Full text: St. Ingberter Anzeiger

st. Jugherter Atzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
vet St . Ingberter Anzeiter“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Mountag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöͤchentlich mit Unterhaltungs 
glatt und Sonntags mit Sseititzer illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1.4 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1.75 H, einschließlich 
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auf welche die Erpedition Auskunft ertheilt, 15 8, Neclamen 30 B. Bei 4maliger Einrüuckung wird nur dreimalige berechnet. 
M 1060.. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 30. Mai. Der Erbgroßherzog 
jon Baden wurde heute auf der Potisdamer 
parade vom Kaiser zum Major beördert. 
der Reichstag wird, wie schon mitgetheilt, 
um Dienstag, 10. Juni, seine Thätgkeit mit der 
herathung von zwei gewerbepolitischien Anträgen 
der konserbativen und klerikalen Partei wieder auf⸗ 
nehmen. Der erste Antrag erhebt bekanntlich die 
alte Forderung der Beschränkung der Lehrlingsan⸗ 
nahme auf Innungsmeister. Er war in der 
Wintersession 1882/83 schon einmal gestellt, wurde 
cher damals mit 170 (liberalen und freikonserva⸗ 
iiben) gegen 148 Stimmen abgelehnt. Die Re— 
zierung hat sich wiederholt gegen den Antrag 
aatlart, und es ist mit großer Wahrscheinlichken 
anzunehmen, daß er auch jetzt wieder, wenn auch 
mit geringer Mehrheit, abgelehnt wird. Der zweite 
Antrag bezweckt die Einführuag von Gewerbekam⸗ 
mern, um dem Gewerbestand eine ähnliche Ver— 
letung zu schaffen, wie sie der Handelsstand in 
en Handelskammern besitzt. Der Antrag wird 
auch von liberaler Seite nicht prinzipiell bekämpft 
werden kͤnnen. Die Sozialdemokraten haben einen 
zusazantrag auf Errichtung von Arbeiterkammern 
zestellt. 
Stempelsteuergesetz. In Augsburg hat 
aine Versammlung von Inhabern angesehener Firmen 
xeshlossen, eine inzwischen bereits in Circulation ge⸗ 
ezte Eingabe an die Handels- und Gewerbekammer 
um Schwaben zu richten, in welcher dieselbe gebeten 
vwird, die bayerische Staatsregierung zu ersuchen, 
um Stempelsteuergesetzentwurfe nicht zuzustimmen. 
Ausland. 
London, 29. Mai. Die Abendblätter melden 
us Dover: Bei der gestern erfolgten Ankunft des 
Atzogs von Cambridge wurde ein verdaͤchtig aus⸗ 
hendet Mann, welcher sich auffälliger Weise an 
dn Herzog herandrängte, verhaftet. Es wurde bei 
denselben ein Revolbet gefunden. 
Deutschland in Afrika. Dem „Hamb. 
borr.“ zufolge hat eine deutsche Expedition mit 
det Corbetie Elisabeth“ die Reise nach Capstadt 
neneten. Dieselbe begibt sich von dort zunachst 
ih Angrag Pequena, von wo dieselbe in nord⸗ 
fcher Richtung den Marsch nach dem oberen 
mh. mittleren Laufe des Congo antrelen will, um 
r Straße zu finden, auf welcher ebent. der 
Antenberkehr aus dem Juneren nach dem genannien 
senpunlte geleitet werden konnte Die Fuhrung 
niher Erpeditjon, deren Ausrüstung zum Theil in 
smuir beschafft worden, ist dem Lieutenant 
und Israel anvertraut, einem geborenen 
nbutger, der s. Z. als dritischer Fähnrich den 
— mitgemacht und spater unter Befehl 
—T Grant Elliot zwei Erpeditionen nach 
n Niadi⸗NKwilu begleitet hat, welche auf Veran⸗ 
V Stanley's ausgeschickt worden sind. Die 
Ashdaftiche Leitung der Expedition ist Herrn 
dopfer ühergeben; außerdem wird die letztere 
u den Luderitz „Heinem Bruder des Inhabers 
—V Firma, auf deren Veranlassung 
i auch gemacht wird, sowie einem Ingenieur, 
—6 einer Eisenfirma in Westfalen, be⸗ 
* Die Hauptschwierigkeit für den Marsch in 
hich ter Angra Pequena liegenden Küstenländern 
n dem Mangel an Trinlwasser; die Erpe⸗ 
in in Folge dessen mit einem neuen System 
Sonntag, 1. Juni 1884. 19. Jahrg. 
zur schnellen Herstellung artesischer Brunnen ver⸗ 
jsehen. Von der deutschen Regierung wird diese 
crpedition insofern unterstützt, als dieselbe ihr die 
Ueberfahrt auf der „Elisabelh“ gestattet hat; auch 
verden die Reisenden die Fahrt von Capstadt nach 
Angra Pequena wahrscheinlich auf einem deutschen 
danonenboote fortsetzen. 
rung keine Folge und hieb auf seine Pferde ein, 
so daß ein Zusammenstoß mit der koͤniglichen 
kquipage nur durch das Eingreifen des Gendarmen 
»erhütet wurde. Als nun ein anderer Gendarm 
die Identität des Fuhrmannes feststellen wollte und 
deßhalb die Pferde aufhielt, sprang Sommer vom 
Wagen, erhob die Peitsche zum Schlage und ver⸗ 
etzte unter Schimpfworten dem Gendarmen einen 
Stoß auf die Brust. Dann sprang er auf das 
Fuhrwerk, konnte aber den Namen des Sommer 
erst erfahren, nachdem er diesen geschlossen hatte. 
der Angeklagte will einen Rausch gehabt haben 
und vom Gendarmen zum Zuschlagen gereizt 
vorden sein. Das Gericht verurtheilte den Ange⸗ 
lagten wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt 
zu sechs Monaten Gefängniß und wegen UÜeber⸗ 
retung straßenvolizeilicher Vorschriften zu 14 Tagen 
daft. 
F Ner Fabrikarbeiter Max Kohler stahl dieser 
Tage von einem Seitenaltar der Pfarrkirche St. 
Beorg zu Augsburg eine vergoldete mit unechten 
Steinen besetzte Reliquien-⸗Monsiranz, wurde aber 
alsbald festgenommen. Kohler hatie sich von dem 
Verlaufe der Monstranz einen großen Gewinn ver⸗ 
prochen, weil er die buntfarbigen Steine an der⸗ 
selben für Edelsteine hielt. 
fF* Mayen, 28. Mai. Kaum ist die Mai— 
läferplage einigermaßen im Abnehmen, so droht 
eine andere, viel schljmmere Gefahr unserer ganzen 
Apfelbaum⸗Cultur: die schon im vorigen Jahre 
aufgetretene Woll- oder Blutlaus, (aphis lanigera) 
zeigt sich wieder. Einstweilen sieht man erst an 
alten Bäumen die morschen oder wunden Stellen 
der Stamme mit den Wollhaaren bededt, es ist, 
dies ein neuer Beweis dafür, wie nöthig es gewesen 
väre, die so allseitig und dringend empfohlene Be⸗ 
eitigung der ungesunden Stämme zu befolgen. 
Jetzt ist es dafür natürlich zu spät, und wenn nicht 
in aller Eile die wirksamsten Mittel ergriffen wer⸗ 
den, so müssen die Folgen unabsehbar sein. 
f Mit Bestimmtheiu tritt die Nachricht von 
der bevorstehenden Verlobung der Prinzessin Hilda 
von Nassau mit dem Erbgroßherzog von 
Baden auf. Diese Verbindung würde die Aussoh⸗ 
aung des Hauses Nassau mit dem preuß. Hofe und 
mit — 1866 bedeuten. 
4Frankfurt a. M., 29. Mai. Gestern 
vurde auf der Constabler Wache ein Amerikaner 
eingebracht, weil er wiederholt gebettelt hatte. Er 
machte einen stumpfsinnigen Eindruck und war man 
um so mehr erstaunt, einen scharf geladenen Re⸗ 
polver bei ihm zu finden. Die Wafsfe war eigen⸗ 
thümlicher Construktion und konnte nur von einem 
Sachverständigen entladen werden. Der Beitler 
befragt, warum er so ausgerüstet auf den Bettel⸗ 
zang gehe, meinte, dies sei in Amerika so Usus, 
dort trage Jedermann, selbst das Baby, einen Re— 
volver. 
F Dortmund, 28. Mai. Hier wurde dieser 
Tage ein junger Weltbürger mit sechs Fingern an 
eder Hand und sechs Zehen an jedem Fuͤße ge⸗ 
„oren. Von dem hinzugerufenen Ärzte wurden die 
berflüssigen Glieder entfernt. Interessant hierbei 
ist, daß auch die Mutter des Kindes bei ihrer Ge⸗ 
burt dieselben Abnormitäten hatte. 
f In einer furchtbaren Lage wurde 
im Abend des Himmelfahrtstages ein Kind von 
Berliner Ausflüglern gefunden, welche von Wil⸗ 
nersdorf heimkehrten. Das Kind stak in einem auf 
iner Wiese stehenden Weidenbaum, wo es durch 
ein Wimmern die Aufmerksamkeit der Spazier- 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— Konkurs wurde eröffnet über das Ver— 
nögen von Johann Herzer, Oelmüller in Kott— 
veiler· Schwanden; Konkursverwalter: Franz Kranz, 
Beschäftsmann in Landstuhl. 
— Wie das „S. W.“ erfährt, wurde der 
Reger, welcher in New-⸗Orleans den von Berg— 
zabern gebürtigen Bäcker Heinrich Lorch erstach 
zu zehnjährigem Zuchthaus verurtheilt. 
— Maudach, 28. Mai. Gestern wurde die 
7*4 jährige Tochier eines hiesigen Ackerers im Frz. 
Börstler'schen Weiher ertränkt aufgefunden; dieselbe 
'oll sich am Montag von ihrem elterlichen Hause 
entfernt, und am selbigen Tage Hand an ihr Leben 
zelegt haben. Was sie zu solchem unseligen Schritte 
zewogen hat, ist ganz unbekannt. 
— Oggersheim, 29. Mai. Das Haus, in 
dem Friedrich don Schiller hier nach seiner Flucht 
yon Stuitgart bez. Mannheim längere Zeit wohnte, 
ommt nächsten Dienstag, den 8. Juni zur Ver⸗ 
teigerung. (F. T.) 
— Aus Freinsheim, 28. Mai, wird dem 
„D. Anz.“ geschrieben: Unser Kirschenversandt, 
velcher bereits am 20. d. M. begonnen, kommt 
mmer mehr in Fluß. Körbe, welche aus dem 
Felde kommen und einen Inhalt von 70 bis 80 
Pfund haben, sind schon keine Seltenheit mehr; da 
das Pfund nun heute noch 285 Pf. kostet, so reprä⸗ 
sentirt ein solch' einziger Korb 18 — 20 Mt. 
Vermischtes. 
fF München, 29. Mai. Der kommandierende 
Beneral der Schweizer Truppen, Hans Herzog, 
raf von Berlin hier ein und stieg im Hotel „Belle 
due“ ab. Gestern wohnte der General den Ueb⸗ 
ungen der Artillerie auf Oberwiesenfeld an und 
empfing später die Besuche mehrerer höherer Offi⸗ 
ziere, welche er nachmittags erwiderte. Der Generel 
vird auch noch den Uebungen anderer Truppentheile 
zeiwohnen und sich sodann nach Aarau begeben. 
F München, 29. Mai. Die Jury der Pa—⸗ 
iser Kunstausstellung hat am vorigen 
A 
perliehen, worunter eine auch auf einen deutschen 
Maler Herrn Karl v. Stetten von Aussburg fiel. 
Der talentvolle junge Küstler ist, so viel wir wissen, 
n Defreggers Atelier herangebildet worden. — 
Die von der „Corr. Hofmann“ gebrachte Nachricht 
don dem Verkauf des Kolosseums an eine 
Aktiengesellschaft wird jetzt als falsch bezeichnet; die 
Anterhandlungen seien noch lange nicht soweii ge⸗ 
diehen, daß von einem Verkauf ernstlich gesprochen 
werden könne. 
Aus der Strafkammersitzung des kgl. Land⸗ 
zerichs München 1 entnehmen wir folgenden 
Fall: Am 27. Februar 1884 Nachmittags forderte 
»er Stationskommandant Klessinger den Dienstknecht 
Joseph Sommer von Berg am Laim in der Königin⸗ 
traße zu München auf, mit seinem Ziegelwagen zu 
jalten, da die Equipage Sr. Maj. des Konigs in 
Sicht war. Sommer leistete aber dieser Aufforde⸗ 
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