Full text: St. Ingberter Anzeiger

v»l. Indherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
der ESt. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich füufmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2mal wöochentlich mit Unterhauungs 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt. 1I3 4, Meclamen 830 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur driimalige berechnet. 
—— 
Volitische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 22. April. Aus der „Donau—⸗ 
zeitung erfahren wir, daß sich der Papst auch 
r die bayerischen Kamnterverhandlungen interessirt. 
Fin Münchener Correspondent des Blattes bespricht 
en Kammerbeschluß hinsichtlich der Beschränkung 
er Verehelichungsfreiheit, den er als „provisorischen 
Zautschukparagraphen“ bezeichnet, und bemerkt hier⸗ 
ei: „Hätte doch der Abg. Dr. Rittler die Instruk— 
iion des Papstes an die bayerischen Bischöfe in 
det Kammer vocgelesen und der ganze Streit würde 
zegen den Kautschukparagraphen und den Annex 
nischieden gewesen sein.“ Ob wohl das Vorlesen 
xer in Rede stehenden Instruktion diesen Erfolg 
gehabt hätte? Gibt es doch auf der Rechten un— 
erer Abgeordneten verschiedene Herren, welche den 
harteifanatismus, so möchte es scheinen, noch viel 
höher stellen, als den Gehorsam gegen den Vapst 
der die päpstliche Instruktion. 
Zu Ehren v. Brüning's hat die natio⸗ 
aalliberale Fraktion des Reichstags beschlossen, auf 
deu Sarg ihres früheren Mitgliedes durch den Ab⸗ 
zeotdncten Dr. Buhl einen Kranz niederlegen zu 
assen. 
Elberfeld, 21. April. Die Vorsfände der 
ationalliberalen Wahlvereine von Elberseld und 
harmen haben in einer jüngst abgehaltenen gemein⸗ 
amen Sitzung den Plan erwogen, demnächst einen 
rheinisch-westfählischen Parteitag ab— 
zuhalten. Es wurde ein engeres Comits eingesetzt 
und dasselbe mit der Ausführung der weiteren vor⸗ 
bereitenden Schritte beauftragt. 
Berlin, 22. April. Die kronprinzliche 
zamilie begibt sich am nächsten Freitag vormit⸗ 
8 dagen erwanlunaneeun nach Darm⸗ 
adt. Der Kronprinz empfing gestern den per— 
ischen Minister für Kultus, e und Tele⸗ 
graphen, Ali Kauli Khan. 
Berlin, 28. Aprii. Die Eisenbahn⸗Commission 
jenehmigte sämmtliche Verträge über den Erwerb 
aeuer Bahnen, mit Ausnahme der Bremer Bahn, 
worüber wegen Abwesenheit der Referensen die V.⸗ 
rathung ausgesetzt wurde. 
Der Ceniralverband deutscher In⸗ 
dustrieller zur Beförderung und Wahruug natio⸗ 
naler Arbeit beruft zum 14. Mai eine Generalder⸗ 
ammlung seiner Muͤglieder nach Berlin Einziger 
Begenstand der Tagesordnung ist der Gesetzentwurs 
über die Unfallversicherung der Arbeiter (Referent: 
8 Geheimer Finanzrath Jencke aus Essen, Vor— 
itender der Krupp'schen Verwaltung). 
Ausland. 
Wien, 28. April. In Krakau schleuderte 
8 ein gewisser Malankiewitz eine Petarde gegen 
dortige Polizeidirekttionsgeöääude, und wurde 
auf verhaftet. Derselbe ist zweifellos das Wert. 
rug einer geheimen Sozialistengesellschaft; er gab 
nndaß er den Polizeicommissat Kostezewski tödlen 
wollte, weil dieser die Sozialisten verfolge. 
—— 23. Apcit. Die wegen der Theil⸗ 
—* —— — Sonntagsmeeting 
eee ader Hauppe genannt Waldo, 
ene er ein Preuße, etzterer ein Oester⸗ 
u spie que Frankreich ausgwiesen worden. 
Und ris ist am 20. dos. wiedet eine tolle 
argistenversammlung abgehalten wor⸗ 
Made im Blut der „Tyrannen“ und Könige 
8 und das Dynamit leben ließ. Die Theil— 
dieser internationalen Anarchistenbersamm 
Donnerstag, 24. April 1884. 
19. Jahrg. 
lung gingen dann in eine Weinschenke, wo sie un⸗ 
her den Gästen zwei Geheimpolizisten erkannten und 
auf Befehl des Exekutivkomites der „Sektion Frank⸗ 
reich“, dessen Hauptmitglieder anwesend waren, mit 
Stockschlägen mißhandelten. 
Konstantinopel, 28. April. Bei der Ver⸗ 
abschiedung des österreichischen Kronprinzenpaares 
vom Sultan, wobei der Kronprinz für die außer⸗ 
ordentliche Gastfreundschaft wärmstens dankte, drückte 
der Sultan den Wunsch aus, der Dampfer „Mira⸗ 
mar“ möge auf der Rückfahrt von Brussa noch 
einen ganz kurzen Aufenthalt im Bosporus nehmen, 
)amit er dem Kronprinzenpaare vor dessen gänzlicher 
Abreise noch einen freundlichen Gruß senden könne. 
zu dritt extra an jenem Tage von Neufsadt hier⸗ 
hergefahren um dies auszuführen, er habe auf der 
Mitte der Brücke Posten gestanden, um von etwa⸗ 
igem Nähern anderer Personen Avis zu geben. Es 
ei ihnen aber wie gewünscht der Streich gelungen. 
Nachdem nun jener Sträfling, nebenbei bemerkt 
nuch eine „edle Seele“, dieser Tage seine einjährige 
Befängnißstrafe abgesessen hatte, brachte er die Er⸗ 
ählung seines Mitgefangenen zur Anzeige und ist 
zereits die Untersuchung im Bang, die jedenfalls 
‚ald Aufklärung bringen wird. Der Anzeiger re⸗ 
lamiert nun aber auch die damals ausgesetzten 
1000 Mk., die man ihm nach Richtigstellung der 
Thatsachen und wenn jenes Geständniß auf Wahr⸗ 
heit beruht, nicht wird vorenthalten können, obwohl 
ie vielleicht in diesen Hünden nicht gut angelegt sind. 
— In Höheinöd grassiren Scharlach und 
dalsbraune. Die Geschwister der erkraukten Kinder 
ind behufs Vermeidung weiterer Ansteckungen vom 
Schulbesuch ausgeschlossen. 
— Vom Bruch, 20 April. In Mühlbach 
ielen zwei Glocken herunter, mitten unter die ver⸗ 
ammelten Kinder, welche jedoch mit dem bloßen 
Zchrecken davonkamen. 
— Landstuhl, 21. April. Am letzten 
Samstag Abend in der Feierstunde wollte ein junger 
Mensch namens Haag, 16 Jahre alt, Sohn von 
Wittwe Haag, zu Landstuhl auf dem Marktplatze 
inen Ball, der beim Spielen auf dem Aste eines 
Lindenbaumes liegen blieb, dort holen, fiel aber 
hierbei herunter und brach das Genick. Er war 
sofort todt. 
— Einem Familienvater zu Kaiserslautern 
dorbmacher Johann St., kamen in den abgelaufenen 
3 Monaten dieses Jahres folgende Ereignisse in 
einem engeren Familienkreis vor: 1) ein Kind 
vurde ihm geboren; 2) ein Kind kam in die 
Schule; 8) ein Kind kam aus der Schule; 4) 
ein Kind kam zum Militär; 5) ein Kind verhei⸗ 
rathet. Ein Kind fiel ihm in die Lauter, wurde 
iber glücklicherweise von Vorübergehenden vor dem 
Ertrinken geretiet, sonst hätte er auch noch einen 
Trauerfall zu beklagen gehabt. Es ist gewiß eine 
Seltenheit, fügt die „Fr. Z.“ ihrer Mittheilung zu, 
daß solch viele Ereignisse sich in einer einzigen 
Familie innerhalb so kurzer Zeit zugetragen haben. 
— Neustadt, 21. April. Die erste größere 
Weinversteigerung von mehreren, welche in dieser 
und den naͤchsten Wochen am Haardtgebirge abge⸗ 
halten werden, die des Herrn Carl Labroisse dahier, 
war sehr gut besucht. im Verlaufe aber doch etwas 
flau, so daß mehrere Nummern zurückgezogen wer⸗ 
den mußten. Die Preise können als mittelhohe 
gzelten; so kosteten per 1000 Liter die 1881er 
Diedesfelder 455, 465, 470, Hambacher 440, 480, 
595, Karlsbacher 455, 460, 505, Weisenheimer 
100 - 575, Leistadter 430 — 490, Neustadter 535 
his 645, Kallstadter 545 und 550, Herxheimer 
565, Königsbachrr 585, 600, 665, Dürkheimer 
590, 600, 690, Ruppertsberger 685, 700, Ung⸗ 
teiner 700 - 720 Mark. 1883er Hambacher 300, 
Neustadter 416 —2 475 Mark. Rothwein 1882er 
190 und 495 Mark. (Sp. 3.) 
— Aus dem Zellerthale. In einer be— 
iachbarten Gemeinde ist man mit der Fraueneman⸗ 
ipation nicht so engherzig, wie sonst im deutschen 
RKeiche, sondern man ffellt sich hierorls in dieser 
Ansicht anf amerikanischen Fuß. Es versieht näm⸗ 
ich in dieser Gemeinde schon lange ein lediges 
Frauenzimmer den Gemeindedienerdienst. Aus wel⸗ 
hem Motiv die Gemeindeberwaltung diese Stesie 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 24. April. In der Nacht 
von Dienstag auf Mittwoch wurde unsere Bevölke⸗ 
zung durch Feueralarm aus dem Schlafe ge⸗ 
chreckt. Es brannte in dem Maschinenhaus der 
iahen Obermühle. Zum Glücke wurde der Brand 
ioch rechtzeitig entdekft und war auch durch die 
Feuerwehr Hilfe bald zur Stelle, so daß das Feuer 
iuf seinen Herd beschränkt werden konnte und nicht 
juf das von dem Maschinenhaus durch eine Stein⸗ 
nauer getrennte vierstöckige Mühlen⸗ und Wohnge⸗ 
däude übergriff, wodurch bedeutender Schaden ver⸗ 
pütet blieb. 
* St. Ingbert, 24. April. Vor einigen 
Tagen wurde bei den Arbeiten im Tunnel zwischen 
zier und Hassel dem ledigen Arbeiter Keßler von 
Hassel ein Bein durchgeschlagen. 
— St. Ingbert, 24. April. An Stelle 
des kürzlich zurückgetretenen J. Vorstandes der Ge⸗ 
ellschaft „Gemüthlichkeit“ wurde von der General⸗ 
dersammlung der genannten Gesellschaft Herr Stadt⸗ 
schreiber Bayer als J. Vorstand gewählt. 
[*] Schnappbach, 23. April. Anfangs 
Februar veranlaßten drei Bursche von Altenwald 
zeinen mitternächtlichen Skandal. —Die Sache kam 
zestern vor dem Zuchtpolizeigerichte in Zweibrücken 
zur Verhandlung und erhielt der eine Thäter drei 
Monate und die beiden andern, zwei Brüder, jeder 
fünf Monate. Ueber zwei Monat: Untersuchungs⸗ 
haft gehen an der Strase ab. Bemerkt sei noch, daß 
der Vater der beiden Brüder, während diese in 
Untersuchungshaft waren, gestorben ist, was für 
diese gewiß ein sehr harter Fall ist. 
— Zweibrücken, 22. April. Am Morgen 
niach der Sedanfeier im Jahre 1874 fand man die 
um Gedächtniß der glorreichen Jahre 70 —-71 an 
»er neuen Brücke in der Vorstadt gepflanzten beiden 
Friedenslinden von ruchloser Hand durchschnitten. 
Diese rohe, offenbar tendentiös gefärbte That rief 
hamals allgemeine Entrüstung in weitesten Kreisen 
jervor und es wurden sofort auf allzemeine An— 
egung hin 1000 Mark Belohnung von der hiesigen 
Bürgerschaft auf die Ermittelung des Thäters ge— 
eichnet und ausgesetzt und obgleich mehrere hiesige 
Bersonen als der That verdächtig in Untersuchung 
jezogen worden, bislang ohne Erfolg. Nunmehr 
cheint auch darin die Zeit Licht zu bringen. Einem 
Mitinsassen des hiesigen Gefängnisses, von Winter⸗ 
dach gebürtig, erzählte ein zu 2 Jahren Gefängniß 
erurtheilter Sträfling der hiesigen Gefangenanstalt 
rnus Neustadt a. H., während sie beisammen im 
Spital lagen, und in der ausgesprochen Annahme, 
»as nun Verjährung des Reates eingetreten, daß 
er Mitwisser sei resp. den Aufpasser gemacht habe, 
ils 2 weitere Komplicen in der Nacht jenes Se— 
»anstages die That aleichzeitia verühten. Sie seien