Anarchisten macht einen wenig glaubwürdigen Ein⸗
druck, denn nicht zwei Tage später, sondern am
Tage der Einweihung selbst und ziemlich zu gleicher
Zeit, als oben auf dem Berge die Enthüllungsfeier
hor sich ging, explodirte unten im Festzelte auf der
Rheinwiese ein Quantum Sprengstoff. Der Schaden,
den dasselbe anrichtete. war aber so gering, daß
unmöglich dazu sechszehn Pfund Dynamit ange—
wendet jein konnten. Eine einzelne Dynamit ·
Patrone genügte, um diese Zerstörung herbeizuführen.
Damals wurde die That einem fortgejagten Kellner
zur Last gelegt. Ant Denkmalsplatze selbst, insbe—
sondere dort, wo das kaiserliche Zeli und die Sessel
der Fürstlichkeiten standen, war fester Felsgrund,
so fest, daß bei dem Bau der kleinen Tribünen für
die geladenen Zuschauer das Gestein mit der Spitz⸗
hacke bearbeitet werden mußte. In der Nähe des
faiserlichen Standpunktes war von Drainroͤhren
keine Spur zu sehen. Nach Lage der damaligen
Verhältnisse macht es den Eindruck, als ob jene
Anarchisten, welche von einem beabsichtigten Attentate
am Niederwald-Denkmal aussagten, nur mit einer
miederträchtigen That prahlen wollten, ohne daß
dieselbe je inszenirt wurde.“
Ausland.
Wien, 27. April. Die hochoffiziöse „Mon⸗
lagsrevue“ sagt: Ursprünglich beabsichtige Glade
stoͤne, die egyptische Frage in ihrer ganzen Aus—
dehnung zum Gegenstand der Berathung einer
europäischen Konferenz zu machen. Aber selbst für
die Gladftone'sche Auffassung der egyptischen Sou⸗
deränitäterechte des Sultans ware es schwer
gewesen, die Pforte von den Verhandlungen auszu⸗
schließen. welche die Zukunft des Nillandes endgiltig
feststellen sollten. Außerdem hätte England positive
Vorschläge vorlegen müssen, was weder in dem
Bereich der Wünsche noch dis Könnens der briti⸗
schen Regierung liegt. Nachdem durch die bisherige
englische Okkupation Egyptens weder die admini—⸗
strativen Uebelstände beseitigt, noch die möglichen
Verbesserungen eingeführt wurden, wäre es schwer
—XXE Kabinet Gladstone mit
der Kouferenz eigentlich verbinde, wenn nicht der
Argwohn der französischen Presse den Finger auf
die eigentlichen Zwecke der diplomatischen Aktion
Englands gelegt hätte. Die Tendenz Englands
ist darauf gerichtet, sich eine Garantie für die egyp⸗
tische Staalsschuld seitens der europaischen Maͤchte
übectragen zu lassen, und es erscheint nicht unbe⸗
greiflich, daß Frantreich dieses als den ersten Schritt
wenn auch nicht zum formellen Erwerbe Egyptens
so doch zur Begründung eines dauernden Abhaͤngig⸗
keitsverhaͤltnisses betrachtet, und England wird dem⸗
nach die Empfindlichkeiten und die Rivalität Frank⸗
reichs als konstanten Faltor in seine hierauf bezüg⸗
lichen Bestrebungen einzustellen haben. Der Artikel
— — Kommt die Kon⸗
ferenz zu Stande, so wird der Verlauf kaum ein
jehr glatter sein. Die Versohnung der zwischen
Franireich unn England herrschenden Interessen⸗
gegensätze ist keine leichte Aufgabe. Nebstdem bleibt
noch die Rechtssphäre der Pforte übrig, welcher eine
gewisse Anwartschaft auf die Konferenz kaum ver⸗
sagt bleiben kann. Die Rüchsichten fur die Pforte
pflegen zwar in den Erwägungen des Kabinet?
Gladstone nur eine untergeordnete Rolle einzuneh⸗
men, aber England ist aus den egyptischen Ver⸗
wickelungen nicht mit solcher Erhöhung seines Macht⸗
ansehens hervorgegangen, daß es in Konstantinopel
noch denselben Ton anschlagen könnte, wie vor dem
Vombardement von Alexandrien. Allseits zeigen
fich demnach Schwierigleiten, und das Schichsal
scheint in der egyptischen Frage stets neue Probleme
aufzuwerfen, ohne die Lösung alter auch nur vor⸗
bereitet zu haben.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Jagbert, 29. April. Zur interi⸗
mistischen Verwesung der beiden hier erledigten
jatholischen Schulen wurden durch Verfügung der
igl. Kreisregierung berufen die Schulverweser Herr
Nmbrosius Görl, früher in Ensheim, und Herr
Karl Diehl, bisher in Forst.
— Zweibrüden, 26. April. Das Reichs
gericht in Leipzig hat in seiner gestrigen Sitzung
laut Telegramm) ein folgenschweres Urtheil gefällt,
das für die Folge ein Präjudiz zu einer Reihe
aͤhnlicher Fälle abgeben dürfte und das für die
weitesten Kreise, besonders aber für das kaufmän—
nische Hilfspersonal, das nicht selten durch derartige
Beriräge gebunden wird, von großem Jnteresse ist
Der Theilhaber des Herrengarderobegeschafts Müller
ind Rieber vormals Franz Lang, hier, Herr Müller.
dand vor einigen Jahren in Diensten der bekannten
Firma J. B. Ackermann, ebenfalls Herrenkleiderge⸗
chäft hier und hatte sich bei Eintritt in diese Firma
tontrakilich verpflichtet, während dreier Jahre bei
pentuellem Austriit weder ein eignes Geschäft die—
ser Branche am hicesigen Platze zu betreiben noch
in ein Konkurrenzgeschäft dienstlich einzutreten, an—⸗
dernfalls an Ackermaun eine Konventionalstrafe von
5000 Mtk. zu zahlen. Nun hat besagter Müller
‚or Ablauf dieser Frist, wie oben angedeutet das
dang'sche Geschäft als Theilhaber mituͤbernommen
und'ward Ackermann demgemäß auf Herausbezahl—
ung der bedungenen 5000 Mt. klagbar. In den
heiden Vorinstanzen wurde Ackermann sowohl von
dem hiesigen Land⸗ wie Oberlandesgericht abgewiesen
und ergriff daher derselbe Rekurs ans Reichsgericht,
das in seiner gestrigen Sitzung die beiden vorin⸗
stanzlichen Urtheile aufhob und Müller zur Zahlung
der 5000 Mk., sowie sämmtlicher nicht unbedeuten-
der Kosten verurtheilte. (Fr. Tagbl.)
— Der Verwaltungsgerichthof hat
am 25. April in Angelegenheilen der Heimath
dor Gemeinde⸗ und Polizeidienerswittwe Frieder⸗
ite Bayer in Dirmstein auf die Beschwerde
des Stadtraths zu Zweibrücken vom 14. Sept.
1883 den Beschiuß des kgl. B.«A. Frankenthal
dom 22. Juli 18883, bestätigt durch den Bescheid
der kgl. Regierung der Pfalz, K. d. J. vom 4
Zept. dv. J. dahin abgeändert, daß Fried. Bayer
die Heimath in Dirmstein besitzt. Gebühren für
das Verfahren in dieser Instanz bleiben außer Ansatz
— Die Kommission fur die Verwendung der
Zinsen des Heinrich Hil gard'schen Kreis sti⸗
bendienfonds hat an die nachbezeichneten Be⸗
verber je ein Stipendium von 600 Mt. für das
Studienjahr 1883/84 verliehen: 1. Georg Bert⸗
Jold aus Speyer (Jurist); 2. Heinrich Dhom
us Marienthal (Philologe); 3. Ludwig Gyßling
rus Neustadi (Jurist); 4. Konrad Setzler aus
Angstein (Jurist); 8. Georg Hertzog aus Pirma⸗
jens (Philologe).
— (Schoffendienst.) Das k. Justiz—
ministerium gab unlängst bekannt, daß von
der an einigen Orten bestehenden Einrichtung, die
Schösten im Laufe des Geschäftsjahres auf die—
enigen Sitzungen, an welchen sie nach der festge⸗
tellten Reihenfolge der Schöffen theilzunehmen
haben, dadurch nochmals aufmerksam zu macheu
daß ihre Namen unter Beifügung des Sitzungs⸗
ags kurze Zeit vor dem letzieren in den Tages-
zlättern veroöffentlicht werden, fortan Umgang zu
nehmen sei, daß dagegen das Ministerium eine
möerweitige Einrichtung zu dem Zwecke getroffen
hat, daß im Laufe des Geschäftsjahres die einzelnen
Schöffen zu geeigneter Zeit an die ihnen obliegende
dienstleistung erinnert werden, zu welchem
zwecke die entiprechenden Formulare an die sämmt⸗
ichen kgl. Amtsgerichte ergangen sind.
— —
Vermischtes.
Der Verwaltungsgerichtshof in
München hat jüngst folgenden Entscheid publizirt:
Fine Aenderung in der konfessionellen Er⸗
ziehung von Kindern aus gemischten
Fhen ist nach dem Tode eines der beiden Ehe—
zaiten auch für den Fall ausgeschlossen, daß der
üͤberlebende Theil die Kinder statt in seiner eigenen
donfession in jener des verstorbenen Theiles er
ziehen will.
Geue Zeitung.) Nach einer Postanzeige
wird vom 1. Maidl. J. an ein neues täͤglich er⸗
scheinendes Blatt in München herausgegeben unter
dem Titel „Das andere Vaterland“; hiernach zu
chließen, scheint es sich um ein Gegenblatt gegen
Dr. Sigl's Bayerisches Vaterland zu handeln.
4 Ein Soldat des 6. Chevauxlegers⸗-Regt. zu
Bayreuth gab in angetrunkenem Zustande einem
Anteroffizier eine Ohrfeige und wurde deßhalb vom
Militärbezirlsgerichte in Würzburg zu zwei Jahren
Befängniß verurtheilt. Eine theure Ohrfeige!
Zerbst. In der Nähe der Bartholomdi—
tirche fand kürzlich ein Arbeiter eine verschlossene
Laffete. Der ehrliche Finder lieferte sie auf dem
Polizeiamte ab und dieses fand darin eine Summe
bon rund 120,000 Mark, meist in Werthpapieren.
Des Räthsels Lösung ließ nicht lange warten; bald
nachher wurde im Schloßgarten der Leichnam des
Rentier Rösener aus der Nuthe gezogen. Der Un—
glückliche hat aller Wahrscheinlichkeit nach den Tod
uz Lebensüberdruß selbst gesucht und außer der
obigen Summe noch etwa 400 Mk. in den Tasche—
seiner Kleider zurückgelassen.
4 Eine seltene Erinnerungsfeier fand am der
flossenen Montag zn Weißenburg in Mittelfr
im hübsch dekorirten Betz'schen Bierkeller statt. Am
21. April 1834, also vor 50 Jahren, fanden sid
in dem Kellerlokale ganz von ungefähr 24 letenz
frohe, junge Männer zusummen und vergnügten
sich in Lust und Scherz. Da kommt einem der
munteren Zecher der Einfall: Wollen wir heutt
üͤber 50 Jahre wieder hier zusammenkommen und
Umschau halten, wer von uns noch mobil ist. All
stimmen fröhlich ein; am 21. April nun war der
Tag, das Versprechen einzuloösen. Die wenigster
konnten es; der Tod hat sie, zum Theil schon
längst, ins Jenseits geführt. Von den 24 Männerr
sind noch zwei übrig: Privatier Roth, inmitten de
Achtziger stehend, und Pcivatier Rupprechl, eir
Siebenziger.
Ein in Darmstadt stattgefundener Selhß
mordversuch erregt großes Aufsehen. Die bildhübdsch
achtzehnjährige Tochter eines adeligen Hauptmaune
hatte mit einem mindestens doppelt so alten Haut.
boisten des hessischen Leibgarde-Regiments ein heim—
liches Liebesverhältniß. Derselbe fühlte sich, nach
dem der erste Liebesrausch verflogen war, im Hinbli
auf seine subalterne Stellung offenbar unbehaglich
denn er machte den Versuch, das Verhältniß zu
lösen, während das sehr exaltirte Mädchen mit
doppelter Zärtlichkeit an ihrem Geliebten hing und
ihm den Vorschlag gemacht haben soll, gemeinsan
nach Amerika zu entfliehen, was jedoch von dem
ernuͤchterten Musiker abgelehnt wurde. Vor eth—
liichen Tagen erhielt derselbe nun wieder einen Brie
von der Hand des Mädchens, welchen er ungeöffne
unter Couvert an die Schreiberin zurütckhsendete
Bald darauf trat dieselbe in die Wohnung ihret
Beliebten und leerte, ehe es letzterer verhindern
sonnte, mit den Worten: „Hier siehst Du, was
Du angerichtet hast,“ ein bereitgehaltenes Fläschchen
vorauf sie mit einem lauten Schrei bewußtlos z
Boden sank. Zwei rasch herbeigerufene Aerzte con—
statirten. daß das Fläschchen eine starke Opiumlös—
ung enthalten habe, und es gelang erst nach mehr—
qündigen Bemühungen, die Lebensmüde wieder zum
Bewußtsein zu bringen, worauf sie von dem in
wischen benachrichtigten Bater in die ellterlich
Wohnung abgeholt wurde, wo die junge Dam
roch lebrusgefahrlich darniederliegt.
Der persische Juwelendieb, de
einem Frankfurter Juwelier Brillanten in
Werthe von 10,000 Mk. entwendet und in Berli
berhaftet wurde, ist nach Ftankfurt am M. trang.
portirt worden. Sein Name ist Kurban Bey
st aus Saman und gehört, wie wir Berliner Blůtte
entnehmen, zu der Klasse von Dieben, welche unte
der Maske eines Händlers von einer großen Siad
zur anderen reisen und insbesondere in hervortagen
den Juwelengeschäften der Art Diebstähle von Vril
lanten auszuführen pflegen, daß sie sich die bet
schiedensten Arten vorlegen lassen und während
die zu kaufenden bezeichnen, mit einigen Banknote
ein auch zwei Pädchen mit Vrillanten bededa
und diese Päckchen dann mit den Banknoten zu sit
stecken. Im Juli 1882 verübte er' in Bremen einen
Diebstahl von Brillanten im Werthe von 25,00
dia. Am 7. Robember stahl er in Magdehun
Zananten Kurban Veh hal die Gewohnheu. nut
Verübung eines Diebstahls sofort weiterzureisen un
die gestohlenen Sachen entweder vor der Abrei
oder während der Fahrt auf einer großen Siatia
unter seiner Adresse zur Post zu geben und sie gu
Bestimmungsort sich wieder zustellen zu lassen 9
Zerlin hat er am Tage seiner Ankunft die Abit
geäußert, nach Paris weiter zu reisen, und cb
eint daher sehr wahrscheinlich, daß er von *
Zialion der Berlin⸗Franifurt a. M.-Bahn die —
Zn n Bez bder Kurban vey nach varis en
sandt hat. Der Staatsanwalt ist von dieser v
muthung in Kenntniß gesetzt worden. Wie
hören, hat übrigens dieser persische Gaunet, be
er seinen Haupicoup ausführen konnte, der m
reiche Beuie in die Hände spielte, erst iu wi
denen andern Geschuften ohne Erfolg sein —
hersucht. Er ließ sich überall eine ganze
Woaren vorlegen. Kein Stück aber fand n
vor seinen Augen, und schließlich ging er fort. F
etwas zu kaufen. Man muß ihn eben ne
obachtet haben, denn nur in einem einzigen Gea
Jelang es ihm, zwei Brochen von nicht seht de
lendem Werthe zu entwenden.