Full text: St. Ingberter Anzeiger

und Demokratie den Nutzen zoͤgen. — Herrn 
Bürgermeister Reumayer wurde der Vorsitz über⸗ 
tragen. — Aus den weiteren Debatten ist herbor⸗ 
zuheben, wie das Bedürfniß eines besseren Zusammen⸗ 
schlusses der süddeutschen Liberalen, weicher durch 
die Heidelberger Kundgebung documentirt werde. 
schon lange empfunden worden sei; nicht erst, wie 
in gegnerischen Kreisen gesagt werde, seit Errichtung 
der deutschen freisinnigen Partei. Ferner wurde 
darauf hingewiesen, wie die Fortschrittspartei bei 
der Schaffung des Reiches im Parlamente im Ed 
gestanden sei und die Rauonalliberalen die Arbeit 
habe thun lassen. Herr Anwalt Müller von 
Frankenthal erlauterte hierauf in eingehendster klarster 
Weise Punkt für Punt der Heidelberger Kundgebung 
md erllarte sein vosllkommenes Einderständnitß mit 
derselben. Nuchdem noch eine Reihe weiterer Redner 
in gleichem Sinne gesprochen, wird jener Kundge⸗ 
bung im Anschluß an das eigentliche Parteiprogramm 
einstimmig beigetreten. Schließlich wird die 
Einberufung des für Ostermontag anberaumten 
Parteitages besprochen und darauf hingewiesen, 
wie einige der berufensten Vertreter der liberalen 
Sache bei demselben alz Redner auftreten sollen, 
md' wie alle Vertrauensmänner dafür in ihren 
Kreisen Sorge tragen sollten, daß der Parteitag 
ein recht zahlreich besuchter und dadurch desto 
wirksamerer für die Parteisache werde. Die Nati⸗ 
dnaliberalen vermöchten nicht in den Ruf „Forl 
mit Bismarck! wie die gegnerischen Parteien einzu⸗ 
stimmen. Man solle sich jedoch diese Worte in 
bevorstehen dem Wahlkampfe, wo es die Gegnerschaft 
an süßen Worten den Wahlern gegenüber gewiß 
nicht fehlen lassen werde, merken; die Erinnerung 
daran duͤrfte gewissen Leuten recht angenehm werden. 
Vornehmlich mit durch die Leistungen der Reichsre— 
gierung und besonders des Reichskanzlers stehe 
Deutschland heute so mächtig und geeint da; es 
marschire wirklich an der Spitze der Cibilisation. 
Deshalb müsse eine solche Regierung, wo nur immen 
möguch, in jeder Weise von jedem Patrioten that⸗ 
kraftigst unterstützt werden. — Nach Erörterung 
inlerner Angelegenheiten wird die Versammlung 
mit einem begeisterten Hoch auf Kaiser und Reich 
geschlossen. Deren Verlauf wird unzweifelhaft für 
die Parteisache von bestem Erfolge begleitet sein 
und hewiß alle Theilnehmer veranlassen, für mög 
lichste Förderung derselben zunächst in Bezug auf 
dieallseitigste Beschickung des bevorstehenden 
Parteitages mi allen Kräflen einzutreten! 
— Für die Hochspeyerer Osterkonferenz ha 
Professor Krieg in Kaiserslautern die biblische An⸗ 
sprache und Pfarrer Kayser in Karlsruhe den Vor⸗ 
irag über „die Aufgaben der inneren Mission an 
der Familie und ihre Pflege durch dit Familie“ 
zugesagt. Einen weiteren Gegenstand bildet ein 
Referat über die Arbeiterkolonien und Natural⸗ 
verflegungsstationen. 
Graünstadi, 30. März. Der seit 6 
Jahren anhängige Prozeß zwischen dem Fabrikar⸗ 
deiler Schmitt von Asselheim und der allgemeinen 
Unfallversicherungsbank in Leipzig hat nunmehr 
durch Vergleich seine Erledigung in der Weise ge⸗ 
funden, das Schmitt, der im Jahre 1878 in der 
Fabrit der Hrn. Orb u. Co. durch einen Unfall 
den rechten Arm verloren, 6000 Mt. Entschädigung 
echält; außerdem zahlt die Bank sämmtliche Kur⸗ 
kosten, die sich auf zirka 1500- 1800 Mark be—⸗ 
laufen, sowie die sammtlichen nicht unbedeutenden 
Prozeßlosten. Schmitt hatte, wie wir hören, 
15000 Mt. eingeklagt. (Frith. T.) 
der Finanzausschuß hat das Postulat für 
die Hafenanlagen in Ludwigshafen nach dem 
Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. A. Clemm 
einstimmig gutgeheißen. 
gIn der „Union sprach Jemand sein Be⸗ 
dauern darüber aus, daß die Delegirten der pfäl⸗ 
zischen Gewerbevereine die Errichtung einer 
Arbeiter⸗Colonie für die Pfalz abgelehnt 
haben. Das erwähnte Blatt erhält darauf folgende 
Entgegnung: Wer jedoch die pfälzischen Verhältnisse 
näher und die sehr gewichtiger. Gründe kennt, die 
diesen Beschluß herbeigeführt haben, der kann dieses 
Bedauern nicht theilen, muß vielmehr die Errichtung 
einer solch' kostjpieligen Colonie als unnöthig und 
höchst überflüssig bezeichnen. Abgesehen von der 
obͤluhenden pfälzischen Industrie, die Dank des spurlos 
an ihr vorübergegangenen Gründerschwindels auf 
sicherer Basis beruht, von Jahr zu Jahr an Aus- 
dehnung gewinnt und ine immer größere Anzahl 
Arbeiter erfordert, möchte ich nur auf die Rheinebene 
hinweisen, wo die letzte Ueberschwemmung so viel 
Arbeit für Handwerker aller Art mitgebracht hat, 
daß dieselbe, trotz Aufbietens aller verfügbaren 
Kerafte, kaum in zwei bis drei Jahren bewältig 
werden kann. Außerdem geht aus den letzten 
Kammerbeschlüssen hervor, daß allein für die Pfalz 
zur Verbesserung, Erhöhung und Erweiterung der 
Rheindämme für ein Jahr der gegenwärtigen Fi 
ranzperiode 100,000 Mt. bewilligt sind. Diese 
Arbeiten sind theilweise noch nicht in Angriff ge— 
rommen, als schon die Erbauung eines Ludwigs— 
Jafen⸗-Straßburger Cauals in Aussicht steht, welches 
nternehmen Tausende von Arbeitern zum Ver— 
zienen von Millionen Mark herbeiwinken wird. 
Wozu nun in Anbetracht so viel lohnbringender 
Arbeit eine pfälzische Arbeiter-Colonie, die bei 
Aufwand enormer dazu erforderlicher Mittel höchstens 
dazu dienen könnte, Laudstreicher und anderes 
arbeitsscheues Gesindel in unserem Kreise festzu— 
halten und denselben Gelegenheit zu geben, durch 
hre bösen Beispiele die guten Sitten des fleißigen 
trebsamen Volkes zu verderben! — „Einer der die 
»fälzischen Gewerbebereine vor der Bürde einer 
Arbeiter; Colonie bewahren half!“ 
— Aus der Pfalz. Die kgl. Regierung 
veröffentlicht nachstehende Uebersicht der Leistungen 
der Distrikte und Gemeinden des Regierungsbezirks 
der Pfalz für das Jahr 1883 mit dem Bemerten, 
daß in dieselbe nur außerordentliche Leistungen von 
—XD 
wurden. J. Schulwesen. Neue Schulstellen 
wurden errichtet und entsprechend dotirt in 30 Ge⸗ 
meinden, u. a. in Birkenhördt, Ingenheim, Herx⸗ 
jeim, Insheim, Pirmasens, Speyer. Für Schul⸗ 
Jausbauten wendeten u. a. auf die Gemeinden: 
dandau 26,000, Hinderweidenthal 12,000, Hilsi 
17,500, Heltersberg 12,000 Mk. In Kaiserslau— 
ern wurden eine neue Turnhalle mit einem Auf—. 
vande von 36,000 Mt. und ein neuer Kindergarten 
nmit einem Aufwande von 20,000 Mt. erbaut 
Die Stadtgemeinde Pirmasens hat die dortige Pri— 
oattöchterschule als städt. Anstalt übernommen. II. 
irchenwesen. Der Aufwand für Kirchen- oder 
Pfarrhausbauten betrug 76,000 Mk. (in Rhein⸗ 
abern 6000 Mk.) II1 Wohlthätigkeit. Die 
demeinde Herxheim erweiterte u. a. durch Ankauf 
ines Anwesens das dortige Kranken⸗ und Waisen ⸗ 
Jaus mit einem Kostenauswande von 15,000 Mt. 
die Gemeinde Schopp hat eine Lokalhilfskasse er⸗ 
richtet und aus der Gemeindekasse 6600 Mt. ein⸗ 
zeschossen. 19. Sicherheit. Für Schutzvor⸗ 
richiungen gegen Hochwasser wendeten auf die Ge— 
meinden Speyer 28,000, Ludwigshafen 10,400 
Mundenheim 10,500, Germersheim 5000 Mart 
V. Verkehr. Die Wiederherstellung der durch 
Hochwasser beschädigten Straßen und Brücken im 
Distrikte Kandel erforderte einen Kostenaufwand 
bon 18,172 Mt. Die Stadt Kaiserslautern ver⸗ 
wendete auf Herstellung und Verbesserung vor 
Straßen 22, 100 Mark. VIl. Sonstige Leist- 
ungen. Die Canalisation der Nordhälfte und 
eines Theils der Südhälfte der Stadt Landau er— 
heischte einen Kostenaufwand von 145, 000 Mark 
Außerdem haben auch im Jahre 1888 Distrikt⸗ 
und Gemeinden das eifrige Bestreben kundgegeben 
in allen Zweigen ihres Wirkungskreises die Be— 
dürfnisse und Interessen des öffentlichen Lebens 
wahrzunehmen und denselben alleathalben nadh 
Maßgabe der vorhandenen Mittel und Kräijte die 
zebuͤhrende Rücksicht angedeihen zu lassen. Insbe 
sondere muß rühmend der Opferwilligkeit gedach 
werden, welche allenthalben an den Tag getreter 
ist, als es galt, die Nothlage der vom Hochwasser 
heimgesuchten Gemeinden und Ortschaften des Kreises 
zu lindern und den Wasserbeschaädigten werkthätigt 
Hilfe zu leisten. 
Verm ischtes. 
F Trier, 27. März. Gestern wurde bei der 
bekannten Wunderdoktorin in Pallien eine Haus— 
suchung abgehalten, bei der unter anderen dit 
interessante Entdeckung gemacht wurde, daß gestern 
fast 60 Leute, meist aus dem Luxemburgischen und 
Belgischen, bei dem weiblichen Hyppokrates persön⸗ 
lich Hilfe gesucht hatten, während mehr als 26 
Wasserfläschchen zur Besichtigung eingesandt waren 
Eine Menge wunderwirkender Theesorten wurde 
konfiszirt. 
Karlsruhe, 28. März. Am Karfreitag 
findet hier unter Leitung von Felix Mottl wieder 
eine Aufführung der Matthäus-⸗Passion in der Fest⸗ 
halle statt mit einem Chor von mehreren hunder! 
Zängern. Von auswärtigen Künstlern wirken 
Fräulein Schauseil, Fides Keller und der Tenor 
Götze von Köln mit. 
fF Karlsruhe, 29. März. Der Redakteur 
des „Bad. Landesboten“ Egmont Fehleisen wurde 
wegen Beleidigung des Prinzen Wilhelm zu 3 
Monaten Gefängniß verurtheilt. Der Staatsanwals 
heantragte 2 Monaten Festung. 
F In Freiburg i. B. wurde das Verlags. 
recht des demokratischen „Oberrh. Kuriers“ sammt 
Abonnenten-Liste zwangsweise versteigert. Das 
Höchstgebot betrug 5 Mk. und 50 Pf. und wurde 
auch für diese Summe zugeschlagen. 
Frankfurt, am Main. Eine tragikomische 
Szene ereignete sich vorige Woche am Grindbrunnen 
Fin junges Frauenzimmer wollte sich ertränken und 
hatte sich zu diesem Zwecke eine recht seichte Stelle 
am Ufer ausgesucht. Sie stand mit den Beinen 
im Wasser, als sich einige Herren ihrer erbarmten 
und sie von der That abzuhalten suchten, während 
ihr mehrere andere riethen, noch etwas tiefer hinein— 
zugehen. Die Scene wurde sehr belebt, denn es 
jatten sich etwa 50 Spaziergänger eingefunden, die 
der Dinge harrten, die da kommen sollten, als das 
Frauenzimmer jeden Selbstmordgedanken wieder auf⸗ 
gab und ans Land stieg, wo es mit stürmischer 
deiterkeit empfangen wurde. — Einer hiesigen 
Schlosserfamilie unweit der Nikolaikirche wurde 
eine angenehme Ueberraschung zu Theil, indem die— 
elbe von dem Ableben eines jenseits des Ozeans 
zefindlichen, sehr reichen nahen Verwandten unter— 
richtet wurde und gleichzeitig die Nachricht empfing 
daß das über eine Million Dollars betragende Ver— 
mögen desselben laut testamentarischer Bestimmung 
in vier Theile getheilt worden und daß sie als Erb— 
eines Viertels eingesetzt sei. Der glückliche Schlosser 
degibt sich zur Regulirung der Erbschaft nad 
Amerika. 
F Barmen, 29. März. Ein entseztzlicher Un— 
zlüctsfall hat sich gestern Nachmittag hier zugetragen. 
Der Bauunternehmer Wehner aus Elberfeld, welcher 
am Eisenbahneinschnitt Wichlinghausen die Spreng 
arbeiten übernommen, hatte gestern mehrere Dyna— 
mitpatronen in die hinteren Taschen seines Rockes 
gesteckt und sich dann, um Kaffee zu trinken, in eine 
Restauration begeben. Kaum hatte er sich gesezzt, 
als eine furchtbare Detonation erfolgte und W., in 
zwei Theile zerrissen, als gräßlich verstümmeltt 
Leiche zu Boden stürzte. Glücklicherweise war zu 
Zeit der Erxplosion nur ein tleines Mädchen von 
12 Jahren hinter dem Buffet in der Restauration 
anwesend, welches durch einige Glassplitter leicht 
am Arm verwundet wurde. Im Lokal warern 
sämmtliche Fenster, Gläser ꝛc. zertrümmert. Merk 
würdigerweise war ein Kanarienvogel in seinen 
Käfig unter der Decke völlig unversehrt geblieben 
Münster, 28. März. Vor einigen Tagen 
zing eine Frau von hier aus dem Hause und lief 
hre drei Kinder im Alter von 224-5 Jahren 
allein dort. Zufällig befanden sich 2 Bund Strot 
in der Nähe des brennenden Ofens in dem Zimmet 
wo sich die Kinder aufhielten. Nach einiger Zet 
kam ein starker Qualm aus den Fenstern, wodurch 
die Nachbarn aufmerksam wurden und die Wehn 
ung öffneten. Aber es war bereits zu spät — 
ämmtliche drei Kinder waren bereits in dem Qualn 
erstickt. 
Der Hildesheimer Rosenstock. Au— 
Dildesheim wird berichtet, daß der bis zu dem eht 
würdigen Alter von 1000 Jahren gediehene Rosen⸗ 
siock am Dome, der sehr gefährdet schien und flar 
beschnitten werden mußten, jetzt wieder anfängt 
Blätterknospen zu treiben. 
4Reichsgerichtsraih Dreyer in Leipzig har 
wie man der“ Fr. Z mittheilt, über die rechtlech 
Stellung des Keichswaisenhausfonds in Laht 
gegenüber der deutschen Reich-fechtschule in Magde 
burg ein Gutachten abgefaßt, wonach Lahr berech 
nigt'ist. sammtiiche gesammelten Gelder für sei 
Waisenhaus zu fordern, da sie ursprünglich für 
dasselbe erfochten sind. 
pwWas in Berlin alles vermiethe 
wird, davon haben nur Wenige eine Ahnung 
In der Schönhauser Allee, namentlich in dem nord 
nchst gelegenen Theil, scheint das Gebiet der Ver 
miethungen ein besonders weitgehendes zu fein— 
bie Hauebesiher, die min Vorgarten ihre Hause 
omgeben, vermiethen nicht auein diese für du 
Smnmer⸗ Monater,, sondern man liest auch 
zeinzelnen Zetteln: „Hier ist eine Laube zu c 
miethen.“ Ein Besonders findiger Hauswirth 
auf einer der letzteren Zettel sogar noch die 
merkung geseßt:“, Nur noch Abends von 84