Full text: St. Ingberter Anzeiger

wurde. Soweit bekannt, ist ein solches „Unthier“ 
hizher überhaupt auf der Unterelbe noch nicht ge— 
ngen worden. 
ng (Ganonegestohlen.) Der Schützengilde 
n Freienwalde ist ihre Kanom gestohlen worden. 
da auf die Ergreifung des Diebes 10 Mark Be⸗ 
vͤhnung I sind, scheint es kein Krupp'sches 
sen zu sein. 
gene a den Pfingstfeiertagen sind nicht weniger 
als drei ermüdete Schaffner der Berlin-⸗Mag— 
zeburger Eisenbahn von den Trittbrettern 
gefallen und getödtet worden. 
Berlin, 14. Juni. Ein junges, blühen⸗ 
des Menschenleben ist gestern einem Unfall zum 
Opfer gefallen, wie er leider in dem bewegten Straßen⸗ 
verlehr der großen Stadt von Zeit zu Zeit sich zu 
wiederholen, aber selten einen so entsetzlichen Verlaus 
zu nehmen pflegt, wie in diesem Falle. Ein kaum 
sechszehn jühriges Mädchen, die älteste Tochter eines 
siesigen Baukiers, durch Anmuth und Schönheit 
qusgezeichnet, hatte, während die Eltern verreist sind, 
iner befreundeten Familie in der Potsdamerstraße 
inen Besuch gemacht. Kurz vor ein Uhr im Be— 
zriff heimzukehren, will sie den Straßendamm pas— 
siren, während zwei Pferdebahnwagen von rechts 
und links nahten. Es gelingt ihr nur, an dem 
som Potsdamer Platz in der Richtung nach der 
Brücke fahrenden vorüberzukommen, das Pferd des 
andern wirft sie nieder und obwohl der Kutscher 
sofort bremst, fährt der stark besetzte Wagen über 
die Unglückliche hinweg, um deren Körper sich so— 
iort eine Blutlache bildet. Arbeiter von einem an 
jener Stelle befindlichen Bau eilen hinzu, und die 
Unglückliche hatte noch die Besinnung, ihnen die 
Nummer des Hauses zu sagen, aus dem sie eben 
gekommen. Dorthin trägt man sie, und Alles, was 
menschliche Kraft zu leisten vermag wird sofort auf⸗ 
geboten. Einer der ersten Chirurgen Berlins, der 
zufällig in jenem Hause praktizirt und mit ihm eine 
große Zahl von Aerzten, die an der Unglücksstätte 
borüberkamen, umstehen das Schmerzenslager und 
berathen darüber, ob eine Operation — man sprach 
von der Amputation des einen, vollkommen zer— 
malmten Beines — im Stande wäre die Lebens— 
jefahr abzuwenden. Es scheint, daß man eine 
olche Absicht aufgeben mußte, da auch innere Ver— 
etzungen schwerster Art vorlagen. Es gab keine 
doffnung auf Hilfe. Nur wenige Stunden hal 
die beklagenswerthe den gräßlichen Unfall überlebt; 
ie hauchte Nachmittaas 6 Uhr den letzten Athem— 
zug aus. 
F Berlins Einwohnerzahl hat die 
Ziffer 1,1240,000 nach den neuesten statistischen 
Angaben bereits um 790 Köpfe überstiegen. Ohne 
Zweifel wird der Bevölkerungsstand Berlins zu Ende 
dieses Jahres weit über das erste Viertel der zweiten 
Million abschließ n. 
Gin verwegenes Reiterstück) Wie 
aug Schwedt an der Oder berichtet wird, verun⸗ 
lückte ein Rittmeister des dortigen Dragonerregi⸗ 
ments, Herr v. S., bei einem Reiterstückchen, welches 
ebhaft an die Zeiten des „tollen Markgrafen von 
Schwedt“ erinnert, der bekanntlich in jener Stadt 
sein Wesen trieb. Besagter Offizier hatte es unter— 
nommen, drei Mal durch die Flügel einer lebhaft 
ehenden Windmühle hindurchzureiten, — Leiin 
Wagniß, welches bekanntlich in der preußischen 
Armee nicht sellen vollführt worden und von ven 
Junkern als Sport getrieben wurde, als man noch 
keine Pferderennen hatle. Dem kühnen Offizier 
glückte das Unternehmen zwei Mal, beim dritten 
Nale jedoch wurden Roß und Reiter erfaßt und 
hoch in die Luft geschleudert Der Reiter kam aus 
dem Sattel, überschlüg sich in der Luft und erhielt 
durch den Fall schwere Queischungen, während das 
derd merlwürdiger Weise miß heiler Haut davon 
ekommen sei. 
J Ein Selbstmord.) Jüungst trat ein 
übsches 18jähriges Mädchen in aine Apotheke in 
Ven und bat um eine Quantität Cyankali. Der 
Abotheler erllärtle, er dürfe bigentlich das Gift nicht 
n jedermann verkaufen, wolle jedoch in diesem 
dalle eine Ausnahme machen, weil das Fräulein 
xriß keinen Mißbrauch damit ireiben werde Sorg⸗ 
am das Pulver in ein Papier berpaddend, übergibt 
dem Mädchen, welches damit dabon eill, und 
samn lächelnd schaut ihr der Abotheker nach. Am 
end desselben Tages kommt die Inhaberin eines 
ie Wiener Modewaarengeschäftes nach Hause 
be findet die Tochter, in Thränen aufgelbse ben 
Debe erregt auf dem Sopha liegen. „Uin Gottes 
ilen. Kind. was isft Dir “ ie Tochter schlingt 
die Arme weinend um den Hals der Muiter;: 
„Verzeih', verzeih', ich muß sterben. Ich habe 
Tyankali getrunken! Da lies!“ .: .. Die Mutter 
las nicht, so einladend die schön geschriebenen 
Briefe auch auf dem Nachtischchen lagen, sondern 
ie schickte zu dem Arzt, der zunächst die Selbst— 
nörderin anstaunte und dann die Reste des Giftes 
orüfte, deren sofortige Verwerthung zur Versüßung 
yon Erdbeeren er der Mutter unbedenklich zugestand. 
Der Apotheter wird nicht gestraft werden, denn er 
jat statt des verlangten Giftes harmlosen Zucker 
an die Selbstmordkandidatin verkauft und diese wird 
demnächst — getraut werden. 
F Aus der Schwerz. Der „Bund“ tischt 
jeinen Lesern folgende Schauermär auf: „Von durch— 
aus glaubwürdiger Seite wird uns aus Berlin ge— 
ichrieben: „Als zufälliger Ohrenzeuge eines Ge— 
sprächs deutscher Offiziere erfuhr ich, daß die dies— 
jährige Uebungsreise des großen Generalstabs an 
unserer Grenze zwischen Vasel und Schaffhausen 
sich abspielen soll. Diese Reise fand voriges Jahr 
am Main bei Bamberg und Würzourg stait, es ist 
deßhalb ein politischer Hintergedanke nicht nachweis 
bar. Ganz unzweifelhaft aber mus diese militärische 
lebung in unseren benachbarten Kantonen Beun— 
uhigung heroorrufen und wird der Widerhall der— 
elben in der Lotalpresse auch in weitere Kreise 
jetragen. Hat die Uebung also keinen politischen 
Hintergrund, so soll der Generalstab eine Gegend 
wählen, in welcher er ein Nachbarbolk, mit welchem 
das deutsche Volk im besten Einvernehmen leben zu 
vollen vorgiebt, nicht beunruhigt.“ — Die „Schweizer 
Brenzpost“ bemerkt jedoch zu diesem thörichten 
Angstrufe: „Der furchtgepeinigte Ohrenzeuge des 
„Bund“ scheint von der Ansicht auszugehen, daß 
Beneralstabsreisen wie etwa Turnübungen nur die 
Entwickelung persönlicher Fähigkeiten det damit be— 
auftragten Offiziere zum Zwecke haben, daß sie 
somit wie jene, in irgend welchem beliebigen Lokale 
»orgenommen werden können. Er hat keine Ahn— 
ung, daß die Resultate solcher Reisen gesichtet und 
zesammelt werden und bleibendes Material für die 
Vorbereitung der Landesvertheidigung bilden. Und 
natürlich werden von jedem Generalstabe ganz vor— 
nehmlich die Landesgrenzen, sowie das Gehiet des 
Nachbarn selbst einem sorgfültigen Studium unter⸗ 
worfen. Auch unser schweizerischer Geueralstab hat 
sich von jeher die Erforschung der Landesgrenze zur 
besonderen Aufgabe gestellt, und noch vor wenigen 
Wochen konnte man in allen Blättern von einer 
derartigen Reise im waadtländischen Jura lesen 
Bedauerlich ist es, daß ein ernsthaftes und im Aus- 
land als offiziös geltendes Organ sich zur Ver— 
breitung solchen Unsinns hergiebt.“ 
. Gräßliche Situation.) Der Jardin 
des Plantes in Paris war am 10. Jum der 
Schauplatz einer aufregenden Szene. Ein Arbeiter 
NRamens Finet war nämlich aus Uebermuth au⸗ 
die Mauerdrüstung des Baͤrenzwingers gestiegen, 
Jiebei auf dem feuchten Gestein ausgeglitten und 
zu den zwei Bären hineingefallen. Er hatte sich 
ziebei am Kopfe verletzt und zog sich blutend in 
eine Ecke des Zwingers zuruck. Das Barenweibchen 
lüchtete sich erschreckt auf die andere Seite, während 
das sehr wilde Männchen neugierig den Menschen 
neschnüffelte, ihn dann leise berüͤhrte, und schließlich 
)»em Verwundeten das herabrieselnde Blut ableckte 
Mittlerweile waren Thierwärter mit Stricken um 
Stangen gekommen und warfen erstere dem Manm 
zu, um ihn heraufzuziehen. Da der Bär bereite 
ꝛegann, sein Opfer sehr energisch an Leib und 
Schulter zu zerren, so trieb man ihn durch Hieb— 
mit eisernen Haken zurück, worauf es dem ver 
wundeten Arbeiter endlich gelang, das Seil fest zu 
ergreifen und sich heraufzichen zu lassen. Er haut⸗ 
ieber seiner Verwundung bereits deutliche Spuͤren 
der Liebknsungen, mit welchen ihn die gefährlicht 
Bastfreundschaft des Bären bedacht hatte. 
F Die Antwerpener Weltausstellung, welche 
am 2. Mai 1885 eröffnet und deren Dauer wenig 
tens 5 Monate betragen wird, umfaßt alle indu— 
triellen Erzeugnifse, saͤnmtliche Waaren, welche zu 
HDandelsverkehr Veranlassung geben könnten, sowie 
alle Gegenstände und Werkzeuge, die irgend ein 
Interesse für die Schifffahrt bielen. Die 8 großen 
Abtheilungen des Programms sind J. Unterrichts⸗ 
wesen; freie Künste und Kunstgewerbe; 2. Industrie; 
3. Seewesen und Handel; Fischerei und Viehzucht; 
4. Eletrizität; 5. Acker⸗ und Gartenbau. Von 129 
in Antwerben ansässigen Kaufleuten, Deutsche und 
)eutschen Ursprungs, die den angesehensten Firmen 
dieses Handelsplaßes angehören. eracht ein Aufru! 
an ihre Landsleute, in dem sie die Aufmerksamkeit 
des deutschen Handels und der deutschen Industrie 
auf diese Ausstellung Zinlenken, da dieselbe ganz be⸗ 
sonders geeignet scheine, den Ausstellern di Absatz⸗ 
zebiete ihrer Erzeugnisse in europäischen und über— 
seeischen Laändern zu erweitern. Das ausführende 
Komitee hat an die Handels- und Gewerbekammern 
die Hauptverordnung der auf die Ausstellung bezug 
—RD— sind diese von 
den Interessenten auf dem Büreau der Haudels 
kammern einzusehen. 
FAus England. Am Samstag Abend 
nahten sich plötzlich zwei Männer einem' der bei 
dem Schlosse in Windsor aufgestellten Wachtposten 
und gaben auf denselben mehrere Revolverschüsse 
W, ohne ihn jedoch glücklichet Weise zu treffen. 
Die rasch herbeigeeillen Poligzisten wollten den Da— 
»oneilenden nachschießen, wurden aber vou den 
Schloßbeamten abgehalten, wodurch es den Atten⸗ 
tätern gelang, undehelligt zu entkoinmen. Es soll 
deßwegen zwischen den Nilitär⸗ und Schloßautori⸗ 
äten zu Differenzen gekammen sein, und waltet der 
Blaube vor, daß das ganze Attentat von der — 
Schloßverwaltung in Szene gesetzt wurde, um die 
Wachsamkeit der Polizei und des Militärs zu er— 
höhen! Seit diesem Vorfalle wurden all⸗ Wachen 
beim Schloße verdoppelt, und erhalten die Posten 
charfe Patronen, von denen sie im Falle eines 
Angriffes ohne Weiteres Gebrauch machen dürfen. 
F(Engelmacherei iun Sicilien.) Der 
königliche ilalienische Delegat zu Modica in Sicilien 
hat einen amtlichen Rapport 'an die Präfektur er⸗ 
stattet, welcher geradezu schauderhafte Details über 
die Zustände in dem dortigen Findelhause enthält. 
Bei der vorgenommenen Untersuchung fand man in 
einem einzigen, des Lichtes und der Luft beraubten 
kleinen Zimmer vierzehn bis fünfzehn von armen 
kleinen Geschöpfen zusammengepfercht, unter der Ob— 
hut einer ungeeigneten Direkteice und nur dreier 
alter Wärterinnen, die alle zusammen nicht ein 
Kind hätten warten können. Acht schmutzige Wiegen, 
bedeckt mit elenden Fetzen und voll Insekten, nahmen 
die armen Kleinen auf, von denen sich drei bis vier 
in einer einzigen Wiege, mit Leichen und Sterben— 
den gemischt, zusammenfanden. Eine Statistik vom 
Jahre 1883 ergab das entsetzliche Resultat, daß 
von den 145 Findlingen im Laufe desselben nicht 
weniger als 142 gestorben sind. Nur ein männ— 
liches und zwei weibliche Kinder blieben am Leben. 
Fin an Ort und Stelle gesendeter außerordentlicher 
Kommissär fand jedoch die Sache noch viel. ärger 
und telegraphierte unterm 30. April 1884: „Auf—⸗ 
genommen 1459 Kinder. Gestorben 1456. Üeber- 
lebende 3.“ 
F Warschau, 15. Juni. Heute mittag brach 
im hiesigen großen Theatet Feuer aus, das aber 
bald gelöscht wurde. Der Schaden ist unbedeutend, 
nur ein Theil der Garderobe ist durch das Feuer 
zerstört. 
F Noch viel Glück bei all' seinem Malheur 
hatte am vorigen Sonntage (dem ersten Pfingst⸗ 
age russ. Kalenders) der Luftschiffer Kuri— 
kow. Gegen 9 Uhr Abends stieg derselbe, vom 
Demidow-Garten in Petersburg aus, auf und wurde 
ine Stunde später mit seinem Ballon im Ladsga⸗ 
See, 15 Werft vom Üfer entfernt, aufgefischt. 
ulikow, der angeblich weder irgend welche Reitungs— 
nittel noch Geld (27) auf seiner Fahrt mitgenommen, 
var so weit verschlagen worden, weil es ihm nicht 
zelungen, rechtzeitig das Ventil des Basllons zu 
öffnen. Der im Wasser halb Erstarrte wurde sammt 
einem Ballon nach Schlüsselburg gebracht. 
F (GDer „Goldonkel“ John Nicholas 
Emerich.) Aus Philadelphia, 1 Juni, wird dem 
Fr. Journ. geschrieben: Ein, man lann sagen in—⸗ 
ternationaler Streit, zieht sich, einer Seeschlange 
gleich, seit langen Jahren um die an allen Eden 
der Alten und Neuen Welt immer wieder auftau⸗ 
hende Frage der Millionen-Erbschaft eines vor 135 
Jahren in hiesiger Stadt verstorbenen Hessen⸗Darm⸗ 
tädters, des durch seine Reichthümer berühmt ge⸗ 
vordenen John Nicholas Emerich. Die bis jetzt 
„festliegende“ Hinterlassenschaft von Emrich hat sich 
durch Zins und Zinseszins auf ca. 25 Millioueg 
Doslars angesammelt, don denen 4 Milllonen in 
der Bank von England deponirt sein sollen. Daß 
die Hinterlassenschaft schon bei seinem Ableben eine 
bedeutende war, geht daraus hervor, daß Emerich 
vor seinem Tode bestimmte, das ihm gehörige Schiff, 
vorauf er starb (es hieß damals etwas, mehrfacher 
Schiffseigenthumer zu sein) solle verkauft und der 
xẽrlös an arme Leufe vertheilt werdem sFmeri