Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingabert.
der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöochentlich mit Unterhaltungs
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljährlich 1 A 60 — einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1 75 , einschließlich
0 ñ Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 Z, bei außerpfälzischen und solchen
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 H, Neclamen 30 44. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.
M 56.
—
Donnerstag, 20. März 1884. 19 Jahrg.
Politische Uebersicht. JEolkale und pfälzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 20. März. Heute haben
vir über zwei schwere Unglücksfälle zu
erichten. Gestern Morgen verunglückte in der be⸗
zachbarten preußischen Grube Heinitz der hiesige
Bergmann Michael Fischer. Derselbe wollte nach
inem im Bohrloche sitzenden Schuß sehen, als sich
dieser entlud. Von den Sprengstücken wurde er
nit solcher Gewalt getroffen, daß er augenblicklich
rodt blieb. Fischer war 40 Jahre alt und hinter⸗
äßt eine Wittwe mit 5 unerzogenen Kindern.
Ebenfalls am gestrigen Vormittag zog auch bei dem
Rachbar des genannten Fischer, dem Bergmanne
darl Kaiser, das Unglück ein. Zwei kleine Kinder
esselben befanden sich kurze Zeit allein in der Stube.
diese Gelegenheit benützte das ältere, um ein
Streichhölzchen zu entzünden; als es dann das
limmende Hölzchen wegwarf, traf es unglücklicher
Weise die Kleider seines Geschwisterchens, die als⸗
hald in Flammen standen. Als auf das Geschrei
die Mutter und Nachbarn herbeieilten, war es zum
helfen leider zu spät. Das arme Kind hatte sich
o gräßlich verbrannt, daß es bald darauf starb.
fin weiterer Unfall traf in einer anderen Familie
in 2 Jahre altes Kind. Dasselbe verbrühte sich
die eine Körperseite derart mit heißem Wasser, daß
benfalls für sein Leben gefürchtet wird.
— Zweibrücken, 19. März. Vorgestern
erschied dahier der Privatmann Jakob Lorentz
m Alter von fast 70 Jahren. In seiner Hinter⸗
assenschaft fand sich u. A. auch eine Willens:Ver⸗
ügung vor, wie es mit dem Leichenbegängniß ge⸗
»alten werden solle, nämlich: „6 Mannspersonen
deren Namen genannt sind) sollen Träger sein.
kin jeder derselben soll 100 Mk. erhalten. Der
—Schreiner, welcher meinen Sarg macht, soll 100
Nark erhalten. Der Todtengräber, welcher mich
zeerdigt, soll 100 Mk. erhalten. Ferner ist es,
nein ausdrücklichster Wunsch, daß ich entweder
Morgens in der Frühe oder Abends in der Däm—
nerung ohne alle Zeremonien soll beerdigt werden.“
Mit der Ausführung dieses letzten Willens war
ine bestimmte Person betraut; dieselbe erhält 600
Mark. — Die Leichenbestattung fand heute früh
im 6 Statt, und hatten sich hiezu die als Träger
zestimmten Mannspersonen vollzählig eingefunden.
— Der Verblichene war vor einigen Jahren von
einem Hofgut (Jeanhof) in die hiesige Stadt über⸗
jesiedelt und wurde auf seinen Wunsch in das hie⸗
ige Hospital in Pension genommen, welch' letzterem
er einen Theil seines Vermögens hinkerließ.
. 3.)
— Pirmasens, 17. März. Auf dem
Ruhbanker Hof passirte vor einigen Tagen ein ent⸗
etzliches Unglück. Die Frau eines Schweinehirten
ieß dort ihr 6—9 Monate altes Kind in Gesell⸗
chaft eines Schweines und eines Hundes in der
„tube zurück und ging in den Wald, um Spreu
u holen. Heimgekehrt von da, bot sich ihr ein
chrecklicher Anblick; das Schwein, ein Läufer, hatte
»as Kind an den Ohren, am Halse und an den
Zeinchen angefressen, so daß das arme Kind infolge
essen starb. Nicht allein der ewige Vorwurf, den
ich jene Frau zu machen hat, sondern sie wird sich
nuch noch vor Gericht wegen fahrlässiger Tödtung
u verantworten haben.
— Pirmasens, 18. März. Wegen Ver—⸗
hachts an dem um die Weihnachtszeit hier vorge—⸗
ommenen Postdiebstahl betheiligt zu sein, wurde
etauntlich seiner Zeit der Schuster Heinrich Lingel⸗
»ach gefänglich eingezgagen. Derselbe wurde iedach
gestern Mittag nach zweimonatlicher Haft, wieder
auf freien Fuß gesetzt. (L. T.)
— Am Sonntag hat sich in Kaiserslautern
ein im Marschulhause inhaftirter Zeichenschüler aus
dem vierten Stocke am Dachkandel heruntergelassen.
Die „Pf. V.“ meint, der Schüler verfehle seinen
Beruf, wenn er nicht zur Marine gehe.
— Stockborn, 17. März. Eine Eisenbahn⸗
ahrt, wie sie in ihrer Art wohl noch nie dagewefen
iein dürfte, ereignete sich am Samstagmittag 312 Uhr
nuf der Lauterthalbahn. Ein Mann von Stoc⸗
horn, welcher mit dem Zuge von Kaiserslautern
kam, stieg ar genannter Station aus und im Be⸗—
griffe auf dem kürzesten Wege über das Bahnge—
leise zu gehen, wurde er von der Maschine des
wieder in Bewegung gekommenen Zuges erfaßt
und —- was geschah, der Betreffende saß in der
nächsten Sekunde Dank seiner Geistes gegenwart ritt⸗
lings auf dem einen Puffer der Maschine, auf
welchem er eine ganze Strecke, bis der Zug wieder
zum Halten gebracht worden war, mitfuhr. Zum
Glück verlief der unfreiwillige Ritt ohne Unfall.
— Aus der Pfalz. Auf Grund der in
der Untersuchung des Falles Moschel-Lennig
beschlagnahmten S. C. Paukbücher kommen nächsten
Samstag den 22. d. u. A. folgende Pfälzer wegen
Vergehens des Zweikampfes bezw. Aufforderung
dazu zur Verhandlung: G. Herb von Pirmasens
Chr. Krafft von Germersheim.
— Die pfälzischen Bahnen haben in
den beiden ersten Monaten von 1884. vereinnahmt
2,173,963 Mi., gegen den gleichen Zeitraum von
1883 ein Mehber von 80644 Mk.
Pfälzisches Schwurgericht.
I. Quartal.
Zweibrücken, 17. März, Vorm. 9 Uhr.
Berhandlung gegen Marie Glas, 29 Jahre alt,
Ehefrau von Johann Schein, Bergmann von St.
Ingbert, wegen Meineids. Staatsbehörde: 3. Staats⸗
inwalt Wagner; Vertheidiger: Rechtsanwalt Schuler.
Die Angeklagte hatte in einem wegen einer
Schlägerei vor dem Schöffengerichte St. Ingbert
geführten Prozeß beschworen, daß sie gesehen habe,
vie sich die damaligen Angeklagten an der Schlägerei
zetheiligten, worauf die letzteren zu je 10 Mk.
Beldstrafe verurtheilt wurden. In der Berufungs⸗
nstanz vor dem k. Landgericht Zweibrücken konnte
edoch die Angeklagte ihre erste Aussage nicht auf⸗
echt erhalten und es erfolgte Freisprechung zweier
Zeschuldigten, die sich nachgewiesenermaßen an der
Schlaägerei gar nicht betheiligt hatten, während gegen
die heutige Angeklagte Untersuchung wegen Mein⸗
ids eingeleitet wurde.
Die Angeklagte gibt heute an, sie habe zwar
nicht gesehen, daß die in der Berufungsinstanz
Freigesprochenen geschlagen hätten, sie habe es aber
aus den Bewegungen, die dieselben mit den Armen
zemacht, geschlossen.
Die Vertheidigung beantragte in erster Linie
Freisprechung, in zweiter Linie auf Fahrlässigkeit
zu erkennen.
Die Geschworenen bejahten jedoch die Schuld⸗
frage im Sinne der Anklage, worauf das Gericht
das Strafminimum von 1 Jahr Zuchthaus (also
nicht unter Anrechnung der Untersuchungshaft und
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenkechte wie in
vor. Nr. irrthümlich berichtet) über die Angeklagte
erhängte.
—A
München, 16. März. Was die Frage der
Reorganisation der Forstverwaltung anbelangi, so
vernimmt man in Abgeordnetenkreisen, daß Aus—⸗
icht besteht, es werde sich die Majorität des Fi⸗
ranzausschusses, entgegen dem Antrage des Refe⸗
renten, für den Vorschlag der königl. Staatsregie⸗
zung erklären, in welchem Falle dann auch die
Zustimmung der Kammer zu erwarten sein dürfte.
diese Angelegenheit wird in den letzten Tagen dieser
Woche in der Kammer zur Berathung gelangen
cöÿnnen.
Munchen, 18. März. Herr Reichsrath Graf
. Lerchenfeld hat zu den Beschlüssen der Kammet
»er Abgeordneten über den Keßler'schen Antrag,
detr. die Revision der Gesetzes, über Verehelichung,
folgenden Antrag eingebracht: „Es sei unter Ab—
jehnung der Ziffern 8 und 9 als Ziffer 8 einzu⸗
setzen: Wenn der Mann oder die Braut in den
drei unmittelbar vorhergehenden Jahren ein körper⸗
iches oder geistiges Gebrechen zu gewerbsmäßigem
Bettel benützt (oder ein solches zu gleichem Zweck
fälschlich vorgeschützt hat) soll der Gemeinde das
Finspruchsrecht gegen die Ausstellung des Verehe⸗
ichungszeugnisses zustehen.“
München, 18. März. Die Kammer geneh⸗
nigte einstimmig den Militäretat pro 1884183 mit
13.390,595 Mt.
München, 18. März. Die Reichrathskammer
ehnte den Kammerbeschluß, betreffend die Revision
zes Notariatsgesetzes ab und nahm den Antrag,
etr. den Malzaufschlag in der bisherigen Höhe,
benso die Straferhöhuna von 500 und 10060
Mark an.
Der Konigliche Gesandte in Darmstadt,
degativns-Rath Stumm, welcher gleichzeitig mit
der interimistischen Wahrnehmung der Funklionen
des Gesandten in Karlsruhe betraut ist, hat einen
hmm Allerhöchst bewilligten, kurzen Urlaub angetreten.
sKarlsruhe, 18. März. Der Landtag be⸗
villigte heute 100,000 Mt. als erste Rate für das
heidelberaer 300iäbrige Unin⸗rsitätsJubläum 1886.
Ausland.
Paris, 18. März. Heute, am Jahrestage
der Commune (von 1871), war Paris dis1 Uhr
so ruhig wie an gewöhnlichen Tagen, abgesehen von
ielen Polizisten auf den Esplanaden, dem Bastille⸗
Aatz, dem Père Lachaise und anderen Kirchhöfen.
die Vorsichtsmaßregeln gegen die Ruheftörungen
ind großariig.
Paris, 19. Marz. In den äußeren Bezirken
anden gestern Abend einige Bankets statt, bei
velchen heftige Reden gehalten wurde. Die öoͤffent⸗
iche Ordnung wurde nicht gestört. Durch die
zestrige Gas⸗Explosion in der“Et. Denis⸗Siraße
vurden 2 Personen getöbtet und 21 Personen ver⸗
vundet. — Roͤpublique frangais sagi, die allein
innehmbare Bafis der Verhandlungen sei die For—
erung einer Kriegsentschädigung, sowie die Siche⸗
ung des überwiegenden Einflusses Frantreiche in
ianz Tongking. e
Madrid, 18. März. Gestern wurde General
Ferrer, der wegen seiner republikanischen Verbind⸗
ingen bekannt ist, verhaftet; auf General Hidalgo,
er für einen der Haupftucheber de— revolutionären
—XX—— gefahndet.