Full text: St. Ingberter Anzeiger

uͤberzeugt, daß sie die Sitte nicht auszurotten ver⸗ 
mag und das Verbot zurückgehalten. So koͤnnen 
die“ Sommerkinder“ wieder ungestört vom Polizei-⸗ 
diener ihre Lieder singen, wie sie ihre Voreltern 
als Kinder gesungen haben. 
(Ein Waldbewohnerund sein Ende.) 
Unweit von St. Georgen im Walde lebte — wie das 
Linzer Volksblatt“ berichtet — in einem Walde seit 
fieben oder acht Jahren ein Mann, dersich seinen Unter⸗ 
halt durch Schindeimachen erwarb. Ursprünglich wohnte 
in einem hüttenartigen hölzernen Verschlage, der 
so klein war, daß man sich nicht Frühren konnte, 
Ind da wohnte er Tag und Nacht, Sommer und 
Winter. Seit einem Jahre hatte er sich eine 
größere Wohnung an derselben Stelle des Waldes 
zubereitet, welche auch aus Holz bestand aber doch 
dut einem Glasfenster und einem eisernen Ofen 
hersehen war. Er lebte abgeschieden von den Men— 
schen nur darauf sein Augenmerk richtend, daß er 
moͤglichst viel klingende Münzen zusammenbrächte, 
welche er dort und da in den Schluchten und unter 
den morschen Baumstümpfen versteckte; einen Theil 
dadon hatte er in seiner Hütte. Dieser Mann 
vorgte auch Geld aus, aber zu hohen Zinsen. Am 
Miltwoch, den 26. v. M. Nachmittags klagte er in 
einem benachbarten Bauernhause, daß ihm nicht 
recht wohl sei, und ersuchte nur, man möchte ihm 
im kommenden Tage Früh eine Suppe bringen 
Am andern Tage Früh schickte der Bauer eine 
dienstmagd mit einer Suppe hinauf, aber Schrecken 
erfaßte diese, als sie statt der Hütte einen kleinen 
rauchenden Kohlenhaufen sehen mußte; die Hütte 
par sammt dem Bewohner während der Nacht ein 
Raub der Flammen geworden. Es fanden sich nur 
spätliche Ueberreste dieses Waldbewohners vor, so 
jark war der Körper verkohlt. Der fast ganz ver— 
hlte und von dem Rumpfe weggebrannte Schädel—⸗ 
nochen lag auf einem mit altem Silbergelde ge— 
üllten Topfe, und fanden sich in dem Topfe 
Silberstücke im Werthe von etwa 200 fl. Wo er 
das ührige Geld verborgen, weiß kein Mensch. 
Fälle sind vorgekommen, daß Leute, die weit ent⸗ 
ernt von seiner Behausung, im Walde Streu zu⸗ 
sammenrechten, ihn auf einmal daherlaufen sahen 
und mit den Worten: „Ihr könntet mir doch da— 
rüber kommen!“ suchte er unter einem Baumstumpfe 
ein wenig herum und — zog einen Strumpf voll 
Beldes hervor. Hörte er bei Nachtzeit Jemanden 
in der Nähe seiner Hütte, so war er schon da be— 
vaffnet mit einer großen Hacke, einer Pistole und 
begleitet von einem kleinen Hunde. 
Gopfrechnen.) Vor einigen Tagen 
jaßen mehrere Bürger im Gasthause zu G. in 
Oesterreich in heiterer Wirthshauslaune beisammen, 
als einer derselben, W., von dem man wußte, daß 
er sein auf ca. 5000 fl. bewerthetes Haus gerne 
verkaufen wollte, im Laufe des Gespräches sein Be⸗ 
itzthum zum Kaufe anbot. Als Zahlungsbedingung 
forderte er einzig und allein nur, daß der Kaͤufer 
am ersten Tage einen halben Kreuzer zahle, am 
weiten Tage einen Kreuzer, am dritten Tage zwei 
dreuzer, am vierten Tage vier Kreuzer und so fort 
urch einundzwanzig Tage immer den doppelten 
detrag von der am vorhehrgehenden Tage ge— 
ahlten Summe zu Händen des Verkäufers erlege. 
zIm Glauben, ein guͤes Geschäft zu machen, nahm 
vr Handelsmann E. das Angebot an, umsomehr, 
is er nach flüchtigem Ueberschlag sogar bis zum 
echszehnten Tage erst auf eine Summe von bei⸗ 
äufig 163 Guiden kam. Die übrigen Gäste ließen 
nicht an Aufmu nterungen fehlen, und so wurde 
der Kauf nach Zahlung einer entsprechenden Daran⸗ 
jabe perfekt. Wie aber gingen dem Kaufer anderen 
Tages in etwas ernüchterter Stimmung die Augen 
nuf, als er, ruhig rechnend erkannte, daß er am 
16. Tage allerdings erst 163 I 84 tr am 20. 
Zage aber bereits 2621 fl. 44 tr. und daher am 
21. Toge 53242 fl. 88 kr. zu zahlen habe! Ja, 
daß die Gesammtsumme allet“käglichen Zahlungen 
den Betrag don 10.485 fl. 8713 kr., also das 
Doppelte des Hauswerthes erreiche!! — Verschwunden 
r die heitere Wirthshauslaune und auf bestmög⸗ 
saise Weise sucht nun E. von diesem Vertrage 
en zu werden. 
f. Die Regierung in Dublin entdeckte eine 
ge nsp iration der irischen ‚Invincibles“, welche 
—— des Gefängnisses Mountjoy zur 
— der inhaftirten. zu Zwangsarbeit berur 
* un fenischen Gefangenen bezwedte. Die Ge— 
nduüwache sollte durch Geld bestochen werden, 
* )es in Irland und den Vereinigten Staaten 
gezeichnet war. Die Verschworer andelen 
Einvernehmen mit den amerikanischen Dynamitver⸗ 
schwörern. Die in Mountjoy inhaftirten, Gefange⸗ 
nen sind nach England gebracht. 
F Seit Samstag sind bei der Bank von Eng⸗ 
laud ungefähr 25 Stück gefälschte Banknoten ein⸗ 
zelaufen, die so geschickt gemacht sind, daß sie nur 
'ür die Bankbeamten an dem schlechteren Papier 
erkennbar sind. Die Fälschung geht wahrscheinlich 
hon einer ganzen Bande aus, welche die Noten zu 
zleicher Zeit an den verschiedensten Stellen einwechselte, 
um die sofortige Verfolgung zu erschweren und den 
gunzen Vorrath auf einmal loszuwerden. 
F Endlich erklärt das Ischia-⸗Komité in 
Neapel sich bereit, Rechnung abzulegen und über 
seine Thätigkeit zu berichten. Es hat der Agitation 
der Pariser Presse bedurft, um einen Alkt herbei— 
zufühcen, welcher doch der Ausfluß der gemeinsten 
pflichterfüllung sein sollte. Man wirft der Regie— 
cung mit Recht vor, daß sie den öffentlichen Skandal 
nicht verhütet und nicht wie sich gehört, schon längß 
auf die Erledigung dieser Angelegenheit, wobe 
der italienische Ruf auf dem Spiele stand, ge— 
rungen hat. 
7 GEin drastisches Mittel.) Im Dorfte 
Rutschali in Rußland erschien kürzlich die Polizei, 
im eine Exekution wegen rückständiger Abgaben vor⸗ 
unehmen. Da geschah etwas wohl noch nicht da⸗ 
zjewesenes. In einem Hause wo die Polizei Posto 
zefaßt hatte, um Vorbereitungen zur Exekution zu 
nachen, entwickelte sich plötzlich bei allen Anwesenden 
der schrecklichste Husten, zu dem sich sehr bald furcht⸗ 
bdarer Kopfschmerz gesellte, der alle Anwesenden, 
die Polizei mit, zwang, schleunigst das Freie zu 
suchen. In einem zweiten Hause erging es der 
Polizei nicht besse.. Der Grund war folgender: 
Wo die Polizei in einer Stube Platz nahm, wurden 
sofort indische Pfefferschoten in den Ofen geworfen, 
um Husten und Kopfschmerz zu erregen, was auch 
vollständig gelang. Die Polizei konnte die Exekution 
nicht vollständig vollziehen. Dafür faßte sie aber 
iber die wiberfahrene Ausräucherung ein Protokoll 
ab, um es dem Untersuchungsrichter zu übergeben. 
F (Eifersucht einer Negerwittwe.) 
Die höheren Kreise der Negergesellschaft in Neworl 
sind, wie die „Times“ dieser Stadt berichtet, kürz⸗ 
lich durch leidenschaftliche Zwischenfälle, die sich 
unter zwei ihrer hervorragendsten Mitglieder zuge— 
tragen, höchst aufgeregt worden. Die Wittwe eines 
der ersten „Weißbinder“ dieser Stadt hatte von 
hrem Manne ein fürstliches Vermögen geerbt. Sie 
var daher sehr umworben, zog aber einen gewissen 
Herrn Dibson, welcher den besonderen Ruf des ge— 
wandtesten „Austernöffners“ in seiner Straße be— 
sitzt, allen anderen Freiern vor. Eine Zeit lang 
hatten die Beiden nur einen einzigen Gedanken, 
ihre Herzen schlugen so einig, wie wenn sie nur 
eines gehabt hätten, und alle jene verlobten Paaren 
zemeinsamen Herzensaußerungen konnten von ihren 
näheren Bekannten an ihnen täglich beobachtet wer⸗ 
den. Nach einer gewissen Zeit jedoch nahm Mr. 
Dibsons Herz eine andere Art von Schlagtakt an 
und begann mit dem einer gewissen Miß Turnham 
Takt zu halten. Hier nun beginnt die Tragödie. 
Eines schönen Tages, während die Wittwe über 
die Wendung, die die Dinge nahmen, nachgrübelte, 
jah sie auf einmal, wie der über alle Gebühr treu— 
ose Dibson mit Miß Turnham in einen der ersten 
Zuckerbäckerladen eintrat, die ausgesuchtesten Bon— 
bons einkaufte und sie seiner Dame anbot. Sehen 
aund Handeln war jetzt für die beleidigte Frau nur 
Fins! Sie lief sofort in einen anderen Laden 
allein es konnte kein Zuckerbäckerladen gewesen sein, 
denn sie kam nach einigen Sekunden mit einer ge⸗ 
waltigen Peitsche aus Rindsleder aus demselben 
wieder heraus, stürmte auf Dibson und seine Ge— 
fährtin los und handhabte das schreckliche Werkzeug 
nit solcher Kraft und Ueberzeugung, daß wohlun— 
errichtete Personen versichern, Dibson habe dabei 
viederholte Stoßseufzer ausgestoßen des Inhalts 
daß er wünschte, schon in der — Wiege gestorben 
zu sein! Zugleich soll er sich behufs eines Szenerie— 
vechsels so eilig aus dem Staube gemacht haben 
daß er vergaß, Miß Turnham mitzunehmen. 
F(einde des Telephons in Brasi— 
sien.) Wir lesen in der brasilianischen „Germania“: 
„Der regelmäßigen Funktion der Telephonleitungen 
zat sich in letzter Zeit ein sehr gefährlicher, und 
wie es fast scheint, unüberwindlicher Feind ent⸗ 
zegengestellt, an den man bei Errichtung der Lei—⸗ 
nungen wohl schwerlich gedacht haben wird. Es 
ind dies nämlich — die Aasgeier. Dieselben 
oflegen sehr niedrig über die Häusergtebel zu flieger 
und fahren in Folge dessen in die ungewohnten 
Drahtnetze binein, in denen sie sich dann verwickeln, 
die verschiedenen Drähte mit einander in Berührung 
bringen und zwischen den miteinander sprechenden 
Telephon⸗Abonnenten eine heillose Verwirrung an⸗ 
ichten. Fortwährend muß die Direktion eine Menge 
Arbeiter in Thätigkeit haben, um die in einander 
derwirrten Drähte zu separiren, und kaum sind sie 
in einer Stelle fertig, so ist wieder Konfussion an 
einer andern. Hier ist guter Rath theuer. Die 
Aasgeier dürfen laut Gesetz nicht getödtet werden 
und vermehren sich also foriwährend; die Telephon⸗ 
Netze spinnen sich ebenfalls immer dichter und über 
alle Theile der Stadt aus; was bleibt da übrig? 
Die „Provincia“ meint, es gebe kein anderes Mitlel, 
als zu warten, bis diese heimtückischen schwarzen 
Vögel, welche der Telephon⸗Einrichtung so wirk— 
samen Widerstand leisten — sich gewöhnt haben 
werden, etwas höher zu fliegen!“ 
GEin neues Desinfektionsmittel.) 
Bekauntlich wurde bis jetzt das Ausschwefeln der 
seleider, Bettwäsche. Wohnräume u. s. w. für eine 
weckentsprechende Maßregel zur Zerstörung der An— 
steckungskeime (Bacillen. Bakterien, Spalipilze) ge⸗ 
halten; nach den Untersuchungen des Reichsgesund⸗ 
heitsamts ist indeß die beim Verbrennen des Schwefels 
entstehende schweflige Säure von sehr zweifelhafter 
Wirksamkeit, und hat sich dagegen die Kalifeife als 
ein vorzügliches und sehr wohlfeiles Desinfektions- 
mittel erwiesen. Dieselbe tödtet in Verdüunungen 
von 1: 1000 Milzbrandbacillen. Ihre Anwendung 
st ungemein einfach. Die im Handel befindliche 
„rohe Kaliseife“ (Schmierseife, grüne oder schwarze 
Seife) ist für Desinfektionszwecke ungeeignet, da 
dieselbe richt den genügenden Kaligehalt besitzt und 
sehr oft verfälscht angetroffen wird. Statt dieser 
empfiehlt die Desinfektionsinstruktion des Königl. 
Polizei-Präsidiums vom 18. April 1883 die sog. 
ceine Kaliseife, welche von dem Apotheker Dr. Ißleib 
in Varel, Großhzgth. Oldenburg in den Handel 
gebracht ist. Die in Berlin seit August 1883 
ziltige Desinfektionsinstruktion schreibt die Desin⸗ 
zektion mit reiner Kaliseife bei Pocken, Diphtherie, 
Tholera, Typhus, Kindbettfieber, Scharlach, XE 
Masern, Milzbrand, Keuchhusten, Schwindsucht und 
ansteckender Lungenentzündung vor. Die „reine 
Kaliseife“ ist nicht giftig, was als ein großer Vor— 
zug gegenüber andern Desinfektionsmitteln wie 
Karbollösung, Sublimatlösung und Brom gelten 
muß. Sie ist zugleich eine ausgezeichnete, energisch 
wirlende Waschseife und zu diesem Zweck immer zu 
verwerthen, wenn nicht Krankheitsfälle ihre desin⸗ 
ficirenden Eigenschaften erfordern. Die Anschaffung 
derselben führt daher keine ungewöhnliche Ausgabe 
herbei. Ihr Preis beträgt, in Blechbüchsen von 
4134 Kg. Inhalt, 6 Mark. 
CEiebesbriefeines Sprachlehrers.) 
Meines Herzens Vocativ! Verzeihen Sie die Pro— 
positionen, die ich mir die Freiheit nehme, Ihnen 
zu machen, nämlich: Mich als Ihres Subjekts 
Adjektiv anzunehmen. Ich würde mich bis zum 
Superlativ glücklich schätzen, wenn Sie den Optatib 
meines Herzens zum Indicativ abändern möchten. 
Ich weiß freilich, daß ich weder die erste, noch die 
weite, noch die dritte Person des männlichen Ge— 
chlechts bin, die Sie zu Ihrem Haupt⸗ und Zeit⸗ 
wort haben wollten, aber ich weiß auch, daß die 
zanze auch vielfältige Zahl Sie nicht so liebt, wie 
ich. Ja, ich werde Sie lieben, so lange noch ein 
Partikel von mir am Leben ist! Nie werde ich 
mir einen Selbstlaut gegen Sie erlauben, noch im 
Imperativ sprechen, vielmehr mich von Ihnen ganz 
nach Ihrer Willkür stets passiv flectiren lassen. Es 
soll kein Casus vorkommen, wo ich mich nicht nach 
allen Ihren Regeln und Grundsätzen richten werde. 
Weder meine gegenwärtige noch vergangene Zeit 
enthalten einen Accusativ gegen mich, daß ich kein 
Mann von Wort bin. In welcher Form auch 
Ihre Antwort mir zukommen mag, Ihr Name soli 
infinitid mein Nominativ sein, bis zum großen 
Ablativ von allen Dingen auf Erden. Nun bitte 
ich Sie, entscheiden Sie sich in keiner unbestimmten 
Art und ohne Interjektionen gegen Ihr einfaches 
Objekt. Habakuk Syntax, Sprachlehrer. 
Zwei Damen geriethen bei einer Begeg- 
nung auf der Straße in Streit darüber, welche von 
hnen die Aeltere wäre. Bei Beiden steigerte sich 
die bei einem Streit dieser Art nur zu natürliche 
Erhitzung in gleichmäßiger Weise, und bald war die 
Temperatur des Meinungsaustausches auf einer 
Höhe angelangt, welche bloßen Worten keinen wei⸗ 
eren Spielraum mehr zu geben schien. Da henntzi⸗