen werden könnten. Die Pe⸗ 
ition wird in dieser Woche noch in der Kammer 
berhandelt werden. Ihr Enderfolg steht noch sehr 
in Frage. Von größerer Bedeutung, namentlich 
für kleinere und mittlere Brennereien, dürfte üb⸗ 
rigens die kürzlich stattgehabte Erörterung des viel⸗ 
fach geäußerten Wunsches sein, den kleineren Bren⸗ 
dereien die Steuerermäßigung auf e dauernd zu 
gewähren. In dieser Beziehung theilte die Regie⸗ 
rung mit, daß eine im Gesetz ausgesprochene dau⸗ 
ernde Ermäßigung wegen der Stipulationen des 
Zollvereius nicht angängig sei. Die Erneuerung 
müsse jedesmal im Bundesrathe wieder beantragt 
werden. Im Uebrigen begegne die Regierung dieser 
Angelegenheit mit allem Wohlwollen und könne 
ersichern, daß die Ermäßigung nach Ablauf ihrer 
Jegenwärtigen Frist jedenfalls wieder erneuert werde, 
pcnigstens gedenke die Regierung in diesem Sinne 
sich beim Bundesrathe zu verwenden und zweifle 
zicht an dem Erfolge. (Pf. L. C.) 
Vermischtes. 
Nürnberg, 19. Fehr. Se. Maj. der 
König hat jetzt das Programm für die im nächsten 
Jahre dahier stattfindende internationale Ausstellung 
son Arbeiten aus edlen Metallen und Legirungen 
genehmigt. Die Staatsregierung übernimmt die 
Kosten der Prämiirung; es werden goldene und 
silberne Medaillen nach Ausspruch des internatio⸗ 
nalen Preisgerichts, welches nach Einvernehmen der 
Aussteller ernannt wird, vertheilt. Die Stadtge⸗ 
gemeinde hat sich bereit erklärt, einen Zuschuß von 
3000 Mk. zu der Ausstellung zu leisten. 
F Wie man aus Nürnberg berichtet, wird 
etzt daselbst die von dem jungen Amerikauner Hap⸗ 
dersberger in München für dessen Vaterstadt San 
—D— 
denz in Nürnberg gegossen werden. (Der Vater 
des jungen Künstlers war ein geborener Grünstadter, 
seine noch lebende Mutter ist aus der Gegend von 
Birmasens gebürtig.) 
pLandau aJ., 17. Febt. Im nahen Pil⸗ 
ting bewerkstelligte gestern eine Frau ihren Umzug, 
pobei ihr ein 183jähriges Mädchen beim Ausräumen 
zalf, Dabei kam sie auf einen noch geladenen 
Revolber; das Mädchen bat, ihr den Mechanismus 
u zeigen, wobei sich der Revolver entlud und die 
Zugel dem Mädchen in den Unterleib drang. Das— 
elbe hat seine Neugierde mit dem Leben bezahlt. 
Ein blutiger Vorfall spielte sich in 
dauf bei N/urnberg ab. Der Fabrikarbeiter Schmidt 
war in so heftiger Weise am Nervenfieber erkrankt,. 
»aß infolge ärztlicher Anordnung in der Nacht 
inige Männer ihn bewachen mußten. Um Mitter⸗ 
nacht kam Schmidt zur Besinnung und sagte zu 
einen Wächtern, er sei jetzt gesund, sie sollten 
»och nach Hause gehen, schlafen und nicht in dem 
alten Fimmer frieren. Der Patient legte fich 
ann mit dem Gesichte gegen die Wand und schlief 
cheinbar bald einen ruhigen Schlaf. Als das die 
Hiänner sahen, gingen sie heim. Auch Frau Schmidt 
»egab sich im Nebenzimmer zur Ruhe. Der Schlaf 
oute für sie aber verhängnißvoll werden, denn der 
dranke verließ bald sein Bett, bewaffnete sich mit 
inem großen Messer, zog seine Frau zum Bette 
Jeraus, legte sie über einen Stuhl, stach sie förmlich 
ib und schleifle sie hinaus an die Stiege. Nach— 
)em dies geschehen, brachte er sich selbst einige 
Stiche bei und floh, barfuß und im Hemd, zum 
Zause hinans. Alle diese Vorgänge sah das neun—⸗ 
uhrige Töchterchen, welches zufälliger Weise wach 
war, mit an, getraute sich aber vor Furcht keinen 
daut zu geben. Als es Tag war, kamen auf das 
Geschrei des Mädchens die Nachbarn und fanden die 
unglückliche Frau todt an der Stiege. Ein 7 Etm. 
tiefer Stich in's Herz hatte ihren sofortigen Tod 
herbeigeführt. Bald darauf zog man auch den 
uͤnglücklichen Mörder todt aus der Pegnitz heraus. 
Ehe er den Tod suchte und fand, hatte er sich 11 
tiefe Stiche beigebracht. 
Saargemünd, 18. Febr. In einem ein⸗ 
am an der Straße von Saargemünd nach Wust⸗ 
veiler, Bann Roth, gelegenen Häuschen, welches 
um Einstellen von Ackergeräthen oder auch als 
dothstall benutzt wird, und dessen sehr niedriger 
Speicher zum Aufbewahren von wenigem Heu 
diente, wurde am Samstag die Leiche eines Sol⸗ 
aten des hiesigen Chevauxlegers-Regiments gefunden. 
dieselbe war nur mit einem Hemde bekleidet — 
ie Kleider lagen nebendran im Heu — und bereits 
o stark verwest, daß weder die Identität noch die 
Todes⸗Ursache festzustellen war. Man nimmt an, daß 
z ein seit Anfang Dezember v. J. vermißter 
Soldat ist, der im Verdacht stand, desertiren zu 
vollen. Derselbe hat in der ersten Nacht in diesem 
»auschen anscheinend übernachtet, ist dabei aber 
rfroren. Der Kleidung nach gebörte derselbe der 
3 Schwadron an. 
fBretten, 17. Febr. In großer Gefahr 
chwebten gestern die Insassen des um dreiviertel 
ünf Uhr Abends hier abgehenden Bruchsaler Zuges. 
uls gestern Abend die Lokomotibe, der Sicherheits- 
vagen und der erste Personenwagen des erwähnten 
zuges die westlichste Weiche des Bahnhofes über— 
ahren hatten, wurde von der Centralweichenstellung 
zus diese Weiche verstellt und es fuhr in Folge 
essen der folgende Theil des Zuges in ein ande⸗ 
es Geleise ein. Der zweite Personenwagen — 1. 
ind 2. Klasse — wurde sofort umgeworfen, riß 
m Forischleifen eir. Wachthäuschen und einige 
dandelaber um, die folgenden Personenwagen 
vurden aus dem Geleise gehoben und schief gestellt 
ind nur die beiden letzten Wagen, worunter jener 
nit der Post, blieben aufrecht im Geleise stehen. 
Im umgestürzten Wagen befand sich glücklicher 
Weise nur ein Reisender aus Mannheim, der mit 
iner leichten Quetschung am Knie davon kam; 
onst wurde Niemand verletzt. Die Beschädigungen 
in Material sind nicht unbedeutend, doch war die 
Strecke heute früh 2 Uhr wieder hergestellt. Weichen⸗ 
värter Biswurm, den die alleinige Schuld am Un— 
lück trifft, ist flüchtig; durch was er veranlaßt 
vpurde, die Weiche zu frühzeitig zu verstellen und 
adurch einen in der Regel siark benützten Personen⸗ 
uug in die hächste Gefahr zu bringen, ist vorerst 
ioch unerklärt. 
F Geislingen, 18. Febr. Dem „Staats⸗ 
imzeiger für Württemberg“ berichtet man: In der 
Zapierfabrik bei Großfüßen wurden vor einigen 
Tagen beim Sortiren der Lumpen zwei Kinder— 
irmchen, die in ein Kittelchen eingewickelt waren, 
itdeckt. Dieselben sind dem Anschein nach schon 
ängere Zeit von dem Körper getrennt und ge⸗ 
jören einem Kinde im Alter von 122 Jahren 
in. Die fraglichen Lumpen wurden von einer 
dirma in Nassel bezogen und deßhalb der dortigen 
Ztaatsanwaltschaft Mitiheilung von dem unheim⸗ 
ichen Funde gemacht. 
F (Jägerlatein.) In einer Frankfurter 
Weinwirthschaft erzählte gestern Vormittag ein dortiger 
zerühmter Hirschjäger, daß ihn, als er vorgestern auf 
der sehr frequentirten Landstraße nach Gonzenheim 
zing, plötzlich sein ausgezeichneter Vorstehhund an 
inen Haufen Wellen zog, und siehe da: es kam 
ein großer Fischotter hinter den Wellen zum Vor— 
chein und verschwand dann im naheliegenden Bach. 
Daß die Fischotter in den Wellen der Flüsse und 
Bäche sich aufhalten, ist ja längst bekannt, daß si— 
jsedoch auch in Holzwellen herumschwimmen, wurde 
bon den Gästen bezweifelt. Leider ist der ausge— 
zeichnete Vorstehhund — der einzige Zeuge — 
weder der deutschen Sprache noch des Jägerlateint 
so mächtig, um die Angaben bestätigen zu können 
(Taunusbote.) 
F Die Erdarbeiten an der Zahnradbahn von 
Rüdesheim auf den Niederwald nehmen 
einen erfreulichen Fortgang. Der Bau steht unter 
der Leitung des Regierungs-Baumeisters Peters und 
)er Ingenieure Francke und Schröder. Die von 
der Berliner Handelsgesellschaft in letzter Stunde 
angeregte Linie „Bahnhof⸗Denkmal“ wird nicht zu 
Stande kommen, ebenso ist die Diskussion über die 
dinie Aßmannshausen-Denkmal verstummt. Die 
ʒstliche Linie hat sich so einzurichten, daß sie sich 
der noch zu bauenden Terrassen-Anlage am Natio— 
ial⸗Denkmal anschließen kann. Im Monat Mai 
oll die Zahnradbahn mit einer größeren Festlichkejt 
eröffnet werden. 
fF Holzminden, 186. Febr. Letzte Nacht 
brachen zwei maskirte Kerle in die hiesige Käm— 
mereikasse ein, zwangen den Kämmerer, die Schlüssel 
zur Kasse herauszugeben und entfernten sich unter 
Mitnahme des, wie es heißt, 18,000 Mk. betragen⸗ 
den Baarvorraths. Bis jetzt hat man keine Spur 
don den Räubern. 
F (GUniversalzeit.) Von Erfurt aus wird 
gegenwärtig eine an den Reichskanzler zu richtende 
Petition in Umlauf gesetzt, welche sich auf die vom 
nternationalen geodätischen Congreß empfohlene 
„Universalzeit“ oder „Weltzeit“ bezieht. Gegenüber 
den Bestrebungen, die Berliner Zeit auch im öffent⸗ 
lichen Verkehr der Eisenbahnen mit dem Publikum 
einzuführen, spricht sich diese Petition für Beibe— 
sJaltung der Ortszeiten und für Einführung der 
Weltzeit im inneren Dienste der Eisenbahnen aus. 
Als Welt- und Universalzeit ist von dem genannten 
Tongreß in Uebereinstimmung mit der Nordameri⸗ 
tanischen Regierung die Zeit von Greenwich vorge— 
chlagen, welche schon jetzt die größte Verbreitung 
vesitzt. Nähere Auskunft über die Petition ertheil 
„ereitwilligst Herr G. Schubring, Lehrer der Ma— 
hematik am Realgymnasium zu Erfurt. 
GOstholstein.) Der berühmte Komponiß 
Tarl Maria von Weber ist bekanntlich am 18. De⸗ 
ember 1786 in Eurin geboren und hat sich deß— 
halb in Eutin ein Comité gebildet, welches Vor— 
zereitungen trifft, den 100jährigen Geburtstag durch 
eine großartige Feier würdig zu begehen. Zunächf 
vird beabsichtigt, ein Denkmal für den berühmten 
Sohn der Stadt Eutin zu errichten und zwar auf 
einer Höhe im Westen der Stadt, von wo aus 
nan die prächtigste Rundschau auf die See⸗ und 
Waldlandschaft der nächsten Umgebung hat; dann 
gedenkt man großartige Parkanlagen zu schaffen und 
n ihnen eine Musikhalle zu erbauen, in welcher 
Tonzerte zur Aufführung gelangen sollen. 
F (GUnschuldig verurtheilt.) Im Nov. 
1883 wurde der Kellner Berndt in Breslau wegen 
Theilnahme an einem Einbruche in der dortigen 
Roͤsler'schen Brauerei zu einjährigem Gefängnis 
und Ehrverlust auf gleiche Dauer verurtheilt, auch 
eine sofortige Verhaftung angeordnet. Er hatte 
eine Unschuld versichert und seine Abwesenheit von 
HBreslau an dem Abende des Einbruchs behauptet, 
wber die Aussage des Hauptbeschuldigten belasteten 
hn nach der Auffassung des Gerichtshofs so schwer— 
daß seine Verurtheilung erfolgte. Auf Veranlassung 
er Eltern des Berndt hatle uun Rechtsanwalt 
deilberg die Wiederaufnahme des Verfahrens be⸗ 
intragt und die Strafkammer des Breslauer Land 
gerichis sprach in voriger Woche den Angeklagten— 
dessen Alibi überzeugend nachgewiesen wurde, frer 
Bei der Mittellosgkeit des unschuldig Verurtheilten 
ind seiner Eitern wäre die Ehrenrettung des Bernd 
nicht erfolgt, wenn nicht der Vertheidiger au⸗ 
Hdumaniiat die Sache des unschuldig Verurtheilten 
Jefübhrt hätte