Full text: St. Ingberter Anzeiger

gefunden, daß den erwähnten Fallimenten höchs 
wahrscheinlich zahlreiche andere folgen werden. Die 
ohnehin stark gedrückten Preise werden dann eine 
weitere Reduktion erfahren, und die Bemühungen, 
in Deulschland eine Abladestelle zu finden, werden 
pon England aus mit um so größerem Nachdruck 
fortgesetzt werden. Uebrigens liegen auch vom 
schlessichem Eisenmarlt ungünstige Berichte vor. 
Aus Saaralben erzählt die Lothringer 
Zeitung folgendes schnurrige Stüdchen: Am Neu— 
sahrstage wurde der Wirth R. bei der hiefigen 
Fenerwehr zum Licutenant befördert. — Vor Freude 
uͤber dieses Ereigniß fühlte er sich deranlaßt, einigen 
seiner Kameraden mit Bowle und Champagner einen 
bergnügten Nachmittag in einem hiesigen Wirths⸗ 
lokole zu machen. Während des Nachmittags ging 
alles sehr gut und vergnügt von statten, als aber 
der Abend hereinbrach und der Herr Lieutenant in 
ziemlich angeheiterte Stimmung sich versetzt fühlte, 
fuchte er andere, nicht zu seiner Gesellschaft gehörende 
Herrren in unangenehmer Weise mit Redensarten 
zu belästigen, sodaß schließlich einet der Herren sich 
heranlaßt sah, ihm eine gehörige Ohrfeige beizu⸗ 
vriugen. Gern hätte er diese Ohrfeige und die 
entstandenen Kosten der Feier verschmerzt, wenn 
ihm, zu Hause angelangt, nicht noch Schlimmeres 
zuͤgestoben wäre. Seine Ehehälfte hatte nichls eiligeres 
zu thun, als ihren Ehegaiten von seiner hohen 
Stelluug abzusetzen und die demselben gewordene 
Auszeichnung nebst Kleidungsstücken dem Vorsteher 
der Feuerwehr zurückzusenden. So hat R. nur 
einen Tag die Freude gehabt, Lieutenant der Feuer⸗ 
wehr in Saaralben zu sein. 
f Ueber den Erfolg der Richter' schen 
Rede. in Oberstein wird dem Kreuzn. Tagbl.“ 
von dort geschrieben: „In Oberstein⸗Idar hat die 
Rede des Herrn Eugen Richter nicht den Eindruck 
hinterlassen, den sich seine Anhänger von derselben 
versprochen hatten. Sie selbst müssen zugeben, daf 
Herr Richter seine Waffe diesmal nicht in der ge⸗ 
wohnten Schärfe geführt hat, daß er viel mit 
alten Paradephrasen um sich geworfen und wenig 
neues zu sagen gewußt hat. Namentlich hat es 
auch bei allen Leidenschaftslosen sehr schlecht gefallen, 
Herrn Kommerzienrath Stumm aus Neunkirchen, 
dessen Verdienste nirgendwo verkannt werden, von 
Herrn Richter angegriffen und verunglimpft zu sehen. 
Hies namentlich hat dazu beigetragen, daß Herr 
Richter sich und seiner Partei durch seine Rede 
niehr geschadet als genützt hat, wie denen überhaupt 
die besseren Kreise der hiesigen Bevolkerung auch 
fast durchweg dem Fortschritt und seinen „Seg⸗ 
nungen“ fremd gegenübeistehen. Die breite beweg⸗ 
liche Masse der Fabrikarbeiter allerdings mag Herrn 
Rachter zugejubelt haben, sie würde dies aber jedem 
gegenüber gelhan haben, der ihnen Ermäßigung der 
Sieuern, Vergrößerung der Tabakspackete u. dergl. 
oersprochen und gegen alles Bestehende weidlich ge— 
schimpft hätte, einerlei, welcher politischen Partei 
sich ein solcher Sendbote der Menschenfreudlichkeit 
zugehörig erklärt hätte.“ Und die „Zweibr. Ztq.“ 
schreibt: „Eugen Richter hat am Samstag in Ober⸗ 
stein eine Wahlrede gehalte.r. Im Verlauf derselben 
verstieg er sich zu dem interefsanten Bekenntniß: 
„Ich werde jedem beliebigen Sozialdemokra— 
len eher meine Stimme geben, als dem 
Kommerzienrath Stumm,.“ Also Herr 
Richter gehi lieber Arm in Arm mit der Umsturz⸗ 
pariei, als mit einem reichstreuen Freikonservativen. 
Man wird sich dieses Bekenntniß des fortschrittlichen 
Führers für alle Fälle merken müssen.“ 
p Straßburg, 7. Jan. Am Neujahrstage 
hat fich in einem Anfalle von Schwermuth, Baron 
Albert von Zorn⸗Plombsheim, Chef eines Straß⸗ 
burger Banshauses, entleibt. Er wurde beim 
Bahnhofe von Kork mit durchschnittenem Halse auf⸗ 
gefünden. Aus Rücksicht auf die Familie hat man 
die traurige Angelegenheit zu verschweigen versucht, 
es erwies sich indeß als nothwendig, den Sachver⸗ 
halt aufzuklären. Die Geschäfte Zorns v. Pl. sind 
in bester Ordnung. Der Verstorbene war der letzte 
männliche Sprosse seines Geschlechtes. 
pStraßburg, 8. Januar. Mehrere Kreis⸗ 
direkloren des Unter-Elsaß machen anläßlich eines 
Spezialfalles die Bürgermeister ihrter Gemeinden 
darauf aufmerksam, daß nach dem Staatsrathsgut⸗ 
achten vom 21. Dezember 1842 die Heranziehung 
bon Frauen zu den Gemeinderathssitzungen nicht 
zulassig ist. Die Bürgermeister werden gleichzeitig 
ersucht, Anordnung zu treffen, daß die Einladung 
von solchen als Höchstbesteuerte in Zukunft unterbleibt. 
f In Straßburg wurde der letzie wegen 
Berdachts des Mordes an Apotheker Lynhardt Ver⸗ 
jaftete in Freiheit gesetzt. Es ist dies der Schuh—⸗ 
nacher Harlfinger aus Gernsvach. Derselbe hat eint 
mehr als zweimonatliche Untersuchungshaft bestanden 
Darmstadt, 8. Januar. Der aus Weiß— 
lirchen gebürtigte Rekrut Winter bei der Leibkom— 
pagnie des 115. Inf.Regts., welcher seit gestern 
Mittag aus der Kaserne verschwunden war, warf 
sich, nach dem „T. A.“ gestern Abend vor den 
6 Uhr 40 Min. hier eintreffenden Aschaffenburger 
Zug und wurde von demselben überfahren und 
entsetzlich verstümmelt. Der Leichnam wurde von 
der Maschine am Uebergang der Frankfurterstraße 
abgeworfen, doch war die eigentliche Uaglücksstelle, 
wie die herumliegenden Körpertheile beweisen, etwo 
300 Meter weiter aufwärtis. Nachts wurde der 
Leichnam durch Militär entfertt. 
F Eine fast beispiellose Rohheit wurde in Bonn 
perübt. Ein im Sterben liegender junger Mann 
'ollte mit den Sterbesacramenten versehen werden. 
VBor dem in einer engen Gasse liegenden Hause 
hielt gerade ein Schmutzkarre. Der Vater des 
sungen Mannes ersuchte den Fuhrmann, um den 
Eingang seines Hauses frei zu machen, seine Karre 
etwas vor⸗ oder rückwärts zu fahren. Als dem 
Ersuchen keine Folge gegeben wurde, faßte er selbst 
das Pferd; da aber ergriff der Fuhrmann seine 
Z„chippe und spaltete mit einem wuchtigen Hiebe 
dem unglücklichen Manne den Schädel. Der Aermste 
der sofort in die Klinik transportirt wurde, ist 
dort seiner Verletzung erlegen, nachdem sein Sohn 
kurze Zeit vorher gestorben war. Der Thäter ist 
ein schon mit mehrjährigem Zuchthaus vorbestraftes 
Subject. 
f Düsseldorf. Das Kaisermannöver wird 
dem Vernehmen nach in diesein Jahre in der Rhein⸗ 
provinz stattfinden: das 7. Armeekorps würde sol⸗ 
chenfalls in hiesiger Gegend manöverieren. Für den 
Fall, daß das Manöver zur Ausführung kommt, 
sind zum Empfang des Kaisers, sowie für ein 
Ständefest vom Provinziallandtag 40,000 Mark 
bdewilligt. 
F Hagen, 6. Januar. Ein entsetzlicher Eisen⸗ 
hahn-Unfall hat sich, der „Köln. Volksz.“ zufolge, 
heute Nacht auf der rheinischen Eisenbahn, zwischen 
dagen und Herdecke zugetragen. In der Nach 
gegen 12 Uhr fuhren zwei Lokomotiven ohne Train, 
und zwar eine Personenzug⸗Maschine von Hagen 
und eine Güterzug⸗Maschine, von Herdecke ab und 
einander entgegen. Diesseits des Ruhr⸗Viaduktes 
auf dem hohen Damm unterhalb des Kaisberges 
stießen beide Maschinen mit voller Dampfkraft aus 
einander. Beide Maschinen sowie ihre Tender sind 
total demolirt. Die von Hagen kommende Loko⸗ 
motive wurde ohne Tender, Maschinist und Heizer 
zurückgeschleudert, und nahm ihren Weg nach Hagen 
zurück; in der Vorhalle wurde dieselbe von einem 
Beamien der Bergisch⸗Märkischen Bahn, der durch 
das fortwährende Flöten der daherkommenden Ma— 
schine aufmerksam geworden war — das Ventil 
jatte sich nämlich von selbst geöffnet — zum 
Stehen gebracht. Die auf den Maschinen befind⸗ 
lichen Personen waren sämmilich von den Maschinen 
herabgeschleudert worden und wurden nach der 
atastrophe, meist schwer verlezt, unweit der Un— 
glücksstelle aufgefunden. 
F' Die musikalische Turnse, welche 
dans von Bülow mit seinem berühmten Or— 
—XR0 
lerischen Standpunkt, eine Riesenleistung sein. An 
20 aufeinanderfolgenden Tagen werden 20 Concerte 
in folgenden Städten stattfinden: Eisenach, Frank— 
furth a. M., Darmstadt, Würzburg, Erlangen 
Nürnberg, Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Heidel 
berg, Mainz, Neustadt a. H., Wiesbaden und Kassel. 
Eine interessante Wette wurde dieser 
Tage in Posen ausgemacht. Einem Offizier, der fich 
im Turnen, Fechten, Reiten, Schwimmen ꝛc. aus— 
zeichnete, wurden die fünf stärksten Männer der 
Stadt, ein Speicher⸗Arbeiter, ein Schmied, ein 
Schlächter, ein Brauknecht und ein Wirth gegen— 
übergestellt, um ihre Körperkräfte zu messen. Es 
Jalt, dem Offizier 10 Uebungen nachzumachen, 1) 
zwei Klimmzüge mit 13/3 Ctr. schweren Eisenge— 
wichten an den Füßen. 2) Hochwerfen eines hal— 
hen Centners mit einem Arm, fast bis an die 
Stubendecke, und auffangen desselben. 8) Mit einem 
Arm 10— 12maliges Hochstrecken eines ganzen Cent⸗ 
iers und einmaliges Senken desselben bis zur Ho— 
izontalstellung des gestreckten Armes, Halten des 
elben in dieser Lage. 4) Schwebelage des gestrecklen 
Zörpers (d. h. nur der Kopf und die Absätze waren 
durch Sitze zweier Stühle unterstützt, so daß der 
örper frei schwebte) und Belasten desselben durch 
Bewichte. Was die Uebung Nr. 3 anbetrifft, so 
varen allerdings Einige im Stande, den ganzen 
Centner hochzustrecken, aber es gelang Niemandem, 
denselben in dieser Lage zu halten; den Centner mit 
wagrecht gestrecktemn Arm zu halten, gelang Nie 
mandem auch nur annähernd. Was Nr. 4 anbe⸗ 
trifft, so trug der stärkste der füunf Männer auf 
der Mitte des freischwebenden Körpers ein Gewichl 
von etwa 250 Pfund und klappte dann wie ein 
Taschenmesser zusammen, während der Offizier den 
Körper mit 300 Pfund belasten ließ, ohne zu 
wanken. Die Wette war also von dem Offizier 
glänzend gewonnen. Der Offizier ist ein schlanker 
nur mäßg großer Mann. 
f Patentiertedrehbare Schuh-und 
Stiefelabsätze, in den Handel gebracht durch 
den Erfinder Richard Lüders in Görlitz. Diese 
höchst praktisch konstruirerten Absätze bestehen autf 
einer Metallscheibe und einer drehbaren Metallkapsel, 
in deren Höhlung eine Kauitschuck- oder Lederplatte 
eingepreßt ist. Die Absätze erleichtern augenschein- 
lich das Gehen durch diese eingepreßten Platten 
so daß eine Ermüdung des Fußes weit weniger 
eintreten kann, als bei den gewöhnlichen Absätzen. 
Ein einseitiges Abtreten der Absätze, die an den 
Stiefel geschraubt werden, ist infolge der Drehbar— 
keit ausgeschlossen, wie endlich die eingefräste Fläche 
vor jedem Ausgleiten auf glattem Boden, Glatteis 
—A 
F Durch einen Maschinenriemenent— 
hauptet.) Ein Unglücksfall mit isofortigem 
lödtlichen Ausgang ereignete fich gestern Nachmit- 
tag in der dritten Stunde in der Schlächterei von 
Jahr, Dresdenerstraße Nr. 108 in Berlin. Zum 
Betriebe der großen Fleischhackmesser ꝛc. ist dort 
Dampfbetrieb eingeführt. Um die angegebene Zei 
war der bei Jahr erst seit einigen Tagen in Arbei 
stehende Schlächterg eselle Schmidtke damit beschäf 
tigt, einen Treibriemen auf die in Rotation be— 
findlichen Wellen zu legen. Bei dieser Arbei 
wurde Sch. von dem Riemen gefaßt und so un— 
glücklich um die Welle herumgeschleudert, daß er 
in der wahrsten Bedeutung des Wortes enthauptet 
wurde. Der Kopf wurde ihm vollständig vom 
—XXV 
zum Stehen gebracht, konnten Kopf und Rumpf 
aus dem Getriebe entfernt werden. Der Tod war 
selbstverständlich sofort eingetreten. Durch den so— 
'ort hinzugerufenen Reviervorstand wurde der vor⸗ 
läufige Thatbestand festgestellt und die Ueberführung 
der Leiche nach der Rorgue angeordnet. 
Gier Wochen ohne Nahrung.) In 
Michalkowitz Echlesien) soll sich folgender Vor⸗ 
tall zugetragen haben. Ein Dienstmädchen des 
Bastwirths Leipziger betrat am 14. v. M. den 
Speicherraum eines Nebengebäudes, um Stroh zu 
jolen, als sie durch jämmerliches Stöhnen, welches 
aus einer Ecke zu ihr herüberdrang, erschreckt wurde, 
— 
Auf ihr Gefchrei kamen einige Gäste herbei und 
zegaben sich auf den Speicher. Nach längerew 
Zuchen bot sich ihnen in der Ecke des Verschlages 
der zum Anfbewahren von Heu und Stroh dient, 
ein jammervoller Anblick. Eine zum Skelett abge 
magerte Frauensperson lag kraftlos auf dem Stroh 
neben ihrem Kopfe einige Büschel zerkauten Heues 
Man hob die federleichte Gestalt, in welcher man 
ein Dienstmädchen erkannte, welches vor längerern 
Zeit beim Gastwirth Leipziger gedient hatte, auil 
und brachte sie in der Krankenzelle des Dorfge⸗ 
fängnisses unter. Nachdem man ihr etwas Wasser 
eingefloͤßt hatte, erzahlte sie in abgebrochenen Sätzen 
Folgendes: Sie sei seit dem J1. October außer Dienß 
und hätte sich, da ihre Eltern sie nicht aufnehmer 
wollten, eine Zeit lang bettelnd umhergetrieben 
Das Herannahen einer schweren Krankheit fühlend 
hatte sie sich dann auf den wenig benutzten Speicher 
raum geschlichen und dort besinnungslos gelegen 
Während der Zeit ihres versteckten Aufenthaltet 
hatte sie zweimal bemerkt, daß Wäsche zum Trockner 
aufgehangt wurde (was alle vierzehn Tage geschieht) 
hatte jedoch keinerlei Lebenszeichen von sich gegebeu 
da sie ausgewiesen zu werden fürchtete. Zwei gelb 
Ruben, die sie sich am Tage vor ihrer Erkrankun— 
von einem Felde geholt, hatten ihr als Nahrunß 
zedient. Zuletzt hatte sie, um die Hungquaier 
ju lindern Heu gekaut. Nach diesen Aussagen zi 
uͤrtheilen, hatte das Madchen vier Wochen obn— 
stahrung zugebracht.