Full text: St. Ingberter Anzeiger

in Freund des Blattes zu, ohne übrigens auf die 
Berfasserschaft Anspruch zu machen: 
„Ol theurer Stephan, denke billig, 
Sei menschlich, hilfreich, edel, gut, 
Laß Deine Boten gehn ia Drillich 
In Anbetracht der großen Glut. 
Wenn Du so rennen solltest feste, 
Trepp' auf, Trepp'ßab, Haus ein, Haus aus, 
Du zögest sicher Rock und Weste 
Und, was weiß ich, noch weiter aus!“ 
fGenf, 15. Juli. Auf der Courmayeur⸗ 
Seite des Montblanc fiel eine Steinlawine von 
nem der Gipfel. Die Lawine traf eine Abthei⸗ 
ung des Schweizer Alpenklubs, von welcher 
mehrere Personen verletzt wurden und eine den 
Tod fand. 
e. Koch geräuchert! Dies geschah in 
Genf, wo ihm trotz der Berufung auf seine Au⸗ 
rität und trotz seiner Erklärung, daß das Räuchern 
der Reisenden Unsinn sei, das Fegefeuer der Räu— 
cherung nicht erlassen wurde. Daß dies gerade dem 
schärfsten Gegner dieser Prozedur passiren mußte! 
FParis, 17. Juli. Von gestern Abend bis 
zeute füüh 10 Uhr sind in Toulon 14 und in 
Marseille 21 Personen an der Cholera gestorben. 
ünter den Cholera-Todten in Toulon befinden sich 
der Cassirer der Banque de France und dessen Frau. 
(Wie derFranzosesingtundtrinkt.) 
die geistreicheren französischen Blätter sind zur Zeit 
elbst beflissen, den einfältigen Deutschenhaß ihrer 
Thaubinisten zu verhöhnen. So bringt die „Vie 
harisienne“ das Bild eines Chansonettensängers 
us dem besuchtesten und feinsten Café chantant der 
Thamps Elysées mit folgender Unterschrift: Der 
Bariton singt: „Wir trinken immer fein — unseren 
alten französischen Wein“ (,notre vieux vin 
Prançais“); all' euer deutsches Bier — dabei ver— 
achten wir.“ — Und sobald der Mann das ge— 
sungen hat, stürzt er nach dem Buffet und schreit 
durstig: „un bok!“ 
FLondon, 186. Juli. Bei einem Unfall, 
der den Schnellzug Nachmittags bei Bulhouse auf 
der Manchester-Sheffield Bahn betraf, wurden fünf 
Vassagiere getödtet und viele verletzt. 
FLondon, 17. Juli Der gestrige Schnell⸗ 
zug von Manchester nach Sheffield entgleiste unweil 
Penistone infolge eines Achsenbruchs an der Loko— 
motibe beim Passieren der Brücke. Der Zug stürzte 
auf die Straße, wobei 20 Personen getötet und 
30 verletzt wurden. Unter den Passagieren befanden 
sich einige Deutsche, welche über Grimsby nach 
Deutschland reisen wollten. 
FIn Southampton ist Capitän Johnson, 
im Norwegianer, in seinem kleinen Segelboote 
Neptun“ angekommen, in welchem er nächsten 
Sonnabend die Reise über den Atlantischen Ocean 
mmzutreten gedenkt. Voriges Jahr segelte Johnson 
in dem „Neptun“ von Drontheim nach London, 
und wurde das Boot alsdann der Fischerei-Aus— 
tellung in Süd-Kensington einverleibt. Der ein⸗ 
ige Gefährte des Kapitäns auf seinen waghalsigen 
Meeresfahrten ist — ein großer Kater. 
Kürzlich begab sich der Scharfrichter von 
Nadrid, Francisco Ruiz Castellanos, der seine 
Bebühren bezogen hatte, in Gesellschaft mehrerer 
Personen von zweifelhaftem Ruf in eine Schänke. 
von da besuchten sie noch mehrere Weinschänken 
und die Schwelgerei wurde ununterbrochen fortge⸗ 
ett, bis sich die Köpfe erhitzten. Da sagte auf 
iumal einer der Gefährten Castellanos! zu ihm 
Du bist ein Feigling, das war Dir schon recht, 
daz man Dir in Reres sieben Unglückliche übergeben 
sut, um ihnen das Leben zu nehmen, weil sie ge— 
bunden waren. Wären sie frei gewesen, so würdest 
I nicht gewagt haben, sie zu berühren.“ 
Vr wir hinaus!“ erwiderte der Scharfrichter, 
u wirst sehen, ob ich einen Menschen umbringen 
33 ob er gebunden ist oder nicht.“ „Und eine 
ee der Tasche ziehend, feuerte Castellanos 
chuß auf seinen Gegner ab, der schwer in 
5 getroffen wurde. Auf das, Krachen des 
—— ses und das Geschrei der Dabeistehenden er— 
ienen Sicherheitswachen und machten die ganze 
—— Gesellschaft diugfest. Als Castellanos im 
iai ankam, beklagte er sich nur, daß ihm 
eGefährten, denen er die Zeche bezahlt hatte, 
och überdies sein Geld genommen hätten. 
id Bur Warnung für Touristen in 
aatien In Mailand schlenderte ein junger 
scher, den rothen „Badeker“ in der Hand 
8 durch die Straßen. Bei einem Limonaden⸗ 
äufer machte er Halt und herlangke eine E— 
rischung. Eine junge, hübsch gekleidete Dame trat 
tknapp hinter ihm zum Tische und begehrte eine 
ꝛimonade. Als sie aber nach ihrer Börse greifen 
wollte, fand sie zu ihrem Schrecken, daß ihr dieselbe 
ehle. Galant erbot sich der Fremde, die Kleinig⸗ 
eit zu bezahlen, und sie nahm es an. Er wollte 
ie glückliche Gelegenheit benutzen und bot ihr seinen 
Arm an, um sie nach Hause zu begleiten. Auf 
dem Wege erzählte sie ihrem Ritter, daß ihr der 
Arzt infolge eines Kopfleidens verordnet habe, Tabal 
zu schnupfen. Sie zog denn auch ein zierliches, 
ilbernes Döschen aus der Tasche und — bot dem 
Fremden scherzend eine Priese an. Dieser schnupfte, 
doch nach einigen Schritten wurde ihm ganz son—⸗ 
derbar zu Muthe und nach einigen Sekunden sank 
er bewußtlos zu Boden. „Ach mein Mann! Ach 
mein Mann!“ begann jetzt die Dame zu jammern. 
„Er ist todt! Ist keine Rettung?“ Man brachte 
den Ohnmächtigen in eine nahe Barbierstube und 
die Pseudo-Gattin bat, auf ihren Gatten Acht zu 
haben, bis sie mit einem Arzte kommen würde. 
„Aber so kann ich ihn nicht liegen lassen,“ sagte 
sie zu dem Barbdier, „ich werde einstweilen sein 
Held und seine Uhr zu mir nehmen, sonst kommt 
ꝛs abhanden. Der Barbier fand dies ganz in der 
Ordnung und die Dame eilte mit den Effekten 
davon. Als der Fremde sich erholte, wurde der 
zanze Schwindel offenbar. Die Polizei fahndet 
aun nach der schlauen Betrügerin. 
f Ueber Sonderbarkeiten in den türkischen 
Zitten und Gebrächen schreibt ein Feuilletonist des 
„Pester Lloyd': Die Türken schreiben oder lesen 
von rechts nach links und schwingen sich von rechts 
nach links in den Sattel. Die Männer tragen 
Anterröcke und die Frauen gehen in Beinkleidern 
jerum. Jhr Morgen beginnt um zehn — ihr 
Mittag fällt auf sechs Uhr. Ihr Ministerium für 
Ustronomie berichtigt in jedem Quartal Kalender 
ind Uhr und was es dekretirt, ist für die Zeitein⸗ 
heilung der Türken bestimmend. Sie waschen sich 
diermal des Tages und sind niemals rein. Ihre 
Ziegeuner sind die Juden, ihre Juden die Griechen 
und ihr Sonntag ist der Freitag. Wenn sie etwas 
»ekräftigen wollen, schütteln sie ihr Haupt verneinend 
nicken sie mit dem Kopfe, so gilt dies als Bejahung. 
Wenn sie mit der Hand abweisen, so bedeutet dies 
einen Ruf zu kommen. Die Liebeslieder werden 
jon Mädchen gerichtet und gesungen, denn nur diese 
ehen den Jüngling und kennen den Besieger ihres 
herzens, während der junge Mann Imeneh's oder 
Fatmeh,s Reize nicht sieht oder kennt. Verliebt er 
ich in sie erst dann, nachdem sie schon seine Frau 
geworden? Dies habe ich während der Abgeschlossen— 
jeit des moslimischen Familienlebens nicht eruiren 
können. Es giedt keinen Dieb, noch Räuber unter 
ihnen. Doch haben sie Piraten. Diese jedoch 
betrachten ihr Seeräuberthum nicht als Delikt, sondern 
als bürgerliche Beschäftigung. Wenn sie Erfolge 
auf der See erfochten, so hat man hinfort 
mit ihnen handeleins zu werden. Der türkische 
Diener hängt in bedingungsloser Treue an seinem 
Herrn, ohne daß er auch nur einen Moment vor 
ihm den Unterthänigen spielte. Wenn er in seinen 
freien Stunden irgendwo auf der Straße seinen 
Gebieter erblickt, so grüßt er ihn nicht — und zwar 
aus Ergebenheit für seine Person. Warum sollte 
er ihm auch damit unbequem werden? Ist so eine 
europäische Größe nicht zu bedauern, vor der sich 
die Getreuen allerwärts tief bückend begrüßen, all 
wo sie dieselbe nur auschauen und vor denen dieser 
Große unermüdlich den Hut zu ziehen und mit dem 
Haupte zu nicken hat. Liegt nicht eine gute Dosis 
Weisheit in dieser devoten Unhöflichkeit? Türckische 
Ritterlichkeit beweist man, wenn man einer Frauͤ, 
der man begegnet, den Rücken kehrt. Ich ward 
nicht müde, im Bazar die Krämer zu bewundern, 
die aus richtiger Hochachtung fur das zarte Ge— 
chlecht auch nicht anfzublicken wagten, wenn 
ie die bei ihnen einkaufenden verschleierten 
Damen bedienten, oder den Inhaber der Milch— 
zude, der gesenkten Auges den bei ihm einkehrenden 
Frauen und Mädchen Getränke zutrug. Ist er sehr 
vohlgelaunt, so singt der Türke nicht selbst, sondern 
er läßt sich vorsingen: und auch in seiner aufge— 
äumtesten Stimmung tanzt er nicht selbst, sondern 
ergötzt sich dann an Verneigungen und Verrenkungen 
der den Reigen führenden Zigeunermadchen. Nur 
ein einziges Mal hörte ich in Jedikule unter dem 
Zelte eines Ochsenwagens eine Schaar Frauen und 
tinder jammernd singen. 
(ünfzehn Stockwerk hoch) Geger 
euüherhand nehmend- Vaaltitee e Miothbe⸗ 
kasernen zu bauen wird augenblicklich in Amerika 
diel gesprochen und geschrieben; es scheint aber auch 
Anlaß dazu zu sein, denn wie Newyorker Blätter, 
mittheilen, ist in Newyork an der Nordwestecke der— 
7. Ave. und 57. Str., soeben ein Wohnhaus, das 
sog. Osborne-Haus vollendet worden, welches 15 
ZStockwerke hoch ist. Die meisten Gebäude in der 
Nachbarschaft sind nur 8 und 9 Stockwerke hoch. 
Treppen sind natürlich in diesen Gebäuden nicht 
vporhanden, sondern nur durch Dampf getriebene 
Aufzüge. 
F Unter der Ueberschrift „Amerikanisch“ 
schreibt ein New-Yorker Blatt: „Ein junger Kauf— 
mann in New⸗York hatte durch glückliche Spekula— 
tion in vierzehn Tagen zwei Millionen Dollars 
verdient. Am 25. schickte er die ganze Summe 
seiner Frau. Am 26. hatte er für seine Freunde 
und Bekaunten eine grobe Landparthie artangirt. 
Die Gesellschaft versammelte sich vor dem Hause 
des Millionärs und fuhr in zwölf geschmuͤckten 
Wagen ins Freie. Um 1 Uhr wurde das Fruh⸗ 
ttücke im Walde eingenommen. Um 2 Uhr be— 
zannen die Aufzüge und eigens zu diesem Feste 
zeschriebene Theaterstücke, abwechselnd die Geladenen 
zu unterhalten. Um 5 Uhr fuhr man auf die See und 
Jatte das Vergnügen, am Ufer eine künstliche Jagd 
zu belauschen. Um 6 Uhr rief ein siebenfach be— 
etztes Männerquartett zum Diner, das unter einem 
costbaren Zelte auf der Wiese am See eingenommen 
wurde. Die Tische krümmten sich unter der Last 
der ausgesuchtesten Speisen, und die feinsten Weine 
aller Jahrgänge und Kontinente flossen in Strömen 
nach allen Seiten. Als letzten Gang erhielt jeder 
Unwesende einen Knallbonbon, der ein 1000 Pfund— 
Sterl.⸗Billet enthielt. Ueber diesen Scherz lachte 
nan bis 8 Uhr, als ein prachtvolles Feuerwerk 
begann, in dessen Mitte der Name des Festgebers, 
durch farbige Leuchtkugeln dargestellt, am Firma— 
ment erschien. Um 9 Uhr fuhr man nach New— 
York zurück, um bei dem Wirthe das Souper ein⸗ 
zunehmen. Vor dem riesigen Palast angekommen, 
wunderte man sich, alles dunkel und das Haus 
verschlossen zu finden. Auch war die Firma herab⸗ 
zgenommen und dafür eine neue, unbekannte be— 
festigt. Einer der 530 Kommis des Hauses stand 
vor dem Eingang, um Alles zu erklären. Die 
Firma hatte Bankerott gemacht. Theilnahmsvoll 
empfahlen sich hier die Gäste englisch. Der Kommis 
erzählte: Kaum war die Gesellschaft abgefahren, als 
durch den Fall eines Hauses in Philadelphia die 
Firma arg ins Schwanken kam. Um 12 Uhr 
tonnte sie sich nicht mehr halten. Um 1 Uhr traten 
die Gläubiger zusammen und wurden um 2 Uhr 
mit 28/8 pCt. befriedigt. Um 3 Uhr wurde das 
Mobiliar verauktionirt. Um 4 Uhr kam das Haus 
unter den Hammer und wurde um 5 Uhr zuge— 
geschlagen. Um 6 Uhr zog der neue Käufer ein 
und eröffnete um 7 Uhr sein neues Geschäft, das 
um 9 Uhr zugemacht wurde, worauf man das Haus 
verschloß und zu Bette ging. Da stand nun der 
arme Mann mit seiner Familie obdachlos auf der 
Straße. Um wenigstens für die Nacht ein Unter— 
kommen zu finden, zog er mit den Seinigen betrübt 
nach dem Eisenbahnhofe und nahm einen Schlaf— 
wagen, in dem die Familie zu entfernten Verwand⸗ 
ten fuhr. Dort leben sie nun. Der Mann wird 
von seiner Frau unterstützt, die von den Zinsen 
ihrer zwei Millionen kümmerlich lebt und ihn sehr 
knapp halten soll. So schnell geht es in Amerika.“ 
F (Californische Riesen-Weinrebe.) 
In Monterito befindet sich der größte Weinstock 
Faliforniens. Der Stamm dieser Riesenrebe, welche 
25 Jahre alt ist, hat dicht über der Erde einen 
Umfang von 3 Fuß und 3 Zoll und in einer 
Höhe von drei Fuß über der Erde einen solchen 
von 5 Fuß. In einer Höhe von 3 Fuß und 3 
Zoll entwickelt der wahrhaft merkwürdige Baum 
einen großen Reichthum an Zweigen. Einer der— 
selben mißt an seiner Wurzel 1832 Zoll im Um— 
fang und behält diese Stärke bis zur Höhe von 
8 Fuß 6 Zoll, von der Erde aus gemessen, dann 
ehnt er sich horizental über ein zu diesem Zwecke 
angefertigtes Geländer und zweigt sich auf demselben 
ab, und zwar in fünf prächtigen schweren Aesten, 
die nacheinander 16, 22, 33, 18 und 15 Zoll im 
Umfang messen. Die Zweige und Aeste des Wein— 
stockes, welche sich an einem freistehenden Geländer 
hinziehen, haben folgende Ausdehnung: Gen Nor— 
den 32 Fuß, gen Süden 43, in östlicher Richtung 
34113 und in westlicher endlich 2592 Fuß. In 
diesen Ziffern sind neue Ausschüsse von diesem 
Rahro nihbf insonrii,e Rieun Rashro 1292) mirden