Sl. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der St. Jugberter Angeiger erscheint wbochentlich fünfmal: Am Moutag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungt
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19. Jahrg.
— —
Samstag, 17. Mai 1884.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Berlin, 12. Maei. Reichsstag. Die Maß—
iud Gewichtsordnung wird in dritter Lesung an⸗
genommen, die Wahl Mahhla's (andau⸗-Neu⸗
Jadt) wird beanstandet. Die Petitionen wegen
stückerstattung des Zolles für Marmorplatten, und
nachträglicher Gewährung von Invalidenbenefizien
werden nach den Anträgen der Kommission der
Regierung zur Berücksichtigung resp. Kenntnißnahme
iberwiesen. Bei der dritten Berathung der Spreng⸗
toffvorlage beantragt Munckel zu 88 GSpreng⸗
toffbesitzz mit Gefängniß, nicht mit Zuchthaus zu
zestrafen. Staatssekretär Schelling hält den
auußergewöhnlichen Nothsländen gegenüber auch ein
uußergewöhnliches Strafmaß für geboten und bittet
im Ablehnung. Windthorst ist mit dem Wegfall
»er Zuchthausstrafe einverstanden, das einjährige
Strafminimum müsse aber bleiben. Paragraph 8
vird nachßAblehnung des Antrags Munckel wie
nach der redaktionellen Modifikation, daß nur der
vissentliche Besitz strafbar sei und sodann die übrigen
baragraphen und der ganze Entwurf angenommen.
die nächste Sitzung findet nach Pfingsten statt.
Der Präsident soll den Tag und die Tagesordnung
iestsethen. Falls inzwischen die Grundsteinlegung
zum Reichstagsgebäude stattfinden soll, wird das
zjanze Haus dazu eingeladen.
Berlin, 15. Mai. Die Commission für das
Anfallversicherungsgesetz tagte gestern Abend dis
Ditternacht und erledigte die 88 57—-67. Zu
I58 wurde auf Antrag Schrader's ein Zusatz an⸗
zenommen, wonach, falls nach 13 Wochen noch
irztliche Behandlung nöthig ist, bis zur definitiven
Feststellung der Enischadigung eine vorläufige Ent⸗
chädigung zugebilligt werden kann. Beim 8 67
vurde der Absatz, wonach für die entschädigungs—
bedürftigen Ausländer die Möglichkeit einer ein⸗
naligen Abfindung für die Rente beabsichtigt ist,
uuf Antrag Barih's gestrichen. Der Vorsuzende
)er Commission hofft die Berathung derartig zu
eschleunigen, daß beim Wiederzusammenlritt des
keichstags der Bericht feriig ist.
Krankenkassenwesen. Es ist Anordnung
eitoffen, daß die nach dem Reichsgesetz vom 15.
suni v. J. zum Beitritt zu einer nach Maßgade
dieses Gesetzes zu errichtenden Krankenkasse verpflich⸗
eten Perfonen genau ermitlelt und festgestellt wet⸗
n, und zwar gehören hierher alle gegen Gehalt
der Lohn, Antheil oder Naturalbezüge im Hand.
wert oder sonstigen stehenden Gewerbedetrieben be—
häftigten Personen (Gesellen und Lehrlinge der
handwerker), dann alle Arbeiter, Gehilfen und
Aehrlinge, welche gegen Gehalt oder Lohn, Antheil
e Laturalien in Braueteien, Brennereien, Mühlen
— Ziegeleien beschäftigt werden, während selbst—
indige Handwerlomeister nicht in Belracht lommen.
8 Entschädigung unschuldig Ver⸗
at eilter. Die betreffende Reichstagskommission
Daint geringer Mehrheit beschlossen, die Entschä⸗
s ehh des Staates bezw. des Reiches zwar
ng erlittener Strafhaft, im Uebrigen aber be—
iae aller solcher im Wiederaufnahmeverfahren
proener früheret Verurtheilten auszusprechen,
dn Verurtheilung nicht absichtlich herbeige⸗
en. Nach den Erklarungen, die der Reg.—
en er, freilich nicht im Namen der verbünde⸗
— ungen aber doch gemäß einem früheren
aihe austausche im Juftizausschusse des Bundes⸗
ogegeben hat, ift keine Ausficht, daß die
verbündeten Regierungen einem Gesetzentwurfe zu—
stimmen werden, der die auf alle im Wiederauf—
nahmeverfahren Freigesprochene ausgedehnte Ent—
chädigungspflicht des Staates oder Reiches festzu—
stellen versucht. Gegen diese Ausdehnung haben
die Abg. Gneist, Hartmann, vou Schwarze, v.
Uechtritz- Steinkirch und Wölfel gestimmt.
Der Verein deutscher Eisen⸗ und
Stahlindustrieller hielt am Dienstag seine
Beneralversammlung in Berlin ab. Dem Jahres⸗
zericht entnehmen wir, daß dem Vereine im abge—⸗
aufenen Jahre 356 Mitglieder angehörten, welche
240,000 Arbeiter beschäftigen und ein Anlage- und
Betriebskapital von Mt. 1,050, 000, 000 repräsen⸗
tiren. Nach den statistischen Ermittelungen des
Vereins sind in den noch nicht fünf Jahren, welche
eit Einführung des neuen Zolltarifs verflossen sind,
zie Zahl der in Werken beschäftigten Arbeiter um
33.2 pCt., die Gesammtlöhne um 52. 1 pCt. und
der Lohn des einzelnen Arbeiters um 14.2 pCt.
gestiegen. Besonders demerkenswerth ist es, daß
irotz der ungünstigen Conjunctur, der die Hütten⸗
verke in der zweiten Hälfte des Jahres 1888 un⸗
terworfen gewesen sind, die Zahl der Arbeiter,
benso wie die Auslohnung eine zum Glück nur
uinwesentliche Abschwächung erfuhren, während sie
hei den Maschinenbau⸗ Anstalten weitere Fortschritte
in der Steigerung erfahren haben. Der hochinte—
ressante Bericht dietet das sprechendste Zeugniß für
die Rührigkeit, welche die große Eisemndustrie
Deutschlands auf allen Gebieten enfaltet, wie für
die Segnungen, welche die 1879 inaugurirte Wirth⸗
chaftspolitik für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ge⸗—
oracht hat.
Deutiche Handelsgesellschaft der Süd⸗
see⸗Inseln. Den Freundeu deutscher Colonial⸗
destreuungen wird es nicht uninteressant sein, zu
exfahren, daß ein Hamburger Consortium die bisher
in englischen Händen (Baring Brothers und Comp.
in London) befindlichen Actien der „Deutschen
Handels⸗ und Plantagengesellschaft der Südsee⸗Inselin“
m Nennbetrage von eiwa zwei Millionen aufge—
auft hat. Die „Deutsche Handels- und Plan⸗
agengesellschaft der Südsee-Inseln“ wurde bekanntlich
in demselben Augenblick gegründet, als der Reichs—
ag die Samoavorlage ablehnte und der Colouial⸗
)esiß des Hauses Godeffroh unter den Hammer
u ktonmen drohte. Jedenfalls ist es erfreulich,
»aß die Godeffroy'schen Anlagen auf den Samoa⸗—
Inseln jetzt ganz wieder in deutschen Besitz zurück
gekehrt sind.
Deutschland in Afrika. Der Weser—
Zeitung wird aus Berlin geschrieben: „Wie ver⸗
autet, wäre die Reichsregierung nunmehr entschlossen,
das Protectorat über die Colonie Angra Pequena
lan der Südwestküste Afrikas) zu übernehmen und
deutsche Gesetzgebung daselbst einzuführen. Man
muß also annehmen, daß es gelungen ist, den Nach⸗
wveis zu führen, daß keine der anderen Mächte auf
das in Rede stehende Gebiet Anspruch erhebt oder
Rechtatitel auf dasselbe besitzt.“
cing⸗ Comité beschloß, den Banken für 75 Prozent
Werth deponirter Papiere Vorschüsse gegen 6 pCt.
Zinsen zu leisten in Form von Certifikaten und
diese von allen Banken als Kasse anzunehmen. Man
laubt, diese Maßregel werde dem Umsichgreifen der
trisis Einhalt thun.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 16. Mai. Herr Schul⸗
berweser Th. Braun dahier wurde wegen Krank⸗
heit auf die Dauer eines halben Jahres pensionirt.
An seiner Statt wurde die interimistische Ver⸗
wesung der hiesigen protestantischen Schulverwefer⸗
ttelle dem Verweser Herrn Joh. Hermann,
hisher in Grethen, übertragen.
* St. Ingbert, 16. Mai. Dem Verneh⸗
men nach wurde gestern die vielbesprochene Wasser⸗
und BVrunnenfrage in Folge gütlichen Ueber⸗
einkommens zwischen der städtischen Verwaltung
ind Herrn Kahn durch notariellen Akt zur Lösung
zebracht. Darnach wird Herrn Kahn für sein
Etablissement ein Rohr von 3 centim. Durchmesser
erhalten und das übrige Wasser der Schafgasse
resp. dem Josephsthal zugeführt werden.
O Blieskastel, 15. Mai. Gegenwärtig
veilt Herr Dr. Kittel, Seminarinspektor in
Speyer, hier, um die drei Kurse der hiesigen Prä—
zarandenanstalt wie alljährlich einer Prüfung zu
unterziehen.
— Neustadt, 15. Mai. EKinen Akt rohester
Art konnten die Spaziergänger am Dienstag Abend
gegen 227 Uhr vom Schillerweg aus beobachten,
welcher sich in dem Hofe eines Wirthes und Kohlen⸗
händlers an der Landauerstraße dahier abspielte.
Man konnte nämlich zusehen, wie der Herr Wirth
einen schon bejahrten Mann, anscheinend vom Lande,
im Boden herumschleifte, verschiedene Male in die
höhe hob und wieder zu Boden stauchte und die
dleider buchstäblich vom Leibe riß. Dies Alles
geschah im Beisein eines etwa 12 Jahre alten
dnaben des Mißhandelten sowie der Frau des
Wirthes und anderer Personen. Wie wir nun
veiter erfuhren, handelte es sich um „zwei Mark“,
die der Wirth beanspruchte, und zwar für eine
Uebernachtung im — Stalle auf einem Bund
„troh, welches der Mann verunreinigt haben soll.
Dder Mann wollte das Stroh bezahlen und mit—⸗
iehmen, der Herr Wirth bestand aber auf 2 Mark.
Sicherem Vernehmen nach bekam die Polizei Kennt⸗
niß von der Sache und hat Protokoll gemacht; es
wäre nun sehr zu wünschen, daß dieser Mensch,
der für diese That gebührenden Strafe nicht entgeht.
M. B. 3.)
— Waldhambach, 12. Mai. Bei der
jestern dahier bei dem Wirth Martin abgehaltenen
Tanzmusik entstand unter den Burschen von Wald⸗
sambach und dem nahegelegenen Waldrohrbach eine
stauferei, die mit tödtlicher Verwundung eines
Waldrohrbacher Burschen endete. Der vermeintliche
Thäter wurde sogleich durch die Gendarmerie ab—
gefaßt. Die Familie des Betroffenen sowie die des
Thäters ist sehr zu beklagen.
— Landau. Wie noch erinnerlich sein dürfte,
erschien Ende November v. J. eine Broschüre des
Hrn. k. Notars Bolza in Landau, betitelt: „Ge⸗
chichte der Fälschung eines Schulzeugnisses an der
c. Studienanstali Landau“, welche Schrift seine
„pitze hauptfächlich gegen die Herren Professoren
S„choll und Bischoff an dieser Anstalt richtet und
)zurch deren Erscheinen das Lehrerkollegium der
S„tudienanstalt in Nr. 296 2. Blatt des „An⸗
Ausland.
New-NYort, 14. Mai. Die heutige Börse
rröffnete flau bei fortgesetzt fallenden Kursen. Die
Tendenz ist panikartig. Die Brockerfirmen Neilson
ind Robinson, Gotf und Randall und O. M.
Bogart u. Komp. haben ihre Zahlungen eingestellt.
Im Laufe des Tages haben ferner fallirt: die Me—
ropolitan Nationalbank, die Bankfirmen Donnell
cawson Simpson und Häatch u. Foote. Das Clea—