Full text: St. Ingberter Anzeiger

Und trotz chiganirlichem Einwand 
Her löblichen Staatspolizei 
EIrschien er in graulicher Leinwand 
And sprach sein: Frisch, fröhlich, fromm, frei! 
Er schwang an dem Barren sich heiter 
Und lief Kilometer im Trab, 
UAnd stieg an schräglehnender Leite r 
Mit Händen hinauf und herab. 
Wir sagen es sonder Erdreistung: 
Finst schaut es die Zukunft vielleicht, 
Daß in akrobatischer Leistung 
Man die rühmlichen Väter erreicht. 
So schreiten auf richtigen Bahnen 
Wir weiter in rüstigem Gang 
Und grüßen die zottigen Ahnen 
Mit civilisirtem Gesang. 
Victor Scheffel. 
GNoch eine Folgeder Gründerzeit.) 
uürzlich wurden auf dem Hagener Amtsgericht 650 
stien der früheren „Wagonsabrik auf Aktien West⸗ 
salia“ öffentlich und meisthietend als Makulatur 
steigert. Die Aktien waren seiner Zeit mit à 
s Thalern emittirt worden, repräsentirten also 
en ursprünglichen Werth von 890 000 M; das 
reistgebot betrug 1 M., wofür sie weggegeben 
arden. Die versteigerten Aktien waren überhaupt 
su zur Ausgabe gelangt, sondern ruhten noch im 
rtefeuille. Die „Westphalia“ war eine der 
ründungen der Gründerperiode, die auf leichtestem 
tergrunde aufgebaut wurde und glänzend ver— 
uchte; die Aktionäre haben, als das Unternehmen 
Konkurs gerieth, nicht geringe Summen verloren. 
päter wurde die Waggenfabrik von den Gebrüdern 
lling und Sohn wiedergekauft; das Geschäft ist 
t als gut fundirt anzusehen. 
Ein höchst interessanter Prozeß wird in nächster 
in vor dem ersten Senat des Braunschweiger 
berlandesgerichts in letzter Instanz zur Entscheidung 
mmen. Es handelt sich in demselben um die 
lage der drei Grafen Stolberg-Wernigerode, Stol⸗ 
ige Stolberg und Stolberg⸗ Roßla gegen die braun⸗ 
weigische Kammer wegen Herausgabe der ganzen 
tafschaft Blankenburg am Harz, d. h. sämtlicher 
pmänen und Waldungen in derselben — ein 
Njekt von mehreren Millionen Mark an Werth! 
-Dieser merkwürdige Prozeß ist 1604 bei dem 
xgen der Saumseligkeit des gerichtlichen Verfahrens 
dannten Reichskammergericht zu Wetzlar anhängig 
emacht, hat dort 1649 gespielt, sodann aber bis 1882 
etuht, bis er dann vom jetzigen Grafen Stolberg 
ieder aufgenommen worden ist. 
Einen entsetzlichen Selbstmord beging dieser 
age der seit kurzer Zeit in Berlin lebende, etwa 
jjährige ungarische Privatgebehrte und Schriftsteller 
irt von Paal aus Nagy Enged in Siebenbürgen. 
er Genannte betrat Nachmittags die in der Wil— 
mstraße 14, zwei Treppen, belegene Wohnung 
x Familie Fagenstein und wünschte ein möblirtes 
inmer zu miethen. Frau Fageustein öffnete die 
hüt des betreffenden Zimmers und ließ den Frem⸗ 
n eintreten, während sie selbst unter der Thüre 
chen blieb. Kaum aber hatte der Fremde das 
nstehende Fenster erblickt, so rannte er auf das— 
de zu und stürzte sich kopfüber, ohne daß die vor 
—XVVV 
unte, auf die Straße hinab. Der Unglückliche 
mit solcher Wucht auf das Straßenpflaster, daß 
Schädel sofort in Stücke ging und das Gehirn 
weitem Bogen bis auf den Fahrdamm spritzte. 
e ungeheure Menschenmenge sammelte sich sofort 
det Unglücksstätte an; bald erschien auch die 
autzei, welche den Thatbestand aufnahm und ein 
u. der leider nur den Tod des Bedauernswerthen 
utatiren konnte. In den Taschen des Selbst⸗ 
otders wurde außer einem Portemonnaie mit 18 
ark Inhalt eine Postkarte aufgefunden, worauf 
Worte standen: „Bitte meinen Tod Frl. 
auch Charlottenstraße 8, zu melden, wo ich wohne“. 
it weitere Untersuchung hat ergeben, daß der 
unglückte an Verfolgungswahnsinn litt. 
Czernowitz, 29. Juni. Auf der Bahn⸗ 
e Kuczurmare iist ein furchtbarer plötzlicher 
Akenbruch niedergegangen. Von den auf 
Lahnstrecke beschäftigten Arbeitern sind 3kodt, 
r verwundet und fünf werden vermißt; ein 
zug ist zur Rettung abgegangen. Die Strecke 
hera: Czernowitz ist nicht beschaͤdigt. 
Paris, 30. Juni. Aus Algier vom 29. 
gemeldet: In Folge von Streitigkeiten 
en Konskribirten, wobei es zu Schlägereien 
entssanden Ausschreitungen gegen Juden. 
* jüdische Häuser wurden geplündert. Die 
oide hat die Ruͤhze wiederhergestelit. Die Schul⸗ 
en wurden verhaftet. 
F Toulon, 29. Juni. Von gestern Abend 
o Uhr bis heute Mittag sind hier vier Cholera⸗ 
Todesfälle vorgekommen. 
F Marseille, 29. Juni. Vergangene Nacht 
und heute Vormittag ist hier kein weiterer Todes 
fall an der Cholera konstatirt worden. 
Fe Marseille, 29. Juni. Von gestern Abend 
3 Uhr sind zwei Todesfälle an der Choliera vorge⸗ 
ommen. In den Hospitälern befindet sich kein 
Tholerakranker. 
F Marseille, 30. Juni. Das Standesamt 
registrirte heute Morgen fünf. in der letzten Nacht 
vorgekommene Choleratodesfälle. 
Die Cholera-⸗Nachrichten aus Tou— 
lon widersprechen sich wie die Ansichten der Aerzte 
iber die dort herrschende Seuche. Thatsächlich 
auten die amtlichen Nachrichten sehr günstig und 
ie Privatnachrichten so ungünstig wie nur möglich. 
Fast ein Drittel der Einwohner, mehr als 25,000, 
jaben bis jetzt die verpestete Stadt verlassen und 
mmer mehr schließen sich der allgemeinen Flucht 
in. Die Desinfektionsarbeiten werden namentlich 
hon der Feuerwehr besorgt und die Zustände, welche 
dabei bekannt werden, sollen ganz unglaublich sein. 
Wie hat man nicht in Frankreich im vorigen Jahre 
iber die Verschmutzung der egyptischen Ortschaften ge⸗ 
jetert! Ein nach Toulon gereister Pariser Bericht⸗ 
erstatter schreibt jetzt über die entsprechenden Zu— 
tände in Toulon: „Ich kenne den Orient. Wahr—⸗ 
Jaftig, gewisse Stadtviertel in Toulon lassen im 
Kergleich zum Orient nichts an Verschmutzung und 
Besundheitsschädlichteit zu wünschen übrig. Es ist 
»eine Schande, daß die Stadtbehörde oder die Re— 
sierung nichts gethan haben, um diesen gefährlichen 
Infektionsherd im südlichen Frankreich unschädlich 
zu machen!“ 
F Ein Skandal in Rom — unter dieser 
leberschrift veröffentlicht die Kreuzzeitung folgende 
ömische Korrespondenz: „Eine binnen Kurzem in 
Aussicht stehende Mischehe der sonderbarsten Art 
zeschäftigt die Kreise der hiesigen deutschen 
Ldolonie in hohem Grade. Ein früherer Haus— 
)rälat des Papstes, der schon im Jahre 1864 durch 
Dekret Pius IX. aus Rom und dann aus Civita⸗ 
Vecchia ausgewiesen, später a divinis suspendirt 
ind exkommunizirt wurde und zum Methodismus 
und dann zum Altkatholizismus übertrat, beabfich— 
sigt, sich in nächster Zeit mit einer 65 Jahre 
albten, deutschen adeligen Wittweevan— 
zelischen Glaubens zu verehelichen. Da der 
Zräutigam sich hier seines ganzen Vorlebens wegen 
ees denkbar schlechtesten Rufes erfreut, der verewigte 
Bemahl der Braut⸗-Wittwe aber bei Lebzeiten eine 
zjervorragende und überaus geachtete 
Ztellung in der deutschen Kolonie Roms einnahm, 
o ist es nur zu natürlich, daß die Heiraths⸗Affaire 
den hiesigen Deutschen ein arges Aergerniß bietet. 
Wie Ihr Korrespondent übrigens hört, wird seitens 
der hiesigen evangelischen kirchlichen Behörde dem 
ibsonderlichen Brautpaare die kirchliche Trauung 
erweigert werden. Sollte die „Partie“ wirklich 
noch zu Stande kommen, dann geschieht dies nur 
iuf Kosten des guten Rufes der deutschen Kolonie 
n Rom.“ Das „Berliner Fremdenblatt“ vervoll⸗ 
tändigt obige Nachricht noch dahin, daß es sich um 
Frau v. D. handelt, Trägerin eines mit einer 
inderen weltberühmten Familie in Allianz genannten 
rristokratischen Namens. 
Gemeinnütziges. 
(Gonfervirung von Hölzern. Auf 
Hrund langjähriger Erfahrungen und Beobachtungen 
iber die Haltbackeit der Hölzer in natürlichem, 
inpräpariertem Zustande oder nach der Impräg⸗ 
nierung mit Theer oder Eisenvitriol kommt, wie 
ie „Pharm. Centralh.“ mittheilt, Fayol zu dem 
Schluß, daß durch den Theer die Haltbarkeit von 
Tannenholz kaum erhöht, die von Eichenholz etwa 
erdoppelt wird, während entsprechende Behandlung 
nit Eisenvitriol die Dauerhaftigkeit beider Holz 
irten verzehnfacht. In Bergwerken z. B. hält sich 
kichenholz in natürlichem Zustande nur 2 Jahre, 
jach der Sulfatisierung dagegen bis zu 80 Jahren 
Zur Sulfatisierung genügt 24stuündiges Eintauchen 
n eine 20prozentige Eisenvitriollösung, wobei die 
Wirkung dieselbe ist bei troteenem, wie bei grünem 
dolz. Wir erwähnen bei dieser Gelegenheit noch 
eines anderen Mittels zur Konservirung. Dieselbe 
ann mittelst eines billigen Anstrichs leicht vorge⸗ 
zenommen werden. Hierzu werden auf 300 Theile 
sewaschenen und gesiebten Sandes 40 Theile prä— 
sipirten Kalks, 56 Theile Harz und 4 Theile 
deinöl gemischt, in einem eisernen Kessel verkocht 
ind diesem Gemenge je 1 Theil Kupferoxyd und 
Schwefelsäure zugesetzt. Der nun fertige Anstrich 
vird noch warm mit einem Malerpinsel aufgetragen. 
Sin Zusatz von Leinöl verhindert das Dickflüssig⸗ 
werden dieser Anstrichmasse und läßt sie rasch trocknen. 
An der Luft wird dieselbe rasch hart und unem— 
ofindlich und bewahrt hierdurch vor manchen Ver⸗ 
usten. 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Büchelberg Frau Magdalena 
Zettner, geb. Masset, 69 J. a.; in Steinweiler 
zrau Rosina Hammerschmitt, in Mannheim 
Franz Freytag, sen., 69 J. a., früher Besitzer 
des „Pfälzer Hofes“; in Ludwigshafen Ernst Jakob 
Stutzmann, Kaufmann, 55 J. a.; in Kusel 
Frau Katharina Vogl, geb. Ludwig, 83 J. a.; 
n Ernstweiler Ludwig Brennemann, 75 J. a.; 
n Rülzheim Josephine Dudenhöfer, geb. Oehl, 
dehrerswittwe, 58 J. a. 
Dienstesnachrichten. 
Dem k. Notär Philipp Becker in Mutterstadt wurde 
auf Ansuchen gestattet, den geprüften Rechtspraktikanten 
Lugust Crolly von Friedelsheim auf die Dauer eines Jahres 
als Amtsverweser zu bestellen. 
Ernannt wurden: der interim. Schulverweser Ludw. 
Moschel in Zweibrücken zum Schulverweser daselbst; der 
Lehrer Jakob Baumann in Dunzweiler zum Lehrer in Hom— 
»urg; der Schulverweser Karl Diehl in Feilbingert zum 
Schulverweser in Kirchheimbolanden; der interim. Schulver⸗ 
veser Karl Hähnlein in Becherbach zum Schulverweser 
daselbst; der interim. Schulverwo⸗her Jakob Neulist in Frie— 
senheim zum Schulverweser daselbst; der interim. Schulver— 
veser Heinrich Klein in Callbach zum Schulverweser daselbst; 
der inierim. Verweser Adam Reiß in Sitters zum Schul— 
verweser daselbst; der integim. Vexwveser Gottfried Dieden 
in Ruppertsecken zum veg dertn in Ruhestand ver— 
setzt: die Lehrer Jakob Ast zu Ensheim und Veter Fischer 
zu Herrheim. 
S. M. der König haben sich allergnädigst bewogen ge⸗ 
funden, den Amisgerichtsdiener Joh. Igel in Blieskafiel, 
einem Ansuchen entsprechend, auf die bei dem Amtsgerichte 
Speyer erledigte Amisgerichtsdienerstelle zu versetzen, den 
Militärbewerber, Gendarmerie; Wachtmeister K. Denner 
in Kirchheimbolanden in widerruflicher Eigenschaft zum Amts⸗ 
gerichtsdiener in Bli skastel zu ernennen. 
Znr die Redaktion verantwartsich; t X Demeß. 
Telegraphischer Schiffsbericht. 
Mitgetheilt von Jean Peters in St. Ingbert. 
Das Hamburger Postdampfschiff „Hammo⸗ 
nia“ Cap. Schwensen von der Linie der Hamburg⸗ 
Amerikanischen Packetfahrt⸗-Aktien-Gesellschaft, welches 
am 15. Juni von Hamburg via Havre abging, ist 
nach einer glücklichen Reise am 27. Juni wohlbe⸗ 
halten in New-York angekommen. 
Das Postdampfschiff „Khynland“ Capitän 
Jamison der Red Star Line, am 14. Jani voen 
Antwerpen abgegangen, ist nach einer glücklichen 
Reise am 26. Juni wohlbehalten in New-York an— 
gekommen. 
ↄer. vl des praktischen Wochenblattes für alle 
Hausfrauen „Fürs Haus“ enthält: 
Preisaufgabe. — Rathschläge an reisende Damen. 
— Julius Faucher über das Franzosenthum in 
Deutschland. — Von sich selbst reden. — Giftige 
Farben im Zimmer. — An Freier. — Verschieb⸗ 
bare Blechbüchsen. — Ist Chlorkalk wirklich der 
Wäsche schädlich?“ — Martin und Dorchen. — 
Feines Aufschnittgeschäft. — Englische Kinderbücher. 
— Helle Kinderkleider. — Volkslieder. — Lieder. 
— Vierhändige, nicht schwere Klavierstücke. — 
Unser Affe Fritz. — Luft ohne Licht. — Selbst⸗ 
ceinigen der Oefen. — Küchentisch. — Behandlung 
der Möbel. — Waschmaschine. — Stillen. — 
Schielen. — Stockflecken. — Fettflecke aus Kokos— 
Teppichen. — Weiße Strohhüte zu reiuigen. — 
Anstrich für Cementfußböden. — Hochrothe wollene 
Waffelbettdecken. — Rohe Seidenstoffe zu reinigen. 
— Oberhemden zu stärken. — Weiße Flanell⸗ 
wäsche. — Kartoffeln zu kochen. — Mandelkränz- 
hen. — Uebrig gebliebene Kartoffeln zum Pudding 
ohne Butter. — Gesundheitskaffee. — Wales rare 
dit. — Spargelsuppe. — Russischer Salat. — 
Frische Champignons als Gemüse. — Kunstbutter. 
— Französisches getrocknetes Gemüse. — Küchen⸗ 
zettel. — Silbenräthsel. — Fernsprecher. — Echo. 
— Der Markt. — Anzeigen. — Probenummer 
zratis in allen Buchhandlungen. — Preis viertel⸗ 
ährlich 1 Mark. — Notariell beglaubigte Auflage 
10,000. — Wochensptuch: 
Sei mit jeder Stunde sparsam, 
Denn sie ist ein Stück vom Leben, 
Ein Stück Zeit, das in Gewahrsam 
Dir der Herr der Zeit gegeben.