Full text: St. Ingberter Anzeiger

d 9 dd 29—— h 21 —58B984 — —9 0 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Insbert. 
r St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unter haltungs 
guatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 60 — einschließlich Tragerlohn; durch die Poft bezogen 1.M 75 , einschließliq 
d A Zustellungsgebühr. Die Eiurückungsgebühr für die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 8, NReclamen 830 . Bei 4maliger Linruckung wird nur dreimalige berechnet. 
M 108. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 5. Juni. Der Straßburger Männer⸗ 
ꝓesangperein wurde heute von dem Kronprinzen 
ind der kronprinzlichen Familie im neuen Palais 
n Potsdam empfangen. Der Präsident des Ver⸗ 
ins hielt eine patriotische Ansprache und brachte 
n dreimaliges Hoch auf den Kronprinzen aus, 
n welches die Versammelten begeistert einstimmten. 
sierauf überreichte der Präsident ein Album mit 
idresse und Photographien des Straßburger Mün⸗ 
ers. Der Kronprinz dankte mit herzlichen Worten. 
der Verein trug sodann unter der Leitung des 
dapellmeisters Hilpert eine von diesem componirte 
uldigung, sowie mehrere andere Gesangspiècen 
or, worauf im Nebensaale ein Deijeuner einge— 
ommen wurde. 
Berlin, 5. Juni. Die heute hier versammel⸗ 
n Delegirten des Berliner Aeltesten⸗Collegiums 
ind der Handelskammern von Köln, Frankfurt a. 
N., Karlsruhe, Mannheim, Hannover, Bremen, 
jamburg, Stettin, Königsberg, Magdeburg, Bres⸗ 
au, Danzig, Veipzig und Dresden beschlossen, be—⸗ 
uͤglich des Börsensteuer⸗Gesetzentwurfes eine Peti⸗ 
on an den Bundesrath zu richten, welche von dem 
serliner Aeltesten ⸗Collegium entworfen ist und in 
Algenden vier Punkten gipfelt: 1) Der Stempel 
uf Immobilien ist nicht maßgebend für den Stempel 
uf Handelsverkehrsobjekte, weil bei beweglichen Gütern 
röglichst schneller Umsatz wünschenswerth sei; 2) 
az Gesetz würde zur Folge haben, daß zum Nach— 
jeile des Landes wenige große Mitelpunkte jetzt 
ie im Lande verbreitete commercielle Arbeit in sich 
ufsaugen würden; 3) die Kontrolbestimmungen er⸗ 
heinen nicht annehmbar, weil sie das Verkehrsleben 
ner polizeiliche Aufsicht stellen; O die auf den 
umnschlag gelegte Geschäftssteuer würde, da sie nir⸗ 
ends anderswo existirt, den deutschen Handel für 
nernationalen Verkehr schwer schädigen. 
Ein Telegramm an den Fürsten 
zismarck hat der nationalliberale Verein in 
aheburg beschlossen und abgesandt. Dasselbe lautet: 
Der neugegründete nationalliberale Verein von 
aheburg und Umgegend geftattet sich in glühender 
egeisterung für Kaiser und Reich Eurer Durch⸗ 
ncht seine freudige Zustimmung zu Ihren sozial⸗ 
litischen Planen auszusprechen mit der festen 
fnung, daß dieselben zum Segen Deutschlande 
Ad verwirklicht werden.“ Auf diese Depesche ist 
den Vorstand des Vereins Herrn Raydt in Ratze⸗ 
atg folgende Antwort eingetroffen: „Friedrichsssruhe, 
, Juni 1884. Ich danke dem nauonalliberalen 
hereine zu Ratzeburg für seine sympathische Be⸗ 
rüßung, und freue mich, darin den Ausdruck der 
beilnahme an den von Seiner Majestan dem 
duiser angestrebten sozialen Reformen zu finden, 
relcher in der parlamentarischen Vertretung unseres 
eimischen Kreises bisher nicht zur Erjcheinung 
tlemmen ist. d. Bismard. 
bon den dem Reichstage nach Wiederauf⸗ 
um seiner Thätigleit noch vorbehaltenen Arbeiten 
P für die commereciellen Beziehungen zu den 
5 am Weltverkehr betheiligten Nationen 
maiee die Frage eines staatlichen Zuschuf⸗ 
I den überseeischen Postdämpfer- 
indungen weitaus die größte Bedeutsam⸗ 
—* ihre Beantwortung werden sich deßhalb 
hiatten Dehatten knüpfen, wie auch gewiß 
44 ezum Anlaß genommen werden dürfte, die 
qierung über ihre dolnialpoliñschen Anfickken w 
Samstag, 7. Juni 1884. 
19. Jahrg. 
interpelliren. Wenn es aber die längste Zeit ge⸗ 
schienen, als habe die doctrinäre Opposition die 
Absicht auch hier wieder ihre Hebel einzusetzen, um 
zegen die reichskanzlerischen Pläne zu agitiren, so 
muß sich neuerdings der fortschrittliche Wind stark 
jedreht haben, da einzelne Richter'sche Organe 
yereits hübsch beilegen und gar nichts so Erschreck⸗ 
liches mehr darin erblicken, wenn 4 Millionen von 
jen postalischen Einnahmeüberschüssen der Förderung 
deutschen Exportgeschäfts geopfert werden. Sollte 
n Hamburg vielleicht bei dem Einschlagen eines 
inderen Kurses die Seebrise Herrn Richter zu sehr 
n den Nacken geschlagen haben! (Pf. L. C.) 
Die hochoffiziöse „Montagsrevue“ bespricht das 
Vorgehen des Fürsten Bismarck in der Congo— 
rrage folgendermaßen: „Das überseeische Aus— 
zreifen Frankreichs scheint jedenfalls die Aufmerk⸗ 
amkeit Deutschlands immer mehr in Anspruch zu 
iehmen. England ist ja durch die ägyptischen Ver—⸗ 
egenheiten verhindert, gegen die französische Position 
n Hinterindien entschiedene Stellung zu nehmen, 
llein auch Deutschland hat in diesen Gebieten ernste 
Interessen zu vertheidigen; denn der deutsche Handel 
sjat dort eine Ausdehnung gewonnen, welche die 
rorderung eines nachdrücklichen Schutzes seitens der 
stegierung kaum mehr zurückweisen läßt. In der 
Longo⸗Frage erfreute sich Deutschland eines raschen, 
urchdringenden Erfolges. Nunmehr legt Deutsch⸗ 
and auch in Angra Pequenna in die Handels⸗ 
ind Kolonialprivilegien Englands Bresche, und es 
st daher nicht unmöglich, daß die Reihe alsbald 
in Frankreich kommt. Ernste politische Differenzen 
ind von diesen Verwicklungen keinesfalls zu er⸗ 
varten; aber sie bieten doch ein interessantes Bild 
zon den gleichgearteten Bestrebungen und dem 
ntensiven Ringen nach einem möglichst großen 
Antheil an der Entscheidung der weltpolitischen 
Fragen. Das charakteristische Symptom bleibt jedoch, 
»aß Deutschland mit Nachdruck und Energie in den 
Wettkampf der Völker tritt.“ 
„Ein Luxus sonder Gleichen“ soll es sein, wenn 
Deutschland eigene Postdampferlinien nach 
Australien und Ost⸗Asien einrichtet. Die Zeitungen 
des Herrn Richter behaupten es freilich allein unter 
illen Parteiblättern; (das Centrum hat sein volks⸗ 
virthschaftliches Bewußtsein in dieser Angelegenheil 
zoch taltgestellt, wahrscheinlich weil Kardinal 
dedochowsli noch immer keinen Nachfolger gefunden, 
den sich Preußen gefallen lassen kann) — aber 
dafür wird die fortschrittliche Weisheit wieder so 
XD 
„tube des kleinsten Mannes hinein vernehmbar ist. 
Dder Spieß muß aber umgedreht werden. Ein 
duxus ohne Gleichen, — ein Luxus, dessen ganze 
dosten der deuische Steuerzahler mit sauerem 
Schweiße aufbringen muß, ist das unfruchtbare 
hezeter der Fortschritispartei über zu hohe Steuern, 
venn sie nicht dazu beitragen will, den National⸗ 
vohlstand zu vermehren, so daß die Steuerlast er⸗ 
räglicher wird. Der Nationalwohlstand aber wird 
inleugbar wesentlich vermehrt, wenn der Handel 
neue Absatzgebiete, neue Gebiete für den Austausch 
er Rohstoffe gegen die deutschen Fabrikate findet. 
Und da der Handel der Flagge folgt, wird er sich 
n Ostasien und Australien noch gewaltig ausbreiten 
önnen, sobald nur erst die deutsche Postflagge in 
enen überseeischen Gebieten zum Wegweiser wird! 
der gewaltige Lärm also, den die Fortschrittspartei 
rbeben läßt, beweist wiederum nur, wie wenig 
tichhaltig ihre eigenen Behauptungen ihr er⸗ 
veinen! (Pf. L. C.) 
Das Erträgniß der neuen Vorschläge von 
Zollerhöhungen wird auf ein jährliches Megr 
bpon etwa zwei Millionen zu schätzen sein. Wenn 
Frankreich, wie es bereits in Aussicht gestellt wird, 
ind die Schweiz, von woher direkte Drohungen 
aut werden, — mit Gegenmaßregeln antworten, 
'o steht zu befürchten, daß unsere Viehzüchter, unsere 
Wollwaaren⸗Industrie und andere minder hoch be—⸗ 
heiligte Erwerbsarten den zehnfachen Betrag an 
hrer Ausfuhr nach jenen Ländern einbüßen. Die 
Vorschläge der Regierung mögen also baldigst zu 
den „Akten“ gebracht werden! (Pf. L. C.) 
Ausland. 
Die spanischen Offiziere, welche mehrere 
Wochen in Berlin sich aufgehalten und den Früh— 
ahrsbesichtigungen beim hiesigen Gardekorps beige— 
vohnt hatten, haben gestern Abend Berlin wieder 
derlassen, um über Paris nach Madrid zurückzukehren. 
Vor ihrer Abreise wurden sie noch vom Kaiser durch 
Berleihuna von Ordensdekorationen ausgezeichnet. 
EobLale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 6. Juni. Heute Vormittag 
vurden auf Anordnung des kgl. Bezirksamtes in 
»en hiesigen Volksschulhäusern Proben bezüglich der 
Entleerung derselben während der Unierrichtszeit 
jorgenommen. Die Entleerung des Schulhauses in 
der Unterstadt — 12 Schulen mit circa 900 Kin⸗ 
dern und 4 Ausgängen — erfolgte in nahe 3 
Minuten. Die Entleerung des Schulhauses im 
Josephssthal — 6 Schulen mit circa 450 Kindern 
und 2 Ausgängen — erforderte nicht ganz 2 Minuten. 
*St. Ingbert, 6. Juni. Von einem hie⸗ 
igen Hühnerzüchter wurden uns heute 3 Eier im 
Besammtgewichte von 317 Gramm zugesandt. Das 
leinste der Rieseneier wog 102, das größte 110 
Bramm bei einem Durchmesser von 7 etm. Die 
Henne, ein Brahma⸗Huhn, soll angeblich jeden 
Tag ihr Ei legen. Unter solchen Umständen mag 
die Hühnerzucht schou rentabel sein. (Ein gewöhn⸗ 
liches Hühnerei wiegt 45 bis 50 Gramm.) 
[] Schnappbach, 5. Juni. Gestern wurde 
dor dem Amisgerichte zu St. Ingbert ein Bergmann 
von hier zu 6 Mk. Geldstrafe und den Unkosten 
derurteilt, weil er gegen einen der hiesigen Lehrer 
auf öffentlicher Straße beleidigende Ausdrücke sich 
erlaubte. Die Ehefrau desselben, welche treue Mit⸗ 
helferin, resp. Anfängerin davon war, wurde schon 
früher zu 8 Mark und den Unkosten verurteilt. 
Für die betr. Familie wird dies wohl ein teueres 
Andenken sein und auch andern zur Warnung 
dienen, daß man mit solchen Titulanionen nicht so 
verschwenderisch um sich werfen darf. 
— Am DreifaltigkeitsSamstag wird der Blies⸗ 
zau⸗ Cäcilienverein seine erste Hauptkonferenz für 
dieses Jahr in Witters heim abhalten und da⸗ 
bei in der dortigen Filialkirche ein Kirchenkonzeri 
oeranstalten. Es werden sich betheiligen die Cäci⸗ 
lienvereine von Bebelsheim, Bliesmengen, Ensheim, 
Erfweiler, Habkirchen, Niederkirchen, Ommersheim. 
Rubenheim, Wittersheim. 
— Die „Neustadter Zeitung“ theilt berichtigend 
mit, daß die gegen sie ausgesprochene Geidstrafe 
nicht 1000, sondern 1100 Mtk. betrage. Gegen 
das Urtheil des Schoͤffengerichts wurde bereits Be⸗ 
rufung eingelegt. 
— Weidenthal, 2. Juni. Gestern ent⸗ 
leisten bei Güterzug 310 zwischen Lambrecht- 
Weidenthal im Tunnel Schoenenberg 2 Wagen, mit 
dohlen und Wolle beladen. Die Züge,. welche nach