Full text: St. Ingberter Anzeiger

stellvertretenden Direktor Karl Jakob Lavale in 
Ludwigshafen zum Direktor der Pfälzischen Eisen⸗ 
hahnen, den bisherigen Direktionsrath Gustar 
Hessert daselhst zum stellvertretenden Director dieser 
Bahnen zu ernennen. 
ger Ausschuß für die Nebenbahn Dierk⸗ 
heim-Ludwigshafen hat jecetzt alle au ihn 
gestellten Aufgaben gelöst. Die fur die Projek— 
rirung nothwendige Geldsumme ist von den Ge⸗ 
meinden gezeichnet, die Eingabe an die kgl. Regie⸗ 
rung wegen der Erlaubniß zum Vermessen der 
Tine ist mit den nöthigen Beilagen nach Speyer 
abgegaugen. In Bayern drüben hat eben unsere 
Abgeordnetenkammer Ne benbahnen genehmigt, 
welche einen staatlichen Aufwand von ca. 12 Mil⸗ 
lionen Mark erfordern. Für unsere Bahn dagegen 
wird weder Staatszuschuß, noch staatliche Zins⸗ 
garantie verlangt. Der Staat hat aber ohne 
Zweifel ein Interesse daran, wenn eine Gegend 
mit einer betriebsamen Bevölkerung von 27,000 
Seelen wirthschaftlich aufgeschtossen wird durch eine 
Bahn, die zudem ins Herz des Isenachthales 
führt und den Versandt der dortigen Brenn⸗ und 
Nutzhölzer erleichtert und dadurch deren Werth 
steigert. Die Interessen der Gemeinden und der 
Staͤatskasse treffen hier zusammen, und da nach 
den thatsachlichen Vorlagen kein Zweifel daran ist, 
daß das nöthige Kapital oon ungefähr 700,000 
Mark gezeichnet wird, so ist an einer günstigen 
Entscheidung der zuständigen Stellen nicht zu zweifeln. 
Pfaälzisches Schwurgericht. 
1. Quartal. 
Zweibrücken, 15. März, Nachmittags 4 Uhr: 
Verhaͤndlung gegen Jakob Wingerter, 21 J. a., 
Dienstknecht von Rohrbach; Straßenraub. 
Staatsbehörde: Il. Staatsanwalt Schneider; Ver⸗ 
theidiger: Rechtspraktikant Syffert. 
Am 21. Januar Abends gegen 6 Uhr kam der 
Angeklagte in den Laden des Buchbinders Friedrich 
in St. Ingbert, woselbst er die Ehefrau Friedrich 
allein antraf. Dieser theilte er die unwahre That⸗ 
sache mit, er stehe bei Wirth Schmitt in Sengscheid 
in Diensten; mit diesem sei er hierher gekommen, 
um Bier, das sein Herr bestellt, an der Bahn ab⸗ 
zuholen. Sein Herr habe jedoch vergessen, sich Geld 
einzustecken, und er könne deßhalb das Bier nicht 
bekommen, weil er nicht die 16 Mk. betragende 
Fracht bezahlen könne. Er sei von ihm deßhalb 
zu Friedrich geschickt worden, um einen Vorschuß 
on“15 Mt. zu erbitten. Sein Herr halte mit 
der Fuhre am Bahnhofe. 
Frau Friedrich theilte ihrem Manne das Ver—⸗ 
langen des Angeklagten mit. Jener gab ihm jedoch 
nicht das Geld, sondern sandte seinen Lehrling, 
Kaclt Felke, dem er 15 Mk. einhändigte, mit zum 
Bahnhofe. Damit war nun der Plan des Ange⸗ 
klagten, sich durch seine falschen Vorspiegelungen in 
den Besitz von Geld zu bringen, vereitelt. Als er 
nun mit dem Lehrling Felke dem Bahnhofe zuschritt, 
faßte er plötlich den Entschluß, diesem das Geld 
abzunehmen. Als beide an eine Stelle der Straße, 
wo keine Häuser stehen, gekommen waren, packte der 
Angeklagte den Nichts ahnenden Lehrling an der 
Vrust und rief: „Jetzt das Geld her oder ich steche 
Dich todt!“ Der überraschte Lehrling suchte sich zu 
wehren und schrie aus Leibeskräften. Der Ange⸗ 
llagte riß ihm jedoch das Geld aus der Hand und 
enifernte sich eilends. 
In diesen Thathandlungen erblickt die Anklage 
einen Betrugsversuch gemäß 8 263 des R.⸗St.“G.B. 
und ein Verbrechen des Straßenraubes nach 8249 
und 8 250 Ziff. 83 des R.St.⸗G.B. 
Der Angeklagte gesteht die ihm zur Last geleg⸗ 
ten Thaten unumwunden zu. 
Der Vertreter der k. Staatsbehoͤrde beantragte 
auf Grund des Geständnisses des Angeklagten und 
des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bejahung der 
Schuldfragen. 
Die Vertheidigung führte aus: Wenn man die 
ganze Lage des Falles, insbesondere das reumüthige 
ðGeständniß, die große Jugend des Angaeklagten und 
die schlechte Erziehung, die er genossen ꝛc., in's 
Auge fasse, so müsse man mit zwingender Noth⸗ 
wendigkeit zu dem Schlusse kommen, daß, wenn 
irgendiwo hier milderde Umstande am Platze seien, 
weßhalb sie die Bejahung der darauf gerichteten 
Frage beantragte. 
Die Geschworenen bejahten die Schuldfragen 
unter Ausschluß mildernder Umstände, worauf der 
Angeklagte, wie mitgetheilt, zu einer Gesa mimi 
undihn usstrafe von 53Jabren und 1 Mona 
verurtheilt wurde. Auch wurden demselben die 
bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 
Jahren aberkannt. (3. 3.) 
Vermischtes. 
Würzburg, 18. März. Zu der heute 
Abend zu Ende gegangenen Frühjahrsprüfung für 
den Einjährigfreiwilligendienst haiten sich von 15 
angemeldeten Kandidaten 14 eingefunden, von denen 
vier nach der schriftlichen Prüfung vom weiteren 
Examen zurückgewiesen wurden und vier dieselben 
—X— Lennig⸗Moschel's 
Fall sind, wie s. Z. mitgetheilt, die Paukbüchen 
des 80. abgefaßt worden. Ueber 50 theils ge 
wesene, theils jetzt noch Studirende haben sich deß⸗ 
halb wegen Zweikampfs und Verleitung hierzu ge⸗ 
richtlich zu verantworten. Die Betreffenden kommen 
zruͤppenweise in den nächsten Wochen vor der Straf 
kammer des hiesigen kgl. Landgerichts zur Verhandlung 
am 22. Maͤrz 15, am 29 März u. s. w. 
p Vilsbiburg, 18. März. Der Söldner 
Jakob Gruber von Zurlberg, der den Hakner Berg⸗ 
sofer ermordet und ausgeraubt hat, wurde gestern 
früh unter großem Menschenandrang in die Frohn⸗ 
jeste nach Landshut abgeführt. In der letzten Nachl 
zatte er in der hiesigen Frohnfeste einen Ausbruch— 
versuch gemacht und er wäre auch entkommen, hätte 
nicht der visitirende Eisenmeister die durch Ausreißen 
von zehn Steinen gemachte Oeffnung in der Mauen 
rechtzeitig entdeckt. Der Verbrecher, ein 32jähriger 
kräftiger Mensch, hatte die Frechheit gehabt, da er 
ich noch unentdeckt in Freiheit befand, der Sektion 
eines Opfers beizuwohnen! Bei der gerichtlichen 
Vernehmung lachte er den Beamten höhnisch ins 
Besicht. Auch seinen armen alten Vater, einen 
ehr braven Mann, hat der Mörder durch sein Ver⸗ 
zrechen in den Tod gejagt. Als man nämlich dem 
ränklichen Manne die schauerliche That seines Sohnes 
nittheilte, sank er mit den Worten „das ist mein 
Tod“ entseelt um. Das Weib des Gruber wurd⸗ 
zleichfalls verhaftet und bei ihr fand man 3100 Mtk 
Hapiergeld, das mit Blut befledt war. 
4 Die Zimmermannsfrau Kreszenz Baumgartner 
u Passau, welche Gelder gegen 36 Prozenl 
Zinsen auslieh, wurde wegen Wuchers zu zwei 
Htonaten Gefängniß und 200 Mark Geldstraf— 
oerurtheilt. 
Mainz, 14. März. Eine schreckliche Scent 
joll sich heute Morgen bei Langenlohnsheim zuge⸗ 
ragen haen. Als nämlich der Paris-⸗Frankfurten 
Schnellzug diese Station kaum passirt hatte, drängten 
sich kurz bor demselben zwei kleine Kinder durch 
eine geschlossene Barriere auf das Geleise der Bahn 
Die auf der anderen Seite stehende Mutter, welcht 
die Gefahr bemerkte, wollte den Kindern zu Hülft 
eilen und dieselben noch vor dem Zuge vom Ge⸗ 
eise hinwegreißen, doch es war zu spät, der Zug 
erfaßte die drei Unglücklichen, welche überfahren 
und schrecklich zugerichtet wurden. Der Tod der 
selben trat sofort ein. 
F Mainz, 15. März. Der Mainzer Kar 
gevals⸗Verein hatte in diesem Jahre inkl. des ca 
3660 Mi. betragenden fonds perdu eine Gesammt 
einahme 66,000 Mk., während sich die Ausgaben 
zuf 536,000 Mk. beliefen, so daß ein Ueberschuß 
„on 9000 Mk. verbleibt. Es war dies die größte 
Finnahme, die der Karnevals⸗Verein seit seinem 
Bestehen gehabt hat. Der Fachelzug, der Karnevals 
ug und die Kappenfahrt losteten etwa 22,000 Mk. 
Von dem Ueberschuß von 9000 Mt. erhält die 
Bürgermeisterei 2000 Mk. zur Vertheilung an 
Arme, 200 Mk. die Schutzmannschaft und 200 Mi 
die Korpskasse der Feuerwehr. Dex Rest, ca. 
7000 Mi., wird als Zukunfsfonds der Mainzer 
Volksbank überwiesen. 
pElberfeld, 15. März. Das Betriebs 
material der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu 
Elberfeld wird im Laufe dieses Jahres um 24 
dokomotiven, 56 Personenwagen, 20 Personenzug 
gepäckwagen, 379 Kohlenwagen, 50 bedeckte Güter 
vagen und 50 bedeckte Kalkwagen vermehrt. Di— 
Personenwagen sind zweiachsige Wagen 3. Klasse 
sje werden zum größten Theil mit der Carpenter— 
Bremse (Luftdruck-Bremse), zum Theil auch mit 
der Heberlein⸗Bremse versehen. Mit der Carpenter—⸗ 
Bremse werden überdies 15 Personenzuglokomotiven 
welche zur Beförderung von Schnellzügen bestimm 
sind, ausgerüstet werden. 
Bremen, 12. März. Die Direktion des 
Norddeutschen Lloyd erläzt folgende „Warnung“: 
„Passagiere, welche über Chicago nach nordwestlichen 
Staaten also nach Illinois. Wiskonsin, West⸗Michi⸗ 
zan, Jova, Nebraska, Minnesota, Dabota ꝛc. reisen 
Derden hiermit auf das Dringenste gewarnt, sich ir 
Chicago von Niemanden überreden zu lassen, von 
dem Bahnhof wegzugehen, oder gar in Chicago zu 
bleiben, um daselbst Logis zu nehmen. Ein ge— 
wötnlicher Kniff derjenigen Leute (in Amerika 
runners“ genannt), welche die Passagiere in Chi 
cago unnützer Weise zurückzuhalten suchen, ist der 
daß sie ihnen vorspiegeln, der Zug sei schon abge— 
fahren, oder die Züge nach dieser oder jener Station 
würden nur alle zwei Tage abgelassen u. s. w 
Dies Alles hat nur den Zweck, die Reisenden 
ins Wirthshaus zu locken, um Vortheil von ihnen 
zu ziehen und ihnen Geld abzunehmen. Also be— 
herzige das ein Jeder und lasse sich von solchen 
Schwindlern nicht verleiten, den Bahnhof zu ver— 
lassen. Beim Eintreffen in Chicago werden dit 
mit Billets nach westlichen Stationen versehenen 
Passagiere vom Bahnhofe der Baltimore und Ohio 
Eisenbahn mittelst Omnibus unentgeltlich nach der 
anderen Bahnhöfen befördert. Von jedem Bahn 
hof in Chicago werden täglich zwei bis drei Aus 
wandererzüge abgelassen, in der Regel zwischen 114 
12 Uhr Mittags und zwischen 9--12 Abends. - 
Die genaue Abfahrtszeit ist von dem Dolmetschen 
und Ägenten der Baltimore und Ohio-Eisenbahr 
zu erfragen, der die Passagiere auf der Reise vor 
Baltimorte nach Chicago hegleitet und dessen An— 
weisung die Passagiere genau befolgen sollten. Au 
allen amerikanischen Bahnhöfen sind Brod, Caffe— 
und andere Lebensmittel zu mäßigen Preisen zu haben. 
Ein Proceß ist vor dem Amisgericht 
zu Berlin anhängig gemacht worden, der weiter— 
Kreise interessiren duͤrfte. Am 7. August v. IJts 
ermächtigte Hr Henry Villard, Präsident der Nor— 
thern Parific Railrond Company, den Berlinen 
Vertreter der Gesellschaft telegraphisch zum Abschluf 
folgenden Contracts: „Berlin, den 10. Aug. 1883 
Contract zwischen den Northern Pacific Railroal 
Company, vertreten durch ihren Generalagenter 
Richard Goerdeler in Berlin, und Konrad Dielit 
ebendaselbst: Hr. Konrad Dielitz geht am 15. Aug 
ds. Is. auf Kosten der Northern Pacific Railroa 
Company nach Amerika, um der Eröffnung ge— 
jannter Bahn beizuwohnen und Auftrag zu einen 
Delgemälde entgegenzunehmen. Zerschlagen sich di 
Verhandlungen, so zahlt die Northern Pacifi 
Railroad Company Hrn. Dielitz für den Verluß 
an Zeit die Summe von 2000 Dollars Schaden 
ersaß; dagegen verpflichtet sich Hr. Dielitz für — 
Bild, zwanzig Fuß lang, zwölf Fuß hoch, nich 
mehr als 15,0800 Dollars, für ein Bild halb s 
groß nicht mehr als 10,000 Dollars zu verlangen 
Ddie näheren Bedingungen über Größe, Charakte 
u. s. w. des Bildes, sowie den Zahlungsmodus 
werden in New-VYork vereinbart werden. Richar 
Goerdeler, Konrad Dielitz'.. Wie bekannt, macht 
Hr. Dielitz die Reise mit. Wie nicht bekannt 
nußte Hr. Dielitz, theilweise auf eigene Kosten ber 
schiedene Reisen unternehmen, z. B. ins Indianer 
ebiet, mußte sich nach New-York zurückgekehrt, eir 
Ateler miethen und wurde, immer auf seine eigenen 
Dosten, ungebührlich lange zurückgehalten, um ver 
ichiedene Portraits zu malen. Hr. Henry Villart 
zahlte für sein Portrait 1000 Dollars (etwa 4200 
Mark), Lord Carrington 100 Guineen (gleich 2500 
Mark); außerdem ließen sich noch Karl Schurz und 
Frederick Billings, einer der Direktoren der —XW 
Hacific, malen. Ende November trat Hr. Dielit 
ohne den Auftrag zu einem großen Bilde erhaltei 
zu haben, die Heimreise an, und am 17. Janua 
ds. Is. faßte das Direktorium der Bahn auf Antta 
August Belmonts, des Vertreters Rothschilds, de 
Beschluß, den obigen „angeblichen“ Contract 
anunulliren, weil er ohne Autorisation abgeschlosse 
worden sei. Der eine der beiden Contra henten 
Richard Goerdeler, protestirte sofort energisch gege 
dieses ganz unerhörte Verfahren und befindel si 
in Folje dessen jetzt im Kriegszustande mit de 
Compagnie; Dielitz, den man durch private 8 
sprechungen zu beschwichtigen versucht hatte. verhicl 
sich eine Zeit lang ruhig, hat aber jetzt den Be 
der Klage betreten. 
p'Keichssgerichts-Entscheidung)G 
Ehescheidungsprozeß, dessen Veranlassung einen he 
ubenden Cinblick in das Leben einer zu den g 
bildeten Ständen gehörenden Familie gewährt. 
vor Kurzem beim Reichsgericht zur Entscheidun 
gelangt. Ein preußischer höherer Erecutibbeam 
führte mit seiner Gattin eine unfriedliche Eh 
welche zu wiederholtem Streit zwischen den br 
leuten führte. Als nun an einem Tage gegen bn