Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts 53k. Ingbert. 
der St. Ingberter Auzeiger“ erscheint wbchentlich füufmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
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2.— 
Politische Ueberfsicht. 
Deutsches Reich. 
of. L.C. Die Keßler'schen Autraͤge. 
Neben den mehrfach schon charakterisirten rein 
oirthschaftlichen Maßregeln, die von der Regierung 
n Vorschlag gebracht werden, ist es wohl auch den 
Anträgen aus der Mitte der Abgeordneten beschie⸗ 
»en, im Vordergrunde unserer parlamentarischen 
rrugen bis zum Ende der Session stehen zu bleiben. 
cine auch nur theilweise Verwirklichung jener An⸗ 
räge müßte ja schon zu“* Folge haben, daß die 
oichtigsten sozialen Verhastnisse in Bayern völlig 
ich umgestalten würden. Vor Allem gilt dies aber 
son den bereits mehrfach berührten Anträgen des 
1bg. Keßler, welcher die Ehesche *ꝛung durch be— 
hränkende Zusätze zu der einschlagigen Gesetzgeb⸗ 
ing an wesentlichen Punkten erschweren will. Es 
ann uns natürlich nicht beikommeu, diese Anträge 
in dieser Stelle so erschöpfend zu behandeln, wie 
3 im diesseitigen Staatsgebiete geschieht. Die Pfalz 
tt in dieser Angelegenheit gewissermaßen nur Zu— 
chauer und nur insofern interessirt, als die Behand⸗ 
ung der Frage nach deu Weihnachtsferien einen 
oomöglich noch breiteren Raum in der gesetzgeber⸗ 
ichen Arbeit beanspruchen wird, als vorher; und 
atürlich auch insofern, als die gesammten übrigen 
dreise Bayerns davon berührt werden. 
Das allgemeine Interesse gegenüber den Keßler'- 
chen Anträgen gipfelt nun jedenfalls in den drei 
zragen: was die Kammermehrheit eigentlich be⸗ 
weckt; wie sich die liberale Partei der Abgeordre⸗ 
enkammer dazu stellt; und — welche Aussichten 
ür die Pfalz fich eröffnen, wenn diese Anträge 
Besetzeskraft erlangen sollten. 
Im Sozialgesetzgebungs ⸗Ausschuß steht einst⸗ 
veilen fest, daß sich die Rechte mit den einschrän— 
enden Bestimmungen des 8 36 aus der Ehegesetz⸗ 
zebung von 1869 nicht begnügt; daß sie vielmehr 
uuf den Mangel an weitergehenden Einschränkungen 
den angeblichen wirthschaftlichen Niedergang des 
etzten Jahrzehuis hauptsächlich mit zurückführt, und 
jamentlich darauf, daß jene Einspruchsrechte viel 
zu sehr beschränkt seien, um die Gemeinden in 
Stand zu halten, daß sie sich gegen übergroße Ar⸗ 
nenlasten sicherstellen könnten. Richtig ist allerdings, 
aß die bisherigen gesetzlichen Beschränkungen von 
leiner sonderlichen praktischen Bedeutung waren. 
Der Abg. Keßler nun stützt seine weitergehenden 
Forderungen auf das zu jugendliche Alter der Braut⸗ 
eute, auf deren getrübten Leumund und auf das 
Borhandensein körperlicher Gebrechen. 
Die Anxegung selbst, auf diesem sozialem Ge⸗ 
ziete etwas zu thun, ist bekanntlich schon zwei 
Fahre alt. Gleichwohl bedurfte es zuletzt noch 
ines förmlichen Beschlusses der Commission, um 
en Antragsteller zu solch' bestimmter Fassung seiner 
Anregung zu dermögen, — ein klarer Beweis für 
die Schwierigkeiten, welche in der Sache selbst liegen, 
ind bei fortgesetzter Berathung sich nur noch ver⸗ 
nehren und erweitern werden. In der zweiten Aus⸗ 
chuß Sitzung bereits wurde nachgewiesen, daß ein 
kinspruchzrecht während der Dauer der Aberkenn⸗ 
ung der bürgerlichen Ehrenrechte (die bekanntlich 
»is zum 10. Jahre nach verbüßter Strafe sich er—⸗ 
neden kann) Mißbräuche keineswegs ausschließt. 
der bezügliche Abschnitt der Anträge konnte schließ⸗ 
ich von der Rechten selbst nicht aufrecht erhalten 
verden. So ging es auch mit weiteren speziell 
zufgezählten Fällen — bei genauerer Beleuchtung 
erwies sich, daß mit dem Einspruch dabei nicht 
Samstag, 5. Januar 1884. 19. Jahrg. 
veit zu kommen sei; — so daß zuletzt der Antrag⸗ 
teller, und noch mehr jein conservativer Berather, 
der Abg. Luthardt, eine Hinterthüre aufzumachen 
ich genöthigt sahen, indem sie dem Antrag eine 
Beneral⸗Clausel anhängen mußten, wonach den Ge⸗ 
neinden sozusagen das alte Veto, jedoch in offenbar 
verstärktem Maße zurückgegeben werden sollte. Da⸗ 
nit wäre man deun, gut deutsch gesprochen, durch 
die Hinterthüre vollends in die Sackgasse gerathen. 
Was uun die Ansicht der Liberalen betrifft, so 
nöchten dieselben auch ihrerseits zur Zeit nicht das 
Prinzip der vollen Verehelichungsfreiheit praktisch 
ingewendet sehen. Im Gegentheil erkennt man 
uch auf dieser Seite das Bedürfniß an, die Ge— 
neinden durch ihnen zu verleihende weitere Ein⸗ 
pruchsrechte vor den Folgen leichtsinniger Ehebünd⸗ 
nisse zu schützen. Dieser Anschauung entspricht auch 
die Stimmung im ganzen Lande. Die liberale 
Hartei ist demnach nicht abgeneigt, einzelne krasse 
Fälle, die den meisten Anstoß erregt haben, im 
Besetz besonders vorzusehen, will aber nur nicht in 
as Keßler'sche Exirem der absoluten Beschränkung 
erfallen. 
Von pfalzischer liberaler Seite schließlich wird 
wa Folgendes geltend zu machen sein: Seit nahezu 
inem Jahrhun dert herrscht in der Pfalz die völlige 
Berehelichungsfreiheit, welche dann auch in der 
steichsverfassung für das gesammte Reichsgebiet 
Inerkennung gefunden hat, bis auf das rechtsrheinische 
sayern. Dic Pfalz hat demnach kaum zu besorgen, 
»aß die Ausdehnung der im rechtsrheinischen Bayern 
ioch isolirt bestehenden Einschränkungen auf sie je⸗ 
nals wird angestrebt werden. Das würde auch 
illen thatsächlichen Erfahrungen zuwider sein. 
Ullerdings beklagt man auch im Geltungsbereich 
ener völligen Freiheit das Vorkommen von Ehen, 
zie besser nie geschlossen worden wären. Aber hie⸗ 
jegen wären die im rechtsrheinischen Staatsgebiete 
son Alters her noch bestehenden und immer wieder 
iachgebesserten Mittel nichts weniger als noch brauch⸗ 
zar, vielmehr direlt von nachtheiliger Wirknng. 
denn finanziell und moralisch beweist die Statistik, 
aß man dort, wo die Freiheit der Verehelichung 
ich eingebürgert hat, damit die besseren Resultate 
rzielt. Beispielsweise verwendet die Pfalz zu 
Armenzwecken viel weniger, als das diesseitige 
Zayern und das Prozenterhältniß der unehelichen 
ßeburten ist in der Pfalz ein doppelt günstigeres, 
ils in den übrigen Landestheilen. Endlich müßten 
enn viele Gründe von erdrückender Gewalt vor⸗ 
iegen, um die Pfalz zu vermögen, sich dem dies⸗ 
eitigen Bayern zu Liebe von dem ganzen übrigen 
Deutschland zu trennen. 
Ueber das Ergebniß der bezüglichen Landtags⸗ 
zerhandlungen läßt sich nur sagen, daß jedenfalls 
was geschehen wird, schon um zu der Stroͤmung 
)es Vollkswillens nicht direkt in Gegensatz zu ge⸗ 
rathen. Befriedigen aber wird das Ergebniß kaum 
an irgend einer Stelle. Dem einen wird es scheinen, 
daß der Landtag zu weit, dem Anderen, daß er 
nicht weit gegangen sei; und, je mehr geschehen 
wird, desto größere Schwierigkeiten werden allent⸗ 
halben neu erstehen! 
trauens dadurch zu geben, daß ich Sie in den erb⸗ 
lichen Freiherrnstand des Königreichs erhebe. Ich 
freue mich, Ihnen, mein lieber Minister, durch die 
gegenwärtigen Zeilen hiervon Mittheilung zu machen 
unter der erneuten Versicherung meiner besonderen 
Werthschätzung.“ 
München, 83. Jan. (Kammer der Abge⸗ 
ordneten.) Die Pfälzer Abgeordneten haben den 
Antrag eingebracht, das Hagelyersicherungsgesetz für 
die Pfalz erst vom Jahre 1885 ab einzuführen. 
Munchen, 3. Januar. (Ageordnetenkammer.) 
Bei der heutigen Generaldebatte der Hagelbversicher⸗ 
uingsvorlage, an welcher sich der Referent Frhr. v. 
Soden und die Abgeordneten Marquardsen, v. 
Stauffenberg und Hörmann betheiligten, erklärte 
der Finanzminister, die Spezialanträge Hörmann 
hetreffs des erhöhten Staatszuschusses und Haupt⸗ 
berücksichtigung des mittleren uud kleinen Landbau—⸗ 
zetriebes brächten in die Vorlage ein neues Prinzip. 
Die Regierung wolle keine Staatsanstalt im engeren 
Sinne des Wortes, sondern nur eine staatlich ge— 
leitete Gesesschaft auf Gegenseitigkeit, den Charakter 
der Unterstützung wolle die Regiernng der Anstalt 
nicht geben. So viel er für die Landwirthschaft 
thun wolle, so könne er den Anträgen Hörmann's 
nicht beipflichten, vielmehr könne er nicht verhehlen, 
daß er unter keinen Umständen als Finanzminister 
einem Gesetze mit einem so hohen Staatszuschusse 
ustimmen werde. Aehnlich spricht sich der Minister 
des Innern aus; die Hörmann'schen Anträge seien 
theilweise undurchführbar. 
Die nationalliberale Fraction des 
Abgeordnetenhauses beabsichtigt, beim Wiederbeginn 
der Sitzungen sofort in die Besprechung der Steuer⸗ 
zesetze und der Jagdordnung einzutreten. Die Mit⸗ 
zlieder der nationalliberalen Fraction werden ge— 
beten, mit Rüchsicht hierauf sich besonders pünktlich 
zum 8. d. M. in Berlin einzufinden. 
Die preußische Arzueitare für 1884 
weist in den Verzeichnissen der Arzneipreise recht 
ahlreiche Veränderungen und zwar, wie die Phar⸗ 
maceutische Zeitung bemerkt, den beispiellos nied⸗ 
rigen gegenwärtigen Marktpreisen faft aller Roh⸗ 
drognen und chemischen Präparate entsprechend. 
meist Preisherabsetzungen auf. 
Auslaud. 
Paris, 2. Januar. Wie es heißt, wird sich 
Prinz Viktor Napoleon demnächst nach Rom begeben. 
Paris, 2. Januar. Aus Bayonne meldet 
die „Agence Havas“: Man befürchtet eine auf⸗ 
ständige Bewegung an der spanischen Grenze. Der 
Minister des Innern sandte Weisungen an die 
Bräfekten der Grenzdepartements. 
Deutsche Politik in euglischer Wür⸗ 
digung. In ihren Neujahrsartikein lenken die 
meisten englischen Tagesblätter mit ungeheuchelter 
Befriedigung die Aufmerksamkeit ihrer Leser auf 
die starke und friedfertige Haltung des deutschen 
Reiches im verflossenen Jahre. So schreibt der 
konservative Standard: „Während Frankreich un⸗ 
ruhig gewesen ist, war Deutschland ruhig und ge⸗ 
lassen; und während der letzten zwöolf Monate hat 
Fürst Bismarck die auswärtige Politik seines Vater⸗ 
landes in dem Geiste der wohlbekannten Worte des 
größten unter den deutschen Dichtern: „Stets thätig, 
niemals eilig“, geleitet. Die Folge ist, daß Deutsch⸗ 
land eine Stellung in Europa einnimmt, welche 
gebieterischer ist als je, obwohl in seinem Not- 
weder ein Schuß abgefeuert, noch eine Drohung 
nusgestoßen wurde. Die Beziehungen zwischen 
Deutschland und Oesterreich⸗Ungarn sind, wenn 
Muüͤnchen, 2. Jan. Die „Allgemeine Zei⸗ 
ung“ veröffentlicht folgendes Handschreiben des 
dönigs an den Ministerpräsidenten v. Lutz: „Mein 
ieber Minister v. Luz! Gern ergreife ich den durch 
Jahreswechsel gebolkenen Anlaß, Ihnen einen neuen 
zeweis der Anerkennung Ihrer ausgezeichneten 
dienste sowie meines fortdauernden vollen Ver—