Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jugherter Anzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 70. 
Dienstag, 8. April 1884. 19. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 7. April. Der Reichsrath stimmte 
instimmig der Forstorganisation in der Fassung 
es Abgeordnetenhauses zu. 
Muͤnchen, 7. April. Der Minister des 
Innern beantwortet die Getreide⸗Interpellation von 
If, erklärt, daß dem Bundesrathe hierüber ver⸗ 
chiedene Eingaben vorliegen, die bayerische Regie— 
ung sehe sich demnächst nicht zur Initiative veran⸗ 
aßt, sei aber bereit, jede mäßige Erhöhung der 
detreidezösle zu unterstützen. Die Vorwürfe gegen 
zie bayer. Eisenbahnverwaltung seien unbegründet. 
die Kammer beharrte bezüglich der Beamten⸗ 
AUufbesserung an ihrem früheren Be— 
chluß, lehnte die Modifikation des Reichsraths in 
amentlicher Abstimmung von 101 gegen 36 ab. 
Es ist nunmehr mit Sicherheit zu erwarten, 
aß der KRandtag bis Dienstag Abend seine 
aͤmmilichen Arbeiten erledigt haben wird. Wie 
ie R. N. hören, ist man von dem Gedanken, den⸗ 
elben in feierlicher Weise zu verabschieden und zu 
chließen, abgekommen und es wird, wie das früher 
wuch der Fall war, einfach durch k. Dekret der 
andtag, „bis auf weiteres, vertagti werden. 
Berlin, 5. April. Bismarck soll der 
sationalzeitung“ zufolge vom Kaiser zu eingehen⸗ 
er schriftlicher Begründung seines Rüdtrittsgesuchs 
ufgefordert sein. 
und Einschränkungen, die gemacht werden sollten, 
ind mithin noch unwesentlich; gewiß aber werden, 
venn die einmal geplante Verminderung in der 
Beneralität durchgeführt wird, in Zutunfi sehr be⸗ 
rachtliche Summen erspart werden. Die Zahl 
aller der überflüssigen und dabei besoldeten Generäle. 
zdie das russische Reich unterhält, ist auch zur Zeit 
ioch wenigstens zwei oder dreimal so groß, als die 
zahl aller deutschen Generäle überhaupt. Das 
kriegsministerium kann, wenn es menschlich handeln 
vill, selbstverständlich diesen ungeheuren unndthigen 
Troß von Generälen, Suite⸗Offizieren, Adjutamen 
i. s. w. nicht plötzlich abschaffen, und so laͤßt man 
iese Stellen nach und nach eingehen. In der 
Flotte ist dieser Ueberfluß an unnöthigen Excellenzen 
ind auf dem Lande spazirenden eben solchen See⸗ 
ffizieren verhältnißmäßig noch viel bedeutender als 
m Landheere. 
Kairo, 7. April. Ein Telegramm Hussein 
Paschas meldet. Alle Straßen oberhalb Berbers 
ind von den Aufständischen besetzt und abgesperrt; 
s ist unmöglich Depeschen aus Khartum durchzu— 
zringen, weil die Stamme zwischen Shendy und 
khartum sich in offenem Aufstande befinden. Hussein 
Bascha befürchtet, daß auch Berber und Dongola 
zald von den Aufständischen umzingelt sein werden. 
VBon Gordon fehlt seit dem 28. März jede Nachricht. 
Nach Meldungen aus Cuba ist der jüngst 
inter dem General Aguero von Key-West nach 
Luba abgegangene Freischaarentrupp am 1. d. M. 
n Cuba gelandet und wird von den spanischen 
Truppen verfolgt. 
heimbolanden. Unglückliche Liebe soll das 
Motiv gewesen sein. 
— Kaiserslautern, 3. April. Die 
18jährige Conrad, die erst vor Kurzem wegen Ent— 
pendung zweier Ohrringe, sie machte dieselbe einem 
Mädchen auf dem Schillerplatz aus den Ohrlöchern 
los, mit einem Monai Gefängniß bestraft worden, 
nachte sich heute wiederholt eines Diebstahles schuldig, 
indem sie einer Dame auf dem Wochenmarkte 20 
Mark aus der Tasche nahm und wurde verhaftet. 
Dies an dem Tage, wo sie mittags als Konfir⸗ 
mandin zur kirchlichen Prüfung gehen sollte. 
Pf. Bztg.) 
— Weyher. Am 3. 88. Mts., Abends 
zwischen 254 10 und 10 Uhr wurde südlich vom 
hiesigen Dorfe eine ganz außergewöhnliche merkwür⸗ 
dige Lufterscheinung beobachtet Die düstere Mond⸗ 
jelle wurde plötzlich durch ein grelles, dem Blitze 
zhuliches Licht verdrängt. Dasselbe rührte von einem 
kometähnlichen, stark glänzenden Himmelskörper her, 
der, eine kurze Strecke am Firmamente dahinfliegend, 
nach ungefähr 223 Sekunden wieder verschwand, 
indem ein violetter Lichtstreifen ihm blitzschnell nach⸗ 
folgte. Der leuchtende Körber war von beträcht⸗ 
licher Größe. (Gwt.) 
Verm ischtes. 
FMünchen, 3. April. Die Confiscation 
des „Bayer. Vaterlandes“ wurde gerichtlich bestätigt. 
F München, 6. April. Auf seinem Gute 
Hohenaschäu siarb wie bereits gemeldet, gestern 
Abend nach langen Leiden der größte Industrielle 
Bayerns, Freiherr v. Cramer⸗Klett; derselbe 
jat sich aus kleinsten Anfangen zu machtvoller 
ommerzieller Stellung emporgeschwungen. Er 
sründete die großartigen Lokomotibe und Waggon⸗ 
Fabriken in Nürnberg und wurde so gleichsam 
der bayerische Borsig. Cramer wurde geadelt 
und später sogar baronisirt. Er war erblicher 
Reichsrath und Inhaber zahlreicher Orden. Sein 
Vermögen schätzt man auf 30 bis 60 Millionen 
Mark. Seine Wohlthatigkeit ist derjenigen des 
Amerikaners Peabody vergleichbar. 
Raubmorder Karl Wünsch wurde von S. M. 
dem Konig zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe 
begnadigt. 
fPasing, 4. April. Unser sonst so ruhiger 
Ort wurde heuie Vormittag in nicht geringe Auf⸗ 
tegung versetzt. Mit dem um halb'9 Uhr von 
München nach Lindau gehenden Eisenbahnzuge 
vollte namlich ein elegant gekleideter Herr, der an⸗ 
geblich in München kein Fahrbillet mehr loösen 
onnte, ein solches hier nachlösen, wurde aber am 
Schalter von dem erst kürzlich hier angestellten 
Polizeidiener als einer der in Kaisheim entsprun⸗ 
jenen Sträflinge erkannt und suchte davon zu 
ommen. Nun ging die Jagd los durch mehrere 
Straßen, Gärten, Häuser und zweimal durch die 
Wüurm, bis endlich der Fang gelang. Es war 
eine wilde Jagd, an welcher sich außer dem Polizei⸗ 
diener mehrere Bahnbedienftete und eine größere Zahl 
zufällig dazugekommener Personen betheiligten. 
T. Ein Gastwirth von Ebersberg wollte 
um eine Weite von 250 gegen 500 Mt. 22 Kils 
nach Wasserburg zu Fuß laufen, aber schon nach 
5 Kilometern brach er zusammen. 
FKarlsruhe, 4 April. Heute früh wur⸗ 
den an der Bahnstrecke Götzingen-Wilferdingen zwei 
Vomben gefunden. Man hielt dieselben erst für 
Dynamitbomben, dazu bestimmt, einen Zug in die 
duft zu sprengen. Nach den Ergehnissen der senut⸗ 
Ausland. 
Paris, 6. April. In Denain, einem Haupt⸗ 
rrte des Kohlenbezirkes von Anzin haben gestern 
eftige Exzesse staitgefunden, die das Einschreiten 
chleunigft herbeigezogenen Militärs erforderten. 
000 Arbeiter wollten die in der Grube Renard“ 
mgefahrenen Arbeiter nicht wieder herauslassen. 
zu ihrem Schutz erwies sich die Gensdarmerie un— 
ureichend, sie wuͤrde mit Steinwürfen regalirt. Auch 
et Unterpräfekt von Vallenciemnes erhielt einen 
dtein an den Kopf. — Die Gensdarmerie mußte 
ich damit begnügen, den Eingang zur Grube zu 
chützen. Gegen 5 Uhr Abends traf eine Schwadron 
Nagoner mit dem General Renauvot ein. Die 
Soldaten zogen blank und drängten die Menge auf 
ie benachbarten Felder zurück. Da der Wieder⸗ 
jand nicht nachließ, wurden die Karabiner der 
dragoner geladen. Die ausfahrenden Arbeiter 
vurden unter starker Eskorte in ihre Wohnungen 
edracht und verschiedene Verhaftungen vorgenommen. 
Re Dragoner bivouarkirten die Nacht in Denain. 
m Laufe des Abends trafen weitere Truppen⸗ 
Zerstärkungen ein Unter dem Schutze dieser geschah 
ije Anfuhr zur Nachischicht. In Anzin haben 
Nanner und Frauen einzeine Gensdarmen, welche 
ge anfahrenden Arbeiter schützen wollten, in die 
hrube geworfen. Eine Frau, welche als Bergmann 
yerkleidet, sich auf einen Gendarmen gestürzt hatte, 
stverhaftet vorden Die gestern in Dengain ver⸗ 
pueen Streikenden sind zu Gefangniß von 14 
agen bis zu drei Wochen veruriheilt worden. 
RParis, 7. April.“ die spanische Botschaft 
ttlärt das gestern hier verbreitete Gerücht don 
inem Attentate auf König Alfons als vollständie 
unbegrundet. 
Das stehende Her Rußlands zählt 30,831 
Inene Stabs- und Oberoffiziere und 819,769 
—— — Gemeine; der Bestand an Generälen 
Oberoffizieren hat sich gegen 1882 um 254 
e derminbert jener der unteren Chargen dagegen 
ildufig um 7000 zugenommen. Die Ersparnisse 
Lokale und pfälzische NRachrichten. 
* St. Ingbert, 8. April. Der gestrige 
Jahrmartt dahier war von Verkäufern sehr 
chwach besucht; einige Zuckerwaaren⸗ und Schuh— 
tände, das war die ganze Herrlichteit. 
*St. Ingbert, 8. April. Mit dem morg· 
gen Tage schließzt für die Volksschule das Schul- 
ahr 1883 84. Die Osterferien dauern bis Moniag, 
21. 1. Mis., an welchem Tage der Unterricht im 
neuen Schuljahre wieder aufgenommen wird. 
„* St. Ingbert, 8. April. Ein eigenthüm⸗ 
iches Malheur begegnete kürzlich einem hiesigen 
Bürger. Derselbe hatte aus der Apothete ein 
Arzneifläschchen erhalten, dessen Inhalt, wie auf 
dem Flaschchen zu lesen stand, zum Einreiben auf 
der Haut vestimmt war. Unser Mann aber zog 
den innerlichen Gebrauch vor und that aus dem 
Flaschchen nach kurzen Pausen einige kräftige Züge 
»bgleich die Flüssigkeit gerade nicht wie Kaiser⸗ 
iquer schmeckte. Als darauf das Zwicken auf der 
daut nicht nachließ und ein energisches Zwicken im 
Magen sich einstellte, wurde unser Patient seinen 
Deißgriff gewahr, der zum Glücke keine schlimmeren 
Folgen für ihn hatte, aber doch zur Vorsicht 
nahnen dürfte. 
*—.Auf dem an der nordamerikanischen Küste 
»erunglückten Dampfer „Daniel Steinmann“ be— 
anden sich auch folgende Pfäl zer: Jakob Alf 
von Blieskastel, Christian Spies von Kö⸗ 
nigsbach, Sebastian Götz, Johannes Ehr⸗ 
hzardt mit Biuder aus Blankenborn und 
Maria Fischer aus Neuhofen. — In Ger—⸗ 
dardsbrunn ist am Sonniag der schon seit 
ängerer Zeit schwer krank gewesene Lanbtags⸗ 
abgeordnete für Zweibrücken⸗Pirma— 
ens, Herr Bürgermeister Höhr, gestorben. — 
zn Alzei auf dem Kirchhofe erschoß sich am 
Zamstaa der Bildbauer Seiff⸗ri vus 6ir4