Full text: St. Ingberter Anzeiger

sei dadurch entstanden, daß ihatsächlich der franzö— 
ische Ministerpräsident Ferry vor mehreren Wochen, 
als das Gerücht von einem eventuellen Fortgange 
des Papstes aus Rom auftauchte, demselben in höf⸗ 
lichsser Weise die Gastfreundschaft Frankreichs habe 
anbieten lassen. Das französische Cabinet habe 
freilich die Sache nicht weiter verfolgt, da es sich 
über die mit Italien dadurch entstehenden Schwierig⸗ 
keiten, falls wirklich der Papst das Anerbieten 
Frankreichs annehmen würde, vollständig klar ge⸗ 
wesen sei. Mag dem sein, wie ihm ˖ wolle, wenn 
die Absicht des Papstes, den Vatikan zu verlassen, 
bestanden hat, so ist sie jedenfalls zur Zeit wieder 
aufgegeben. 
Sokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 25. April. Gestern Abend 
tjand eine Stadtrathssitzung statt, in der, dem 
Wunsche mehrerer Stadträthe entsprechend, die Jo⸗ 
sephsihaler und Schafgasser Brunnenangelegenheit, 
die gegenwärtig bei unserer Bevölkerung auf der 
Tagesordnung sieht und, wie es scheint, zur end⸗ 
giltgen Lösung treibt, berathen wurde. Dem Ver— 
nehmen nach wurde eine Commission gewuͤhlt, welche 
ach in der Angelegenheit näher zu informiren hat, 
um eine friedliche Beilegung des Conflicktes in der 
Weise anzubahnen, daß allen Parteien durch eine 
gemeinschaͤftliche Leitung Wasser zugeführt werden 
soll. Ueber den Erfolg der diesbezüglichen Ver⸗ 
handlungen werden wir sputer berichten. 
— Kaiserslautern, 22. April. Herr 
Rektor Dr. Recknagel zu Kaiserslautern ist als Mit⸗ 
glied einer siebengliedrigen Commission berufen, in 
AÄngelegenheiten der Ventilations- und Heizungs⸗ 
Einrichtungen im projektirten neuen Reichstagsge⸗ 
bäude als Preisrichter zu fungiren. Es sind im 
Ganzen 834 Concurrenzarbeiten eingelaufen, von 
denen die drei besten mit Preisen im Gesammtbe— 
rag von 10,000 Mark ausgezeichnet werden sollen. 
— Kindsbach, 23. April. Gestern ertränkte 
sich der Ackerer Johann Günther von hier in dem 
nahe gelegenen Bärenloch, in dem großen Stumm'⸗ 
schen Weiher, und wurde dessen Leiche heute bereits 
aufgefunden. Motiv: Geisteskrankheit. Günther 
wollte vor einigen Jahren schon im Blechhammer 
seinen Tod suchen, wurde aber damals wieder an 
das Land gebracht. Günther war Wittwer und 
hinterläßt fünf Kinder. 
— Aus dem Gefängniß zu Kandel entsprang 
vorgestern Früh ein gewisser August Buder von 
Dodenheim, Großh. Baden. Das Bürschlein ist 
erst 14 Jahre alt und des Diebstahls einer Uhr 
heschuldigt. Nach Mittheilung des L. A. heißt das 
Buͤrschchen August Ruder und ist der Sohn eines 
Depeschenträgers in Karlsruhe. 
— Speyer, 28. April. Heute Morgen. 8 
Uhr hat die protest. theol. Anstellungsprüfung unter 
dem Vorsitze des königl. Consistorialtathes Risch, 
welchem weiter die Herren königl. Consistorialrath 
Wand, die kgl. Dekane Wündisch und Krieger, so⸗ 
wie der kyl. Stadtpfarrer Ney als Prüfungskom-— 
missäre begegeben sind, dabier begonnen. Der Prü— 
jung unterziehen sich die Candidaten: Ernst D'Alleux, 
Staͤdtvikar in Kaiserslautern, Jakob Messer, Pfarr⸗ 
verweser in St. Julian und Johannes Stilgen⸗ 
bauer, ständiger Vikar in Lemberg. 
Die Generaldersammlung des pfälzischen 
Kreisfischereivereins wird am Montag den 28. April, 
Vormittags 10 Uhr, im Wittelsbacher Hof in 
Speyer abgehalten. 
— Bei der diesjährigen Verpachtung der 
Schifferstadter Feld, und Waldiagd wurden 
2550 Mk. erzielt, waͤhrend der bisherige Pachtzins 
5400 Mk. betrug. 
— Aus Fraänkenthal wird der Pf. Ztg. 
gemeldet: Die Berufung des Einnehmereicandidaten 
Schroeck gegen das Uriheil des dortigen Schöffen⸗ 
gerichts vom 18. v. M., wonach derselbe wegen 
qualificirter Beleidigung des Einnehmercandidaten 
Rumpf von Speyer zu 100 Mk. Geldstrafe yer⸗ 
urtheilt worden war, wurde in heutiger Sitzung 
des kgl. Landgerichts kostenpflichtig abgewiesen. Die 
Berufuͤngsinstanz schloß sich der Ansicht des erst— 
richterlichen Urtheils, daß von einer Freiheitsstrafe 
bei der Schwere der Beleidigung nur um deßwillen 
abzusehen sei, weil Schroeck bisher noch nie bestraft 
worden war und guten Ruf genieße, vollständig an. 
— Aus Iggelheim erhält die „Sp. Ztg.“ 
don einem Pferdebesitzer im Namen Vieler folgende 
Bitte: Durch die am 18. ds. Mts. in Mutterstadi 
atigefundene Pferdemusterung und die für 
»en Pferdebesitzet damit verbundenen Schwierig— 
keiten, ja Gefahren veraulaßt, möchte Einsender 
Dieses die hier zuständigen hohen Behörden ergebenst 
bitten, entsprechende Abhilfe zu schaffen. Nach Be— 
ehl mußten nämlich zur gleichen Stunde um 8 Uhr 
ämmtliche Pferde aus einer ganzen Anzahl von 
Irischaften zur Besichtigung gebracht werden. Die 
Weisung, die Thiere eines Dorfes nach dessen 
dausernummern zu ordnen, war in dem Knäuel 
hon Menschen und Thieren fast unausführbar. 
So äußerten sich Angst und Besorgniß nach allen 
Seiten, denn böse Rosse gibts bekanntlich, und den 
stichtschlägern ist in solchem Falle auch nicht zu 
rauen.Was wäre- erst am folgenden Tage ge⸗ 
vorden, hätte man im Unwetter stundenlang auf 
offener Straße kampiren müssen, nachdem man zuvor 
Stunden weit in Regen und Schnee herbeigekommen? 
Würden im nachweisbaren Unglücks- oder Erkrank⸗ 
ingsfaller auch Vergütungen aus Staatsmitteln 
Jewährt? Könnte nicht statt an einem Orte an 
mehreren Orten gemustert werden? Könnte nicht statt 
mehrere Dörfer zu ein und derselben Stunde nur 
in Dorf auf eine Stunde aufgeboten werden? 
Vermischtes. 
Würzburg, 22. April. Heute Nach— 
nittag halb 5 Uhr, während in der zweiten Kirch. 
jofsabtheilung eine Leiche bestattet wurde, erschoß 
ich in der dritten Kirchhofsabtheilung mittels eines 
sevolverschusses in die Stirne der Unterhändler 
Deitz aus Kitzingen. 
F Nürüberg, 20. April. Das,, Bayerische 
hewerhe⸗Museum“ hielt heute seine Generalver⸗ 
ammlung ab. Der Vorsitzende gedachte des Ver⸗ 
ustes, welchen das Museum durch den Tod des 
Reichsrathes Frhrn. v. Cramer⸗Klett erlitten habe, 
za der Verstorbene zu den Mitbegrundern und eif—⸗ 
igsten Förderern des Museums zählte. Redner 
emerkte noch, daß der Verwaltungsrath beschlossen 
sabe, das ehrende Andenken des Dahingeschiedenen 
zurch eine monumentale Aufstellung in Erinnerung 
zu halten. Aus dem Jahresberichte ist zu entneh⸗ 
nen, daß das Museum im abgelaufenen Jahre von 
12,357 Personen besucht war. Die Mustersamm⸗ 
ung zählte am Schlusse des Jahres 6515 Inven⸗ 
arnummern mit rund 15,000 Gegenständen, die 
ziblioihek 85465 Bände. Die Rechnung schließt 
ib mit einer Einnahme oon 130,119 Mart und 
iiner Ausgabe von 121,588 M. An Stelle aus⸗ 
cheidender Mitglieder des Landesausschusses wurden 
zeu gewählt diesHerren: Landtagsabgeordneter Dr. 
xF. Buhl in Deidesheim, Landtagsabgeord⸗ 
neter und Commerzienrath Rosenberg in Passau, 
Tommerzienrath Holzwarth in Würzburg, Com⸗ 
merzienrath Mahla und Commerzienrath Hensolt. 
deide dahier. Dem Landesausschusse gehören außer⸗ 
dem noch folgende Pfälzer an: Reichsrath v. 
Zrämer in St. Ingbert und Fabrikant 
Wolff in Zweibrücken. 
4 Die städt. Kollegien von Ansbach haben 
zeschliossen, dem ehemaligen Lehrer an der protest. 
Voltsschule in München, Friedr. Gühl, welcher 
sich als Jugendschriftsteller und Dichter einen weit 
mertannten Namen verschafft hat, an seinem dortigen 
Beburtshause eine Gedenktafel anzubringen. 
x Aus dem Nachlasse des Reichsraths v. Cra⸗— 
ner⸗Klet fließen verschiedenen wohlthätigen und 
Jemeinnützigen Zwecken namhafte Beträge zu — 
imn Ganzen gegen 2380,000 M. Es sind 100,000 
Mark zu einer Invalidenstiftung für Arbeiter mit 
nehr als fünfundzwanzigjähriger Dienstzeit der 
Maschinen⸗Aktiengesellschaft Nürnberg bestimmt, dann 
30,000 M. zum gleichen Zwecke für die Nürnber⸗ 
zer Drahistiftenfabrik Klett u. Komp. Verschiedene 
insehnliche Summen erhalten Wohlthätigkeitsan 
faiten in München, Nuüurnberg und Hohenaschau 
zür München dürfte namentlich auch die Kunde 
rrfrenlich sein, daß sich unter den Zuwendungen 
uch ein Betrag von 50. 000 M. für das zu er 
auende Künstlerhaus befindt. 
Neunburg, 18. April. Gestern Abend 
im 10 Uhr wurden zwei Bauern aus Kulz, die 
vorher im Wirthshause einen Streit gehabt, auf 
offener Straße in der Vorstadt derart durch Messer⸗ 
tiche verletzt, daß der Eine sofort todt am Platze 
lieb und der Andere jetzt hoffnungslos im Spital 
siegt. Die Thäter sind flüchtig. 
Schillingsfürst, 21. April. Heute 
Nacht erhielt der hier beschäftigte Schlossergeselle 
z. Weller aus Rechenberg in Württemberg beim 
heimgehen von einem Ziegelarbeiter Namens Bär 
8 niefe Stiche mit einem feststehenden Messer. 
der Schwerverwundete wird wahrscheinlich nich 
davon kommen. Ein Streit ging nicht vorauß 
soll vielmehr eine Verwechselung vorliegen, inde 
die Stiche nicht dem Weller, sondern einem am 
ren jungen Mann hier zugedacht waren. 
F Karlsruhe, 22. April. Leider treffen je 
traurige Nachrichten über den Schaden ein, den 
Frost in der Nacht von Samstag auf Sonnm 
in der so schön vorangeschrittenenen Vegetation g 
zerichtet hat. Namentlich in den Rebgeländ— 
des Kaiserstuhls und des Marktaräflerlandes sol 
raurig aussehen. 
Mannheim, 20. April. Am nächs⸗ 
Sonutag und Montag findet hier die Haupih 
sammlung des „Deutscheu Freidenkerbundes“ sa 
und zwar im Baslhaussaale. Außer den geschiß 
ichen und internen Vereinsangelegenheiten sind so 
gende Vorträge auf die Tagesordnung der nebe 
der Delegirtensitzung abzuhaltenden öffentlichen Va 
jammlung gesetzt: Die Nothwendigkeit der Al 
schaffung der keligiösen Form des Eides. Ri 
renten: Dr. Dult, Dr. Specht, Prediger Voi⸗ 
— Orthodoxie und Kultur. Referent: Profeso 
Büchner. Weitere Vorträge sind vorbehalten. 
Mainz, 21. April. Unter den Jagdhund 
in der hiesigen Gegend hat sich eine eigenarti 
Krankh.it gezeigt: Die Hunde trauern einige Tah 
und verenden plötzlich an einem Schlaganfall. 
sind auf diese Weise in der jüngsten Zeit sehr dit 
werthvolle Exemplare zu Grunde gegangen. 
FeFrankfurt, 23. April. Gestern Aben 
erschienen in einer Restauratiou unweit des Röme 
bergs zwei Soldaten mit silbergrauen Barten. Di 
inderen Gäste waren über die seltsame Erscheinun 
erstaunt und auf Befragen erzählten sie nach de 
Fr. Ztg. ihre Leidensgeschichte. Im Jahre 187 
waren beide als Landwehrleute bei der Belagertun 
yon Metz. Hier vergriffen fie sich an einem Unin 
ffizier und wurden infolge dessen zu 15 Jahre 
Festung verurtheilt. Vierzehn Jahre haben sie ab 
hüßen müssen und eins wurde ihnen geschenkt. De 
rine der beiden Soldaten war aus Stettin. Ap 
er in den Krieg zog, verließ er die Frau und sech 
inder; die Frau ist unterdessen gestorben. De 
andere, unverheirathet, war aus Hamburg. Beid 
varen in hohem Grade freudig gestimmt, namentli 
ühlte sich der Unverheirathete glücklich, seine greise 
Eltern wiederzusehen; schwer aber fiel es ersterm 
aufs Herz, daß ihn seine Kinder nicht kennen werder 
Das Stammhaus der Familie Rothsichil! 
in der Judengasse zu Frankfurt a. M. wird i 
einigen Wochen demoliert. Die Stadtwertretun 
Jjat den völligen Umbau der Judengasse beschlosser 
Die Familie Rothschild weigerte sich, ihr Stammhan 
zu opfern und rekurrierte. Das Gesuch wurde ab 
jewiesen und das alte Haus expropriiert. In kurz 
Zeit wird dasselbe dem Erdboden gleich gemach 
werden. Der Frankfurter Maler Göbel hat da 
daus in einem meisterhaft durchgeführten Oelbihd 
verewigt.“ 
4 Köln, 22. April. Eine Anzahl berausche 
Weiber tobte gestern auf der Johannisstraße. D 
Jemeinsten Gassenhauer singend, zogen sie nachl 
drähnenbäumen, während eine Schaar Kinder 
raftig in den wüsten Gesang einstimmend, folgt 
Fine dieser Frauen hielt eine gefüllte Brannweir 
lasche in die Höhe mit dem Rufe: „Wenn un 
sääls am Mondag blau mache, dann donn mer“ 
nne am Dienstag noh.“ Daß solche Szjene— 
anserer Jugend zu folgenschlimmem Aergernis 9 
reichen, wird wohl Niemand bestreiten, um 
nehr, als derartiger öffentlicher Unfug leider kein 
Seitenheit ist. (K. Nachr) 
Köln, 24. April. Ein Seitenstück zu de 
Rofenstrauche am Hildesheimer Dom finde 
fich hier in Köln. Der Kunst- und Handelsgärn 
g Oster vor dem Hahnenthore veredelte vor eh 
Jahren in seinem Treibhause einen Stamm 
wilden Rose (Rosa canina) mit der schönen geldt 
Rose Maréchal Niel. Wäahrend dieser verhäluui 
maßig kurzen Zeit hat sich die Rose so Zürst 
entwickelt, daß sie eine Fläche von 52 qm bellede 
und augenblidlich mit mindestens 7 —800 Blütte 
und Knospen übersät ist. Im verflossenen Jahr 
wurden von diesem einzigen Rosenstocke 687 vol 
kommene Blumen geschnitten. 
Füssingen (GRassam), 21. April. Der Schut 
sturm mit dem darauffolgenden Frost in der Aa 
von Samstag auf Sonntag hat ein sehr bedauern 
werthes Opfer gefordert; ein ganz armern 
Frankfurt beschafuͤgter Arbeitet, Vater von 4n 
mündigen Kindern, von denen das jüngste kaum 
Jahre alt ist, ging mit mehreren Kameraden p