Full text: St. Ingberter Anzeiger

m. Cziechische Arbeiter schlugen die Häuser ein 
derbrachen die Synagoge. Die Gendarmerie 
ein, wobei Todte und Vermundete auf dem 
zaße blieben. 
TWien. Wie wir einem Briefe des Wiener 
yrrespondenten des „Berl. Tagebl.“ entnehmen. 
mn Laufe der Untersuchung gegen den Anarchisten 
zammerer auch herausgekommen, daß ebenfalls gegen 
Wiener kaiserliche Höfburg ein Atten— 
if von Kammerer, Stellmacher und 
zenosen geplant war. Sie wollten die 
zurg, wührend der Kaiser in Wien weilte, mittelst 
dynamits in die Luft sprengen. Drei Anarchisten, 
Ache dabei mit Kammerer und Stellmacher in 
hebindung waren, sind noch nicht in Händen der 
holizei, welche sie verfolgt. Zwei davon sollen sich 
h Deutschland geflüchtet haben, der dritte dagegen 
m Wien sein. 
Ratibor, 17. Juli,. Vorgestern Mittag 
war, wie der „Oberschlesische Anzeiger“ meldet, 
Wittwe Pasmionka aus Czyrsowit mit ihren 
aden Töchtern von 24 bezw. 22 Jahren auf dem 
gelde bei Groß⸗Gorzütz beschäftigt, das Kraut zu 
ehacken. Als gegen 4 Uhr ein schweres Gewitter 
u Ppschow aus aufzog, nahm die Mutter die drei 
dartoffelhacken, während die eine der Töchter eine 
hürde Gras und die andere ein Holzgebund auf 
n Rücken luden und nun begaben sie sich auf 
— D 
ir zut Seite gingen die Töchter. Plötzlich erfolgte 
in Schlag und alle drei liegen auf dem Gesicht 
die Mutter steht sofort wieder auf, ohne auch 
iur betäubt zu sein, und sieht ihre beiden Töchter 
tennen. Nachdem sie die Flammen mit Gras ge— 
ijcht, gewahrt sie zu ihrem Schreck, daß ihre beiden 
döchter todt sind. Die jüngere der Erichlagenen 
var am ganzen Körper schwarz gebrannt, die ältere 
atte schwarze Flecken auf der Brust und an der 
inen Hand. Die ältere der Schwestern hatte heute 
hor drei Wochen Hochzeit; die jüngere hatte sich 
rot einem Jahre mit einem Bergmann verheirathet, 
wescher zur Zeit in Westfalen lebt. 
tBerlin, 13. Juli. „Heiraths-Kammer“, 
Infitut für Ehevermittelung in Deutschland, nennt 
ich das allerneueste auf den Geldbeutel der Dummen 
vpelulirende Unternehmen. In dem Circular, welches 
uuscheinend an eine große Anzahl gut situirter 
derten und Damen versandt worden ist und welches 
ls Motto den Bibelbveis trägt: „Es ist nicht gut, 
aß der Mensch allein sei“, heißt es u. A.: „Das 
intet dem Titel „Heirathskammer“ am 1. Juli 
884 begründete Institut bezweckt die Vermittelung 
zon Bekanntschaften zwischen Personen verschiedenen 
heschlechts behufs Verehelichung; es erstreckt seinen 
Wirkungzkreis über ganz Deutschland und will eine 
nnigere Vermischung der verschiedenen deutschen 
Stämme herbeiführen, ohne Rücksicht auf Stand, 
dermögen, Alter und Glauben. ... Für die 
Benutzung der Heirathskammer haben in Berlin 
Vohnende 6 Mark, Auswärtige 9 Mark zu zahlen. 
Führt die Bekanntschaft zur Ehe, so zahlen beide 
kheile folgende Belohnung an die Heirathskammer: 
UpCt. des Jahres-Einkommen (bei 600) Mark 
iso 60 Mark jährlich), 1PCt. des vorhandenen 
bermögens (bei 60,000 Mark also 600 Mark), 
IbCct. der Zinsen des Vermögens 2400 Mark 
Finsen (also 24 Mark jährlich), ferner 1pCt. vom 
dermögen, welches ihnen später durch Erbschaft zu⸗ 
allen sollte (100,000 Mark brächten noch 1000 
Nark extra), worüber ein Verpflichtungsschein zu 
uuterzeichnen ist.“ Führt die Bekanntschaft nich 
uur Ehe, so wird huldvollst gestattet, gegen noch— 
nalige Entrichuung von 6 bezw. 9 Mark ferner 
Mitglied der Heirathskammer zu bleiben. Sehr 
viginell ist folgender Passus: „Um diese Eventua- 
ütät zu vermeiden, prüfe man erstlich a. ob der 
andere Theil wirklich diejenigen Eigenschaften hat, 
delche Einem den dauernden Besitz desselben wün—⸗ 
henswerth machen; ergiebt es sich, daß dies nicht 
der Fall ist, so kann der Gegenstand ohne Kossen 
owechselt werden. 
„F Zur Zeit der Julirevolution befand sich 
dönig Friedrich Wilhelm III. von Preußen zufäl⸗ 
uum Besuch beim König Anton in Dresden. 
hahrend det Mahlzeit wird Ersterem eine Depesche 
nnhehündigt. Friedrich Wilhelm liest sie und steckt 
ohne ein Wort zu sagen, in die Tasche. Bald 
tauf langt eine zweite an — die gleiche Proze⸗ 
un. Als aber noch eine dritte dem König von 
uhen übergeben wird, und dieser wiederum keine 
demerkung darüber macht, vermag der König von 
kacbsen jeine Neugier aicht länger zu bezäbmen 
„Was gibt's denn Neies, Majestät? fragt er seinen 
Vast. „In Frankreich haben sie wieder einmal 
einen König fortgejagt.“ — „Derfen se denn des?“ 
ruft König Anton verwundert aus. Das war in 
der That ein — harmloser König. 
Zürich, 17. Juli. Die „Zuricher Post“ 
chreibt: „Der Emir von Bokhara übergab dem 
Reisenden Moser für den Souverän der Schweiz 
pour le Khan de la buisse) ein prachtvolles 
Zleid. Da nun aber Herr Ruchonnet, welchem 
»as Geschenk eingehändigt worden, sich seit Neujahr 
nur noch als Khan der Waadt, nicht mehr der 
zanzen Schweiz betrachten soll, schickte er dasselbe 
in Herrn Welli (den jetzigen Bundespräsidenten). 
Diesem scheint sodann, vielleicht angesichts der 
Zundesrevisionsfrage, ein Zweifel aufgestiegen zu 
ein, ob sich der Bundespräsident als Khan anzu— 
ehen habe oder ob in der Schweiz das Volk der 
han sei. Der Bundesrath fand jedoch, wie immer 
einen Ausweg; er behandelte das Kleid nach Ana— 
ogie mancher Anträge der Bundesversammlung, 
ndem er dasselbe dem historischen Museum einver⸗ 
leibte. 
— 
in letzter Woche bedeutend; dieselbe betrug 1849, 
während der 7 Tage vorher starben nur 1500 
Personen. Die Pockenkrankheit minderte sich jedoch 
im 21 gegen 30 Personen in voriger Woche und 
iel die Zahl der Patienten im Metropolitan Asylum 
dospital auf 1242. An Diarrhöe und Dysenterie 
datrben 336, 57 am Keuchhusten, 42 an den 
Masern, 27 am Fieber, 15 am Diphtherie und 1 
am Typhus. 61 Personen verunglückten und 9 
bderübten Selbstmord. Geboren wurden 2409 Kin— 
der, 220 weniger als im Durchschnitt. Die mitt⸗ 
lere Temperatur betrug 65.9 Grad Fahrenheit. ader 
3.1 Grad über den Durchschnitt. 
London, 20. Juli. Auf dem britischen 
Dampfer „Saint Dustar“, am 8. d. M. von 
Bombay in Marseille angekommen, am 9. vop 
Marseille nach Liverpool abgesegelt, sind am 11. 
esp. 15. d. M. zwei Seeleute an der Cholera 
gestorben. Das Schiff liegt unter Quarantäne 
auf der Marsey. 
Aus Mailand wird geschrieben: Vor 
einigen Tagen erhielt die Polizei die Nachricht, das 
in NRew ⸗ York ein Maunn gestorben, welcher der Frau 
des Tischlers Felosi eine Summe von 200,000 
Francs vermachte und zugleich die Bitte aussprach, die 
deute ausforschen zu wollen. Der Kommissär 
Biovanni Tossi begab sich nach der Werkstatt des 
Tischlerz und fragie denselben, ob er einen Ver— 
wandten in New-York habe. Felosi bejahte dies 
doch gab er an, seit Jahren nichts mehr von ihm 
gjehört zu haben. Der Kommissär meinte:“ Nun 
dv freue ich mich, Ihnen mittheilen zu können, daß 
hr Verwandter gestorben ist und ihrer Frau 200,000 
Francs vermacht hat.“ Mit erstickter Stimme rie 
Felosi: „200,000 Francs“, dann griff er mit 
heiden Händen an seine Brust, ward todtenbleich 
und sank todt zu Boden. 
Die Wiener N. Fr. Pr. schreibt: Dr. Sigl, 
der Redakteur des Münchener „Vaterland“, wurde 
dekanntlich anfangs dieses Monats wegen verleum— 
»erischer Beleidigung des bayerischen Kriegsministers 
und mehrerer Generalstabs ⸗Offiziere zu neun Mo— 
naten Gefängniß verurtheilt. Nachdem derselbe 
jegen Kaution in Freiheit gesetzt worden war, unter— 
jahm er einen Ausflug nach Tirol und gab dorr 
einen Gefühlen in nachfolgenden Versen, welche er 
in das Album der Klause bei Kufstein eintrug 
freien Lauf: 
Es ist eine scheußlich traurige Zeit 
Für öffentliche Sünder 
Im Reich; in Tyrol ist's gemüthlicher 
Für sie und bedeutend gesünder. 
Da kommt man vor kein Schwurgericht 
Wegen Protektions-Kindereien, 
Man kann sich der k. k. gesunden Luft 
Um ein Billiges erfreuen. 
Und auch kein gestrenger Staatsanwalt, 
Wie wir sie da draußen haben, 
Macht Einen da herunter, o Gott! — 
Und läßt ihn im Kerker begraben. 
Hier ist es schön, hier möcht' ich sein, 
Mir ist ja Das keine Neuheit; 
Vivat — auf sechswöchige Kündigung 
Die königlich bayerische Freiheit! 
Klausen, den 11. Juli 1884. 
(Gez.) Dr. jur. J. Sigl. 
4 35,000 Schiffer und 100,000 Fischer be— 
Häfltigen sich damit Fische an den Küsten Groß— 
brittaniens zu fangen. Außer den Fischen, welche 
xportirt werden, werden 400,000 Tonnen Fische 
mm Land selbst verzehrt, wovon London allein 
130,000 Tonnen verspeißt. Der en⸗gros⸗Preis 
für das Pfund beträgt 19 Pence im Fischmarkte 
ju Billingsgate; die Konsumenten erfreuen sich 
edoch nicht dieses niedrigen Preises, da die Detail⸗ 
isten sehr hohe Proxente auf die Originalpreise 
chlagen. 
FNewyork, 21. Juli. Ein Extrazug 
der Conoton . Valley⸗Eisenbahn entgleiste am Sams⸗ 
lag Abend bei Canton (Staat Ohio) und stürzte 
den Eisenbahndamm hinab in ein drei Fuß tiefes 
Wasser. 25 Personen wurden verletzt und 12 
indere werden vermißt, von welchen man befürchtet, 
zaß dieselben bei der Katastrophe getödtet worden 
ind. 
(Unschuldig verurtheilt?) Im Zucht⸗ 
jaus zu Stillwater in Minnesota sitzen seit vielen 
dahren die deutschen Eheleute Franz und Sophie 
kapp und Gregor Lautenschläger, wegen einer in 
St. Paul am 1. November 1874 verübten Mordes 
zu lebenslänglichem Gefängniß verurtheilt. Sie 
hzaben stets ihre Unschuld betheuert und erst kürzlich 
vieder ein Begnadigungsgesuch eingereicht. Zu 
zleicher Zeit haben sie folgendes Schreiben „An 
Menschenfreunde“ erlassen: „Im Bewußtsein unserer 
Anschuld appelliren wir an das Menschengefühl der 
Bürger Minnesotas und besonders decr Bürger St. 
Pauls mit der Bitte, sie möchten einmal unser 
Schidsal betrachten und zu Herzen nehmen. Seit 
nun 10 Jahren sind wir hier sozusagen lebendig 
hegraben, büßend für ein Verbrechen, an dem wir 
— und hier rufen wir Gott zum Zeugen — 
cchuldlos sind. Liebe Mitbürger es ist unmöglich 
ür Leute, wie wir, die mit der Feder nicht ge⸗ 
vandt sind. die Gefühle des Schmerzes zu schildern, 
velche unsere Herzen in dieser langen Zeit in einer 
so überaus traurigen Umgebung zerrissen haben. 
Schrecklich ist es schön, wenn inmitten der Nacht 
Vater und Mutter von ihren lieben Kleinen, ein 
Vater aus dem Kreise seiner Familie gerissen werden, 
angekkagt des schwersten Verbrechens. Aber gräß- 
licher, als der Stärkste es zu tragen im Stande, ist 
es, unschuldig und mit dem Auswurf der Mensch⸗ 
heit zehn Jahre lang eingepfercht und behandelt 
und gehalten zu werden, wie jene. Welch ein 
zrausames Geschick ist das unsrige! O, daß doch 
durch Gottes Walten endlich geschähe, was mensch⸗ 
licher Macht zu schwer scheint, daß Licht würde 
über die Unthat vom 1. November 1874. Hier 
anschließend verzeihen wir allen Jenen, welche An⸗ 
theil daran haben und die Mischuld tragen, daß 
wir so leiden müssen, ausgenommen dem Mörder 
oder den Mördern selbst. Denn diesen all das 
unnennbare Leid zu vergeben, welches sie über uns 
gebracht, wäre mehr als menschlich. Ihnen ver— 
jeihen? Nein! Wenigstens jetzt noch nicht, es 
sei denn, sie würden uns zu Hülfe kommen zur 
Klarstellung unserer Unschuld. Dann könnten auch 
wir sie bemitleiden. Und ist der Mensch zu be— 
klagen, der ein solches Loos wie das unsere verdient 
hat, wieviel mehr sind wir es. die wir unverschuldet 
leiden.“ 
F GDie Kraft des Niagarafalles,) 
Aus einem Vortrage des amerikanischen Ingenieurs 
Rhodes entnehmen wir einige Angaben über die 
Kraft des Niagarafalles und die bisherige Ausnutz- 
ung derselben. Durchschnittlich fließen durch die 
Fälle 275,000 Cubikfuß in der Sekunde, und der 
Fall selbst vom Beginn der Stromschnellen ab be— 
krägt 230 Fuß. Die Wucht dieser Wassermassen 
schätzt Rhodes auf etwa 7 Millionen Pferdekräfte, 
d. h. auf die Leistung von 1400 Lokomotiven du 
je 500 Pferdekraft. Diese Kraft durch Wasserräder 
und elektrische Uebertragung in einem Umkreis von 
300 Kilometern auszunutzen, würden Anlagen 
nöthig, deren Kosten auf 5 Milliarden Dollars oder 
21 Mislliarden Mark zu veranschlagen sind. — 
Bisher wird nur ein winziger Theil der ungeheuren 
Kraft ausgenutzt. Auf der canadischen Seite arbeitet 
ein kleines Wasserrad, welches Wasser pumpt. Auf 
der amerikanischen Seite sieht es etwas weniger bee— 
schämend aus. An den Stromschnellen sind fünf 
Ableitungscanäle angelegt, welche Wasserräder von 
1000 Pferdekräften treiben; ferner gibt es do 
einen unterirdischen Canal, welcher das Wasser aus 
den Stromschnellen aufnimmt und deffen Ausfluß 
unterhalb des Falles liegt, so daß der ganze Niveau— 
unterschied von 230 Fuß hier ausgenutzt wird. 
deider wird der Canal nicht sorgfältig unterhalten 
und ist zum Theil mit Gesteintrümmern angefüllt