St. Ingherter Anzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 6. Januar. Im Finanzausschuß
wurde gestern über den Antrag Walther, das No⸗
ariat betr. berathen. Herr Walther bemerkte, daß
sich bei seinem Antrage nicht um eine safortige
Aufhebung des Notariats, sondern nur um eine
Nichtwiederbes tzung der erledigten Notarsstellen auf
dem Lande handle. Der Justizminister erklärte die
Ausführung des Antrags für unmöglich und er
dekenne sich zu der Ansicht, daß er eine Rückkehr
zu den Zuständen vor inführung des Notariats
nicht wünschen könne. Die Vereinigung des No⸗
rariates mit dem Richteramte würde der bedeutendste
stückschritt sein, den man im deu'schen Gerichtsver⸗
fassungsgesetze machen könne. Zur Zeit sei nicht
der mindeste Anlaß gegeben, die Axt an das No⸗
jariat zu legen. Der Minister verweist nun auf
den Antrag Hauck vom 15. Februar 1878, welcher
achlich mit dem vorliegenden identisch sei. Auf die
Pfalz sei der Antrag nicht anwendbar, man würde
ilso eine bedenkliche Doppelstellung schaffen. Er
jalte eine solche für systemwidrig und für ein Un⸗
ding. Der Antrag komme einer Aufhebung des
Notariats für cinzelne Gerichtsbezirke gleich; für
diese müßte ein ganz neues Verfahren für die Form
der Urkunden u. s. w. geschaffen werden. Das
aber sei unmöglich, weil die größten Unzukömmlich⸗
keiten herbeigeführt würden. Wer soll ferner an
die Stelle der Notare treten? Junge richterliche
Beamte, die der Minister im Allgemeinen nicht für
geeignet hält, die Notariatsgeschäfte zu versehen.
Das Notariat erheische, daß man bei ihm erst
Schulung mache. — Das Notariat sei auch keine
pezifisch bayerische Einrichtung, es bestehe in allen
größeren Staaten Deutschlands, und man höre
nicht, daß man irgendwo unzufrieden damit sei.
Den Kostenpunkt betreffend namentlich gegenüber
dem bäuerlichen Grundbesitze, so gestehe er offen,
ihm fehle der Glaube. Die Notare tragen eben
das Odium mit, das mit der Mutationsgebühr ver⸗
bunden sei, obwohl sie nichts dafür könnten. Der
Minister spricht sich ferner gegen das fortwährende
Organisiren aus; mit dem Antrage mache man ein Ex⸗
periment, dessen Wirkungen man nicht überschauen
sönne. Er könne sich unmöglich fur den Antrag
erklaren. Nachdem Frankenburger und Schauß
zegen den Antrag, der Referent nochmals für den⸗
elben gesprochen, wird der Antrag Walther“ mit
3 gegen 6 Stimmen angenommen.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
En Dieser Tage wurden die Unterftützungen
»es Pfalzischen Lehrerwaisenstiftes pro
1883 vertheilt, wobei der Bezirksvecein Blies⸗
astel/St. Ingbert die Summe von 550Mk.
ugewiesen erhielt. An derselben partizipieren 8
Familien, und zwar 1 mit 220 Mi. 1mit 132
M., 1 mit 110 Mtk. und 2 mit je 44 Mk.
— Kaiserslautern, 7. Januar. Als
jeute Nachmittag 4 Uhr 3 Min. der fahrplanmäßige
Zug den Bahnbdiaduki am Hauptbahnhofe passirie,
erfaßte die Maschine den Rangirer Louis Schober
ind schleuderte denselben auf den Bahnkörper; der
Bedienstete wurde derart verletzt, daß sein Auf⸗
ommen als ausgeschlossen zu betrachten ist. Der—
elbe hatte sich unvorsichtiger Weise aus einem im
stachbargeleise befindlichen Rangirzuge zu weit
erausgebeugt.
Sinc eintragriche Jago qeint die
Binchosswaldes bdei Neulerningen zu sein.
Donnerstag, 10. Januar 18583. 19. Jahrg.
Bei dem jüngsten Treibijagen, an dem sich 22
Schüten und 14 Treiber betheiligten, wurden nach
der „Pf. Pr.“ Summa Summarum zwei Hasen
erlegt.
— Wie die „Pf. Z.“ meldet, finder die nächste
sesellige Zusammenkunft der Zentrumspartei am
Zonntag den 20. Januar Nachmittags gegen 4 Uhr
Rheinzabern statt und zwar bei Gastwirth
dnig.
auf und wollte zum Portier gehen, um einen Arzt
solen zu lassen, fiel aber aber an der Thür vom
Schlage gerührt zusammen. Die Leiche geht morgen
MRitiag 12 Uhr nach Mannheim.
f (Ein Tataren⸗General aus Kölnd)
Die „K. Z.“ erzählt: In China lebte ein ehema⸗
iger Artillerieunteroffizier Schnell aus Köln. Sein
Vater, ein Bäckermeister, ist vor einigen Jahren
jestorben, während seine Mutter, eine Schwester
ind ein Schwager noch in Köln leben. Mit diesen
uinterhielt er bis zum Februar vorigen Jahres regel⸗
näßigen Briefwechsel. Vor anderthalb Jahren theilte
r seinen Verwandten mit, er habe fich bis zum
Tatarengeneral emporgeschwungen. Seine Briefe
varen aus Tientsin datiert; er bat, Antwortschreiben
iuch dorthin zu richten, obwohl er sich mehr in's
Innere nach Petang begeben müsse. In dem erst⸗
jenannten Orte schenkte ihm der Vizekönig Li-Hung⸗
Tischang einen sehr schönen Tempel zum Wohnsitz.
Schnell theilte ferner mit, er beabsichtige, das ganze
Deilitärwesen, besonders die Artillerie, nach deutschem
Muster umzugestalten. Wenn sich ihm auch be—
eutende Schwierigkeiten entgegenstellten, sa hoffe er
doch, mit Fleiß und Ausdauer Alles glücklich durch⸗
ühren zu können. Schnell, der „Tataren⸗-General,“
zat Gymnasialftudien bis zur Untersekunda gemacht.
F In Hagen schlossen zwei Wirthe dieser
Tage einen eigenthümlichen Pferdehandel ab. Der
Berkäufer forderte 300 Mk. für ein 6— 7 Jahre
iltes Zugpferd, worauf der Ankäufer, dem dieser
Breis zu hoch war, den Vorschlag machte, das
Bferd in folgender Weise zu kaufen und zu be—⸗
ahlen. Er bot nämlich für jeden Hufnagel, und
war für den ersten 3 Pfg., für den zweiten
Pfg. und so sollte mit jedem weitern Hufnagel,
ekanntlich gehören zum Hufbeschlag eines Pferdes
heren 32, verdoppelt werden. Der Verkäufer ging
nuf den Handel ein, derselbe wurde abgeschlossen
ind ein ebenfalls anwesender Herr unterzog sich
der Mühe, den Kaufpreis auszurechnenen. Wie
erstaunten aber die beiden biedern Spießbürger, als
ie hörten, daß sich der Kaufpreis auf 10,737,418
MNk. 24 Pfg. bezifferte. Daß bei einem solchen
Breise der Kauf nicht perfekt wurde, ist selbstver⸗
tändlich, und mußte der Ankäufer als Reugeld die
dosten des Gelages tragen.
F Berlin, 7. Januar. Es ist ein seltsamer
Zufall, daß zu derselben Stunde, da Lasker in
»en Armen eines ihm fremden Mannes zu New⸗
Hork verstarb — Sonnabend Morgens zwischen
1—28 Uhr nach Berliner Zeit — ein sechs Seiten
anger Brief von seiner Hand eintraf, in dem er
inem nahen Anverwandien und intimen Freunde
inter Anderem Folgendes schrieb: „Sein physisches
ind geistiges Wohlsein sei dermaßen befriedigend,
aß er schon seit langer Zeit kein solches Behagen
mpfunden habe. Er hoffe zuversichtlich, in völliger
geistesfrische und Munterheit sein liebes Berlin
viederzusehen. Der Winter lasse sich so schön an,
aß man sich in einen herrlichen Sommermonat ver⸗
etzt wähne. Er freue sich daher, einer milden See⸗
reise entgegenzusehen. Doch wolle er an die See⸗
eise gar nicht denken, denn er ertrage freudig und
zeduldig alle Fährlichkeiten und Widerwärtigkeiten
»er Reise, da sie ihn ja wieder dem Vaterlande
uführe.“ —
fGeiches Erbe.) Die Hinterlassenschaft
)»es im Dezember verstorbenen Graf Redern n.
Berlin beläuft sich auf 75 Millionen Mark, unter
Unrechnung des äußerst umfangreichen Landsitzes.
erbe ist der einzige Neffe des Grafen.
Verm ischtes.
F München, 4. Januar. Am 2. Januar
and im Schlosse zu Nymphenburg die feierliche
Zromotion des Prinzen Ludwig Ferdinand als
)octor medicinae honoris ecausa statt. Der Prinz
jatte eine Abhandlung? „Zur Anatomie der Zunge,
ine vergleichend anatomische Studie“ der medizi⸗
nischen Fakultät der Universität München vorgelegt,
velche, wie Professor Pettenkofer bei Ueberreichung
des Doktordiploms sagte, hoch über den Anforder⸗
ingen steht, welche die Fakultäten an Doktordisser⸗
ationen stellen, und welche, wenn auch sie anonym
erschienen wäre, unter den Fachgenossen Beachtung
ind Anerkennung gefunden hätte.
Wallenhausen, 58. Januar. Aus Eifer⸗
ucht wurde in der Neujahrsnacht ein 21ljähriger
Zöldnerssohn von 4 Burschen erschossen. Sie lock⸗
en ihn durch großen Lärur aus seinem Hause,
zahmen ihm dann sein Gewehr ab, vrügelten ihn
üchtig durch und jagten ihm schließlich, alz er in
ein Haus zurückfloh, aus seinem eigenen Gewehre
zie Kugel durch den Leib. Die Thäter sind verhaftet.
F Oberlimburg, 7. Jan. Gestern Morgen
purde in Oherlimburg bei Wallerfangen eine schwere
Bölfin durch den 17jährigen Sohn des Forstauf⸗
ehers Herrn Hefinger hier erlegt, welche unweit
ꝛes Dorfes in eine Falle gerathen war. Etwas
eltenes ist es bei dieser milden Witterung einen
Voif so nahe am Dorfe anzutreffen. Dieselbe
vpurde heute Morgen nach Wallerfangen zu Herrn
zibleroi gebracht, da sie auf dessen Revier ge⸗
chossen wurde.
F Bei Dil lenburg wurde in der Sylvester⸗
nacht durch ein Fenster nach dem in seinem Bette
chlafenden Lehrer K. geschossen. Nur eine Hand
dreit über den Kopf des Schlafenden weg drangen
die Schrotkörner und gehackten Bleistücke in die
Wand. Ein in der Schußlinie stehendes Christ⸗
däumchen wurde ruiniert und mehrere Bleistücke
uhren durch ein über dem Bette aufgehängtes Bild.
der Bedrohte sammelte 24 Bleistücke, die nicht nur
hm, sondern auch einem in demselben Zimmer
chlafenden Kinde den Tod bringen konnte.
Die Landesversammlung der badischen
Brauer war von 60—- 70 Mitgliedern besucht.
Mit allen gegen 14 Stimmen erklärten sich die
Unwesenden für die neueinzuführende Braumalz⸗
teuer und freuten sich, daß in Zukunft nur Malz
ur Bierbereitung verwendet werden dürfe. Ein⸗
timmig wurde eine Bittschrift an die Regierung
ingenommen, daß die Braumalzsteuer auf 9 statt
suf 10 M. festgesetzt werde. Der Mitgliederbeitrag
vurde von 5 auf 3 M. herabgesetzt.
FStuttgart, 6. Januar. Alexander Bafser⸗
naun aus Mannheim, früherer Chef der Droguen⸗
irma Bassermann und Herschel, war gestern mit
Frau und Tochter gekommen, um seinen Sohn
lugust auf der Hofbühne „Ambrosius von Molbech“
vielen zu sehen. Abends war noch die Familie im
votel Marquardt in bester Laune beisammen und
reute sich über den Erfolg des Sohnes. Früh
rach 4 Uhr wurde der Vater unwohl; er stand