Full text: St. Ingberter Anzeiger

3 ⸗ F U. 24 
—IIIIi R —4 
0 * —388 8 ———4 9 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts 5kt. Ingbert. 
der ESt. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag/ Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteliährlich 1 A G60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen LA 75 H, einschließlich 
94 Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Infseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I3 A, Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
19. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Die neue Forstorganisation in 
sayern. Man schreibt aus München, 27. Juni. 
Ran wird sich erinnern, daß die Vorlagen unserer 
ztaatsregierung in Betreff einer neuen Organisation 
er Gesammt⸗Forstverwaltung Bayerns während 
ez letzten Landtags von ultramontaner Seite und 
nesonders durch den Ausschußreferenten Abg. Walter 
nischieden bekämpst und insbesondere von letzterem 
nut aller Entschiedenheit hehauptet wurde, daß auch 
ie Forstbeamten selbst der neuen Organisation 
rinduͤch gesfinnt seien; nur der so sachgemäßen und 
imfassenden Vertheidigung des Staatsministers der 
Finanzen, Herrn v. Riedel, war es zu verdanken, 
saß dem allen ungeachtet sich in der Abgeordneten⸗ 
ammer eine Majorität für die Vorlage fand und 
ieselbe dann auch die Zustimmung der Kammer 
ei und der Reichsräthe erhielt. Dies vorausgeschickt 
migetheilt, daß vor zwei Tagen dem Staatsminister, 
derrn v. Riedel, von einer aus zwei Forsträthen 
wei Forstmeistern ꝛc. bestehenden Deputation, unter 
Führung des Regierungs- und Kreisforstrathes 
heist aus Landshut, nahezu von sämmtlichen Forst⸗ 
zeamten und Berwaltungsadspiranten unterzeichnete, 
rrachtboll ausgestattete Adresse überreicht wurde, die 
olgeuden Wortlaut hat: „Euer Excellenz! Die 
mterzeichneten treu ergebensten kgl. bayerischen 
forstbeamten und Verwaltungsadspiranten fühlen 
ich gedrungen, Euer Excellenz ihren tiefgefühlten, 
mnigsten Dank auszusprechen für die warme 
energische Vertretung der Interessen der bayerischen 
Forstverwaltung und ihrer Beamten bei Gelegenheit 
er jüngsten Verhandlungen des bayerischen Land⸗ 
ages. An diesen aus dem Herzen kommenden 
dank knüpfen wir das ernstliche Versprechen, durch 
reue Pflichterfüllung Alles, was in unsern Kräften 
icht, beizutragen, daß die bayerische Forstverwal⸗ 
umng unter Eurer Excellenz bewährter Leitung jene 
johe Stufe erreiche, welche Eure Excellenz als das 
ẽendziel der“ Reorganisation hingestellt, haben. In⸗ 
em wir mit dem Wunsche schließen, daß die neue 
Rganisation, welche nur durch das kräftige, be— 
vährte Eintreten Euer Excellenz zu Stande ge⸗ 
lommen ist, dem bayerischen Vaterlande und seinen 
Forsten zum Heile gereichen möge, geben wir den 
warmen Gefühlen unseres unvergänglichen Dankes 
und unserer treuesten Anhänglichkeit an Euer 
cxcellenz noch einmal Ausdruck und verharren in 
iesster Ehrfurcht Euer Excellenz dankbar gehor—⸗ 
amite ꝛc. ꝛc.“ 
Worms, 28. Juni. In der hiesigen Bür— 
ttschaft cursirt nachssehende Adresse zur Unlerschrift: 
Die unterzeichneten Bürger von Worms, welche stolz 
ind auf die Größe und Macht ihres deutschen Va⸗ 
mlandes, begrüßen mit Freuden die Colonialpolitik 
es Reichskanzlers Fürsten Bismarck, wie sie von 
Nemselben in der sog. Postdampfer⸗Vorlage vertreten 
urde, und mißbilligen laut und entschieden den 
leinlichen Parteistandpunkt von Richter, Bamberger 
md Genossen in dieser Sache. Worms, 27. Juni 
Berlin, 28. Juni. Die „Nordd. Allg. Zig. 
hrt, det Kaiser habe, hocherfreut uͤber die 
—10 Errettung aller in der Deutschlandgrube 
berschutteen den Rettern sofort telegraphisch be— 
anderen Dank und warme Anerkeunung aus— 
drechen lassen. 
Berlin, 28. Juni. (Reichstag.) Auf eine 
rerpellatson betreffend die Cholera er⸗ 
vidert der Staatssekretär v. Bötticher: Noch 
iege keine positiv sichere Erklärung über die Natur 
der Krankheit vor; dieselbe solle jedoch sporadisch 
ohne besondere Ansteckungsgefahr sein. Die sorg⸗ 
ältigsten Ermittelungen dauern fort. Hier habe 
eine Cholerakommission mit den Gelehrten v. Pet⸗ 
enkofer und Koch heute ihre Arbeiten begonnen. 
Man hoffe, mit dem Revisionssystem ohne Grenz— 
perre durchzukommen. Virchow zweifelt, ob 
richt doch die asiatische Cholera vorliege 
ind tadelt die mangelhaften Schutzmaßregeln Frank— 
reichs, sowie die schlechten Sanitätszustände am 
Zuezkanal. v. Bötticher erwidert, die französische 
stegierung habe, wie der deutsche Botschafter in 
Paris berichte, alle hygieinischen Vorsichtsmaßregeln 
jetroffen. Deutschland werde internatid— 
rale Schuzmaßregeln im Suezkanal 
zeranlassen. — Nachdem Feldmarschall Graf 
Moltke dem Präsidenten den Dank des Hauses 
wusgesprochen, erklärt Staatssekretär v. Bötticher 
m Namen des Kaisers die Session für ge— 
chlossen, und schließt Präsident v. Lebvetzow die 
—AV 
Berlin, 28. Juni. Das Unfallversicherungs⸗ 
zesetz hat endlich die dritte Berathung passirt. Ein 
Befühl der Erleichterung ging durch das Haus 
ils der gesammte Gesetzentwurf angenommen war. 
In Pausch und Bogen wurde dann gleich noch die 
Organisation des neuen Reichsversicherungsamtes 
acceptirt. — Man erzählt sich, daß die Abg. Richter 
und Rickert unverhohlen ihrer üblen Laune gestern 
Ausdruck gaben, weil Bamberger in seiner Rede 
zegen die Colonial-Politik zu weit gegangen sei. 
Berlin, 30. Juni. Der Fürst und die 
Fürstin Bismarck sind heute Vormittaq nach Varzin 
ibgereist. 
Der Reichstag hat diesmal 114 Tage lang 
vom 6. März bis 28. Juni einschließlich) getagt 
und in dieser Zeit, in welche übrigens die Oster—⸗ 
ind die Pfingstferien fielen, 45 Plenar⸗, 120 Ab⸗ 
heilungs⸗ und 154 Kommissionssitzungen gehalten; 
er hat also wahrlich nicht gefaullenzt. Erledigt 
wurden 17 Gesetzentwürfe, eine laiserl. Verordnung 
und alle vorgelegten 9 Verträge; 10 Wahlen konnten 
pom Plenum nicht mehr geprüft werden. 
Demonstrationen für die Colonial⸗ 
politik des Reichskanzlers, welche nach 
em Resultate der Reichstagsberhandlungen bereits 
tattfinden, liefern — wenn dieses überhaupt noch 
aöthig wäre — einen schlagenden Beweis dafür, 
vie wenig das Volk von dem Verhalten der Gegner 
ener Politik erbaut ist und wie es auf Seiten des 
Reichskanzlers steht. So wird aus Marburg 
interm 27. Juni geschrieben: „Die von den an⸗ 
zesehensten Bürgern unserer Stadt angesetzte Ver⸗ 
ammlung zur Besprechung colonialpolitischer Fragen 
'and gestern Abend im Saalbau unter außerordent⸗ 
ich zahlreicher Betheiligung der Bürgerschaft unserer 
Stadt statt. Nach einigen einleitenden Expektora⸗ 
ionen des Prof. der Geographie Dr. Fischer über 
rolonisatorische Bestrebungen des deutschen Elements 
iberhaupt und einem längeren Vortrage des Prof 
der Theologie Dr. Achelis über die Beziehungen 
wischen Colonisation und Mission, in dem der 
Redner nachdrücklich die Mission gegen die Meinung 
in Schutz nahm, als könnte sie ein politisches Mittel 
für die Colonisation werden, sprach der Prof. der 
Nationalökonomie Dr. Taasche, bisheriger liberaler 
Reichstagsabgeordneter für Rostock, in überzeugender 
Weise und in glänzender Diktion über die Dampfer⸗ 
ubventionsvorlage, ihre Vorgeschichte und ihren 
zweifellos colonialpolitischen Charakter. Man müsse 
der äußeren Politik des Reichskanzlers, denn in 
diese falle die Förderung der colonisatorischen Be— 
trebungen, Vertrauen entgegenbringen und vor 
allem den einseitigen Parteistandpdunkt bei der Be⸗ 
irtheiluug der Vorlage verlassen. Tie Rede wurde 
nit großem Beifall aufgenommen und nach einigen 
usammenfassenden Bemerkungen des Abgeordneten 
Professors Dr. Enneccerus wurde die telegraphische 
Abschickung einer zustimmenden Adresse an den 
Reichskanzler einstimmig von der Versammlung be— 
chlossen. In derselben wird das energische Ein—⸗ 
zreifen der Reichsregierung zum Schutz der deutschen 
Niederlassung in Angra Pequena, die Stellungnahme 
in der Congofrage, sowie die Vorlage der Dampfer—⸗ 
ubvention an den Reichstag als der Beginn einer 
olonisatorischen Reichspolitik, die auf die Förderung 
»er überseeischen Interessen Deutschlands gerichtet 
ei, sympathisch begrüßt, sowie die feste Hoffnung 
zusgesprochen, daß die Vertretung des deutschen 
Volkes die Verfolgung der colonialpolitischen Pläne 
»es Reichskanzlers kräftig unterstützen und die 
Dampfersubventionsvorlage annehmen werde.“ — 
rerner kommt aus Stuttgart von vorgestern fol⸗ 
jender Bericht: „Nach dem Vorgange des Heil⸗ 
zronner Handelsvereins hat heute die Stuttgarter 
dandels⸗ und Gewerbekammer auf Anregung ihres 
horstands des Geh. Hofraths Dr. v. Jobst ein 
einstimmiges Votum zu Gnusten der Dampfersub⸗ 
»ention und für die Unterstützung der damit an— 
gebahnten Colonialpolitik abgegeben. Dem Fürsten 
Reichskanzler wurde dieser Beschluß durch eine Ein⸗ 
jabe vermittelt, in welcher gleichzeitig der Bitte 
Ausdruck gegeben ward, der Fürst Reichskanzler 
nöge, wenn der gegenwärtige Reichstag die Vorlage 
blehne, dieselbe dem nächsten Reichsstage aufs Neue 
unterbreiten. — Der Reichstagsabgeordnete sür 
Stuttgart wurde heute noch auf Grund dieses 
dammerbeschlusses um Unterstützung der Dampfer⸗ 
subvention ersucht.“ 
Ausland. 
Paris. Das alljährliche große Nationalfest 
yom 14. Juli ist definitiv verschoben worden. 
Man will größere Menschenansammlungen verhüten, 
um nicht der Möglichkeit, daß die Cholera auch in 
Baris festen Fuß faßte, Vorschub zu leisten. 
Die Verwirrung im bonapartisfti⸗ 
schen Lager ist — wenn eine Nachricht des 
Baulouis den Thatsachen entspricht — vollständig. 
Fs soll sich nämlich eine bonapartistische Gruppe 
jebildet haben, welche den zweiten Sohn des Prin⸗ 
en Jerome Napoleon, den Prinzen Ludwig Napo— 
eon als dritten Prätendenten auf den Schild er⸗ 
sJeben will. Das genannte Blatt berichtet darüber, 
vie folgt: „Einige Mitglieder der Gruppe des 
Appels an das Volk, welche bei einem derselben 
dersammelt waren, haben die Frage angeregt, ob 
es nicht thunlich wäre, die Candidatur des Prinzen 
dudwig auf den Kaiserthron zu unterstüßen. Sie 
jalten Prinz Napoleon für unreligiös und den 
PBrinzen Victor für undemokratisch. Prinz Ludwig 
ereinigt für sie diese beiden Eigenschaften: er ist 
religiös, wie seine Mutter, die Prinzessin Clotilde, 
ind demokratisch, wie Prinz Jeroͤme. Mit Rück⸗ 
icht auf diese Candidatur sollen Schritte bei den 
einflußreichen Mitgliedern der Partei unternommen 
verden.“ 
Madrid, 30. Juni. Rüchsichtlich der in 
Toulon aufgetretenen Epidemie wurde die Ziehung 
eines Militärcordons länqs der Landesgrenze gegen