Full text: St. Ingberter Anzeiger

Infanteriehatoillons als Gemeiner ein. Er kam 
dann als Gefreiter zum Infanterieregiment Nr. 26 
und wurde hier 1833 Unteroffizier. Sein ernstes 
Streben, sich fortzubilden, seine Fähigkeiten und 
sein Fleiß erregten die Aufmerksamkeit seiner Vor⸗ 
gesetzten, welche ihn zu dem Versuche, das Fähn⸗ 
ich Eramen abzulegen, ermunterten. Im Jahre 
1834 wurde er schon Portepee-Fähnrich und 1835 
hereits Sekonde⸗Lieutenant, fungirte von 1839 bis 
1845 als Bataillons⸗, von 1845-1848 als Re⸗ 
giments⸗Adjutant beim Infanterieregiment Nr. 26, 
gahm an dem Feldzug in Baden als Brigade⸗-Lieu— 
zenant theil und wurde nach der Beendigung des⸗ 
selben als Premier-Lieutenant zum Infanterieregi— 
ment Nr. 24 versetzt. 1853 wurde er Hauptmann 
heim Infanterieregiment Nr. 6, 18588 Major und 
Kommandeur des Landwehrdataislons Oels, 1860 
zum Infanterieregiment Nr. 50 versetzt und 1868 
Oberstlieutenant bei demselben. Bei Ausbruch des 
drieges gegen Oesterreich wurde er mit der Führ—⸗ 
ung des Füsilier-Regiments Nr. 35 beauftragt und 
noch in demselben Jahre zum Obersten und Kom⸗— 
mandeur dieses Regiments ernannt. Im Feldzuge 
1870 - 1871 befehligte er die 11. Infanteriebrigade, 
wurde zum Generalmajor ernannt und bei Azay 
leicht derwundet. Er war zuletzt Kommandeur der 
3. Division in Erfurt. Hier behielt er seinen 
Wohnsitz auch, als er vor einigen Jahren infolge 
iner längeren Krankheit gezwungen war, seinen 
Abschied einzureichen, welcher ihm unter Verleihung 
des Charakters als General der Infanterie bewilligt 
vurde. Der ehemalige Füsilier des Lehrbataillons 
zurfte auf eine glänzende Laufbahn zurückblicken, 
pelche ihm nur sein Fleiß und seine Beharrlichkeit 
eröffnet hetten. 
F Berlin, 28. Mai. Der bekannte Bril⸗ 
antendiebstahl bei den Hofjuwelieren Gebrüder 
Friedländer, der seiner Zeit ein so großes Aufsehen 
xregte, gelangte am Montag zur Kenntniß der ersten 
Strafkammer des kgl. Landgerichts Berlin JI. Am 
Abend des 23. Dezember 1883 war das am Schloß⸗ 
glatz belegene Geschäftslocal der genannten Hofju⸗ 
veliere von Käufern überfüllt. Es mochte etwa 
jegen 6 Uhr Abends sein, als eine elegant gekleidete 
dame eintrat und sich verschiedene Schmuckgegen— 
tände vorlegen ließ. Die Dame wählte lange, 
yermochte jedoch nichts zu sinden, was ihren Wünschen 
tsprach. Ohne etwas gekauft zu haben, verließ 
ie das Geschäftslocal. Kurze Zeit darauf vermißten 
zie Geschäftzginhaber einen Kasten, welcher 228 
joldene Brillantringe enthielt, deren Werth ca. 
0.000 Mk. betrug. Die Criminalpolizei wurde 
ofort benachrichtigt, und deren Bemühungen gelang 
, nach verhältnißmäßig kurzer Zeit die Diebinnen 
jebst Hehlern zu entdecken und den größten Theil 
des gestohlenen Gutes wieder herbeizuschaffen. Jene 
legante Dame war die Wittwe Maria Bertha 
Ida Köhm, eine schon vielfach wegen Ladendieb⸗ 
jahls mit Gefängniß und Zuchthaus bestrafte Per— 
on. Diese wandte sich an zwei andere Wittwen, 
welche den Verkauf bethätigen sollten, und eine da⸗ 
don nahm dazu die Hilfe eines Goldarbeiters Bechert 
m Anspruch. Letzterer Aufforderung wollte Bechert 
auch nachkommen, er war jedoch zunächst bemuht, 
aus fünf Ringen die Diamanten auszubrechen und 
e durch Simili⸗Diamanten zu ersetzen. Roch ehe 
njedoch zu einem größeren Verkauf kam, wurde 
das Verbrecherconsortium entdeckt und zur Haft 
gebracht. Die Frau Köhn wurde zu 8 Jahren, 
eine Hehlerin zu 4 Jahren, eine zweite zu 2 Jahren 
duchthausstrafe verurtheilt. 
FEine bemerkenswerthe Operation 
nurde vor einigen Tagen im Augusia-Hospital zu 
Letlin ausgeführt. Es wurde der 62jährigen Frau 
ä hohen Reichsbeamten vom Prof. Kuͤster eine 
—— ausgeschnitten, welche ein Ge⸗ 
von 15 Pfund hatte. Die Operation ifst 
n gelungen und die Dame befindet sich seit 
eits mehr als 8 Tagen in fortschreitender Re—⸗ 
ondalescenz. 
* ODie Pferdebahn in Berlin) Der 
cht auf — 
edi wir dem Geschästsbericht der betreffenden 
7 d eethschaft für 1883 entnehmen, von 
uno ood in Jahre 1882 auf 62.400,000 
nnum 5.100,000 Personen oder 8,90 90 und 
* sprechend die aus der Personenbeförderung 
m Ennahm⸗ von Mk. 7,199,717.37 auf 
* — 81994 51, mithin um Mk. 5382,277. 14 
ͤd n 8,09 04 gestiegen. Der Wagenpark be⸗ 
xuiß. m Schlusse des Berichtsjahres aus 143 Ver⸗ 
204 Zweifpunner⸗und 135 Einfbanner., 
usammen also aus 482 Wagen. An Pferden be⸗ 
aß die Gesellschaft am Ende des Jahres 2393 
Stück zum Buchwerthe von je Mk. 505.65. 
F Der Berliner Rathhauskeller ist 
»om 1. Januar k. J. ab auf 5854 Jahre dem 
zisherigen Rathhauskellerpächter für 30,000 Mk. 
Jahrespacht seitens des Magistraths zugeschlagen 
wvorden. Bisher betrug die Jahrespacht 66,000 
Mark. Man rechtfertigt diese enorme Herabsetzung 
hurch den „Umschlag der Verhältnisse“. 
F(GReichsgerichtsentscheidung.) Wenn 
der Hopfenhändler zugesagt hat, Naturhopfen 
bester Qualität an den Bierbrauer zu liefern, so 
erscheint die Lieferung von geschwefelten Hopfen 
als vertragswidrig, obwohl das Schwefeln des 
Dopfens erlaubt ist. 
F Ein künstliches Gesicht.) In Favrot 
bei Vandrecies im Norddepartement lebt — so er⸗ 
zählt man der Voss. Z. aus Paris — der frühere 
Ariislerist Josephh Moreau, welcher während des 
deutsch⸗französischen Krieges wohl die schrecklichste 
aller Verwundungen erlittien hat, deren Heilung 
gelungen ist. Ein Granitsplitter riß ihm am 3. 
Januar 1871 bei Bapaume, rechts von oben kom⸗ 
nend, das ganze Gesicht weg; Augen, Nase und 
Oberkiefer waren zerrissen, der Unterkiefer verenkt. 
Man ließ ihn für todt liegen. Eine halbe Stunde 
päter stand er jedoch von selber auf, und da das 
linke Auge noch einen Rest Sehvermögon zeigte 
dam er, öfters fallend auf den Knieen rutschend, 
»is Ervillers. Am folgenden Tage ließ ihn ein 
Oberst nach Arras fahren und ins Lazareth bringen, 
wo er erst am 4. Oktober entlassen werden konnte. 
Während dieser 9 Monaten war die Vernarbung 
nicht vollständig geworden. Man schaffte Moreau 
nach dem Lazareth Val de Grace in Paris, wo er 
»is zum 26. März 1872 blieb. Hier wurde er 
'orgfältig gepflegt und Gegenstand lebhafter wissen⸗ 
chaftlicher Erörterungen. Im April wurde er als 
Jeheilt entlassen. Diese traurige Vollständigkeis 
yesteht darin, daß man ihm ein künstliches Gesicht 
nufgesetzt hat. Da alle Weichtheile seines Gesichts 
zurch die Granate abgerissen und sogar die Knochen— 
heile vielfach gequetscht worden waren, glich das 
Antlitz fast einem Todtenkopfe: zwei leere Augen⸗ 
sölen, eine Höhle an Stelle der Nase und ein 
ffener Mund. Hierauf hat man eine Wachsmaske 
angelegt welche alle fehlenden Theile begreift. Der 
Zahnkünstler Delalain legte einen künstlichen Gaumen 
an, um das Gebiß des Oberkiefers wieder herzu⸗ 
stellen. Die Maske paßte ganz genau, die Augen 
derselben sind geschlossen; sie hält sehr fest, besonders 
da allmählich an ihrem Rande eine kleine Hautwullst 
angewachsen ist. Der Patient athmet durch die 
Löcher der falschen Nase; in den inneren Augen— 
vinkeln der Maske sind zwei kteine Luftlöcher ange⸗ 
zracht. Die Höhlung bei der Nase ist mit Charpie 
interlegt, um die innere Nasenhaut zu schützen. 
kin kleines Schwämmchen nimmt den Nasenschleim 
nuf und verhindert das Eindringen fremder Körper. 
Alle Funktionen sind jetzt gesichert. Moreau athmet 
rei, ißt ohne Beschwerde, vermag selbst Hartes zu 
eißen, spricht so deutlich wie früher, riecht, vermag 
sogar Flöte zu spielen. Er erfreut sich jetzt voll 
tändiger Gesundheit, erzählt bereitwilligt seine Er— 
ebnisse und bethätigt die allen Blinden eigene 
Ergbung in sein Schicksal. Sein Gehör und be—⸗ 
sonders der Tastsinn und das Gefühl haben sich 
außerordentlich entwickelt; von weit und breit kommen 
Leute, um ihn zu besuchen. Er hat das Ehren⸗ 
rreuz und eine erhöhte Pension. 
F GEin seltsames Correspondenz- 
Mittel.) Unter diesem Namen erzählen Pariser 
Zlütter folgenden Roman: „Vor nicht langer Zeit 
vurde ein Raritätensammler in Paris, der bedeu⸗ 
ende Summen ausgab, um verschiedene Banknoten 
ius aller Herren Länder zu erhalten, Besitzer einer 
nglischen Fünf⸗Pfundnote, an welche sich eine ganze 
Beschichte knüpft. Diese Note wurde vor 61 Jahren 
auf einem Handels-Comptoir zu Liverpool in Zah— 
lung gegeben, und der Cousin der Firma, der sie 
in Empfang nahm, bemerkte, als er die Note gegen 
das Licht hielt, um ihre Aechtheit zu prüfen, einige 
blaßrothe Zeichen auf derselben, welche sich bei 
näherer Untersuchung als halb verwischte Buchstaben 
Jerausstellten, welche zwischen die gedruckten Zeilen 
und auf das weißgebliebene Papier geschrieben 
waren. Nach unsäglicher Mühe gelang es, Fol⸗ 
endes zu entziffern: „Wenn diese Note in die 
Zände von John Dean in Carlisle kommen sollte, 
o mag er aus diesen Zeilen entnehmen, daß sein 
Zruder in Algier in Sklavenketten schmachtet“ — 
Zenanntem Dean wurde Mittheilung von dieser 
Entdeckung gemacht, und er rief sofort die Hülfe 
der Regierung an, um seinen Bruder befreien zu 
jelfen. Der Gefangene hatte, wie sich später ergab, 
nit einem Holzsplitter, den er in sein Blut tauchte, 
obige Mittheilung geschrieben und war bereits seit 
sehn Jahren Sklave des Bey von Algier, als sein 
onderbarer Brief endlich an die richtige Adresse 
am. Seine Familie und Bekannten waͤhnten ihn 
»ereits längst gestorben. Es glückte seinem Bruder 
nit Hülfe der englischen Behoͤrden, ihn gegen Er— 
egung eines Lösegeldes frei zu machen und nach 
England zurückzubringen, wo er aber die erlangte 
Freiheit nicht lange genießen sollte. Geist und 
dörper waren durch die andauernden Entbehrungen 
und die schwere Arbeit auf den Galeeren des Beh's 
zänzlich gebrochen. 
F CElektrische Bouquets.) Aus Paris 
vird geschrieben: Zwei Pariser Salon-Löwinnen 
hahen eine neue Mode aufgebracht, nämlich die der 
elektrischen Bouquets. Bei einein Feste erschienen 
diese beiden Damen mit einem Strauße natürlicher 
Blumen an der Brust, aus welchem zu allgemeiner 
Ueberraschung in einem gegebenen Augenblicke 
Aötzlich eine bläuliche Flamme hervorstrahlie. Die 
Damen hatten einfach auf eine am Gürtel ange— 
hrachte, mit dem Bouquet durch einen feinen Draht 
derbundene Feder gedrückt. Die elektrische Flamme 
machte den Eindruck eines großen lichtsprühenden 
Diamanten. Alle Welt fand diese Idee charmant 
uind das „bouquet électrique“ wird ohne Zweifel 
zald an dem Corsage keiner einen Ball besuchenden 
Modedame mehr fehlen dürfen. 
FGtrafe für ein Pamphlet) Marie 
Tolombier ist wegen ihres sittenlosen Schriftchens 
zgegen Sarah Bernhard zu 3 Monaten Gefängniß 
und 1000 Franks Geldstrafe vom Pariser Gericht 
»erurtheilt worden. 
f Nette Zustände herrschen auf Corsika. 
Bei den letzten Gemeinderathswahlen sind nicht 
veniger als zehn Personen ermordet worden, hier 
ein Maire, dort ein Adjunkt, da ein Friedensrichter, 
dort ein Gemeinderath, ohne das die Bevölkerung 
sich darüber im Geringsten aufhält. Ueberhaupt 
teht Mord und Todtschlag auf der Tagesordnung. 
Das Schwurgericht von Bastia hat in seiner nächsten 
Session über acht Morde und vier Todtschläge zu 
erhandeln, dagegen über keinen Diebstahl, keine 
Fälschung, keine unsittliche Attentate, die ander— 
wärts die Mehrheit bilden. 
Aus Spanien kommen bedenkliche Nach— 
richten über stattgehabte Ueberschwemmungen. In 
Drihuela sind sämmtliche Häuser unter Wasser und 
die Bewohner haben sich auf die Dächer geflüchtet. 
Zwei Vorstädte von Burgos find ebenfalls über— 
chwemmt und in Lorca etwa 70 Hauser eingestürzt. 
fFWGie erkennt man käünstliche But—⸗ 
der?) Trotz des massenweisen Vorkommens künst⸗ 
icher Butter scheint das Publikum im Allgemeinen 
»och nur einen ziemlich unklaren Begriff davon zu 
Jaben, welche Unterscheidungsmerkmale zwischen diesem 
Erzeugniß und der Naturbutter bestehen. Dies hat 
ich mindestens kürzlich in England gezeigt, wo man 
19 Landwirthe eine vergleichende Prüfung beider 
Butterarten vornehmen ließ. Als Resuliat ergab 
ich hierbei, daß 10 derselben nicht im Stande 
waren, das Kunstprodukt von der natürlichen Waare 
zu unterscheiden. Die Fabriken von Kunstbutter 
sttellen ihr Produkt in der Regel aus einem Gemisch 
pon 60 bis 85 Theilen Schweinefett (verschiedene 
nerwenden auch Ochsentalg dazu), sowie 15 —40 
Theilen Naturbutter her. Wenn Beides gehörig 
nit einander verbunden und das Produkt gut ge— 
alzen, gefärbt, durchgeknetet und in passende Stücke 
jeformt ist, so verkauft es sich leichter als Natur— 
zutter, wie man wohl denkt. Nun steht man indeß 
nöglichen Uebervortheilungen nicht gänzlich schutzlos 
Jegenüber, sondern es gibt ein einfaches und sicheres 
Lerfahren, vermittelst welches man die künstliche 
Butter von natürlicher zu unterscheiden vermag. 
Man schmilzt ein Quantum der verdächtigen Waate 
und kühlt dasselbe durch Eis so rasch wie möglich 
ab. Ist die Butter nun ein Kunstprodukt, so zeigt 
es sich, daß das Schweinefett derselben zu Boden 
Jesunken ist, während der Inhalt an natürlicher 
Butter die obere Schicht bildet, die sich von dem 
Schweinefett in scharfer, leicht erkennbarer Weise 
abhebt. 
F Eia großer Betrug, der ein charakte— 
cistisches Zeichen der Sorglosigkeit im Geschaͤftever⸗ 
'ahren einzelner russischer Institute ist, wurde in 
diesen Tagen in Mosktau entdeckt. Ein Hochsiople