F darstellend, war vortrefflich gelungen. Der Zug
wegte sich die Linden entlang durch die Wilhelms⸗
sraße. Der Kaiser, der Kronbrinz wurden mit un⸗
plaͤssigen stürmischen Hochs begrüßt, als sie auf
m Balkon erschienen und den Festzug an sich vor⸗
hherziehen lieten. Alle Fahnen und Banner senkten
ih imd die Musikcorps spielten die Nationalhymte.
itz beim Pafsiren der Wilhelmsstraße Fürst Bis—
narck mit Gemahlin, seinen beiden Soͤhnen, Schwieger⸗
ohn, Tochter und Enkeln am Fenster erschienen,
aschollen abermals stürmische Hochrufe. Die Musik—
orps spielten patriotische Lieder. *
ꝓ Eine Person, die ihren eigenen Todtesschein
auzt, ist gewiß eine Seltenheit. Der Berliner
ufmann P. ist „glücklicher“ Besitzer cines solchen,
ind folgendem sonderbaren Umstande hat er den—
lben zu „verdanken.“ P. wurde vor mehreren
Fahren von einer schweren Krankheit befallen; als
eines Tages in einem Zustande sich befand, der
dem behandelnden Arzt die Ueberzeugung beibringen
nmußte, daß P. durch den Tod von seinem Leiden
cöst worden sei, stellte der Arzt einen Todtenschein
uus und ordnete die Ueberführung des P. nach dem
zichenhause des zuständigen Kirchhofes an. Während
er darauf folgenden Nacht erwachte aber aber P.
nus seiner Todesstarre (in einer solchen hatte er
ich nur befunden) und als er später genesen war,
und von dem Todtenschein Kenntniß erhalten hatte,
ete er sich in den Besitz desselben, um ihn nicht
veder bon sich zu geben. — P. heirathete inzwischen
und erfreut sich jetzt der besten Gesundheit.
fUeber den „Menschenhandel nach
yolländisch-Indien“ entnehmen wir einer
dorrespondenz des „Berl. Tagebl.“ folgende Stellen:
„Seit mehr als zwei Monaten sind deutsche
ind schweizerische Behörden mit einer weit ausge—
dehnten Untersuchungssache beschäftigt, welche sich
nuf illegale Werbungen für den holländisch-indischen
—VD
Untersuchung richtet sich gegen einen gewissen Jean
Jacques Cottier, der schon früher wegen unerlaubter
Werbungen bestraft wurde und sich dennoch von
neuem als Werkzeug für den schändlichsten Men—
chenhandel gebrauchen ließ. Cottiers Spezialität
war das Agitieren in den Schneiderherbergen Süd—
»eutschlands und der Schweiz. Sein Heffershelfer
st ein gewisser Schnäbeli aus Hardewyk. Beide
ind die schweizerischen Mitglieder eines großen
Ugentennetzes, das sich an der holländischen Grenze
ausdehnt und sowohl deutsche als holländische
Schurken zu thätigen Mitgliedern hat. Wie um—
ijasend die Werbethäligkeit dieses Konsortiums ist,
Jeht aus dem nächstvorliegenden Resultat hervor.
—
deginn der in Deutschland und der Schweiz gegen
die Werber eröffneten Untersuchungen, beziffert kin
solländisches Blatt die letzte April-Sendung von
Beworbenen für die holländisch-indische Armee wie
solgt: 71 Niederländer, 76 Deutsche, 7 Schweizer,
Luxemburger, 4 Belgier und je 1 Fianzoöse,
Desterreicher und Ungar. Die Rollen in dem
Rioßen Schelmenstück, durch welches jährlich etwa
ein Bataillon Deutfche an die Holländer
verkauft und dem Siechthum in Indien preis⸗
legeben wird, sind folgende: 1) Die Zutreiber,
wie Cottier, welche ihre Sitze in deutschen, wie
solindischen Grenzorten haben; 2) die Wirthe
namentlich von Auswanderer⸗Herbergen, welche die
Lundidaten für die Anwerbung beherbergen; 83) die
dülschet und 4) die das Kanonenfuͤtter Äblieferuden,
Deses Agenten⸗Netz erstreckt sich auf folgende Orte:
Lern, Mannheim, Lüttich, Venlo, Oldensaal, Arn—
heim Aachen, Hardewyk. Weiteres wird erst später
seroffentlicht werden können.
GSonst und Jetzt) Aus Hamburg
chteibt man: Der Tenorist und frühere Droschken—
usher Vötel hat seit Anfang vntigen Jahres cine
binnahme bon 32,000 Mk. gehabt, die es ihm er⸗
aubt, nunmehr in eigener Eqiüpage zu kutschieren.
».J.tine originelle Welte wurde am
mnntag in Wien zwischen dem Husarem Lieue.
ut Baron v. P. und Grafen E. ausgemacht. Es
andelte sich darum ob der Gegner im Stande sei,
qu anem bestimmten Pferde zwölf Stunden hinter⸗
Amdr zu sitzen, ohne sich dabei vom Platze zu
— und ohne daß das Pferd sich hinwerfe oder
er ermatte. Die Wette — es handelte sich
send Gulden — die in dem Stalle des
* v. P. in dessen Palais am Parkring ent:
vn und vom Grafen E. gewonnen wurde, in⸗
bi e herlangte Leistung anscheinend ohne Schwie—
vollbracht ward, halte ven Tag über viele
Zuschauer herbeigelockt, die über den sitzenden Reiter
sich in mancherlei wunderbaren Vermuthungen er—
zingen, bis es ihnen gelang, über die Veranlassung
ins Klare zu kommen. Die dergestalt gewonnene
Summe soll, wie wir hören, vom Grafen E. dem
Batriotischen Hilfsvereine vom Rothen Kreuze zu—
zedacht worden sein.
F Ein bestrafter Geizhals.) In einer
tliche Sunden von Wien gelegenen Stadt hatte
sich ein neuer Bürger niedergelassen, von dem man
wissen wollte, daß er sein aͤnscheinend nicht unbe—
deutendes Vermögen durch eine Geschäftspraxis er—
vorden habe, die seit Erlaß des neuen Wuchergesetzes
eicht mit dem Staatsanwalt in Konflikt bringen
ann. Daß Herr L. sein erworbenes Gut sorgsam
jütete, unterlag keinem Zweifel. Er wog den
reuzer zehnmal in der Hand, bevor er muͤ ihm
elbst eine nothwendige Ausgabe bestritt. Er wohnte
ulein, lebte kümmerlich und hatte nur eine Passion,
ein Geld zu zählen, und es dann wieder sorgfältig
nn seiner Wertheimischen zu verschließen. Am ersten
Ifingstfeiertag hatte er sich einmaͤl wieder an seinen
ßoldfüchsen sattgesehen und bei Revision der ver—
chiedenen Fächer ganz wider seine Gewohnheit den
assenschlüssel in die Kasse selbst gelegt. Als sich
die wohlgezählten Häupter seiner Liebe wieder in
hren Fächern befanden, erschreckte ihn der Ton
einer Hausschelle, und in unwilltürlicher Besorgnis
im die Sicherheit seines Geldes warf er die Kafsen—
hür zu. Der Besuch hatte keine Bedeutung und
var bald abgefertigt. Nun erst bemerkte unser Har⸗
»agon, daß die einbruchssichere Kasse auch gegen
hu gesichert war; alles Rütteln und Schütteln half
nichts, der Mechanismus bewährte sich vollständig.
Zum Unglück hatte er noch am selben Tage eine
drößere Zahlung zu leisten, und so mußte er sich
denn entschließen, den einzigen an Ort und Stelle
befindlichen „einbruchsicheren Kassenfabrikanten“ holen
—
Versuchen, die Kasse zu öffnen, worüber der Geizhals
o froh wurde, daß er dem Meister Jlufl als Ent—
ohnung geben wollte. Wie groß aber war sein
eEntseßen, als der Mann, mit dieser splendiden
ßabe keineswegs zufrieden, seine Fordernng auf 5
. stellte. „Nein, das ist zu viel,“ rief er empört,
„das zahle ich nicht!“ — „Auch gut,“ erwiderte
»er Schlosser· — und Krach! war die Kassenthür
vieder in's Schloß gefallen. Was nun? Die Zahl—
ung mußte am selben Tage noch geleistet werden,
uud so sah er sich denn gezwungen, persönlich zum
Neister hiazugehen, um ihn zu versöhnen und zum
»ochmaligen Oeffnen der Einbruchsicheren zu bewegen.
„Sie sollen meinetwegen die 5 fl. haben, wiewohl
ꝛs wirklich viel Geld ist,“ so schloß er wehmüthig
seine Rede. — „Sie irren, bester Herr, antwortete
der Meister, ich verlangte 15 fl., und soll ich es
nochmals machen, muß ich mindestens 25 fl. fordern.
Für das Schließen der Kasse beanspruche ich nichts,“
ügte er ironisch bei. Was blieb dem Geizhals
ibrig; alles Feilschen half nicht. Aus Wien einen
Fachmann zu holen, wäre vielleicht noch kostspieliger
jewesen, und so mußte er sich dazu bequemen, 25
laus der wieder geöffneten Kasse dem klugen
assenfabrikanten zu bezahlen.
FGuchthaussträflinge als Räuber.)
Aus Krakau schreibt dem Frobl. ein eben aus
Warschau angekommener Handelsreisender, folgende,
nur in Rußland mögliche Begebenheit: In dem
Städtchen Santinow im Nowogrodeker Kreise fanden
eit längerer Zeit fast Nacht für Nacht durch un—
»ekannte Verbrecher, die in Banden von vier bis
acht Mann erschienen, äußerst kühne Raubanfälle
und verwegene Einbrüche statt, durch welche vor—⸗
zugsweise die wohlhabendere israelitische Bevölkerung
zu leiden hatte. Lange wollte es der Ortspolizei
nicht gelingen, Licht in diese dunkle Affaire zu
bringen. Vor Kurzem wurden aber die angestrengten
Bemühungen durch Zuhilfenahme einiger tüchtiger
—
'onnten mehrere der frechen Räuber auf frischer
That überrascht und erst nach hartnäcktgem Wider⸗
sttande von der die Uebermacht bildenden Polizei—
nannschaft festgenommen werden. Die mit den
ünf Raubgesellen vorgenommenen Verhöre stellten
nun die überraschende Thatsache heraus, daß die
Verbrecher drei Sträflinge aus dem Zuchthause in
Nowogrodek waren, die mit zwei ihrer Gefangniß—
vächter in das benachbarte Städtchen Saminow
auf Raub auszuziehen pflegten und mit dem Morgen—
grauen stets glücklich in ihre Zellen heimkehrten,
die mitgebrachte Beute im Gefängniß selbst ver—
hergend. Sie wußten hiefür im Einverständniß mit
den Gefängnißwärtern so gute Verstecke zu finden,
daß die nicht an der Affaire betheiligten Beamten
der Zuchthausverwaltung keine Ahnung davon haben
konnten. Nachdem aher die Polizei von Saminow
diese nächtlichen Raubzüge, an denen sich acht Auf⸗
seher und zwanzig Häftlinge betheiligt hatten,
aufgedeckt hatte, wurde auf eine höhere Anordnung
eine strenge Durchsuchung des Zuchthauses vorge—
nommen, die erstaunliche Dinge zu Tage förderte.
Unter den Fußböden wurden ganze Niederlagen der
Dderschiedensten Waaren aufgefunden. Am zahlreichsten
dertreten waren unter den gefundenen Sachen Rum—
ind Branntweinflaschen, die meisten jedoch in ge—
leertem Zustande, was erkennen lähßt, daß die
räuberischen Zuchthäusler bei ihren nächtlichen Beute⸗
zügen auch auf einen kräftigen Trunk Bedacht nahmen.
Gas Attentat aufden Präsidenten
»on Guatemala.) Ueber das Attentat gegen
den Präsidenten der Republik Quatemala, General
Barrios, theilt man folgende Einzelheiten mit: Das
Attentat war sorgfältig vorbereitet. Präsident
Barrios pflegt in Begleitkung eines Freundes auf
dem Theaterplatz des Abends einen Spaziergang
zu machen. Die Attentäter machten sich diese Ger
oflogenheit des Präsidenten zu Nutze, legten eine
Bombe auf den gepflasterten Fusweg innerhalb des
Theatergartens, befestigten daran' einen langen
Faden um die Bombe mittelst desselben zu ent—
ünden, und bewerkstelligten Letzteres gerade, als
General Barrios in Begleitung des Ministers Ba—
roumdna vorbeiging. Die Bombe lag ganz dicht
in ihrer Nähe und explodirte mit eineü furchtbaren
ttrach, verletzte die beiden Herren jedoch nur unbe—
deutend. Das Geschoß bestand aus einer Messing⸗
jülse, die mit Pulver, kleinen Kugeln und Erz⸗
und Kupferstücken gefüllt war und ohne Zweifel
an Ort und Stelle zubereitet worden. Auf der
Messingplatte war die Form einer Hand eingegraben,
darüber das englische Wort „black“, also mano
negra (schwarze Hand), ferner in der einen Eck—
„nihilisto“ (Nihilisty, in der anderen „diguen
ↄbros‘ (Andere folgen). Die allgemeine Aufreguug
war von keiner Ruhestörung begleitet. Gegen 15
Personen sind als der That verdächtig verhaftet
vorden.
— Stürmisch ging es unlängst bei einer Gerichts⸗
»erhandlung in San Francisco zu. In eiuem
Thescheidungsprozeß stellte der Advokat Tyler des
Pannes an eine Zeugin einige sehr verfängliche
Fragen. Die Zeugin wurde todtenbleich, sie bewegte
ich nervös in ihrem Stuhle, offenbar in der
jeftigsten Aufregung; ihre Lippen preßten sich zu—⸗
ammen, ihre Hand griff mechauisch nach der Tasche
hres Kleides, aus welchem der Schaft eines Revolvers
)ervorblickte. Sie zog denselben hervor und ist im
Begriff die tödtliche Waffe auf den Advotaten
anzulegen, als der Richter Barnes, der alle ihre
Bewegungen scharf beobachtet hat ihe zurief:
„Halt ein! Halt ein! Wir haben das nicht nöthig!“
Advokat Tyler, der Amazone auf vier Fuß Ent—
fernung gegenüberstehend und durch zwei Steno—
zraphen von derselben getrennt, rief, seinen rechten
Arm auf das Pult des Gerichtsschreibers lehnend,
ühl: „Schadet nichts; ich bin im Stande, für
nich selbst zu sorgen.“ Nun folgte eine Szene
der wildesten Aufregung und Verwirrung; die
Advokaten sprangen von ihren Stühlen auf, denn
sinter ihnen scheint ein neuer, viel gefährlicherer
Zturm loszubrechen. Der junge Tyler, die Hand
n seine Hüfttasche legend und den Revolber er—
zreifend, wendet sich gegen den Sohn der Zeugin,
er seinerseits ebenfalls den Revolver schon gezogen
jat, und ruft ihm mit wilder Heftigkeit zu: „Ich
jabe etwas für Sie!“ Alle diese Bewegungen er—⸗
olgen mit Blitzesschnelle, und jedermann glaubt,
m nächsten Moment das Krachen der Pistolen zu
hören. Todlenstille herrscht im Saale; nur bleiche
Hesichter begegnen unserm Blick, die Advokaten ba—
»bachten einander, auf die fernere Entwicklung des
Dcamas wartend. Endlich legt sich die Polizei
ins Mittel und verhindert, daß nicht ein Kreuzfeuer
aus den Revolvern, deren Läufe im Sonnenlichte
glänzen, mitten im vollen Saale erdröhut und eine
unberechenbare Katustrophe in den Hallen der Justiz
ich abspielte. Der Gerichtshof hob sofort die
Sitzung auf um ertheilt den Befehl, daß fortan
vährend des Falles kein Bewaffneter mehr den
Saal betreten dürfe.
F. Die Blechdosen, deren sich die ameri—
kanische Nahrungsmittel-Conserven- Industrie zur
Verpackung ihrer Fabrikate bedient, werden mittelst
einer Composition verlöthet, welche aus sechs Theilen