Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingsbert.
her St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich füufmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 1I5 ß, bei Neclamen 830 A. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet.
10 I Dienstag, 15. Januar 1884.
19. Jahrg.
iti in Baden, in Hessen, im Elsaß, in Rheinpreußen
Politische Uebersicht. nit der ee solcher Kolonien vorgegangen
Deutsches Neich. vürde, wodurch die Pfalz, umgeben von Arbeiter⸗
München, 13. Januar. König Lud wig olonien, gewissermaßen eine Oafse für das Stromer⸗
rtheilte dem hiesigen katholischen Kafino die erbetene hum zu werden drohe. Diesesl, und noch mehr
zewilligung zur Vornahme von Sammlungen für ber suͤtliche, pekuniäre und humane Rügsichten
ꝛen Papst mittelst Erlaß von Aufrufen für das ühren zur Erwägung der Frage, ob nicht auch in
jahr 1884. zer Pfalz, vielleicht mit Anschluß an Baden, Hessen
»der Rheinpreußen eine Arbeiter-Kolonie zu grün—⸗
den sei.
Nach eingehender Debatte seitens der Komité
Mitglieder, denen auch ein Gefängnißbeamter be—⸗
athend an die Hand ging, einigte man sich über
olgende Punkte:
1. Die Errichtung einer Arbeiter-Kolonie für
die Pfalz allein stellt sich als Bedürfniß heraus.
2. Die Einrichtung und Leitung der Kolonie
oll nach den allgemeinen Grundsätzen und Be—
hlüssen der Delegirten-Versammlung der Vorstände
ner deutschen Arbeiter-Kolonieen in Hannover vom
16. Oktober 1883 erfolgen (landwirthschaftliche
Beschäftigungen, namentlich Meliorationen in erster
rinie; dann aber auch je nach provinziellen Ver⸗
jältnissen und der Jahreszeit einfache gewerbliche
dantirungen.)
3. Die Mittel für dieses Unternehmen sind auf⸗
ubringen durch einen unverzinslichen wieder zurück⸗
uzahlenden Vorschuß aus öffentlichen Fonds, durch
Zzuschüsse aus Gemeindes, Distrikts- und Kreisfonds.
4. Zur Durchführung soll die Mithilfe der
königl. Regierung und der Verwaltungsbehörden
erbeten werden; auch wird auf die Unterstützung
der Presse durch Aufklärung des Publikums in dieser
Richtung gerechnet und dieselbe namentlich auf die
don der Zentralleitung des Armenwesens in Würt⸗
temberg herausgegebenen Blätter („Armenblätter“)
yerwiesen.
5. Der nächsten Delegirten-Versammlung des
ofälz. Gewerbe⸗-Vereins-Verbandes, zu der einfluß⸗
ceiche und für dir vorliegende Frage sich interes⸗
irende Männer eingeladen werden, sollen die Kom⸗
nissionsbeschlüsse zur weiteren Besprechung vorge⸗
egt und durch sie ein provisorisches Komité zur
veiteren Behandlung der Sache gewäbhlt merden.
— Zweibrücken, 12. Jan. In der Straf⸗
kammersitzung des hiesigen Landgerichts vom 9. d.
Mts. wurden 2 Zigeunermädchen, Johanna und
datharina Reichard, 14 und 19 Jahre alt, wegen
Diebstahls zu einer Gefängnißstrafe von je sechs
Monaten verurtheilt. Dieselben hatkten unter dem
LBorgeben, behufs Ausübung ihrer Kanststücke Geld⸗
stücke vom Jahre 1873 zu bedürfen, die Frau des
Krämers Ruffing in Frankenholz vermocht, ihnen
solche Geldstücke umzuwechseln. Das eine der
Mädchen war bei dem Aussuchen der Münzen be—
hülflich und eskamotirte dabei einen Betrag von
56 Mark. Der Abgang einer Doppelkrone wurde
»on Frau R. alsbald bemerkt, weßhalb sie den
Diebinnen ins Wirthshaus nachlief, wo fie auf die
Drohung, Anzeige zu erstatten, das Geldstück zurück⸗
erhielt. Bei nochmaliger assenrevisfion fanden die
Eheleute Ruffing, daß noch weitere 36 Mk. fehlten,
weßhalb der Ehemann R. die Diebinnen abermals
durch mehrere Orischaften hindurch verfolgte. Nach⸗
dem er sie erreicht, fand er, daß seine Mühe um⸗
sonst war, da die Zigeunerinnen das Geld mittler⸗
weile ausgegeben oder beiseite geschafft hatien. Die
ältere der beiden ist schon wegen Körperverletzung
mit tödtlichem Erfolg vorbestraft. — In derselben
Sitzung wurde Dan. Eckhard, Ackerer von Reichen⸗
bach, wegen Verbrechens gegen die Sittlichkeit zu
2 Jahren Zuchthaus verurtheilt.
— Aus Pirmasens, 9. Januar, wird dem
Pfälzer Conr. geschrieben: „Ueber den Postdieb⸗
stahl kann ich Ihnen als zuverlässig uad verbürgt
folgendes mittheilen. Die verschiedenen Poststüde,
worunter auch die Postbeutel mit Briefen und
Werthsachen, werden vom Kondukteur und einem
Postboten aus dem Postlokal in den vor der Thüre
sttehenden Wagen befindliches geschlossenes Koupee
gebracht, während die Postsachen in dem dahinter
befindlichen Wagenkasten aufbewahrt find. Wie es
jetzt ziemlich feststeht, waren an dem kritischen
Morgen die Thüren dieses Behätnisses nicht, wie
:s Vorschrift ist, geschlossen, sondern nur angelehnt.
kin Anhaltspunkt, wer der Dieb war oder wie der
Diebstahl vollzogen worden ist, hat sich bis zur
Stunde nicht ergeben. Allgemein wird jedoch an⸗
jenommen, der oder die Diebe hätten sich einen
Sonntag zur Beraubung des Wagens ausgewählt,
weil an anderen Tagen um die Zeit, in welcher
die Beraubung stattfand, viele hiesige und fremde
Arbeiter die Straße beleben. Bei der an dem
kritischen Sonntag Morgen herrschenden Dunkelheit
und dem strömenden Regen konnten selbst ganz in
der Nähe des Wagens sich aufhaltende Personen
nicht gesehen werden und es ist deßhalb wahrschein⸗
lich, daß die Diebe den Beutel aus dem Wagen
nahmen, während Kondukteur und Bote im Gebäude
varen, um neue Poststücke herauszuholen, oder die
Zpitzbuben haben den Wagen, während er im
Schritt über das Pflaster fuhr, einfach aufgemacht
uind sich den Beutel angeeignet. Der Briefbeutel
selbst wurde nicht weit von von der Poff
n einer Seitengasse über die Mauer eines
Hofes bei Bierbrauer König geworfen und
blieb auf dem Dache der Kegelbahn hängen,
wo er zwar Morgens in der Dämmerung von
Branknechten bemerkt, aber als etwas Unverdachtiges
(Stück Sach nicht weiter beachtet wurde. Die
Polizei kam erst Nachmittags in den Besitz dieses
Beutels und es ergab sich, daß die als Werihe
enthalienden oder eingeschriebenen deklarirten Briefe
ind Paquete sämmtlich aufgerissen und ihres In—⸗
zjalts an Geld heraubt waren. Wechsel, Bordereauxr.
Auslaud.
Petersburg, 13. Januar. Gerüchte unheim—
ichen Inhalts sind es, die man sich in Petersburger
johen Kreisen zuflüstert, woselbst in den letzten Tagen
ibermals Warnungen aus London einliefen. In
London, heißt es, sei in der Wohnung eines
zlötzlich von dort verschwundenen Nihilisten,
velcher viel Umgang mit Irländern gehabt, ein
hiffrirter, Mitte Dezember aus Petersburg datirter
Brief vorgefunden worden, welchen zu dechiffriren
der Polizei gelungen sei und der eine Stelle ent⸗
jalten soll, welche besagt: ein Revolverschuß
ei sicherer als eine Dynamitbombe;
sß müsse aber eine Gelegenheit abgewartet werden,
bei welcher der Kaiser mit dem Thronfolger zusamen
nus dem Leben geschafft werden könnten, damit
nöglichste Anarchie eintrete. Gleichzeitig verlautet,
wären auch aus Paris Warnungen eingelaufen.
Fine Arbeiterkolonie für die Pfalz.
Pf. L. C. Kaiserslautern, 13. Januar.
die Ueberhandnahme des Vagabundenthums in den
deutschen Landen, insbesondere auch in der Pfalz,
jat die Frage in Fluß gebracht, wie man sich vor
zieser Landplage schützen könne; und welche Ver—
mstaltungen zu treffen seien, um die dem Stromer⸗
vesen Verfallenen wieder zur sittigenden Arbeit
urückzuführen. In ersterer Beziehung wurden in
nehreren Städten der Pfalz die Vereine gegen
dausbettel eingeführt, in letzterer hat man gelegent⸗
ich des Gewerbe⸗Vereins⸗ Verbandstages in Eden⸗
oben am 2. Dezbr. v. Is. die Errichtung einer
Arbeiterkolonie in Anwendung gebracht. Um diese
Frage weiter zu verfolgen, wurde der Vorort des
berbands, z. Z. der hiesige Gewerbe⸗Verein beauf⸗
ragt, sich mit Männern in Verbindung zu setzen,
velchen Erfahrungen in dieser Sache zur Seite
jehen und dann dem nächsten Delegirtentage ent⸗
prechende Vorschläge zu machen. Zu diesem Zwecke
anden am 11. d. M. dahier Kommissions-Berath⸗
mgen statt, über welche wir folgendes erfahren:
Herr Fabrikant Andres-Zweibrücken, Vor⸗
tand des dortigen Gewerbe-Vereins entwickelte die
Mangel der Vereine gegen Hausbettel, schilderte
nit slatistischen Belegen das Vagabunden⸗Unwesen
ind berechnete die namhaften Summen, die all⸗
ährlich durch dasselbe unproduktiv verschlungen
verden, und kam schließlich auf die Mittel zur Äb⸗
jilfe zu sprechen, zu denen in erster Linie die Ar—
eiterkolonien zu rechnen sind.
Herr Kirchenbaurath Dekan Lynker von Speyer,
velcher am 27. Juni 1883 als Vertreter aus der
bfalz bereits der Heidelberger Konferenz über
Arbeiter ⸗Kolonien in Südwestdeutschland beigewohnt
jatte, — gab ein Bild von der Einrichtung und
ꝛer Verwaltung derartiger Kolonien, namentlich
'on der Muster ; Anstalt Wilhelmsdorf, von den
herpflegestationen, die sich netzartig über ein Land
der eine Probinz, wo solch: Sonien bestehen,
erbreiten müßten, und die an Orten, wo Anti—
settelvbereine bestehen, dem Wirkungskreise derselben
Agewiesen werden könnten; — hemerkte auch. daß
Lokale und pfälzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 15. Januar. Vor dem
ziesigen Standesamte wurden im Jahre 1883
67 Geburten angezeigt. (Im vorhergehenden Jahre
jatte die Zahl der Geburten auffallenderweise dieselbe
Anzahl erreicht, Die Zahl der ehelich Geborenen
eträgt 445, der Todtgeburten 16. Gestorben sind
205 Personen (im Vorjahre 263.) Eheschließungen
anden in 1883 56 statt (im vorhergegangenen
zahre 77.) 1 Selbstmord und 3 Verunalückungen
amen vor.
00 Erfweiler, den 14, Januar. Die Ver⸗
vesung der kath. Schulverweserstelle dahier wurde
urch kgl. Regierung dem Lehrer an der obern
—„chule hier zur Mitverwesung übertragen. Gleich⸗
eitig beschloß der Gemeinderat, die Stelle zur Be⸗
verbung auszuschreiben. Es wurde allseitig aner⸗
annt, daß der jetzige Gehalt, 608 Mark, unzu⸗
eichend ist und demgemäß der Betrag um 100 Mt.
rhöht. Alle Ehre vor einer Gemeindeverwaltung,
die jederzeit für Schule und Unterricht opferwillig
st. Davon legt ganz besonders Zeugnis ab das
siesige Schulhaus mit seiner ganzen inneren Ein—⸗
ichtung, seinen Lehrmitteln, Schulbänken u. s. w.
VBas Wohlwollen für Lehrer betrifft, könnte sie
migen Gemeinden der Umgegend zum Vorbild dienen