Full text: St. Ingberter Anzeiger

Nachmiltag vorgenommenen Unterjuchung sind die 
eiden Bomben indeß mit Sprengpulver und ge⸗ 
zacktem Blei gefüllt und mit einer Vorrichtung zum 
ẽntzünden durch Aufwerfen versehen. Dieselben 
ud beide verrostet, liegen offenbar schon seit einiger 
Zeit neben der Bahn und koönnen nach ihrer Be⸗ 
chaffenheit, insbesondere nach ihrer Sprengwirkung, 
nicht zu einem Attentate gegen die Bahn bestimmt 
zewesen sein, die Vermuthung liegt nahe, daß die 
heiden Bomben von den Genossen des in Pforzheim 
berhafteten Mitschuldigen an dem Stuttgarter Atlen⸗ 
tat auf der Weiterfahrt weggeworfen wurden. 
Saarlouis, 5. Äpril. Die „S.⸗Zig.“ 
schreibt: (Handwerk hat einen goldenen Boden.) 
Die Anstreicherarbeiten der hiesigen Garuisonver— 
waltung sind von einem Arbeiter zu 483 Prozent 
inter dem Kostenanschlage angenommen worden, 
Fuweder war der Kostenanschlag unsinnig hoch 
der der Umternehmer setzt Geld zu dabei. 
Straßburg, 7. April. Privamittheil⸗ 
ungen der „Fr. Ztg.“ zufolge ist der Abendzug 
wischen Straßburg und Paris heute Nacht zwei 
Kilometer vor Bar⸗le⸗Duc entgleist. Mehrere 
Waggons find zertrümmert. Toͤdtungen und Ver—⸗ 
wundungen sind vorgekommen. 
Einehübsche Frucht der Thierschutzlehre 
heilt der Stadtanzeiger der Koͤlnischen Zeitung mit, 
Da heißt es: Vorgestern Abend traf ein hiesiger 
Droschkenbesitzer bei einem Glase Bier mit zwei 
Freunden und Geschäftskollegen zusammen und ent⸗ 
schuldigte seine Weigerung einzutreten, damit, daß 
er gegen Mitternacht einen alten Herrn, seinen be— 
ständijchen Fahrgast, von einem Namensfest in der 
—oo—0 noch anspannen 
müsse. Die Entfernung von der N.Straße bis 
zur Wohnung ist sehr gering, und so meinten die 
Kameraden, es wäre doch nicht der Mühe werth, 
das arme Pferd in seiner verdienten Ruhe zu stören 
und es nochmals anzuspannen. Nach kurzer Ueber⸗ 
legung kommen sie üͤberein, selbst Pferd zu spielen, 
den Wagen mit ihrer eigenen Körperkraft hin und 
her besördern zu wollen. Es solle eben so geschehen. 
haß der Fahrgast das Fehlen des Gaules nicht 
merke. Gesagi, gethan! Die drei Freunde erscheinen 
hald an dem Haͤuse des Namenstagsfestes, der eine 
in der Schere, der zweite als Druckkraft hinter dem 
Wagen, der dritte als Rosselenker mit der Peitsche 
anf dem Bocke sitzend, als wenn die Rosinante zur 
Stelle wäre. Die Namenstagsgesellschaft ist noch 
heisammen, munter und guter Dinge und da unser 
Feftgenosse noch ein halbes Stuündchen zusetzen 
möchte, id wird dem braven Kutscher, um ihm die 
Wartezeit erträglicher zu machen, eine Flasche Wein 
hinausgereicht, in welche angenehme Gabe sich selbst⸗ 
verständlich Wagenlenker, Drücker und Pferd brü— 
derlich theilten. Ruhig wird dann gewartet, bis 
der Gast von der fröoͤhlichen Gesellschaft Abschied 
nimmt. Endlich erscheint er auf der Schwelle des 
zastlichen Hauses. Der Wagenschlag steht offen, die 
Zaternen am Wagen brennen hell, der Kutscher steht 
in respektvoller Haltung am Schlage und im Nu 
sitzt der freundliche Herr auf dem Federkissen des 
nen Landauers. Jeder auf seinen Posten: der 
eine, ein junger kräftiger Bursche mit elastischen 
Beinen, in der Schere, der zweite, ein dicker, 
schwerer, aber mit Pferdekraft ausgerüsteter Bursche 
zum „Däuen“ hinter dem Wagen, der dritte auf 
dem Bock, in rother Weste, blau garnirtem Rocke, 
den Feuereimerhut auf dem Kopfe. Die Peitsche 
tnalli und im Augenblick rollt das Gefährt im 
— Die Fahrt geht nach 
Wunsch dem Insassen der Kutsche kommt nichts 
Sondetliches vor. Nur die stillen Wächter der 
Nacht wundern sich über diesen wunderlichen Auf⸗ 
zug und fragen sich, was derselbe wohl zu bedeuten 
habe. Doch schon ist man „gelandet“. Der 
Wagenschlag geht auf: der Gast, ein freundlicher, 
jovialer Rentner, steigt aus; die Hausschelle, vom 
sautscher gezogen, meldet die Heimkunft des Haus⸗ 
herrn. Alles in bester Ordnung. Aber was ge⸗ 
schieht? Nach alter Gewohnheit will der gutmüthige 
Herr der Rosinante zum Abschiede ein mitgebrachtes 
Klümpchen“ Zucker reichen. Doch da steht ja 
att des Gaules der lebyhaftige Kutscher seines 
Nachbarn, gemüthlich eine Cigarre rauchend, vor 
hm. Die Aufklärung wird ihm gegeben, er lacht, 
daß er sich schüttelt und lobt die Thierschutzlehre. 
(Fundeiner französischen Kriegs— 
fasfe. Auf dem Wichelshof zu Bonn stieß man 
im' 1. d. Mibeim Enifernen alter Baumwurzeln 
nuf eine alte, eiserne Geldkiste. Zu nicht geringer 
Ueberraschung fanden sich darin erhebliche Summen 
in Rollen, 345,600 Francs in Gold und Silber 
ranzösischen Gepräges mit dem Bildnis Napoleons J. 
Auf dem beschädigten Deckel der Kiste läßt sich auch 
der kaiserliche Ramenszug mit dem Adler darüber 
exkennen. Vielleicht hat man es hier mit einer 
rranzösischen Kriegskasse zu thun, die tkurz vor dem 
zusammenbruch der Fremdherrschaft und der eiligen 
stäumung von Bonn unter mysteriösen Umständen 
verschwunden sein soll. Von ganz besonderem hi⸗ 
torischen Interesse sind aber eine kleine Anzahl 
eiliegender wichtiger militärischer Aktenstücke, wo⸗ 
unter Erlasse und Befehle Napolcons mit dessen 
igenhändiger Unterschrift. Das gerade für Bonu 
nerkwürdigste ist eine allem Anscheine nach vom 
raiser selbst entworfene, mit dem charakteristischen 
J. unterzeichnete Skizze einer eventuellen Befestigung 
Honns. Vielleicht also Privatschatulle des Kaisers!“ 
der interessante Fund, dem man anfangs, weil 
an dem ominösen 1. April entdeckt, mit Mißtrauen, 
entgegentrat, dürfte demnächst eine Zierde des Pro— 
binzialmuseums abgeben. 
(Ein gewissenhafter Sträfling.) 
Fin vor wenigen Tagen aus dem Arbeitshause zu 
dieburg entsprungener Sträfling hat die Gewogen⸗ 
Jeit gehabt, die der Anstalt gehörigen Kleider von 
Frankfurt aus an die Direktion des Arbeitshauses 
Tankirt zurückzusenden. Gewiß ein Beweis seines 
sechtlichkeitsgefühls. Schade, daß er vergessen hat, 
eine nähere Adresse anzugeben. 
(GAus Spaß erhängt.) Ein 20jähriger 
dommis der Firma Adolf Bauer in Finsterwalde 
»egab sich am Sonnabend auf den Boden, um 
deinsamen einzumessen. Dort angekommen, wollte 
r seinen Mitgehilfen, die er hatte nachkommen lassen, 
inen Schreck dadurch einjagen, daß er sich zum 
Schein erhängte, jedoch so, daß die Füße auf einen 
—X000 
iber dem jungen hoffnungsvollen Menschen das 
ꝛeben gekostet, indem er wahrscheinlich vom Stuhl 
ibgeruücht und in eine hängende Lage gekommen 
st. Der Todeskampf des Unglücklichen muß ein 
chrecklicher gewesen sein. Er hat nicht allein den 
-tuhl mit den Füßen zertrümmert, sondern sich 
zuch einen Finger durchgebissen. Als nun die Ge⸗ 
nossen auf den Boden kamen, fanden sie bereits 
en Freund leblos. Da der Verstorbene beim 
Zrinzipal allseitiges Vertrauen genoß, so ist die 
Trauer beim Geschäftspersonale sehr groß. 
Vom 1. Januar bis 31. März d. J. wurden 
rach Nordamerika befördert mit den Dampfern des 
Norddeutschen Lioyd in Bremen 20364 Personen, 
der Packetfahrt-Gesellschaft in Hamburg 14 185, 
der Carr Linie in Hamburg 2890, verschiedener 
Linien indirekt Hamburg 3601; zusammen 41040 
Personen. 
F Berlin. Eine mit 5 Kindern in sehr 
ürftigen Verhältnissen lebende Wittwe fand vor 
inigen Tagen auf dem Treppenflur eines Hauses 
iine mit diversen Tausendmarknoten und Werth⸗ 
apieren versehene Brieftasche, aus deren Inhalt sie 
ils den Eigenthümer derselben den Kaufmann Tr. 
emittelle, welchem sie unverzüglich die Brieftasche 
intrug. Als Belohnung erhielt dafür die ehrliche 
Finderin — drei Mark von dem wohlhabenden 
Nanne. Bei einer Schwester der armen Frau wohnte 
iber der Gerichtsreferendar R., welcher jedoch, als 
ex von der Noblesse des Verlierers der Brieftasche 
Zennmiß erhielt, die Aufforderung an iha richtete, der 
Wittwe den ihr gesetzlich zustehenden Finderlohn zu 
ahlen, widrigenfalls sofortige Klage erfolgen würde. 
Jetzt empfing die Frau bei Heller und Pfennig 
den Finderlohn ausgezahlt. 
FEin warnendes Exempel wurde dieser Tage 
vom Amisgerichte in Bautzen an einem Fort⸗ 
bildungsschüler statuirt. Der Fall war fol⸗ 
gender: Der Fortbildungsschüler P. zu A. wurde 
om Lehrer zur Aufmerksamkeit und zum anstän—⸗ 
zigen Sitzen ermahnt. Der Schüler aber, austatt 
der Aufforderung Folge zu leisten, bediente sich be⸗ 
leidigender Worte. Deßhalb wurde er aus dem 
Anterrichtslokale entfernt. Kurze Zeit darauf trat 
derselbe mit brennender Pfeife in das Schulzimmer 
and verlangte das Entlassungszeugniß. Der Sach— 
berhalt wurde dem Schulvorstand angezeigt. Dieser 
beruͤrtheilte den Schüler zu einer Verbüßung von 
z Stunden Freiheitostrafe. Auch ward der Be— 
irksschulinspektion zu Lobau Anzeige gemacht. Dieie 
iber verlangte Berichterstattung an die Staatsan— 
valtschaft in Bautzen. Am 24. d. M. fand die 
Schöffengerichtsberhandlung statt. Dem jungen 
Flegel wurden wegen Hausfriedensbruchs 8 Wochen 
hefängniß und die Tragung der Kosten zudictirt. 
4 Der Geburtstag des Fürsten Bismar—« 
vurde diesmal in ganz Württemberg besonders ge. 
feiet. An der Donau, am Neckar, wie im 
Schwarzwalde, selbst im entlegenen Algäu gedachi 
man des Tages. Das Schwarzwaldstädichen Nagold 
übersandie dem Kanzler eine mit Unterschriften aus 
allen Kreisen bedeckte Glückwunschadresse, welche 
künstlerisch geschmückt und ausgestattet ist. Im Tett 
der Adresse heißt es u. A.: „Wir begehen das 69. 
Beburtsfest Eurer Durchlaucht in unserer kleinen 
Dberamts- und Seminarstadt mit freudig bewegtem 
Herzen und dem sehnlichsten Wunsche, es möge 
dem lieben deutschen Vaterlande der deutsche Mann 
in der hochverehrten Person unseres jetzigen Reichs 
sanzlers lange in guter Gesundheit „„den Freunden 
zum Schutz, den Feinden zum Trutz““ erhalten 
verden. Als kleines Angebinde zum hohen Geburts. 
jeste erlauben sich die unterthänigst gehorsamst Un— 
erzeichneten ein Produkt des Schwarzwaldes, be— 
ttehend in einer Probe echten Heidelbeergeistes in 
der angenehmsten Hoffnung darzubringen, der Saft 
der Schwarzwaldbeere möge zur Erfüllung oben 
ausgedrückten aufrichtigsten Wunsches das Seinige 
»eitragen.“ Das Geburistagsgeschenk bestand auz 
zehn Liter Heidelbeergeist mit Etikette in den Reichs- 
farben. 
f Ueber das Befinden des Generals Vogel 
b. Falckenstein auf Schloß Dolzig lauten die 
Berichte wenig erfreulich. Der greise General isß 
ieit längerer Zeit von leichter Kränklichkeit befallen 
seit Kurzem aber nimmt der Schwächezustand be 
hm, der sich bekanntlich im 88. Vebensjahre befin— 
det, in bedenklicher Weise zu. Der General muß 
bon einer Stelle zur anderen getragen werden, resp 
iich durch Stützen auf seine Diener forthelfen und 
oll bereits das heilig? Abendmahl genommen haben 
F GBierbrauereien im Deutsche; 
Zollgebiete.) Zu welch' großer wirthschaftliche— 
Zedeufung sich in unserer Zeit das Brauereigewerbt 
ntwickelt hat, dürften folgende Zahlen, die wir 
iner längeren Betrachtung der Zeitschrift „der 
Bierbrauer“ über Bierbrauerei und Bierbesteuerung 
m Deutschen Zollgebiete während des Etatsjahres 
882/83 entnehmen, zu veranschaulichen geeignet 
ein: In dem gemeinsamen Zollgebiet des Deutschen 
steiches, mit Ausnahme von Bayern, Württemberg 
Baden und Elsaß-Lothringen, waren überhaupi 
11,863 Bierbrauereien vorhanden, davon in den 
Ztädten 4,560, auf dem Laude 7303; im Laufe 
des Etatsjahres 1882/83 sind in Betrieb gewesen 
3,797 gewerbliche und 1,124 nicht gewerbliche, 
usammen 10921 Etablissements, und 942 Brauereien 
ruhten. — Im Konigreich Bayern waren im Ka— 
enderjahre 1882 zusammen 5,498 Brauereien, im 
Zönigreich Württemberg im Etatsjahre 1882688 
283 Brauereien im Betrieb. Aus dem Großherzog— 
hum Baden konnte nur die Anzahl der am Schluss 
des Jahres 1882 vorhandenen Braugefäße ange— 
geben werden, dieselbe betrug 2052 von zusammen 
25,912 Hektoliter Inhalt. — Im Laufe des Etaks— 
'ahres 1882,88 wurden zusammen 22, 118, 180 
dektoliter Bier gewonnen. Rechnet man hiertzr 
‚on Bayern nach den von dort für 1882 por— 
iegenden Angaden. .. 123,112,567 Hlir 
von Württemberg für 1882/83 8,041,8571, 
„Baden nach den Angaben 
für 1882... 1,167,218 
von Elsaß⸗ Lothringen für 
1882/83 ... 815,631 
so ergibt sich für das deutsche 
Reich, mit Ausschluß der Zoll⸗ 
ausschlüsse, ein gesammtes 
HBrauquantum von. .. 39.250,448 9h 
dagen 1881/82. 39,035, 478. 
1882/83 also mehr. 21978 gn 
An Bier entfallen endlich nach Abzug der Au— 
uhr auf den Kopf der Bevölkerung im Deutssche 
Zollgebiet im Etatsjahr 1882/83: 84,7 Liter. 
F GPolizei und Volkssitte.) Das an 
Zonntag Latare seit urallen Zeiten schon in Schb 
ien wie in anderen Theilen Deutschlands üblidh 
Sommersingen“, bei dem die Kinder mit W 
verzierten Tannenreisern in den Ortschaften gruppen 
veise umherziehen und althergebrachte Lieder sn 
um dafür kleine Geschenke zum Ankauf von Gehn 
u erhalten, sollte von den Polizeibehörden, die — 
em iten Brauch eine Bettelei“ erblickten, unter 
»rückt werden. Eine Reihe von Jahren erschie 
nit großer Regelmäsigkeit in der Woche von n 
ie Polizeiordnung, welche bei Strafe das Sommn 
ingen untersagte. Jetziendlich hat sich die Polin