Full text: St. Ingberter Anzeiger

Brillenberger zu sprechen beabsichtigt halte, auf 
Frund des Sozialistengesetzes verboten; ebenso alle 
Bersammlungen und Aufzüge in den nahe bei 
Neustadt liegenden Gemarkungen. 
Der Einberufer der Versammlung, Schuhmacher 
Pfaff, wurde angewiesen, innerhalb 24 Stunden 
zas Weichbild der Stadt Neustadt zu verlassen. 
— Laͤndau, 7. Juni. Die Herren Clundt 
1. Gürleth haben gegen den abschlägigen Bescheid 
des k. Bezirksamtes wegen Errichtung einer Gast⸗ 
virthschaft ꝛc. von dem Rechtsmittel des Rekurses 
zei k. Regierung Gebrauch gemacht. — Zu Anfang 
dieser Woche hat in hiesiger Stadt durch die Polizei 
ine Aufnahine über die Zahl der in den Gast⸗ 
Jjäusern und zum Logiren berechtigten Wirthschaften 
‚orhandenen Fremdenzimmer Statt gefunden. 
— Aus Landau, HY. Juni, schreibt das „L. 
Tagbl.“: Am Samstag Abend wurden die noch 
borhandenen Exemplare der Nummer unseres Blattes 
bon demselben Tage auf Verfügung der k. Staats⸗ 
nwaltschaft beschlagnahmt. Den Grund der Be— 
schlagnahme bildete ein im Anfange der Rundschau 
enthaltener Artikel. Die Rechtfertigung dieses Vor⸗ 
Jehens bleibt abzuwarten. Der Zweck unseres 
Artikels war kein anderer, als eine scharfe Aus- 
inandersetzung über die Seitens der Conserva— 
fiven bethäligte Auffassung der Stellung des 
Zaisers, sowie eine Verurtheilung der von den 
Tonservativen in der rücksichtslosesten Art und 
Weise versuchten, nothwendig zur Untergrabung aller 
Fundamente der Monarchie führenden Hereinziehung 
der Person des Kaisers in den Kampf der Parteien 
uind der Ausbeutung von Aeußerungen des Kaisers, 
denen sie den Schein von Aeußerungen zu Wahl⸗ 
zwecken in ihr em Sinne unterschieben. Von einem 
Angriff auf die Person des Kaisers kann nach 
dem ganzen Zusammenhange und der klaren Tendenz 
des Artikels, die aus dem Satze „für uns steht 
die Person des Kaisers ein für alle Mal über 
den Parteien“ hervorgeht, keine Rede sein. 
— Nach der „Pf. Pr.“ war das Glücksrad 
der Braunschweiger Lotterie vier Lan— 
dauer Bürgern besonders günstig gewogen, indem 
s jedem derselben 10.600 Mark in die Hände 
pielte. 
— Dürkheim, 7. Juni. Das Hötel zum 
Haardtgebirge wurde der früheren Besitzerin Wittwe 
Sorg bei der gestrigen Versteigerung um den Preis 
don 26,000 M. zugeschlagen. (D. A.) 
— Dem Programm des am 15. Juni in 
Winnweiler stattfindenden Kriegerfestes entnehmen 
vir. Morgens 10 Uhr: Verhandlungen des Ver⸗ 
„andstages bei Bierbrauer Bischoff; halb 12 Uhr: 
Parademusik: Nachmittags 1 Uhr: Mittagstisch; 
2 Uhr: Festzug durch die Stadt, sodann Reunion 
und Konzert und Abends 8 Uhr Konzert, Banket 
und Tanzunterhaltung auf der v. Gienanth'schen 
Brauerei. 
— In einer Stadt der Pfalz lebt gegen⸗ 
wärtig ein in einem größern Landstädtchen geborner 
Mann, der mit 80 Pfg. täglichem Verdienste ein 
fümmerliches Dasein fristet. Derselbe spricht meh⸗ 
rere Sprachen, hat Egypten besucht, war einmal 
päpstlicher Zuave und führte überhaupt ein unstetes 
Leben. Als denselben kürzlich Jemand fragte, was 
er denn mache, wenn er vollends arbeitsunfähig 
verde, von was er denn lebe? antwortete er: Ja, 
vas glauben Sie denn? Ich bin reich, ich habe 
n meiner Heimathsgemeinde drei Häuser stehen! 
Als der Fragende ihn erstaunt ansah, fuhr er fort: 
„Sie glauben es wohl nicht, es ist doch so, meine 
brei Häuser benennen sich: Armenbaus. Kranken⸗ 
haus und Gefänanik!“ 
Voerm ischtes. 
4 Friedrichsthal, 9. Juni. Durch Fels- 
sturz wurden heute in der hiesigen Grube zwei 
Bergleute ziemlich erheblich beschädigt. Beide wurden 
ins Lazareth nach Sulzbach gebracht und es soll 
einer der Verunglückten, der bedeutendere Ver— 
letzungen erlitt, leider bereits in den letzten Zügen 
liegen. (S. u. Bl.⸗3.) 
F Neunkirchen, 8. Juni. Ein Extrazug, 
den sich die Beamten auf Grube Heiniztz für ca. 
1900 Mk. von der kisenbahnverwaltung hatten zur 
Verfügung stellen lassen, brachte, gegen 6 Uhr von 
hier abgehend, die Beamten selbst mit ihren 
Familien, den Kriegerverein Heinitz ⸗Elversberg ꝛtc. 
jebst dem Neunkircher Waffenbrüder⸗-Verein und 
ahlreichen anderen Theilnehmern nach Bingen, von 
wo aus dieselben sich nach Rüdesheim zur Besich⸗ 
iaung des Niederwald-Denkmals übersetzen ließen. 
Abgesehen von dem zeitweise störend wirkenden 
stegenweiter verlief die Fahrt in schönster Weise. 
In derselben schönen Absicht, das Niederwald- 
HDenkmai zu besichtigen, werden demnächst auch die 
jiesige höhere Bürgerschuie und das St. Wendeler 
Frogymnasium einen Ausflug nach Bingen, Rüdes- 
seim unternehmen, wobei eine derartige Preiser⸗ 
näßigung von der Eisenbahnverwaltung bewilligt 
vird, daß das Billet für den einzelnen Schüler 
ruf nur 3 Mk. zu stehen kommt. (S. u. Bl.3.) 
Am Donnerstag, den 12. Juni, nachm. 8 
Uhr, findet in Neunkirchen das Gustav— 
Adolf-Fest der Kreissynode Saarbrücken statt. 
Bregenz, 7. Juni. Man telegraphirt der 
Wiener „Presse“: Heute Vormittags lief der Dam— 
ofer „Habsburg“ vom Stapel. In dem Momente, 
ils das Schiff unter brausendem Hochrufen die See 
rreichte, brach ein Holzsteg, auf dere etwa 40 
damen standen, darunter die Taufpathin der 
Austria“, Fürstin Taxis. Laut schreiend stürzten 
»ie Damen in einen Knäuel zusammen, und zwar 
um Theil ins Wasser. Schnelle Hilfe war sofort 
ur Hand und es ist so ein arsßerer Unfall nicht 
zu beklagen. 
München. Der thierärztliche Verein in 
Bayern hatte im Jahre 1883 die Preisfragend aus⸗ 
jeschrieben: „Welches sind die hauptsächlichsten Ur⸗ 
achen der frühzeitigen Abnutzung der Gliedmaßen 
inferer verschiedenen Gebrauchspferde, und welche 
Mittel erscheinen geeignet, diesem Uebelstande er— 
olgreich entgegenzuwirken?“ und als Termin zur 
xFinsendung der mit einem Motto ohne Namens- 
inlerschrift versehenen Arbeiten der 5. März 1884 
»estimmt. Bis zum festgesetzten Zeitpunkle sind 
nun drei größere Bearbeitungen aus Bayern einge— 
aufen, welche von dem Preisgerichte, das aus den 
derren k. Professor Friedberger in München, k. Ge⸗ 
fütsdirektor Adam in Zweibrücken und k. Bezirks⸗ 
hierarzt Putscher in Bruck bestand, eingehend 
Jeprüft wurden. Zufolge Urtheils dieses Preis— 
jerichts wurde der Preis der Schrift mit dem Motto: 
Noscitur éô pedibus quanta sit equorum vis? 
uerkannt. Als Verfasser derselben ergab sich nach 
rröffnung des beigelegten verschlossenen Couverts 
derrek. Bezirksthierarzt Weiskopf in Auasburq 
früher in Edenkoben). 
Mitterteich, 4. Juni. Der k. Forstge⸗ 
zilfe Christof Pürner, ein sehr braver, pflichtge— 
reuer Mann, wurde nach dem „Amb. Tgbl.“ vor⸗ 
Jestern Abends 8 Uhr von Wilderern erschossen. 
Die „N. Würzburger Ztg.“ schreibt: 
die Nachricht, der vorigen Samstag versammelte 
dösener 8. O. habe in der bekannten Moschel⸗ 
dennig-Affaire das von dem Würzburger 8. 0C. 
ingeschlagene Verfahren mißbilligt und dem letzteren 
inen protokollarischen Verweis ertheilt, ist nicht 
ichtig. Ueber die Duell-Affaire selbst wurde kein 
Artheil abgegeben; wurde lediglich wegen der in 
Folge derselben von den beiden Corps Moenania 
ind Bavaria ausgegangenen Denkschriften an ihre 
ʒetreffenden Corpsphilister dem Corps Bavaria wegen 
BZeleidigung ein Verweis zu Theil. 
eEin Klavierprozeß kam kürzlich in Bam⸗ 
herg zur Verhandlung. Ein siebzehnjähriges Fräu⸗ 
ein ist beschuldigt, Abends zwischen 8 und halb 
11 Uhr bei geöffneten Fenstern in fortgesetzter und 
zie Nachbarschaft belästigender Weise Klavier gespielt 
ind sich dadurch gegen 8860 Ziffer 11 des Straf⸗- 
zesetztuches versündigt zu haben. Der an Stelle 
Jer Beschuldigten erschienene Rechtsanwalt, Herr 
Zeilingbrunner, stellt in Abrede, daß seine Klientin, 
Fräulein Emilie —, am fraglichen Abend Klavier 
zespielt, versichert vielmehr, es seien damals einige 
Freundinen zu Besuch gewesen, welche nun den Fall 
jeraufbeschworen hätten, an denen aber kein Verrath ge⸗ 
ibt werden solle! Interessant ist, wie der „Klavier⸗ 
dehrer“ ein Musikfachblatt, berichtet, das Zeugenver⸗ 
sör: Polizeisoldat Haderlei wurde am Abend des 11. 
Iktober auf die Anzeige des nächsten Zeugen, Herrn 
Ir. Boveri, vom damaligen Polizeiwachkom⸗ 
nandanten an Ort und Stelle abgeordnet und will 
ann noch „forte“ spielen gehört haben. Andern 
Tags stellte er die Frau Mama der Beschuldigten 
ur Rede, und diese soll ihm ihre Tochter Emilie 
ils die Schuldige bezeichnet haben. Herr Dr. Bo— 
)eri, bekannilich eine musikalische Autorität, wird 
war nur zeugenschaftlich vernommen und beeidigt, 
as Schöffengericht legt jedoch ersichtlich viel Gewicht 
unuf seine fachmännische Wahrnehmung. Der Zeuge 
— Nachbar der Klavierspielerin — bekundet, daß 
as „Klavierspielen“ bei offenen Fenstern von Fräu— 
sein Emilie seit längerer Zeit in einer „furchtbaren“ 
Weise kultivirt worden sei. Ein derartiges Spie 
nennt Herr Dr. Boveri „ein in exorbitanter Weis⸗ 
ür die Nachbarschaft störendes Spiel“. Am ku 
ischen Abend, als es ihm doch zu bunt geworden 
ails ihm Arbeiten oder Studiren oder gar der Schla 
zur Unmöglichkeit wurde, da wußte er sich nicht 
uu helfen, als auf die Polizei zu eilen. Was weitn 
zeschehen, wissen wir aus dem Munde des ersten 
Zeugen. Inieressant ist noch die Bemerkung des 
vie bemerkt, hochmusikalisch gebildeten Zeugen, dß 
ast immer nur die gleichen Stücke „Martha“ 
Weiße Dame“ und ein Walzer, und zwar sehe 
zei offenen Fenstern und offenbar von denselben 
Spielerinen, meist „vierhändig“ produzirt worden 
ind. Hier sei bemerkt, daß im Laufe der Verhand— 
ung sich ergab, daß auch die Schwester der Be— 
huldigten Klavier spiele, sonst aber Niemand jn 
er Familie. Herr Notar Kreppel bestätigt im 
Besentlichen die Aussage des Vorzeugen, namentlich 
»aß, offenbar absichtlich, nur bei offenen Fenstern 
Jespielt wurde. Herrn B.'s Bemühungen durch 
achbarliche und freundschaftliche Vermittlung die 
Zache abzustellen, hatien wenig und nur kurzen Er— 
olg. Er gibt weiter an, daß er durch diesez 
Klavierspielen“, durch die täglich wiederkehrende 
Weiße Dame“ und täglich durch die offenen Fen— 
ter aussteigende „Martha“ an seinem Berufe ge— 
sindert worden sei, da es ihm unmöglich gewesen, 
chwierigere Verträge zu entwerfen. Herr Professor 
suß hatte gleichfalls die Ehre, mit der „Martha' 
c. Bekanntschaft zu machen, was ihm als eip 
furchtbares“ Spiel vorgekommen ist. Wenn man 
noch hört, daß von einer weiteren Ohrenzeugin, 
iner Klavierunterricht ertheilenden Dame, Abstand 
senommen worden, so wird man sich freilich auch 
agen müssen, daß Fräulein Emilie das Pech hatte 
n eine hochmusikalisch gebildete Rachbarschaft gerathen 
u sein. Das Schöffengericht sprach Fräul. Emili⸗ 
iber schuldig der Ruhestörung und des groben 
Infugs und erkannte auf die Strafe von 1M 
ind Tragung der sämmtlichen Kosten. 
FMainz, 7. Juni. Die Ingenieure und 
Architekten der Hessischen Ludwigsbahn sind beauß— 
ragt worden, die nöthigen Vorarbeiten für di— 
risenbahnverbindung zwischen hier und Wiesbaden 
chleunigst in Angriff zu nehmen. Mit den Ver— 
nessungen ist bereits der Anfang gemacht. 
Herbesthal. Eine Rabenmutter sehlt 
iuf hiefige Station zwei Kinder, einen Knaben von 
) und ein Mädchen von 3 Jahren, aus und begab 
ich dann auf belgisches Gebiet. Die Person sobh 
»em Vernehmen nach aus Jackerath sein. 
FSiegen, 6. Juni. Unsere Polizei war 
jestern in voller Thätigkeit. Im Vaufe des Vor— 
nittags wurde eine ganze Anzahl Individuen ge— 
anglich eingebracht, welche beschuldigt sind, am 
rühen Morgen auf drei hiesige Bürger einen Raub— 
infall verübt zu haben. Den Ueberfallenen, weldh 
ine Frühpromenade nach dem 1 Stündchen enp— 
ernten, wegen seiner Naturschönheit viel besuchter 
stödgerwalde gemacht hatten, sind von den Wege— 
agerern mehr oder minder starke Verletzungen bei 
jebracht worden. Wegen dieses Attentats herrsch 
um so größere Aufregung, als erst vor Kurzem? 
Maädchen hier in der Nähe in ähnlicher Weise übe— 
fallen worden sind. 
Berlin, 7. Juni. Die Berliner Konzerr 
»es Straßburger Männergesangvereih 
chlossen mit einer begeisterten Kundgebung. Ar 
Zchlusse des Konzertes brachte ein Sangesfreum 
in Hoch auf die Straßburger aus und rief ihrer 
Auf froͤhliches Wiedersehen“ zu. Herr Kapellmeist 
tzruuo Hilpert dankte frohbewegt fuͤr die reiche An 
erkennung und hob hervor, welch schöne Erinnerun! 
in Berlin und die Berliner die Sttaßburger immen 
dar haben würden. — Die Mitglieder des Mannen 
Jesangvereins reisten Mittags von Berlin ab un 
amen in Leipzig um6 Ühr an, empfangen dan 
ielen Vereinsborständen mit Militärmufk. R 
Musik wurden die Sänger nach dem Hotel gelun 
das Konzert im Cafs Bonorand war sehr hu 
hesucht; die Sänger waren gut bei Stimme 
hr Gesang wurde mit großer Begeisterunag X 
rommen. w 
FBerlin. Erst vor werigen Tagen won 
n verschiedenen Zeitungen über die Verleßung n 
gahnwaͤrters durch Werfen einer Flasche gun e 
orüberfahrenden Zuge berichtet, und schon r 
jat sich cin ähnlicher Fall bei Rathenow 
bobei der Waͤrter sehr schwer im Gesicht 
sn. Leider klonnte der Thaͤter nicht ermittelt 
il die Hochtitt ber den Unfall nur veis