Full text: St. Ingberter Anzeiger

des Jahres 1878 in Folge eines Zankes der Ehe⸗ 
ann seine Gattin durch Fußtritte, Faustschläge 
ind Hiebe mit einem breiten Lederriemen mit starker 
Stahischnalle an Kopf, Gesicht, Rücken, Schulter, 
Frust und Armen gemißhandelt hatte verließ die 
Hatiin noch an demselben Tage heimlich ihren 
halten und begab sich zu ihren Verwandten in 
Zachsen, welche ihr Aufnahme gewährten. Von 
hrem neuen Heim aus strengte die Gattin die Ehe⸗ 
cheidungsklage an mit dem Antrage, ihren Gatten 
vegen der ihr zugefügten Mißhandlungen als den 
huldigen Theil zu erklären. Der Mann, welcher 
en ihm ungünstigen Ausgang des Prozesses be⸗ 
urchtete, dersuchte Anfangs brieflich seine Frau zur 
Räcktehr zu bewegen, und als dies erfolglos 
hlieb, versuchte er seine Frau durch Hinter⸗ 
ist und durch Täuschung in seine Gewaltt 
u briugen. Die Verwandten der Frau ließen die⸗ 
albe so wenig als inoglich auf die Straße gehen, 
ind schließlich war die Frau gezwungen, sich zu 
hrer Sicherheit vor ihrem Gatten einer Polizeiwache 
bedienen. Im Oktober 1879 endlich gelang es 
ein Gatten mit Helfershelfern, seine Frau in seine 
gewalt zu bringen und binnen wenigen Stunden 
ewirkte der Gatte, daß seine furchtsame und schwäch— 
iche Frau die schriftliche Erklärung abgab, „sie sei 
u ihrem Gatte zurückgekehrt, habe ihm Alles ver⸗ 
jehen und werde die Ehe mit ihm fortsetzen“ Als 
urze Zeit darauf die Frau ihre Freiheit wieder 
langt hatte, erhob sie von Neuem eine Eheschei⸗— 
zungsklage wegen der ein Jahr vorher vom Ehe— 
gatten ihr zugefügten Mißhandlungen. Dieser Klage 
egenüber erhob der Gatte den Einwand, daß die 
Frau mittelst schriftlicher Erklärung vom Oktober 
1879 ihm Alles, was vorhergegangen, verziehen 
zabe. Dieser Einwand wurde jedoch in beiden In⸗ 
tanzen, auf Grund der thatsächlichen Feststellungen, 
zaß bei Abgabe der Erklärung das Vermögen der 
Frau, mit Freiheit und Ueberlegung zu handeln, 
surch Furcht vor der ihrem Leben oder ihrer Ge— 
undheit von dem Kläger drohenden Gefahr gänz⸗ 
ich ausgeschlossen gewesen ist, verworfen. In der 
zwischenzeit war auch der bektagte Gatte wegen 
jes oben geschilderten Berhaltens, unter Mißbrauch 
einer Amtsgewalt, disziplinarisch aus seinem Amte 
entlassen worden. Die von dem Gatten eingelegte 
Ktevision wurde vom Reichsgericht, I1V. Civilsenat, 
»urch Urtheil vom 28. Januar 1884 zurückgewiesen. 
fGeichsgerichts-Entscheidung. In 
einer Klagesache der Wittwe eines Post— 
chaffners, welcher bein Eisenbahnbe— 
riebe und im Postdienste verunglückt war, 
egen den preußischen Eisenbahnfiskus auf Zahlung 
iner Entschädigungsrente hatte der Fiskus unter An— 
derem geltend gemacht, daß die Reichspostver⸗ 
valtung für der. dem Verstorbenen im Post- 
gienste zudestoßenen Unfall haftete und dadurch 
»ie Haftung des Eisenbahnfiskus ausgeschlossen 
vurde. Das Reichsgericht, V. Civilsenat, erachtete 
purch Urtheil vom 26. Januar 1884 diesen Ein⸗ 
zand für hinfällig, indem es begründend ausführte: 
Der Revisionskläger (der preußische Fiskus) fucht 
seltend zu machen, daß, weil der Postschaffner im 
dostdienste verunglückt sei, höchstens die Post dafür 
afte. Nach 8 1des Hafipflichtgesetzes haftet aber 
ür die Tödtung eines Menschen bei dem Betriebe 
ꝛiner Eisenbahn der Betriebsunternehmer der Eisen⸗ 
»ahn, ohne Rücksicht darauf, ob der Getödtete 
m Dienste einer anderen Verwaltung 
»der Person oder im eigenen Interesse thätig 
war, als er verunglückte. 
Das „Berl. Tagbl.“ erhielt folgende Zu— 
hrift: „Ihr w. Blatt Nr. 9 bringt einen Arutel: 
Ein neues Schlafmitte!“ von H. W. Vogel, 
ind in demselben Auslassungen über , Chioralhydrat“. 
Ich selbst habe b.i Anwendung dieses Mittels 
chlechte Erfahrungen gemacht, deren Bekanntwerden 
ielleicht nicht ohne Interesse ist. Gezwungen, 
xchlafmittel zu gebrauchen, ging ich zu Chlorai 
ber. Nach kurzer Zeit stellte sich an der Außen 
eite des Daumens eine brennende Röthe ein, einige 
Tage darauf eine gleiche zwischen dem Millele und 
Zeigefinger, während diejenige am Daumen sich bis 
um Handgelenk verlängerte und flechtenartig wurde. 
Benige Tage später genau dieseiben Erscheinungen 
ꝓr der linken Hand, so brennend, daß Tag und 
dacht ühlmitien wie Bleiwasser augewandt derden 
nußten. Diese Sache wurde noch schlimmer, als 
ine gleiche Eutzunduug an empfindlichen Theilen 
es Koörpers sich einstellte, welche stellenweise ein 
echt schlechtes Aussehen hatte, Nichis haff dagegen, 
und die Aerzte hatten die verschiedeusten Ritel 
dersucht. Um nun jetzt den ganz fehlenden Schlaf 
zu erzwingen, ging ich wieder zu Morphium zurück, 
und von diesem Augenblick an trat sofort eine 
Besserung ein, so daß in etwa vierzehn Tagen jene 
Erscheinungen beseitigt waren. Bis jetzt halte man 
dieselben durchaus nicht als Folgen des Gebrauchs 
yon Chloral angesehen, als aber ein halbes Jahr 
päter wiederum zum Chloral gegriffen wurde, stellten 
iich genau dieselben Erscheinungen in derselben 
Reihenfolge ein, und mit dem Aussetzen des Chlorals 
legte sich wiederum die Entzündung, so daß man 
dadurch erst den Grund des Uebels erkannte. Zur 
nochmaligen Prüfung der Sache versuchte ich es 
einige Monate später wiederum mit Chloral, und 
ogleich zeigte sich die Röͤthe an dem Daumen der 
rechten Hand, so daß meine Beobachtungen die feste 
leberzeugung schafften, daß nur das Chloral die 
»ezeichneten Einwirkungen hervorgebracht hatte. Dies 
ur beliebigen Verwerthung. Hochachtungsooll A. 
W. Müller. Es kann ja sein, daß bei Leidens⸗ 
zefährten im gleichen Falle sich gleiche Erscheinungen 
eigen, ohne daß der Grund dafür bekannt wird. 
Durch diese Zeilen wird Mancher vielleicht Aufklä— 
ung erhalten, und damit wäre der Zweck meines 
Zchreibens erreicht.“ 
Dem Vernehmen nach sollen in diesem Jahre 
die combinicbaren Rundreisebillete 
nicht erst am 1. Juni, sondern schon am 15. Mai 
ausgegeben werden. Die Giltigkeitsdauer beträgt 
35 Tage, site erlischt mit Mitternacht des 35. Tages. 
Da die Zusammensetzung der Rundreisebillete (Cou— 
ponhefte) eine gewisse Zeit beansprucht, so kann 
die Verabfolgung derselben nicht während der ge— 
vöhnlichen Billetausgabezeit verlangt werden. Die 
Bestellung muß schriftlich, unter Benutzung eines 
ür diesen Zweck besonders eingerichteten Formulars, 
uind zwar mindestens vier Stunden vor Abgang 
)es betreffenden Zuges erfolgen. Die Gesammtlänge 
der zusammenzusetzenden Strecken muß mindestens 
300 km betragen und die Strecken müssen eine 
virkliche, zusammenhängende Rundtour darstellen. 
Um letztere zu gewinnen, werden auch Gebirgs— 
trecken (Post⸗ und Fußreisen) und Dampffschifflinien, 
velche der Reisende zurücklegt, in die Couponhefte, 
edoch ohne Einrechnung der Entfernungen und 
Breise mit aufgenommen. 
FWie Napoleon J. über den Selbst— 
nord dachte, thut folgender Erlaß dar: 
St. Clond, 22. Floreal, Jahr X der Republik 
Der Grenadier Greslin hat sich wegen Liebes— 
ummer das Leben genommen. Es ist das der 
weite Fall gleicher Art in dem Korps seit Monats⸗ 
frist. Der erste Konsul befiehlt deßhalb, es solle 
auf den Tagesbefehl der Garde gesetzt werden, daß 
»in Soldat den Schmerz und den niederdrückenden 
kinfluß der Leidenschaft zu überwinden wissen muß. 
daß es ebenso vicl wahren Muth erfordert, Seelen⸗ 
sualen mit Standhaftigkeit zu ertragen, als unter 
»em Kartätschenhagel einer Batterie auszuhalten. 
Sich ohne Widerstand dem Kummer hinzugeben, 
ich tödten, um ihm zu entgehen, heißt das Schlachtfeld 
»erlassen, ehe Sieg oder Niederlage entschieden ist. 
Unterzeichnet: Gegengezeichnet: 
Bonaparte. Bassières. 
(Eine Petition von zweihunderr 
Damen.) In den Spalten der englischen Tages 
zresse ist seit Kurzem eine Kontroverse darüber im 
hange, ob Baker Pascha, der vor fünf Jahren 
vegen Verübung eines unsittlichen Attentates gegen 
ine junge Dame in einem Eisenbahnkupee aus 
»em Verhande der englischen Armee, in welcher er 
ur Zeit Oberst des zehnten Husarenregiments war, 
jestoßen wurde, jetzt in Anbetracht der von ihm 
nn der Schlacht von El Teb bewiesenen Tapferk eit 
rehabililirt und sein Vergehen als gesühnt betrachtet 
verden solle. Daß Baker Paschas Waffengefährten 
eine Wiederanstellung befürworten, ist natürlich 
jenug, aber daß sich auch die englische Frauenwelt 
ür den einstigen Rous interessirt, ist zum Mindesten 
iberraschend. Der Standard“ theilt mit, daß er 
in einem einzigen Tage nicht weniger als zwei⸗ 
jundert Briefe von Damen zu Gunsten der Wieder⸗ 
instellung des Obersten Valentin Baker empfangen 
habe. Natürlich fehlt es andererseits nicht an 
Protesten gegen ein solch unweibliches Begehren, 
ind unter den zahlreichen Protestnoten, welche der 
Standard“ veröffentlicht, verdient der Brief einer 
Pairstochter“ Erwähnung, welcher ein grelles 
ztreiflicht auf die Moral der den besseren Ständen 
ingehörigen englischen Damen wirft. Die Dame 
st die Gattin eines Oberst-Lieutenants und hat 
nit demselben sieben Jahre in Indien und den 
englischen Mittelmeerstationen zugebracht. Sie schreibt: 
„Der moralische Ton von englischen Damen (ins⸗ 
besondere solcher, mit denen man im militärischen 
Leben und in militärischen und Flottenstationen 
umzugehen gezwungen ist) ist entschieden niedrig. 
Die meisten derselben haben von ihrer Schulzeit 
ab ihre Zeit mit der Lektüre gefährlicher Novellen 
und unsittlicher Bücher vergeudet und ihre Alltags— 
unterhaltung ist eine solche, welche anzuhören die 
meisten Herren im bürgerlichen Leben erröthen 
machen würde. Die Thatsache, daß eine hervor⸗ 
ragende „Dame“ im offenen Ehebruche mit einem 
Kavallerie-Offizier lebt, lieferte kürzlich fünf eng— 
lischen Damen Stoff für eine pikante Plauderei.“ 
F New-York, 14. Maärz. Bis jetzt konnte 
noch keine Leiche der in den Kohlengrubeun bei 
Pocahontas Verunglückten geborgen werden, da 
die Zeche noch brennt. Behufs Erstickung des 
Feuers ist die Zeche geschlossen worden. Es steht 
nunmehr fest, daß kein Einziger von denen, welche 
bei der Explosion in der Grube waren, ent— 
kommen ist. 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Neustadt Jakob Lederle, 65 
J. a.; in Ludwigshafen Frau Rosina Münster, 
geb. Durlacher, Bezirksbauschaffnerswittwe, 69 J. a; 
in Bischheim die Wittwe von Jakob Schölles, 
38 J. a. 
Für die Redaferon veran⸗“wöortlich: F. X. Demetz. 
Ohne Hoffnung 
wäre das menschliche Leben zu einförmig, ja für 
Viele schwer erträglich. Hoffen, ebenso wie die 
Freude gehört mit zu den wesentlichsten lebenver— 
längernden Gemüths- und Nervenregungen, ohne 
die der Mensch vorzeitig körperlich und geistig er— 
lahmen müßte. Ein bischen Hoffnung soll Jeder 
gleich einem Nothpfennig im Vorrathe haben. 
Der Praktikant hofft auf Anstellung, der Ange— 
stellte auf Beförderung, der Offizier auf Avancement, 
das Mädchen auf einen Mann, der Looskäufer auf 
einen höheren, wenn nicht gar auf den höchsten 
Treffer. 
Die letztere Gattung von Hoffnung kann sich 
Jeder gegen ein Billiges verschafsen und soll das 
um so weniger versäumen, wenn er zugleich mit 
dieser Anschaffung einem edlen Zwecke Vorschub 
leisten kann. 
Eine der günstigsten Gelegenheiten hiezu bietet 
sich eben dar durch die II. Collecte der 
Geldprämien-Lotterie zur Erbauung einer 
kath. Kirche in Kaiserslautern wobei schon auf 
11 Loose ein Treffer enitfällt; Gewinnste 
werden ohne jeden Abzug ausbezahlt. 
Ziehung unabänderlich am 17. April 1884. 
Preis des Looses 2 Mark. — Man kauft sich 
dafür Hoffnung auf 40000, 10000, 5000, 3000 
Mark ꝛc. Die angenehme Hoffnung dauert um so 
länger, je früher man ein Loos kauft. — Letztere 
à 2 Mk. sind zu haben bei Alb. Roesl, Kau—⸗ 
fingerstraße 27 in München und bei allen ohnehin 
bekannten Verkaufstellen. — In den 3 Roesl'schen 
Filialen, Kaufingerstraße 27/0, Residenzstraße 16 
und Sebastiansplatz 9 (blauer Bock) werden alle 
Gattungen Loose von Anfang ab nachgesehen, ob 
sie gezogen worden sind. 
Selten hat sich eine so herrliche Gelegenheit 
dargeboten kirchlichen und Wohlthätigkeitssinn mit 
einer günstigen Spekulation zu verbinden, als dieses 
jetzt bei der bevorstehenden Lotterie zur Erbaunng 
einer neuen katholischen Kirche zu Kaiserslautern der 
Fall ist. Das dringendste Bedürfniß ist allerseits 
längst anerkannt. Die Unternehmung ist aber un— 
bedingt solid und bietet einem jeden Spekulanten 
die denkbar vortheilhaftesten Gewinnchancen. Sie ist 
ohne allen Abzug und bietet schon auf 11 Loose 
einen Treffer. Die Anzahl der Loose beträgt 
200000, diejenige der Geldgewinne 18000, welche 
130000 Mark repräsentiren. 
Bei der Nähe des Ziehungstermines — 17. 
April 1884 — säume man nicht sich mit Loos⸗ 
ankauf zu betheilinen. 
Innigsten Dank aus tausend armen Kinder— 
herzen allen Denen, welche durch Ankauf von 
Spessartlosen diesen armen Kleinen eine unsagbare 
Wohlthat erwiesen haben! Mögen noch recht viele 
mitdthätige Hände sich aufthun, um das edle Werk 
vollenden zu helfen! Die Gewinnziehung (Hauptge— 
winn 30,000 Mtk.) findet ohne Widerruf am 240 
März, nächsten Montag, statt. Preis des 
Looses 2 Mk.