Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
—R Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
glatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen L) 75 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 H, Reclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
Re. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 24. Juni. Von der größten Trag⸗ 
weite für unsere ganze nationale Entwickelung der 
rüchsten Zukunft dürften die Verhandlungen der 
zudgetkommission sein. Auf der einen 
Heite sehen wir unseren Reich zkanzlher im Ver— 
iin mit unseren Parteigenossen große nationale 
—DDD 
glick auf die vorerst allein möglichen, aber durch— 
aus nothwendigen Aufgaben des deutschen Volkes 
hinweisen, von der anderen Seite bekommt das 
eutsche Volk Reden zu hören, „als ob sie von 
deutschlands Gegnern gesprochen wären.“ Ja ge⸗ 
adezu mit Hohn wird das neue Ziel der deutschen 
deichsreglerung und eines großen Theiles der deut⸗ 
then Bevölkerung von den Herren Richter, Bam⸗ 
erger und Gen. behandelt; „übertriebene Senti— 
nentalität“, „wir haben ja keine genügende Flotte“ 
as sind die Einwendungen, welchen die Deutsch— 
Freisinnigen ins Feld zu führen wagen. Wenn 
der deutsche Reichskanzler dieses leeren und doch so 
ielsagenden Ausreden eines Bamberger gegenüber 
aran erinnerte, das stolze Wort: Civis Romanus 
um sei noch nicht außer Kours gesetzt, obgleich 
hert Bamberger keinen Gebrauch mehr davon mache, 
rie er es früher gethan, so wird der patriotisch 
denkende Deutsche in diesen drei Worten eine Be— 
higung für die Zukunft und zugleich eine nieder⸗ 
chmetternde Kritik der geradezu — furchtsamen 
zamberger'sjchen Manchesterpolitik finden und wird 
ih die Freiheit nehmen, die drei lateinischen Worte 
n jein geliebtes Deutsch wie folgt zu übersetzen: 
kin Appell an die Furcht findet im deutschen 
hdetzen keinen Widerhall!“ 
Berlin, 25. Juni. Die Nordd. Allg. Ztg. 
neldet: Der Reichskanzler hat sich eine Erkältung 
ugezogen und haben sich in Folge derselben wiederum 
ruralgische Schmerzen eingestellt. Fürst Bismarck 
war dadurch verhindert, sich an den Reichstagsver⸗ 
andlungen in den letzten Tagen zu betheiligen 
hie daß Blatt hört, ist das Unwohlsein des Reichs— 
lanzlers darauf zurückzuführen, daß derselbe sich am 
Dontag in später Siunde, als es bereits recht 
ühl geworden war, in den Reichstag begeben mußle, 
in der Commissionssitzung über den Gesetzentwurf, 
irreffend die Subventionirung neuer Dampferlinien. 
reijuwohnen. 
deutscher Colonialverein in Berlin. 
der Vorstand des deutschen Colonmalbereins, Ab— 
vilung Berlin, trat am 21. c. Abends im Reichs 
czoͤgebäude zu einer außerordentlichen Sitzung zu⸗ 
mmen. Man beschäftigte sich, unter Theilnahme 
3 derrn Egger aus Jaffa, des Consul Weßsiein 
e in Damascus) und des Herrn Professor 
—A— mit den Interessen der deutschen 
en in Syrien, sowie mit der Exrpeditlion, 
he die afritamische Gesellschaft fur Deunschland 
—38 Zeit nach Central⸗Afrika entsenden wird. 
a wichtigsten Gegenstand der Berathung bildete 
n die überseeische Politik der Reichsregierung. 
Vee der Hindernisse, welche die Subvention 
inappfeninie nach Ostasien und Australien im 
eae findet, hielt es der Vorstand für die 
* des deuischen Colonialvereins und seiner 
* ue für die Plane der Reichsregierung 
bo en. Nach der von allen Mitgliedern ge⸗ 
g en lUeberzeugung verdient und findet das Vor⸗ 
I des Reichskanzlers in der Angra⸗Pequena⸗ 
hongofrage die lebhafteste Zustimmung. Ebenso 
Donnerstag, 26. Juni 1884. 
90. Jahrg. 
erblicke man in der Unterstützung, welche die 
Reichssregierung der Bildung einer deutschen Colo— 
tialbank angedeihen läßt, das anzuerkennende 
Streben zur Förderung der Interessen Deutschlands 
m Verkehr mit dem Auslande. Der Vorstand hat 
»emgemäß den Erlaß einer Dank- und Zustimm⸗ 
ungsadresse an den Fürsten Bismarck beschlossen. 
Wie ein holsteinisches Blatt aus sicherer Quelle 
vissen will, hätte der Reichskanzler die Absicht, 
den Nord-Ostseekanal nachträglich zu fördern 
ind dessen Bau voraussichtlich in nächster Zeit mil 
Fortsetzung nach Wilhelmshaven von Reichswegen 
zu beantragen. An diesen würde sich dann der 
Rhein-Weserkanal naturgemäß anschließen 
und auch wohl Größenverhältnisse annehmen, welche 
die Befahrung mit kleinen Seedampfern möglich 
machen. Damit würde für Schleswig-Holstein ein 
vichtiges Absatzgebiet erschlossen und zugleich der 
Bezug der inländischen Erzeugnisse der Bergbauge⸗ 
verbthätigkeit wesentlich erleichtert werden. 
Die sozialdemokratische Agitation 
jat neuerdings in Rheinland-Westfalen so bedeu⸗ 
tend zugenommen, daß die Frage der Ergreifung 
besonderer Maßregeln zur Entscheidung gestellt ist. 
Es verlautet, daß der kleine Belagerungszustand 
über einen der bedeutesten Industriebezirke verfügt 
werden soll 
dieser Tage in Neustadt ein Handelsmann aus 
Frankfurt a. M. verschiedene Häuser, gab an, er 
hjabe Bankerott gemacht und brauche nun Geid, 
im mit seiner Familie nach Amerika auszuwandern. 
Er sagte, er habe hier in einem Hause noch einige 
Stoffe für Anzüge aus seiner Concursmasse liegen, 
und wenn man nur ein Geringes geben wolle, so 
volle er sie holen, aber man dürfe Niemand etwas 
agen, da ihm die Polizei auf der Spur sei. Eine 
Weile darauf kommt er wieder und legt recht in's 
Ange fallende Stoffe hin, die sich jedoch bei nähe⸗ 
rer Betrachtung als Schwindelzeug herausstellen. 
— Freinsheim, 23. Juni. Herr Wanner 
fand gesiern eine Herzkirsche, welche das respektable 
Hewicht von 10 Gramm aufwies. Gewiß eine 
große Seltenheit! (D. A.) 
— Göllheim, 25. Juni. Vorgestern ließ 
ein Fuhrmann auf der Privatwage der Eisenbahn⸗ 
ttation Göllheim-Dreisen einen Wagen mit Heu 
viegen und zeigte die Wage ein Bruttogewicht von 
44 Z3tr. 40 Pfd. an. Dem Fuhrmann kam dieses 
Wagergebniß doch etwas spanisch vor, er ließ, um 
icher zu gehen, seine Fracht nochmals auf der 
Brünstadter Stadtwage nachwiegen und welches 
Resultat zeigte diise: Der Wagen mit Heu wog 
zjier zirka 34 Ztr., also eine Differenz mit der 
Böllheimer Bahnwage von 10 Ztir. 40 Pfd. Wer 
jat recht? (F. T.) 
--Ludwigshafen, 25. Juni. Gestern 
Abend ereignete sich in der Nähe des Bahnhofes 
Rheingönnheim ein schwerer Unglücksfall. Der aus 
Schifferstadt gebürtige Bahnwärter Johannes Kuhn, 
tationirt bei Mundenheim, war in die gestrige 
Strafkammer⸗Sitzung des kgl. Landgerichts Franken⸗ 
hal als Zeuge geladen. Zu seinem Heimwege be⸗ 
nutzte er theilweise das Schienengeleise und wurde 
»a von dem gegen 9 Uhr heranbrausenden Per⸗ 
onenzuge unversehends erfaßt und schrecklich ver⸗ 
tümmelt. Ein Bein wurde vollständig vom 
tumpfe getrennt, das andere beschädigt, ferner der 
dinterkopf des Unglücklichen schwer verletzt. Der 
Bedauernswerthe, welcher eine Frau und 2 Kinder 
sinterläßt, wurde nach ca. 2 Stunden von seinen 
S„Schmerzen durch den Tod erlösst, ohne daß er noch 
inmal zum vollen Bewußtsein gekommen wäre. 
Von hier aus war Herr Dr. Ney mit Extrazug 
auf die Unglücksstätte beordert worden. 
— Frankenthal, 23. Juni. Das Geschäft 
in neuen Kartoffeln begann heute. Per, Bahn 
zingen schon versschiedene Sendungen ab. 
Eokale und pfalzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 26. Juni. Wie wir hören, 
nüssen durch Verfügung der königl. Regierung alle 
Schulhäuser mit Blißableitern versehen 
verden. 
*— Ensheim, 26. Juni. Herr Lehrer Ast 
ahier, der im November vor. JIs. sein 50jähriges 
Dienstjubiläum feierte, wird mit dem 1. Juli nächst⸗ 
sjin in den bleibenden Ruhestand treten. Möge der 
vürdige Schulmann sich noch recht lange desselben 
erfreuen. 
ꝙN Wittersheim, 23. Juni. Die 1. Ver⸗ 
ammlung der Cäcilienvereine des Bliesgaues pro 
1884 fand gestern in der hiesigen Filialkirche statt. 
Bei der kirchlichen Produktion betheiligten sich die 
ßereine Wittersheim, Habkirchen, Bliesmengen, 
ensheim, Erfweiler und Rubenheim. Die kirchliche 
Feier, eingeleitet durch eine Ansprache des Vereins⸗ 
ekretärs über Pflege des Choralgesanges machte 
einen erhebenden Eindruck. Eine überaus zahlreiche 
Menge lauschte den schönen Gesängen. Nachher 
interhielt man sich auf einer Wiese ganz gemüth⸗ 
sich. Die einzelnen Vereine zeigten, daß sie auch 
die Pflege des Volksliedes sich eifrig angelegen sein 
assen. Da der Vorstand des Vereines, Herr Lehrer 
Barth Ommersheim, verhindert war, zu erscheinen, 
o lonnte nicht entschieden werden, wann und wo 
die 11. Versammlung abgehalten wird. 
— In der Sonntag Nachmittag in Kaisers⸗ 
lautern stattgehabten Versammlung des Ausschusses 
und der Vertrauensmänner der deutschen 
Volkspartei der Pfalz wurde beschlossen, 
so bald als thunlich in den größeren Orten der 
Wahlkreise Kaiserslautern⸗Kirchheimbolanden und 
Homburg· Kusel Wählerversammlungen abzuhalten. 
Die Kandidatenfrage kam zwar zur Besprechung, 
doch wurde von einer Aufstellung der Kandidaten 
vorlaufig Abstand genommen. 
— Der Haupilehrer Herr Hammel in Berg⸗ 
Jabern feiert demnächst sein fünfzigjähriges Dienst⸗ 
ubiläum. 
— In neuerer Zeit machen Industrieritter 
schlimmster Art die Pfalz unsicher. So besuchte 
Bermischtes. 
4 Ottweiler, 24. Juni. Am leßzten Sonn⸗ 
ag, abends, lauerten einige hiesige Burschen einem 
ungen Manne von Schiffweiler, welcher ein Mäd⸗ 
hen von Niederlinxweiler nach Hause begleiten 
wollte, in der Nähe der Stadt auf und mißhan⸗ 
delten denselben mit einer eisernen Wagenrunge 
derartig, daß er bereits gestern infolge der schweren 
Verletzungen starb. Einer der Thäter ist verhaftet, 
vaährend sich zwei durch die Flucht vorläufig der 
Haft entzogen haben. Hoffentlich wird man ihrer 
aber bald habhaft werden. (S. u. Bl.⸗Ztg.) 
FPfeffelbach, 23. Juni. Ein Dienst⸗ 
mädchen aus Burglichtenberg, welches hier in Dienst 
ttand und viel über Heimweh klagte, wollte sich des 
Dienstes dadurch entledigen, indem sie das unter 
ihrer Obhut stehende Kind ihrer Dienstherrschaft am 
13. d. Mts. durch Phosphor zu vergiften suchte. 
Beim Abschaben von Streichhölzchen erwischt, ge⸗ 
ttand sie die böse That sofort ein. Schnelle ärzt- 
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