Full text: St. Ingberter Anzeiger

zl. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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M 105. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
pf. L. C. Immer und immer wieder wird 
on fortschrittlich⸗ demokratischen Blättern ins Blaue 
ineinbehauptet, Fürst Bismarckhabe dem Libera⸗ 
gmus einen Krieg bis auf's Messer angekündigt. 
das hat Fürst Bismarck nicht gethan. Er hat am 
JMai überhaupt das Wort Liberalismus nur des⸗ 
vegen gebraucht, weil Herr Eugen Richter vorher 
ion sich, als dem Vertreker des echten und wahren 
ind einzigen u. s. w. Liberalismus gesprochen hatte. 
zegen diesen Liberalismus, den Herr Richter sich 
achrühmte, hat sodann der Kanzler den Krieg ge⸗ 
redigt. Dieser Liberalismus ist aber der Ra⸗ 
icalismus, mit dem eine Partei ganz und 
ar nichts gemein zu haben braucht, ohne daß sie 
adurch den Liberalismus verleugnete. Jedes Wort 
es Kanzlers bezeugt diese Auffassung. Er knüpfte 
m die Apostrophe des Herrn Richter an, daß es 
ich darum handle, ob der Liberalismus in Deutsch⸗ 
and eine Zukunft habe, und gab dem entgegen 
einer ganz bestimmten Ueberzeugung Ausdruck, 
daß er keine hat, — der Liberalismus wie 
m der Herr Vorredner vertritt, das heißt die 
ortschruͤttliche Demokratie, die Parla⸗ 
nentsherrschaft, wie sie in dem Aktenstück des 
undesraths, auf das der Herr Vorredner anspielte, 
arakterisirt ist, — und es ist doch klar, daß der 
err Vorredner das Liberalismus nennt. Ich muß 
3 ganz entschieden aussprechen, daß dieser 
iberalismus meiner Ueberzeugung nach keine Zu⸗ 
inst hat, und daß ich es als die Aufgabe meines 
ebens halte, als meine Pflicht dem Kaiser und 
em Lande gegenüber, diesen Liberalis zu be—⸗ 
ampfen bis zum letzten Athemzug. 
starlsruhe, 29. Mai. (Candtag.) Eine 
nerpellation des Abg. Kiefer, nämlich, welche 
enniniß die Regierung von der Absicht habe, auf 
eichskosten einen Kanal von Ludwigshafen nach 
ztraßburg zu bauen und, welche Stellung die 
degierung im Falle der Einbringung eines bezüg⸗ 
chen Entwurfs im Bundesrathe einnehmen würde, 
eantwortete Staatsminister Turban folgendermaßen: 
die Frage sei noch offen und ein Antrag auf Be— 
viligung von Reichsmitteln im Bundesrathe bisher 
nicht eingebracht. Die badische Regierung erblicke 
n dem projektirten Kanal kein allgemeines Reichs— 
nteresse und würde demnach sich für die Bewillig⸗ 
ing nicht erklären können. Der Bundesrath habe 
merzeit bei Bewilligung von 125,009 Mt. im 
soße lothringischen Etat fuͤr die Vorarbeiten erklärt, 
damit nicht präjudizirt werden solle, aus welchen 
itteln der Kanal ebentuell zu erbauen sei. 
Baden⸗Baden, 29. Mai. Die Zarin, die 
qigin von Dänemark, die Prinzessin von Wales, 
e Großfürstinnen Katharina und Helene von 
hland, Prinz Waldemar von Dänemardk sind 
Nagmitnag zum Besuch der Kaiserin bon 
and eingetroffen; die Herrschaften wurden 
punee von den Behörden empfangen. 
iu ehn, 28. Mai. Die Unsalltommission 
un Juni zusammen zur Feststellung ihres 
y Die Aktiengesetzkommission ist am 9. Juni 
— en Lesung einberufen. — Das von der 
* ri Regierung der Pfalz zu Speyer unter 
dachver Febr. d. J. ergangene Verbot des Vereins 
8 ein der Schreiner und verwandten Berufs⸗ 
in Nieh Frankenthal“ ist laut Bekanntmachung 
omnnit sanzeiger“ durch Entscheidung der Reichs— 
n aufgehöhen worden 
Samstag, 31. Mai 1884. 
19. Jahrg. 
Berlin, 29. Mai. Die Großherzogin von 
Baden ist heute früh gegen 8 Uhr hier eingetroffen. 
Reichsstempelgesetz. Die Leipziger Dis- 
lonto · Gesellschaft im Verein mit herborragenden 
Waarenhändlern und Bankiers hat an die Handels- 
ammer eine Eingabe gerichtet, worin darauf hin⸗ 
jewiesen wird, daß der Gesetzentwurf über Abände⸗ 
ung des Stempelgesetzes für die Interessen des 
jesammten Handelsstandes, insbesondere des reellen 
Waarengeschäftes, sowohl wegen der Höhe der ge⸗ 
lanten Steuer, als hauptsächlich wegen der üri 
ind Weise der Kontrole äußzerst gefahrdrohend sei. 
die Handelskammer wird deßhalb ersucht, thunlichst 
hnell ihre Stimme gegen diesen Gesetzentwurf zu 
rheben und rechtzeitig alle gesetzlichen Mittel auf⸗ 
uwenden, damit der Entwurf nicht zum Gesetze 
verde. Auch die Hamburger Handelskammer hat 
ich in ihrer Sitzung am Montag mit dem Gesetz⸗ 
entwurfe beschäftigt und einstimmig beschlossen, eine 
iblehnende Stellung zu demselben einzunehmen und 
iich mit den andern deutschen Handelskammern 
vegen eines gemeinsamen Vorgehens unverzüglich 
n Verbindung zu setzen. 
Bezügliͤch der Regelung des Lotterie⸗ 
wesens spricht man von Anträgen Preußens beim 
Bundesrathe nach Vorschlägen, welche das preußische 
Finanzministerium gemacht hätte. Daß das letztere 
nit derartigen Dingen beschaftigt ist, hat nach der 
B. Z. seine Richtigkeit, die Plaͤne sind seit längerer 
Zeit entworfen, allein ob es überhaupt und namentlich 
n nächster Zeit zu Anträgen kommen wird, ist 
ehr fraglich, da man sich von vornherein nicht über 
die Schwierigkeiten Illusionen macht, welche von 
inzelnen Staaten, namentlich von Sachsen und 
Zraunschweig, erhoben werden möchten. 
eines Pfandes der zwischen den beiden mächtigen 
Nachbarn bestehenden treuen Freundschaft auf weitere, 
iele Jahre.“ 
Lokale und pfalzische Nachrichten. 
— Annweiler, 28. Mai. Wie mir soeben 
nitgetheilt wird, ist von den 29 Bewerbern um die 
Jiesige Stadtschreiberstelle Herr Hock, Einnehmerei⸗ 
andidat von Neustadt a. H., als der Bestqualifi⸗ 
zirteste, gewählt. (A. W.) 
— Lambrecht, 27. Mai. Bei der heutigen 
Versteigerung der dahier gelegenen Villa des ver⸗ 
storbenen Eisenbahndirektors v. Jaeger wurde die⸗ 
selbe von dessen Sohn Albert um 11,000 Mark 
rworben. 
— Winnweiler, 26. Mai. Eine urkomische 
Beschichte macht hier die Runde. Gewaschene Wäsche 
wurde über Nacht in einem Zuber in den Stall 
gestellt, da sie nicht mehr getrocknet werden konnte 
oder vielleicht, damit sie nicht gestohlen werde. 
Nun machte sich aber in gleicher Racht eine Kuh 
los, gerieth an diesen Zuber und sauchte sich, wie 
man die Herzchen aus dem Salat aussucht, Krägen, 
Manschetten und Chemisetten heraus und verzehrte 
dieselben in aller Gemüthsruhe. Der herbeigerufene 
Thierarzt beseitigte jedoch dieses neue Futter und 
befindet fich die Kuh zur Zeit wieder ganz gut. 
— Die am Tage vor dem Pfingsifeier— 
kage zur Ausgabe gelangenden Retourbillets 
aach Stationen im Bereich der pfälzischen, elsaß— 
othringischen, badischen, hessischen Ludwigs⸗ Main⸗ 
Neckar⸗Bahn und nach den in den Eisenbahn-Di— 
rektionsbezirken Frankfurt (Main) und Köln (links⸗ 
cheinisch) liegenden Stationen erhalten eine um 
einen Tag verlängerte Giltigkeits— 
dauer, so daß diese Billets zur Rückfahrt nach 
der Ausgabestation noch am Pfingstdienstage Gil- 
igkeit hesitzen. 
Ausland. 
Paris, 28. Mai. Als Merkmahl der freund⸗ 
ichen Stimmung, die augenblidlich zwijchen Deutsch⸗ 
ind Frankreich herrscht, ist es bemerkenswerih, daß 
»em ersten Secretair der deutschen Botschaft in 
Zaris, Legationsrath v. Bülow, das Commandeur— 
reuz der Ehrenlegion verliehen worden ist. 
Paris, 29. Mai. Die Agence Havbas ver⸗ 
ffentlicht eine Communiqué, wonach die Regierung 
eabsichtigt, die hundertjährige Wiederkehr der Re— 
olution von 1789 mit einer großen Feierlichkeit 
u begehen und sei deßhalb eine allgemeine Aus— 
tellung in Paris für 1889 in Aussicht genommen. 
Rußland und Deuschland. In dem 
elegraphisch abisirten Artikel der St. Petersburg⸗ 
kija Wjedomosti heißt es: „Die freundschaftlichen 
Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland 
zefestigen sich mmmer mehr und mehr. Es vergeht 
ein bemerkenswerthes Familienereigniß, keine Mi— 
itär und Staatsfeier in den beiden Reichen, welche 
zicht durch sichtbare Beweise der aufrichtigen Freund⸗ 
chaft, welche zwischen ihnen besteht, gekennzeichnet 
pürde. Der Tag der feierlichen Eibesleistung des 
zroßfürsten Thronfolgers hat dem erhabenen deut 
hen Monarchen einen neuen Anlaß gegeben, seine 
Herzlichen Gefühle für unser regierendes Haus zu 
ezeugen. Dieses Mal hat er seine Theilnahme an 
er für ganz Rußland freudigen Feier durch seinen 
Enkel, den Prinzen Wilhelm, den ältesten Sohn 
»es deutschen Kronprinzen, kundzugeben gewünscht. 
Die Anwesenheit auswärtiger Regenten bei derar—⸗ 
igen Feierlichkeiten gehört nicht iu den Kreis un⸗ 
bänderlicher Etiquettevorschriften. Taher ist dem 
zesuche des künftigen Erben des deutschen Thrones 
ine um so arößere Bedentung heizumessen als 
Vermischtes. 
f Muünchen, 26. Mai. Ist, Bauerntrampel“ 
eine Beleidigung oder nicht? diesfe wichtige Frage 
veschäftigte heute die Strafkammer des Landgerichis 
München II. Ein gewisser Herr Peter Koppenberger 
zu Freising hatte von seiner Hausfrau Frau Maxia 
Zierer einen Hausschlüssel verlangt, den ihm dieselbe 
iber verweigerte, worauf er sie einen „Bauern⸗ 
rampel? nannte. Wegen dieser Titulatur stellte 
Frau Zierer Klage, aber das Schöffengericht Frei⸗ 
sing erblickte hierin keine Beleidiguͤng. Damit war 
die Klägerin nun gar nicht recht zufrieden und er⸗ 
zriff Berufung an das k. Landgericht in Munchen, 
welches den ungalanten Miethsherrn denn auch 
richtig in eine Geldstrafe von fünf Mark und zur 
Tragung der Kosten verurtheilte. 
T.Mänchen, 27. Mai. Der König hat 
die Plane für den Umbau des Landtagsge— 
udes genehmigt, und der Verfertiger der Plane, 
Oberbaurath Siebert, soll die Ausfuͤhrung sofort 
heginnen. 
FMäünchen. Einiges Aufsehen erregt eine 
in der Magistratssitzung gemachte Mittheilung, wo⸗ 
nach die Munchener Brauer im Jahre 1888 gegen 
1832 zwar nur um 3000 Hekloliter mehr Malz 
erkocht, aber um 70,000 Hettoliter mehr Bier 
iber die städtischen Burgfriedensgrenzen ausgeführt 
jaben. Da man annimmt, daß aus dem Hekto⸗ 
iter Malz nur 22 bis 25 Hektoliter Bier gebraut 
verden, müßte der Verzehr in München seilbst ge⸗ 
valtig abgenommen haben, wovon aber hier „Nie⸗ 
rand Michtä meib“ gi⸗e Gesammimasrenermenduen 
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