Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingsbert. 
der Et. Ingberter Anzeiger“ erscheint wvbchentlich fuufmal? Am Montag, Dieunstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal woͤchentlich mit Unterhaltung⸗ 
glatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich !T A 60 S emichließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1.M 75 4, einschließlich 
¶ Zustellunasgebuhr. Die Einruckungsgebühr fur die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 , bei außerpfallischen und solchen 
auf welche die Expeduion Auskunft ertheilt, I5 4, Neclamen 30 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
Ae r. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Eine Pfälzer Stimme über die 
aationalliberaie Bewegung. In der 
Zoin. Zeitung finden wir eine Correspondenz aus 
girchheimbolanden, in welcher es u. A. heißt: „In 
Suddeutschland bereitet sich zur Zeit ein gewaltiger 
Umschwung der öffentlichen Meinung vor. Das 
Auftreten der Pfui· Rufer in der Fortschritispartei 
ind namentlich ihres Führers Richter, der sich nicht 
scheute, dem Reichskanzler vorzuwerfen, die Reichs- 
legierung treibe eine Schnaps⸗ und Schweinepolitik, 
hai die Gefühle der Dankbarkeit und hohen Ver⸗ 
ihrung für den Reichskanzler, welche in den Herzen 
des Volkes schlummerten, neu geweckt, sodaß die 
Zausende und aber Tausende der in Neustadt ver⸗ 
ammelten Parteigenossen fich gedrungen fühlten, 
Zeugniß für den Reichskanzler und dafür abzulegen, 
zaß jeder gute und — sagen wir es geradezu — 
seder anstaͤndige Deutsche zwar Bismarck bekämpfen 
jann, nie aber den Ton achtungsvoller Dankbarkeit 
jegen den Kanzler vergessen darf. Dieses Gefühl 
ind die Ueberzeugung, daß die Verlängerung der 
dauer des Sozialistengesetzes unbedingt zu ge⸗ 
währen und die Sozialpolitik des Kanzlers zu unter⸗ 
utzen ist, also ein Zusammenwirken mit dem Reichs⸗ 
janzler in den wichtigsten Fragen, welche den Reichs⸗ 
jag demnächst beschäftigen werden, zu erwarten steht, 
hatten die Versammlung in eine gehobene, zuversicht⸗ 
iche Stimmung und in eine Begeifterung verseßt, 
wie wir fie noch selten bei einer Volksversammlung 
exlebt haben und welche sich am gewaltigsten bei 
illen denjenigen Stellen der verschiedenen Reden 
elundete, in welchen die Verdienste des Reichskanz⸗ 
lers hervorgehoben wurden und in welchen die 
Interstützung desselben durch die nationalliberale 
hartei in Aussicht genommen wurde. Wenn diese 
rohe Zuversicht, welche in der Neustadter Ber⸗ 
ammlung waltete, von den Parteigenossen hinaus⸗ 
zetragen und verbreitet wird in ihrer Heimath, 
ind wenn dieser Zuversicht energisches Handeln 
ei den bevorstehenden Wahlen folgt, dann steht 
der nationalliberalen Partei, welche von ihren Feinden 
von rechts und links schon so oft todt gesagt wurde 
rin Zuwachs an Stimmen bevor, welcher der Partei 
wieder zu derjenigen einflußreichen Stellung und 
bertretung im Reichstage verhelfen wird, die dem 
zemaßigten Liberalismus, d. i. dem zahlreichen 
Mittelssande, dem Bürger⸗ und selbständigen Bauern⸗ 
sande gebührt und demselben nur zum Nachtheil 
n Vaterlandes auf die Dauer enitogen werven 
n. 
Veranderungen im großzen Geueral⸗ 
—Xa find nach veriüßlichen Quellen folgende: der 
dniglich wurttembergische Oberstieutenam v. Pfaf 
sazum Chef des Generalstabes des koͤniglich preu⸗ 
hischen 4. Armeecorpe ernannt, dessen bisheriger 
ühef, der Generalmosor Lenhe,zum Kommanden 
det 19. Infanterie · Brigade defordert ist; der Obersi 
—— dv. Studrad, à la suito des großherzog⸗ 
hessischen Infanterieregimenis Leibgarderegimenn 
t 118. Direltor der Kriegsschule ju Ersurt, iss 
um Chef des Generalftabes des 9. XX 
unnt; Oberstlieutenant Stieler von Heydelamp 
—8 Entbindung von der Stellung als Chef 
—— des 7. Armetcorps zum Gouver⸗ 
* nt nach Meß versetzt und an seine Stelle zum 
d een Oberstlieutenant Boie er⸗ 
ne en — seinem Commando zur 
Montag, 21. April 1884. 
19 Jahrg. 
Der Reichskanzler hat anläßlich eines 
Tinzelfalles sämtlichen deutschen Staatsregierungen 
die Mittheilung gemacht, daß denjenigen Privat⸗ 
lehranstalten, deren Abgangszeugnisse den Nachweis 
der wissenschaftlichen Befähigung zum einjährig⸗ 
reiwilligen Militärdienste zu führen für geeignet 
rklart sind, die Befugnis, besonders ausgezeichnete 
Schüler nach einem vorzüglichen Ausfalle der 
chriftlichen Prüfung von der mündlichen Prüfung 
zu befreien, nach seiner Aussassung nicht zugestanden 
verden könne. 
saiserslautern, Haupilehrer Berger in Speyer und 
Lehrer Krebs in Oppau, Baron von Gienanth in 
Hochstein, Bürgermeister Ritterspach in Kirchheim⸗ 
bolanden und Dr. Groß in Lambsheim. 
— Sippersfeld. Vergangene Woche fand 
hier nachstehende Geschichte statt. Zwei Kinder, 
eines der ärmeren, das andere der wohlhabenderen 
Alasse angehörend, spielten mitsammen und geriethen 
in Streit; der dazu gekommene Onkel des reicheren 
() Kindes faßte sofort dessen Partei und schlug 
dessen Gegner sehr heftig. Nachmittags begab sich 
der Onkel zu dem Vater des mißhandelten Kindes, 
von dem er eine Scheune z. Z. in Miethe hat. 
Als ihm vom Vermiether vorgehalten wurde, warum 
er sein Kind so mißhandelt habe, ging der Miether 
nach Hause und holte sich einen Prügel, worauf er 
den nichtsahnenden Vater, der eben Holz zerkleinerte, 
3—4 mal mit dem Stocke auf den Kopf schlug. 
Beim funften, unficher geführten Hiebe traf er ein 
andereb, dem gleichen Manne gehdriges daneben 
ftehendes Kind so unglücklich auf den Kopf, daß 
an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Polizeiliche 
Recherchen sind eingeleitet. 
— VDer städtische Haushalt der Stadt Speyer 
pro 1884 beziffert sich in Einnahme und Ausgabe 
auf 391,829 Mt. 66 Pfg. 
— die Volksbankaktiengesellschaft in Lud⸗ 
wigshafen hatte pro 1888 einen Gesammtum⸗ 
jatz von 60,432,075 Mt. und vertheilt eine Divi⸗ 
dende von 88 oder 48 Mk. pro Altie. 
Ausland. 
Vom Aufstand auf Cuba. Privatbe⸗ 
richten aus Havana zufolge steht der Insurgenten⸗ 
führer Aguero mit einer starken Streitmacht gegen⸗ 
värtig im District Cienfuegos und legt den Pflanzern 
Tontributionen auf. Es heißt, die cubanische Re— 
zierung lehnte es ab, diese Meldung der Presse 
nitzutheilen. Der Präsident der Vereinigten Staa⸗ 
jsen hat den Zolleinnehmer in Key West wegen 
eines Einverstaͤndnifses mit General Aguero in der 
Drganisation seiner dort jüngst ausgerüstesten Frei—⸗ 
zeuler⸗Expedition abgesetzt. Das Gerücht, daß eine 
neue Expedition ausgerüstet werde, erhält sich. 
— 
kokale und pfalzische NRachrichten. 
h. St. Ju gbert, 21. April. In neuerer 
Zeit hat sich unter den auf den benachbarten kgl. 
zreußischen Gruben beschäftigten Vergleuten unserer 
Stadt ein Verein gegründet, welcher den Zwed 
derfolgt, seine verstorbenen Mitglieder mit berg⸗ 
nännischen Ehren, d. h. in voller Knappen⸗Uniform 
und unter Vorantragung einer Vereinsfahne zu 
Brabe zu geleiten. Jedes Jahr an einem hierzu 
noch zu bestimmenden Tage wird der Verein einen 
feierlichen Dankgottesdienst veranstalten. Es siehl 
zu hoffen, duß sich demselben alle hier wohnenden 
Knappen der genannten Gruben anschließen. 
*St. Ingbert, 21. April. In vollem 
Begensatze zum Kalender stellte sich in den leßten 
Tagen der Winter ein und zwar mit einer Heftig 
leit, die uns schier vermuthen ließ, als seien win 
über Nacht in die Nähe des Nordpols versetzi 
vorden. Hat auch der gestrige weiße Sonniag mi 
dem Schnee aufgeräumt, so ist doch die Temperatur 
jo niedrig, daß noch einige winterliche Extravaganzen 
zu erwarten sind. 
e Enttheim, 20. April. Heute Nacht kurj 
aach 12 Uhr, wurden die hiesigen Bewohner durch 
das Feuersignal aus dem Schlafe aufgeschreckt. 
Dichte Rauchwolken kündigten einen Brand bei dem 
Bastwirth Heinrich Fries dahier an. Schnell war 
zwar die Feuerwehr an der Brandftätte; allein da 
bei Allarmirung der Löschmannschaft der Dachstuh' 
ͤber dem Tanzsaal schon völlig in Flammen stand 
so mußte vorerst darauf Bedacht genommen werden 
daß das dicht angrenzende Wohnhaus unverfehri 
blieb, was der Feuerwehr auch glücklich gelang 
Das Feuer blieb durch die rastlose Thätigkeit der 
Mannschaft auf feinen Herd beschränkt, so daß nur 
der Dachstuhl und die Decke des Saales ein Raub 
der Flammen wurden. Um 3 Uhr heute früh war 
die Löscharbeit gänzlich vollendet und die ermüdete 
Mannschaft lonnte wieder das stärkende Lager auf⸗ 
uchen. 
— Neustadt, 18. April. Das gestern ge⸗ 
wählte Comitee des Kreisbereins der Lutherstiftung 
desteht aus den Herren Consistorialrath Risch in 
Speyer, Decan Maurer in Bergzabern und Decan 
Zriener in Lixchbeiimbalanden VLhrer Närkßler in 
Verm ischtes. 
4 München, 19. April. In dem Processe 
zegen den Hoffourier Schmidt wegen des in der 
föniglichen Residenz im vorigen Jahre begangenen 
Finbruchdiebstahls erkannte das Landgericht auf 
Freisprechung, Freigabe der Caution und Ueber⸗ 
weisung der Kosten auf die Staatskasse. 
Das Oberlandesgericht in Munchen hat 
das sog. Zwicken“ als ein verbotenes Glüdsspiel 
erllärt. Wirthe, die dasselbe in ihrem Hause dul⸗ 
den, loͤnnen mit hohen Geldbußen, sogar mit Con⸗ 
ceffionsentziehung bestraft werden. 
elüheim, 15. April. Stromerfrech⸗ 
heiie) In einem benachbarten Pfarrdorfe kam 
zestern Abends ein Stromer in das Pfarrhaus und 
deitelte den gerade zum Ausgehen gerüsteten Pfarr⸗ 
herrn im Housflure an. Dieser gab dem Fremden 
i0 Pf., worauf der freche Bursche mit den Worten 
„ist das auch ein Almosen“ dem nichts ahnenden 
Pfarrer den Hut vom Kopfe schlug und das Weite 
uchte. Das sind recht neite Früchte unserer Zeit! 
ꝓ Aschau, 15. April. Der Rosenh. Anz.“ 
schreibt: Der 17jaährige Sohn des Bauern Guggen⸗ 
bichler in Doörsdorf erschoß aus Unvorsichtigleit sein 
dreijatzriges Brüderchen. Der Thater scheint ein 
wahrer ünglücksmensch zu sein; als zweijährigeß 
ind fiel er mit dem Gesichte in eine Pfanne fie⸗ 
denden Wassers, in Folge defsen das Gesicht schred⸗ 
lich entstellt ist, als fünfjähriger Knabe zündete er 
das elterliche Anwesen, das ganz niederbrannte, an, 
ferner fiel er schon zweimal vom Dache. 
4 Die Kaiserin von Oesterreich zahll 
dem Besitzer des Schloßhotels in Heidelberg, 
Herrn Albert, die Summe von 60.000 Mark für 
-tägigen Aufenthalt, exll. Bedienung und Ver— 
ostigung. 
FSarmstadt, 18. April. Die Kronprin⸗ 
zesfin des deutschen Reichs wird am 26. d. hier 
rinireffen. — Großfürst Ser gius von Rußland 
isü hein⸗ Normittiag uum Vesluche der Köniain Ola⸗—