Full text: St. Ingberter Anzeiger

sprechungen abgeschwindelt, bei Preßburg ermordet 
ind sodann in die Donau geworfen. 
F Wien, 14. Januar. Der ermordete Sohn 
des Geldwechslers Eisert, Rudolf Eisert, ist heute 
inter sehr großer Theilnahme der Bevölkerung be— 
erdigt worden; der Zustand des Geldwechslers Eisert 
ind seines zweiten Sohnes Heinrich hat sich ge⸗ 
vessert, so daß die Genesung Beider nicht ausge— 
chlossen erscheint. — Der wegen Theilnahme an den 
Schenk'schen Mordthaten verhaftete Schlossergeselle 
Schlossarek ist bedenklich erkrankt. 
F Die in Botuschau (Rumänien) befindliche 
Badeanstalt ist, vor etwa 14 Tagen der Schauplatz 
ines großen Unglücks gewesen. Das Bad, erst 
türzlich restaurirt, war an dem gedachten Tage von 
wa 100 Frauen und Mädchen besucht, die sich 
n der Abtheilung für Dampfbäder befanden. Eine 
Frau wollte nun aus dem Kessel heißes Wasser in 
ne Kanne rinnen lassen, verbrühte sich aber dabei 
zie Hand, und in ihrem Schrecken riß sie den Hahn, 
der das Wasser absperrt, heraus. Nun ergoß sich 
in dicker Strahl siedenden Wassers mit ungeheurer 
Bewalt in den Raum und erzeugte so viel Dampf, 
daß man schließlich gar nichts mehr sah. Auf die 
aun ansgestoßenen Schmerzensrufe der Verbrühten 
amen Badediener herbei und retteten die Unglück— 
ichen aus ihrer fürchterlichen Lage. Ueber 20 Frauen 
und Mädchen sind mehr oder minder schwer verletzt 
ind 2 derselben sind sogar ihren Leiden erlegen; 
einige andere erlitten Verwundungen, weil sie durch 
zie Fenster auf die Straße hinabsprangen. In 
emselben Bade ereignete sich auch im Jahre 1881 
in Unglück, indem der Plasond mit dem Gebälk 
instürzte und zahlreiche Badegäste unter seinen 
Trümmern begrub. 
F(Aus Frankreich) Der Bestand des 
heeres für 1884 beträgt auf Friedensfuß: akkive 
Armee 491,916 Mann, Gensdarmerie 26,726 
Mann, zusammen 518,642 Mann. Die Zahl der 
üpferde ist 113,334. Im Vergleich mit 1883 zeigt 
er Bestand dieses Jahres eine Vermehrung von 
2397 Mann und 1002 Pferden. In Algier stehen 
83,306 Mann und 16,812 Pferde. Es bleiben 
ilso für Frankreich 465,330 Mann und 97,522 
Bferde. 
CGUnternehmungsgeist.) Ein Fall, 
oelcher zeigt, wie weit der Unternehmungsgeist 
aglischer Journalisten geht, wurde dieser Tage im 
zuchtpolizeigericht in Great Marlborough-⸗Street, 
dondon, verhandelt. Dem Richter wurde ein in 
zumpen gehülltes männliches Individuum von in⸗ 
elligentem Aussehen vorgeführt unter der Anklage, 
ich in Hannober⸗Square in verdächtiger Weise 
mhergetrieben und gebettelt zu haben. Auf Be— 
ragen, was er zu seiner Vertheidigung hervor— 
ubringen habe, erwiderte der Angeschuldigte, er 
eiße Maclanchlan, sei ein Mitarbeiter des Londoner 
bendblattes „Echo“ und habe von dem Redakteur 
es Journals den Auftrag erhalten, Erhebuugen 
iber den Profit des Bettels in den Straßen von 
London anzustellen. Zu diesem Behufe habe er sich 
ils Bettler verkleidet und den ganzen Tag im 
Westende Leute um Almosen angesprochen. Mit 
inem Mann, der das Banjo spielte, hatte er Lieder 
jesungen und später Streichhölzer verkauft. Seine 
Verhaftung durch einen Polizisten hätte indeß nicht 
iuf dem Programm seiner Aufgabe gestanden und 
eei dieselbe nur dadurch herbeigeführt worden, daß 
er dem Polizisten keine Aufschlüsse über seine Person 
zeben wollte. Der als Entlastungszeuge erschienene 
Sekrelär des Herausgebers des „Echo“ bezeichnete 
die Aussagen des Angeschuldigten als wahrheitsge⸗ 
mäß und stellte ihm ein gutes Leumundszeugniß 
ius, worauf er auf freien Fuß gesetzt wurde mit 
»er Warnung, kuünftig vorsichtiger zu sein. 
r New⸗-⸗vPYork, 12. Januar. Coleman u. 
Lo. und Fuller u. Co., bedeutende Getreide— 
urmen hierselbst, haben ihre Zahlungen einge— 
tellt. Am hiesigen Getreidemarkt herrscht in Folge 
)essen große Aufregung. Auch von Chicago wird 
zas Fallissement eines kleinen Getreide-Kommissions⸗ 
zauses gemeldet. 
f Wahhington. Aus den nordamerikan⸗ 
schen Südstaaten wird geneldet, daß die jüngste 
dälte alle bisherigen Fröste überiraf. In Allanta, 
heorgia fiel das Thermomeler auf Null, (0ꝰ Fah⸗ 
enheit — — 180 0.) wodurch großes Elend unter 
en Armen verursacht wurde, da sie auf eine solche 
kälte nicht vorbereitet waren. Es sind indeß um—⸗ 
assende Unterstützungsmaßregeln im Werke. In 
lashiville, Tenessee, sieht das Thermometer 10 Grad 
inter Null, und 5 Grad in Petersburg, Virginia. 
die heftigen Fröste haben an den Orangenpflanz⸗ 
ingen in Florida großen Schaden angerichtet. In 
Jouisiana sind starke Schneefälle erfolgt — ein 
geradezu unerhörtes Ereigniß, und am Mississippi 
vurde ein Bahnzug eingeschneit. In den nörd⸗ 
ichen Staaten ist das Weiter verhältnißmäßig mild, 
ind auf die strengen Fröste folgen Schneefälle. 
F In einer kürzlich zu Boston stattgehabten 
Temperenzversammlung ließ sich auch eine alte, ehr⸗ 
vürdige aussehende Dame vernehmen. Sie theilte 
»en lieben Brüdern mit, daß sie von den schreck⸗ 
ichen Folgen des Trinkens ein Liedchen zu singen 
visse. „Ich habe drei Männer begraben und es 
varen sämmtlich Trunkenbolde. Ich freue mich 
iber, sagen zu können, daß ich mit keinem derselben 
n Unfrieden lebte. Sobald ich entdeckle, daß einer 
erselben dem Trunk ergeben sei, bewog ich ihn, 
ich hoch zu versichern und ließ ihn dann ruhig 
sewähren. Alle drei starben an den Folgen der 
Trunksucht und jeder Todesfall brachte mir mit 
zilfe einer gütigen Vorsehung baare 10,000 Doll. ein. 
(Gie Deutschen in Merxiko.) Aus 
der Hauptstadt Mexiko schreibt Herr Amandus 
Boegg: Von Deutschen, bei denen ich durchweg die 
reundlichste Aufnahme gefunden, leben in der Stadt 
Mexiko 250, nicht eingerechnet die Frauen und 
dinder. Die Meisten derselben haben, ohne Unter⸗ 
chied der gesellschaftlichen Stellung, von dem Mi—⸗ 
nisterresidenten Baron von Wäcker⸗Gotter und dem 
Fonsulatsbertreter Kosidowsky an bis zum Arbeiter 
jerab in einem Club — deutsches Haus genannt, 
einem ehemaligen Kloster — ihren Vereinigungs⸗ 
junkt mit großartigen Räumen, einer reichen Bib— 
iothet, deren Geschäftsführet Isidor Epstein aus 
durhessen ist, und einem sehr guten, von Herrn 
zane ditigirten Männerchor, dem ich auf der neu— 
röffneten höchst romantischen Gebirgsbahn einen 
Ausflug nach der schönen, nur zwei Deuische beher⸗ 
»ergenden Stadt Coluka machte. Es war rührend 
u sehen, wie dort die Indianer, welche, weil es 
zahrmarkt war, wohl 12.000 an der Zahl in der 
5tadt verweilten und die in ihrem Leben noch 
einen Männerchor, viel weniger einen musikalisch 
gebildeten deutschen, gehört hatten, in Masse herbei— 
trömten, den Klängen der vierzig Sänger andächtig 
auschten und beim Schlusse eines jeden Liedes in 
ein ein freudiges Hurrah mit dem Rufe: Vivan 
ios Alomanes!“ ausbrachen. So gering verhält⸗ 
nißmäßig die Zahl der Deuischen in der Stadt 
Mexiko ist, so hervorragend ist ihre Stellung im 
HBeschäftsleben und in den gesellschaftlichen 
dreisen. Die bedentendsten der Engroshäuser 
mit den Filialen in San Luis, Vera Ernz, Pueblo 
c., sowie die Bijouterie-⸗, Uhren- und Hut⸗Fabri— 
fation sind meistens in ihren Händen. Ganz be— 
onders gedeiht nebst dem Luxus in Gold-, Seiden⸗, 
Atlas-und Sammetstoffen die Hutfabrikation, weil 
er Mexikaner, selbst wenn er eine zerrissene Jacke 
der kaum zusammenhaltende Hosen trägt, seinen 
einen mit Gold⸗ oder Silberschnüren bordirten 
zreitkrämpigen Filz- und Seidenhut, im Werthe 
»on je 20 bis 60 Dollars haben muß. Auch 
zeutsche Brauereien gibt es, unter denen als be— 
eutendste die von Carl Fredenhagen aus Mecklen— 
urg mit ihrem Salvador zu 1e Realen das 
Fläschchen sich auszeichnet. Importirtes St. Louiser, 
Zayerisches und Pilsener Bier kommt auf 4 Realen 
as Fläschchen zu stehen. Der spanische Real be— 
rägt ungefähr 50 Pfennige. 
4 GNMoch eine Ueberlandbahnprojek— 
irt.) In Denver, Colorado, hat sich eine Ge— 
eslschaft, mit einem Aktien-Kapital von 75,000,000 
)ollars gebildet, welche eine direkte Bahnlinie von 
er Hauptstadt Colorado's nach San Franzisko 
zauen will. Die neue Route, welche noch nicht 
öllig vermessen ist, soll von Denver über die 
Felsengebitge durch Utah und Nevada führen, die 
Sierra Nevada im Sonorapasse unweit der , Mam⸗ 
nuthbäͤme“ übersteigen; soll dann das San Joa⸗ 
juinthal kreuzen, das Küstengebirge nach Santa 
Fruz zu übersteigen und von dort nach San Fran⸗ 
isko führen. Zweigbahnen sollen Verbindungen 
mit der Union⸗Pacific-Bahn in Utah und mit der 
Atlantic- und Pacific-Bahn in Arizona herstellen. 
Wenn diese Bahn wirklich gebaut wird, würde sie 
die kürzeste und direkteste Linie bilden, die sich von 
St. Louis nach dem stillen Ozean herstellen läßt. 
Den Deutsch-Amerikanern zollie der 
n den Ver. Staaten sehr populäre Freidenker 
Iberst Ingersoll einem Chicagoer Berichterstatter 
egenüber folgendes Lob: „Bezüglich des Einflusses 
eutschlands auf den modernen Fortschritt des Ge⸗ 
dankens in Amerika ist es meine Ansicht, daß die 
Lebensführung und das Beispiel der Deutsch-Ame⸗ 
rikaner hierzulande einen größeren Eiufluß aus— 
ibten als sämmtliche Schriftsteller und Philosophen. 
Zie hahen sich durch ihre strenge Ehrlichkeit, Cha— 
rakterreinheit, Intelligenz und Sparsamkeit die 
Achtung des amerikanischen Volkes erworben und 
zudem haben sie gezeigt, daß sie keinen Aberglauben 
mit der Feier ihres Sonntags verbinden.“ Die Li⸗ 
beralen erhalten starlen Zuwachs, wo vor 10 Jahren 
nur ein Freidenker war, findet man jetzt hundert.“ 
F(das „Neueste“ kommt von Oshkosh 
in Wisconsin.) Eine hübsche, junge Dame 
trat plötzlich auf einen an der Straßenecke stehenden 
alten Herrn zu und gab ihm einen Kuß, sprang 
aber sogleich mit dem Rufe: „Oh, Sie sind ja 
gar nicht mein Papa!“ wieder zurück und verschwand. 
uls sich der alte Herr von seiner Freude über das 
„Versehen“ der jungen Schönen erholt hatte, ent⸗ 
»eckte er zu seinem Schrecken, daß seine werthvolle 
Diamantbrustnadel verschwunden war. 
F Zwölf amerikanische Millionäre 
zaben sich zum Bunde geeinigt, dessen Aufgabe es 
ein wird, den von den Römern zerstörten Tempel 
n Jerusalem wieder in seiner alten Pracht und 
Zerrlichkeit herzustellen. Zwei Mitglieder dieses 
Zundes sind schon nach Jerusalem abgereist. 
F(GWie man zu einem Pelz kommt.) 
Fin bekannter Maler erzählte im Freundeskreise 
olgende lustige Geschichte von seinem Pelz — einem 
ostbaren Nerz mit mächtigem Kragen und Aermel⸗ 
»uffen. Ich malte das Porträt des reichen aber 
ilzigen Bankiers X., der mir schon ein paar Bilder 
u jämmerlichen Preisen abgedrückt hatte. Das 
irgerte mich längst, und während ich an seinen 
ausdruckslosen Gesichtszügen herumpinselte, versuchte 
er wieder zu schachern und von dem bedungenen 
Preise etwas herabzuhandeln. Er that das in einer 
olchen Manier, daß es schwer war, ihm entgegen⸗ 
utreten. Es ist dies auch meine Art nicht, aber 
ch fand doch einen Ausweg. Natürlich wollte er 
„im Pelz“ gemalt sein. Da, während ich die obere 
Partie dieses Kleidungsstückes malte, seine Anwesen— 
zeit nicht nöthig war, machte ich ihm den Vor—⸗ 
chlag: er möge mir den Pelzrock schicken, mein 
Diener werde denselben anziehen und mir an seiner 
Statt — „sitzen“. Und so geschah es. Ich vol⸗ 
lendete das Bild — er drückte mich natürlich wieder 
hei der Bezahlung. Am nächsten Tage schrieb ich 
hm: „Leider kann ich Ihnen den Pelzrock noch 
nicht retournieren, denn unglücklicher Weise hat mein 
Diener, der mir damit saß, die Blattern bekommen 
— der Pelz wird gelüftet und steht morgen zu 
hrer Verfügung.“ Umgehend erhielt ich von dem 
Bankier die Antwort: „Sehr fatal, — bringen 
Sie mir keinesfalls den Pelz ins Haus.“ — Am 
selben Tage ging ich zum ersten Mal mit dem Pelz 
aus, er paßt mir vorzüglich. Mein. Diener hat 
natürlich niemals Blattern gehabt. 
Gemeinnütziges. 
(Zucker als chirurgischer Verbandstoff.) Die 
noderne Behandlung der Wunden nach antiseptischen 
Brundsätzen hat eine ganze Reihe neuer Verband⸗ 
nittel in die Chirurgie eingeführt, denen man bis— 
jer eine derartige Heilkraft nicht zugetraut hätte. 
stach Beseitigung der alten Charpie, die noch im 
Jahre 1866 von barmherzigen Händen für die im 
driege Verwundeten gezupft wurde, kam die Watte 
Jute und Gaze daran, hierauf Cellulose, Moos,. 
Corf, Glasseide und Holzwolle, zu welchen als 
illerneuster Verbandsstoff der — Zucker hinzukommt. 
Nuf der chirurgischen Unibersitätsklinik des Pro— 
essors. Lücke in Straßburg wird gegenwärtig, nach 
»en Mittheilungen des dortigen Assistenzarztes Dr. 
Fischer, zum Verbinden und Bedecken der Wunden 
kohrzucker angewendet in der Weise, daß derselbe 
'n Verbindung mit Naphthalin oder Jodoform, in 
Gaze eingeschlagen und zu kleinen Kissen geformt, 
auf die Wunde gelegt wird. Der Zucker als Wund⸗ 
verband soll sich nach den bisherigen Versuchen in 
der Straßburger Klinik recht gut bewährt haben. 
— 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Kaiserslautern Johann Georg 
Schönebera«er, 67 J. a.; in Pirmasens Gustav. 
A 
Enkenkenbach Heintr. Imschweiler, Bahnmeister 
hei den pfalz. Bahnen, 45 J. a.; in Dürkheim 
Jos. Ph. Melbert, 86 J. a.; in Grünstadt 
Lina, 5 J. a. T. v. Heinrich Herin