gewöhnlich. Samstags Abends nach Hause. Kaum
dine Viertelstunde von seinem Heimathsorte Wern⸗
horn trennten sich seine bisherigen Begleiter von
ihm, um einen näheren Fußpfad einzuschlagen. Den
andern Morgen wurde der arme Mann, an einem
Baumstamm lehnend, todt aufgefunden.
4F Eine raffinirte Schwindelei trug sich auf der
Postagentur Morfelden EGkheinhessen) zu. Auf
jenannter Stelle fand sich dieser Tage ein junger
Mann ein mit dem Bemerken, er sei Telegraphen⸗
seitungsbeamter und habe an dem Apparate nach—
jusehen. Aus seinen Manipulationen am Apparate
zing aber eine telegraphische Anweisung an das
Telegraphenamt Darmstadt hervor, derzufolge dieses
angewiesen wurde an die Adresse einer dortigen
Wirthin 260 Mk auszuzahlen. Inzwischen stiegen
ber dem Postagenten in Morfelden Zweifel über
die Legalität des angeblichen Beamten auf, er tele—
zraphirte nach Darmstadt und erfuhr, daß sich ein
olcher Beamter auf der Strecke gar nicht befinde.
Hleichzeitig wurde ihm auch eine Anfrage wegen
den bereits ausbezahlten 260 Mark, worauf der
Schwindel zu Tage kam. Der Versuch, das Geld
in der betreffenden Wirthschaft wieder zu erheben
kam aber zu spät. Als man am Abend den frechen
Schwindler hier, wo er in Saus und Braus gelebt,
perhaftete, war das Geld bis auf 120 Mark ver⸗
geudet.
Die Krupp'sche Gußstahlfabrik
hat ein neues Schießpulvereingeführt,
welches in Fachkreisen mit Recht großes Aufsehen
erregt, da es eine gänzliche Verdrängung des bis⸗
herigen schwarzen Schießpulvers in Aussicht stellt.
Unter dem bescheidenen Namen braunes Schiepulver
ist es bekannt geworden, da es wie Chokolade oder
Tacao aussieht. Der Zufall hat zu seiner Ent—
deckung geführt. Es handelt sich um die Herstel⸗
sung eines durch großen Stoß schwer entzündlichen
Pulvers für Sprengladungen, welches dann auch
zum Schießen verwendet wurde. Nach den Krupp'⸗-
ichen Schießberichten erhält man mit dem braunen
Pulver bei gleichem Gasdruck im Geschützrohr
größere Anfangsgeschwindigkeiten des Geschosses als
mit schwarzem, dabei ist dasselbe für alle Geschütz-
kaliber mit gleichem Vortheil verwendbar. Ueber⸗
raschend aber ist, daß es nur in festgeschlossenem
Raum explodiert, an freier Luft aber, ebenso im
Pulverkasten langsam ohne Explosion abbrennt, ob⸗
Jeich es, wie versichert wird, auch aus Salpeter,
Schwefel und Kohle besteht, wie das schwarze
Schießpulver, nur mit einem andern Mischungs⸗
derhältniß. Vermuthlich aber ist der Verkohlungs⸗
grad des Holzes, aus dem die Kohle gewonnen
vird, von besonderer Bedeutung. Die Farbe des
Pulvers führt zu diesem Schluß. Demnach würden
die gefahrvollen Explosionen bei der Anfertigung
ind Verarbeitung des braunen Pulvers, die beim
chwarzen nur durch größte Vorsicht zu vermeiden
ind, ausgeschlossen sein. Von besonderer militär⸗
scher Bedeutung aber ist noch, daß der Pulverrauch
»es braunen Pulvers viel dünner ist und deßhalb
viel schneller verfliegt als beim schwarzen. Wenn
die Erfahrungen der Krupp'schen Fabrik durch die
weitern Versuche, die jetzt in allen größeren Artil⸗
lerien im Gange sind, ihre Bestätigung finden, so
ist nicht zu zweifeln, daß das braune Pulver noch
manche Umwälzung in unserm Militärwesen zur
Folge haben wird. Es wird jetzt in den vereinig⸗
en rheinisch · westpfälischen Pulberfabriken, sowie in
der Pulverfabrik Dünabergbei Hamburg angefertigt.
— Der Vorstand der freien Organisation junger
Zaufleute zu Berlin etlaßi an die kaufmännischen
Vereine Deutschlands folgenden Aufruf: Eine am
22. Februar d. J. in Berlin stattgefundene kauf⸗
männische, von annähernd 800 Personen besuchie
Versammlung hat den unterzeichneten Vorstand be—
auftragt, behufs Gründung kiner nationalen einge⸗
schriebenen freien Hilfskasse, einen Kongreß jämmt⸗
licher deutschen kaufmanmischen Vereine nach Berlin
zu berufen. Wir kommen dieser Aufforderung beren—
willigst nach und ersuchen die verehrlichen Vereine,
nmelche sich an diesem Kongreß, der vorausfichtlich
nghem d. J. stattfinden dürfte, betheiligen wollen,
* spate stens zum 15. Mai cr. ihre Adressen an
ner — einzusenden. Zugleich bitten wir,
o etwaige Wünsche bezüglich der Tagesordnung
88 F oben genannten Verhandlungsgegenstande
—32 Vorlaufig werden noch folgende wei⸗
b itte in Vorschlag gebracht: 1) Gründung
lionosen Verbandes der Handlungsgehilfen-
aan 2) Organisation einer nationalen und
onellen Stellenvermittlung und einer Versicherung
gegen Stellenlosigkeit für Kaufleute, 3) die Kündig-
ungsfristen, 4) die Lehrlingsfrage. Weitere Vor⸗
chläge sollen gern berücksichtigt werden. Schließlich
»itten wir die Herren Kollegen, an deren Orten
ein Verein besteht, die aber gewillt sind, daselbst
ür Errichtung einer Filiale der von uns projektierten
krankenkasse für Kaufleute, bemüht zu sein, ihre
Adressen an das Büreau des unterzeichneten Vereins
Zerlin, Oranienburgerstraße 8642, gelangen zu lassen.
F Im Schaufenster einer der größten Mode⸗
waarenhandlungen Berlins zieht gegenwärtig
ein Maikäferkleid erst das spöttische Lächeln und
ichließlich die neidische Bewunderung aller Damen
nuf sich. Es besteht aus einem bluthroihen Unter⸗
leide, über welches ein schwarzes Spitzenkleid fällt.
Im die Taille schlingt sich ein schwarzer Gurt mit
inem großen farbigen Maikäfer als Agraffe. Mit
olchen metallenen Maikäfern ist auch das schwarze
Spitzenkleid reich gespickt. Das Ganze bildet eine
Bisitentoileite, die jedoch nur im geschlossenen Raume
getragen werden dürfte, schon wegen der Sperlinge
ind — der Berliner Schusterjungen.
F(Ein treuer Diener.) Am 22. April
darb in Berlin der älteste Kammerdiener des Kai—⸗
jers, Namens Schmidtke, der noch vor einigen
Tagen seinen Dienst gethan hatte, plötzlich an
kungentzündung. Der Heimgegangene hat mit einer
ettenen Treue seinem Kaiser und Herrn 53 Jahre
ang gedient.
F Die Vereinigung aller deutschen „Krieger⸗
Vereine“ zu einem Reichs-Kriegerbunde soll auf
dem großen Kriegertage in Köln zu Pfingsten er⸗
folgen und der Kaiser alsbald darum ersucht wer—⸗
den, das Protektorat zu übernehmen. Man erwartet
die Theilnahme des Kronprinzen an diesem feier—
ichen Akte.
7 Gur Sittengeschichte des 15. Jaher⸗
hunderts.) Im Kloster Bursfel de befindet
iich in wohlerhaltener Handschrift, welche der Mitte
des 15. Jahrhunderts angehört, ein Sittenbüchlein.
uus welchem die Blätter zur Charakteristik des da—
naligen Brauches einige Vorschriften mittheilen.
Da heißt es z. B:: 1) Wenn du zu einer Herren⸗
jafel komnist, sollen vorab deine Hände rein und
die Nägel daran sauber abeschnitten sein, 2) Wenn
du trinkest, so hebe den Becher mit beiden Händen
don der Tafel und stelle ihn wieder so hin. Du
sollst nicht trinken mit einer Hand, wie ein Fuhr—
mann, wenn er den Wagen schmiert; du sollst auch
nicht trinken, während dein Nachbar trinkt; du
sollst nicht in den Becher husten, nicht trinken, so
lange du Speise im Munde hast, wie ein Rind;
nicht mit Getöse trinken, wie ein Ochse, nicht gur—
zeln, wie ein Pferd; nicht die Nase in den Becher
henken, wie ein Schwein; du sollst Nase und Mund
bwischen, wenn du getrunken hast. 3) Wenn du
an eines Herrn Tafel bist, so merke auf, wenn er
trinket: dann darfst du nicht essen. 4) Was vor
dir liegt in der Schüssel, das darfst du nehmen
und nicht das, was vor deinem Kumpan liegt. 5)
Du sollst den Knochen nicht abnagen wie ein Hund
und das Mark nicht aussaugen. 6) einen Apfel
ß nicht allein, sondern schneide ihn in der Mitte
don einander; die eine Hälfte theile dann und gib
jedem Nachbar ein Stücklein. 7) Willst du eine
virne efssen, so fange am Stiele an; beim
Apfel beginne an der Blume. 8) Die Butter
treiche nie mit dem Daumen auf dein Brot. 9)
Die Suppe schlürfe nicht vom Teller, sondern iß
iie mit dem Loöffel, nicht laut wie ein Kalb schlab⸗
bdert, sondern leise wie eine Jungfrau.
fFGreis⸗Concurrenz für den schön—
ten Frauenkopf.) Die von der „Neuen Illu—⸗
trirten Zeitung“ Anfangs Jänner d. J. ausge⸗
chriebene Concurrenz für Zeichnungen schöner Frauen⸗
öpfe hat, wie die Redaktion mittheilt, folgendes
Ergebniß gehaut: Eingelaufen waren bis zum 31
März d. Is., dem Schlußtermine für die Einsend—
ing, 223 Zeichnungen und Gemälde; darunter
jauptsächlich Arbeiten aus Deutschland und Oester⸗
reich, doch waren auch andere Länder. insbesondere
Amerika, stark vertreten. Die Preisrichter Heinrich
von Angeli, Hans Canon, Hans Makart, Hermann
Paar, Viktor Tilgner, William Unger und die Re—
zakteure der „Neuen Illustrirten Zeitung“ fällten
unter allseitiger Berücksichtigung des vorhandenen
Materials folgendes Urtheil: der erste Preis im
Betrage von 100 Dukaten wurde der unter dem
Motto: „Wird's gelingen“ eingereichten Zeichnung
uerkannt; der Autor derselben ist Maler Albert
Pitzberger in Wien. Der zweite Preis im Betrage
sou 50 Dukaten wurde dem Maler J. R. Wehle
1
in Wien fuͤr seine unter dem Mottio: „Das Auge
ist der Spiegel der Seele“ eingesandte Zeichnung
zu Theil; den dritten Preis gewann die Zeichnung
„Wahrheit und Dichtung“, der betreffende Künstler
wünscht vorläufig anonym zu bleiben. Die beiden
ersten Preisen wurden einstimmig, der dritte mit
allen gegen zwei Stimmen zuerkannt. Weiteres
vurden einstimmig zu lobender Erwähnung vorge⸗
chlagen: an erster Stelle der mit besonderer künst⸗
erischer Verve gezeichnete Kopf unter dem Motto:
„Schneidig“ von Max Schneid in München, ferner
Zeichnungen von Angelo Trentin in Wien, Hermann
Zartwich in München, Ludwig Michalek in Wien,
Adolf Hirschl in Rom, Josef Lieck in Berlin, Viktor
Thomas in München, J. R. Wehle in Wien, Julius
—AVV
F In London wurde eine zahlreich besuchte
Versammlung von Frauen zu dem Behufe abge⸗
halten, um die Ausdehnung des Wahlrechtes auf
jelbstständige und steuerzahlende Frauen zu befür—
vorten. Unter den Rednern befand sich Frau
Westlake, die bekannte Verfechterin der Frauenrechte,
velche behauptete, daß selbstständige Frauen, die
Hausmietherinnen seien, zum Mindesten denselben
Anspruch auf das Stimmrecht bei Parlamentswah⸗
en hätten, als zwei Millionen männliche Personen,
welche das neue Wahlreformgesetz stimmfähig zu
machen beabsichtige. Sie protestirte gegen die fort⸗
gesetzte Einschtiekung von Frauen in die Kategorie
don Minderjährigen, Verbrechern und Irrsinnigen,
denen das Stimmrecht versagt ist. „Ist es nicht
eine Schande“, rief die Rednerin entrüstet aus,
,daß ich als Hausbesitzerin und Steuerzahlerin kein
Stimmrecht besitze, während mein Kutscher dieses
VBorrecht genießt!“ Wills, ein liberaler Abgeord⸗
neter, bemerkte, daß viele seiner Gesinnungsgenossen
m Unterhause gegen die angestrebte Neuerung seien.
Frauen seien öekanntlich innerlich conserdativ und
diele Liberale fürchteten, daß fie sich durch Unter—
tützung dieser Bewegung eine Ruthe für den eige—
ien Rücken binden würden. Schließlich wurde ein
Beschluß gefaßt, welcher die Meinung ausdrückt,
)aß das neue Reformgesetz, um befriedigend zu sein,
Bestimmungen für die Ausdehnung des Wahlrech⸗
tes auf gehörig beeigenschaftete weibliche Hausmie⸗
her enthalten sollte.
Das Gerücht, daß der Kronprinz von
Portuügal nach Madrid zu kommen und sich
um die Hand der Infantin Eulalia zu bewerben
»eabsichtige, wird von portugiesischen wie spanischeu
Regierungsblättern energisch dem ent ir t. Dagegen
vird die Jufantin Eulalia voraussichtlich ihre
S„chwester Donna Paz nach Deutschland be—
zleiten, wenn dieselbe mit ihrem Gatten, dem baye⸗
rtschen Prinzen Ludwig Ferdinand, Ende Mai oder
Anfang Juni nach Bayern zurückkehrt.
F (Griginelle Heirath) Im New—
Yorter Castle-Garden, dem bekannten Landungs⸗
platz der Einwanderer, wurde dieser Tage die 22-
jährige Annie Müller, welche nur deuisch versteht,
mit dem nur ein ziemlich schlechtes Englisch reden⸗
den Irländer Michael Conolly durch einen katho—⸗
ischen Priester getraut. Das Paar lernte sich vor
urzem auf der Ueberfahrt von Liverpool nach New⸗
HYork kennen und lieben, obgleich es nicht im stande
war, ein Wort zu wechseln. Conolly schrieb auf
»em Schifse auf einen Zettel: „Be mine, Anunie,
ne darlint. Bée me, vite,“ und ließ dem Mäd—
hhen diese Worte übersetzen, worauf Annie aufschrieb:
„Michael, ich liebe Dich von ganzem Herzen.“
atürlich mußte auch dieses süße Geständniß dem—
jenigen, für den es bestimmt war, erst übersetzt
verden. Sobald die Liebenden ehelich verbunden
waren, reisten sie nach Newark in New-Jersey, um
'm Hause einer wohlhabenden deutsch-amerikanischen
Familie Stellen anzutreten.
F Einige amerikanische Bahnen haben kürzlich
ine ganz neue Art Billets eingeführt. Es sind
seine an die Briefmarken erinnernde Zettel, deren
zeder für eine englische Meile gilt, und die zu je
20 auf ein Blatt gedruckt werden. Sie sind ein—
»eln wie auch in Heften zu 50, 500 oder 1000
Stück zu haben, und der Schaffner nimmt für
ede durchfahrene Meile eine Marke ab. Die Billets
derfallen nie und gelten überall wie Briefmarken
für baares Geld.
F Die Giraffen, sagt „Kepplers N. D. W.“,
daben Zungen, welche anderthalb Fuß lang sind.
Barnum hat sich für seinen Haushalt eine abge—
ichtet, welche ihm die Fenster putzt; das Thier hat
s sehr bequem, es braucht auch bei den obersten
Zcheiben keine Stufenleiter.