Full text: St. Ingberter Anzeiger

zu haben“. Wenn man bedenkt, daß alle diese 
Forgärten an einer von Staub ganz besonders 
heimgesuchten Fahrstraße liegen, dann weiß man 
icht. was man mehr bewundern soll, die Unver⸗ 
frotenheit Derer, die so etwas vermiethen, oder die 
gescheidenheit Derer,. die darauf hineinfallen. 
zGOer Cholera⸗Bacillus.) Der vom 
Reichsanzeiger soeben veröffentlichte 6. Bericht der 
deutschen Cholera⸗Commission übertrifft an Wich— 
tigkeit und Bedeutung alle übrigen, insofern er den 
Aoschluß und das befriedigeude Ergebniß der müh-⸗ 
somen dorschungew des Geheimrathes Prof. Koch 
Id seiner Gehilfen meldet. Der Bericht beginnt 
mit den Worten: „Die in meinem letzten Berichte 
bom 7. Januar noch unentschieden gelassenene Frage. 
ob die im Choleradarm gefundenen Bacillen aus⸗ 
schließlich der Cholera angehörende Parasiten sind, 
ann nunmehr als gelöst angesehen werden.“ Es 
ist ein unerhörter Triumph der modernen Bacterien⸗ 
forschung und ihrer Methoden, daß nun auch von 
iner so furchtbaren und bisher so dunklen Krankheit, 
Die die Cholera, die Ursache aufgefunden ist. Der 
Hericht führt aus, daß die Bacillen schon durch 
dteistuͤndiges Austrocknen ihr Leben und damit ihre 
Gefährlichk it verlieren, daß sie anderwärts in 
feuchten Medien, feuchter Wäsche und dergleichen 
sich stark vermehren, daß sie nur in alkalischen 
dösungen gedeihen, während sogar schon manche 
Züuren ein starkes Gift für sie sind. 
fGriegführungin China), Das in 
Molsheim im Elsaß erscheinende Kreisblatt enthält 
Molsh 
zen Abdruck eines Brieies, den ein bei den Fran⸗ 
zosen in Tonkin stehender junger Mann an seinen 
Zater geschrieben hat und der die Grausamkeit der 
Zriegführung in Tonkin neuerdings in greller Weise 
llustriert. Der Briefschreiber gibt eine Schilderung 
er nnaen beð e und —— ditden 
Wir machten efangene, welche am anderen 
Tage alle erschossen wurden. Am 15. Dezember 
wat Ruhe, keinen Schuß hörte man, trotzdem wir 
sur 1 bis 2 Kilometer von der Stadt und der 
Ziiadelle nare 9 9 nahmen F de Stadt 
mit Sturm, abends r, mein Bataillon war 
das erste. Wir verloren über 185 Mann. Unser 
Kapitän, Adjutant-Major Mehl aus Straßburg 
erhielt eine Kugel durch das Herz, in dem Augen⸗ 
blick, wo wir vor dem Thore standen. Er fand 
einen schönen Heldentod. Mit dem Rufe vivo la 
France sprang er vor das Bataillon, den Revolver 
in der rechten Hand. Das ganze Bataillon folgte 
ihm au dem Fuß; zwei aee wurden ieen 
und viele fielen theils todt, theils verwundet. Do 
wir hatten die Stadt genommen durch unsern Muth. 
Es ging mir dreimal hart am Leben vorbei, bin 
aber, Gott sei Dank, unversehrt davon gekommen 
Als wir in der Stadt waren, kam die Ordre, daß 
wir plündern dürften während 36 Stunden und 
alles Lebende niedermachen. Nun, lieber Vater, 
davon sind meine Hände rein. Wie manches Kind 
und unschuldige Frau und unschuldiget Vater, die 
— rein vom Pulver hatten, sind J8 
macht worden. Geschossen wurde nicht mehr, son⸗ 
dern nichts als erstochen oder mit dem Kolben 
todtgeschlagen, es war entsetzlich, in jedem Hause 
lagen Haufen von Todten und Verwundeten ohne 
huͤlfe. Natürlich hätte der Feind gesiegt, so hätte 
er uns auch keinen Pardon gegeben. Wenn der 
Feind einen von uns erwifcht, so wird er gemartert, 
Glied für Glied, und zuletzt schneiden sie ihm den 
Kopf ab. Auch als wir in die Stadt kamen, war 
jeder Soldat wüthend und nur die Rohesten haben 
manche unschuldige Person ermordet.“ 
x fParis, 80. März. Die Grubenarbeiter von 
nzin haben zueinem allgemeinen Streit ihre Genosse in 
hanz Frankreich aufgefordert. Der Streit, welcher an⸗ 
fünglich ganz würdig verlief, nimmt in der Folge 
H schroffe Formen an. So sagte der Leiter 
sselben, BasTy, bei Fassung des obigen Ent⸗ 
ne „Es ist besser, Brod mit Butter zu 
en und Preuße zu sein, als in Frankreich zu 
br und trockenes Brod zu essen.“ Diese Er— 
—— hat natürlich die Franzosen sehr auf die 
I und hat nicht wenig zu der Ab · 
—77 er Sympathien für die Streitenden beige⸗ 
uen Auch daß Basly die Annahme von Streik⸗ 
— von den „britischen Trade Unions“ 
bortet, ist übel vermerkt worden. Den Nutzen 
dat hbrigens die Enquete der parlamen-— 
aen 44er Kommission, welche die Ur— 
63 er Nothlage in Frankreich erforschen soll, 
geliefert. daß sie die übermäßige mitleidspoll⸗ 
Theilnahme für die angeblichen Leiden der Pariser 
Ardeiter erheblich verminderete. 
FParis, 31. Marz. Der Strike in Anzin 
dauert jort. Gestern wurden zwei Häuser, welche 
oon Grubenarbeitern aus Wallers bewohnt werden, 
die die Arbeit wieder aufgenommen in Brand ge— 
steckt und brannten vollsändig nieder. 
Ueber eine außergewöhnlich ver— 
wegene Wette, die vor einigen Tagen in Bor— 
deaux stattgefunden hat, entnehmen wir der „Gironde“ 
folgende Mutheilung: „Sieben reiche junge Maänner 
waren die Wette eingegangen, daß sie eine Flasche 
Liqueur im Kaäfige der Löwen des Thierbändigers 
Redenbach zusammen leeren wollten. Dieser letztere 
ttellte sich den muthwilligen Jünglingen sofort be⸗ 
reitwilligst zur Berfügung, trat zuerst in den Zwinzer 
und hielt die fürchterlichen Bestien, die von der 
wildesten Art sind, in Respett. Die leichtsinnigen 
jungen Leute, welche es der Madmoiselle Ghinassie 
hachthun wollten, verblieben einige Augenblicke im 
Käsig und leerten ihre Flasche Chartreuse, worauf 
sie sich unter dem wachsamen Auge des jungen, 
nuthigen Thierbändigers in guter Ordnung wieder 
zurückzogen. 
'London, 27. März. Ein sonderbarer 
Vorfall hat das Dörfchen Lochmaddy auf einer der 
Hebriden⸗ Inseln in große Aufreguug versetzt. Eine 
alte Frau starbd vor etwa 4 Wochen plötuch, und 
zie Art und Weise ihres Ablebens erivectte den 
berdacht, daß sie vergiftet worden sei. Die Aus 
jrabung der Veiche wurde angeordnet, tonnte aber 
uicht ausgeführt werden, da sich die Dorfoewohner 
nit den drei Söhnen der Verstorbenen an der 
Spitze, dieser „Schändung“ widersetzten. Die Be⸗ 
zörden verhafteten die Haupträdeissührer, und mit 
hHilfe der Polizei, weiche die ertegte Menge in 
Schranken hielt, wurde dann die Ausgradung vor—⸗ 
jenommen. Als der Sarg gehoben und am Grabes— 
rande niedergestellt wurde, sprang plötzlich der Deckel 
nit einem siacken Knalle auf, flog zur Seite und 
warf den Polizei⸗Inspettor Me. Kenzie nieder. Der 
Serichtsarzt sank mit einem Aufschrei ohnmächtig 
neder und starb nach kurzer Zeun auf dem Gottes⸗ 
icker; er war erst 30 Jahre alt. Die sinnlosesten 
Erzahlungen sind infolge dieses Vorfaues, der auf 
ine Ansammlung der Gase im Sarge zurückzuführen 
ein dürsfte, in Umlauf gekommen. 
Fuͤrst Menschikoff war zu einer der Gala⸗ 
afeln geladen, weiche zur Feier der Thronbesteigung 
des Kaisers Alexander 1. abgehalten wurden. Der 
unge Czar kommt auch mit dem alten Günstling 
eines Vaters ins Gespräch. „Nun, was giebt's 
Neues, Menschitoff? fragte er ihn. „Majestät, ich 
Jörte, daß ich zum Finanzminister vorgeschlagen 
ei?“ — „Eh, und warum mch.?“ — „Vtajestät 
nich würde es ja auch weiter nicht wundern. 
Ich wurde zum Parineminister ernannt, als es 
eine Flotte, zum Oberbefehlshaber in der Krim, 
ils es teine Krim-Armee gad. Warum sjoll ich 
uicht heute auch zum Finanzminister ernannt wer⸗ 
denn? Zu meiner fruheren Carriore würde es passen.“ 
— Herr Dingler, der Sohn des Chef⸗Ingenieurs 
der Panamatanal-Gesellschaft ist, wie aus Pan a— 
ma 'gemeldet wird, am 24. Februar dem gelben 
Fieber erlegen. Von den Neuangekommenen starben 
hdort während der letzten Taqge zwolf an derselben 
ttrankheit. 
'Cencinnati, 30. März. In der ver— 
jangenen Racht ist es zu neuen Ruhestörungen ge— 
ommen. Die Voltsmenge umringte das Gefängniß, 
welches Polizei⸗ und Militärmannschaften besetzt 
sielten, steckte das Gerichtsgebäude und andere 
Hebäude in Brand und verhinderte die Feuerwesen 
am Löschen, bis letztere vom Militär unterstutz 
vurde. Sowohl die Volksmenge wie das Militan 
nachten von Schußwaffen Gebrauch, wobei üder 
30 der Ruhestorer getödtet wurden. Die Volts— 
menge erbeutete auch eine Kanone, jedoch ohne 
Munition. Die Polizei nahm die Kanone spater 
vieder und zerstreute die Tumultuanten. 
NeweYork, 830. März. Nach hier einge— 
zangenen Nachrichten fällt das Wasser des Mississippi 
nterhalb Greenville und Mississippi wieder. 
p'New-York, 31. Marz. Die Ruhestör— 
ungen in Cinclnnati erregen großes Aufsehen. Die 
Zahl der Todten wird auf 100, die der Verwun— 
deten auf 300 ang geben. Die Truppen soller 
sehr rücssichtslos mit einem Gatling- Geschütz au 
die Menschenmasse geschossen haben. Als Ursach 
der Ruhestörungen wird wiederholt angegeben, ir 
dem Gefaͤngnisse von Cincinnati sei eine größert 
Anzahl Versonen internirt. die mehrerer Mordtbaten 
angeklagt sind. Die Bevölkerung habe im Hinblick 
auf ein in einem früheren Prozesse ergangenes Ur⸗ 
theil gefürchtet, die Angeklagten würden nicht die 
derdiente Strafe erhalten, und wollte deßhalb an 
den Gefangenen Lynchijustiz ausüben. 
F New⸗York, 31. März. Nach weiteren 
Meldungen aus Cincinnati dauerten auch gestern 
Abend die Zusammenstöße zwischen Militär und 
dem Volkshaufen mit Gebrauch der Schußwaffen 
fort; es wurden abernals mehrere Personen getödtet 
und verwundet. Die Volksmenge beginnt jetzt, sich 
zu zerstreuen. Gegenwärtig find 3000 Mann Militär in 
der Stadt. Eine Versammlung einflußreicher Bürger 
beschloß die Organisation einer besonderen Polizei. 
F (Immer galant.) Ein junger Mann, 
der die Gewohnheit hat, Handküsse nur zu „mar—⸗ 
tiren,“ ergriff kürzlich nach einer Soiree die Hand 
der Wirthin, neigte sich zu ihr herab und küßte 
wieder — in die Luft. „Nun“, — sagte die 
Dame etwas pikitt — „man fühlt ja Ihren Hand⸗ 
kuß gar nicht, oder Sie küssen danuehen?“ „Ver— 
zeihen Sie“, erwiederte der galante junge Mann 
— „die Hand ist aber in der That so klein, 
daß einem das leicht passiren kann.“ ... Die 
„kleine“ Hand berührte daraufhin leise die Wange 
des liebenswürdigen Lügners. 
Gemeinnütziges. 
(Der Reitig als Speise und Arzneimittel.) 
Der Rettig vermag den Appetit zu erwecken, wenn 
er vor der Mahlzeit, und die Verdauung zu fördern, 
wenn er nach derselben genossen wird, weil er eine 
stark zertheilende Kraft hat. Er verursacht aber 
daneben Blähungen und Aufstoßen. Des Rettigs 
Tugend in der Arznei ist, daß er den zähen Schleim 
im Körper zertheilt und austreibt, die Brust räumt 
Rettigsaft und Rettigbonbons), alten Husten stillt. 
owie auch bei Steinbeschwerden und Wassersucht 
Linderung zu schaffen vermag. Das aus den 
Burzeln gebrannte Wasser, noch kräftiger aber der 
Zaft vermag gute Dienste bei Leberleiden zu thun 
und wirkt ireibend bei Nieren- und Blasenstein. 
Auch sagt man, daß der Saft sowie auch der 
—X 
Zeiten kam er bei Pestkrankheiten vielfach in An⸗ 
wendung. Die Wurzel in dünne Scheiben geschnitten 
und mit Salz auf die Fußsohlen gelegt, zieht bei 
Fiebern Hitze und schafft den Wassersüchtigen Lin— 
derung. Und wenn solche Scheiben, mit Butter 
bestreut, über Nacht stehen gelassen werden, geben sie 
ein Wasser, welche die Finnen im Gesichte vertrribt. 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Neustadt Heinrich Gentzzhinger, 
30 J. a.; in Landstuhl Nikolaus Pallmann, 74 
J. a.; in Pirmasens Friedt. Müller; in Kaisers⸗ 
autern Karl Collet, Schreiner; ebendaselbst Jak. 
Werling, Schuhmacher, 73 J. a.; ferner Frau 
Jakobina Dietrich, geb. Diehl, 75 J. a.; in 
Zweibrücken Adam Stauter, 24J. a.; in Dürk⸗ 
heim Eva Seiter, geb. Gräff, 47 J. a.; eben⸗ 
»aselbst Margaretha Eusabetha Blenl, aeb. Brust, 
70 J. a. 
Rir ievion ver⸗wortli«v: F. X. Demet. 
Nr. 78 des praktischen Wochenblattes für alle 
Hausfrauen „Fürs Haus““ (Preis vierteliähr⸗ 
lich 1 Marh) enthält: 
An junge Frauen. — Nach dem Karneval. — 
Vertraue Dich dem Licht der Sterne. — Bleichsucht 
und Blutarmuth. Das Herbarium. — Der 
iparsame Landwirth. — Das Kind und die Puppe. 
— Hauswirthschaftlicher Kalender für April. — 
Uebersetzungen von englischen Romanen. — Immer 
hübsch höflich! — Kindergedanken. — Sprüchlein 
iür lispelnde Kinder. — Gummisaugfropfen. — 
Französische Romane für junge Mädchen. — Bücher 
ür angehende Gartner. — Leichte Salonstücke. — 
Nicht schwere, vierhändige Stücke. — Mittelschwere 
Vortragsstücke. — Lieder. — Sozabohne. — 
Pflanzen in der Nähe des Ofens. — Kaktus. — 
Abgeblühte Hyazinthen. — Franzosische Hühner 
als Spielzeug. — Haartracht — Heimchen zu 
»ertreiben. — Mittel gegen kalte Füße. — Sam⸗ 
melmappen für Rechnungen. — Blumen von Hausen⸗ 
»lase. — Für die Küche. — Buchstabenräthsel. — 
Fernsprecher. — Echo. Briefkasten der Schriftstelle. 
— Der Markt. — Anzeigen. — Probenummer 
gratis in allen Buchhandlungen. — Notariell be— 
glaubigte Auflage 385,000. — Wochenspruch: 
Erst Schaffnerin, dann Beterin, 
Zum Marthafleiß Mariensinn, 
Das ist der Frauen bestes Theil, 
Bringt jedem Hause Glück und Heil