Full text: St. Ingberter Anzeiger

mdreimal vergeblich hinschickk und die Rechnung 
arlangt. Die Handwerker sagen auch wohl: „Um 
— mache ich dann alles gleich mit einem male 
„.“* Da haben wirs, Bequemlichkeit steckt 
hinler! 
Wie viel besser stände es um manches Geschäft, 
im wie viel flotter würde der Betrieb gehen, wenn 
3 dafür sorgte, daß es rascher zur Bezahlung der 
plieferten Waaren gelangte. Wie viele Zinsen 
Zuürden dunn gespart! Die Waare würde dadurch 
illiger gegeben werden können, Käufer und Ver—⸗ 
laäufer hätten den Vortheil. Für alle Be⸗— 
amten zumal ist es geradezu eine Lebensfrage, 
daß sie alle Vierteljahr ihre Geldangelegenheit ord⸗ 
den. Nur dann kann ein Sparpfennig erübrigt 
der leichten Herzens eine Vergnügungsreise gemacht 
werden. 
Aber auch jeder andere gute Hausvater, der 
Idnung in seinen Vermögensverhältnissen liebt, 
nmuß wünschen, seinen Verpflichtungen möglichst bald 
nachzukommen. Das ist aber nicht möglich, wenn 
nur einmal im Jahre Rechnungen geschrieben wer⸗ 
en. Wie denlen sich denn das eigentlich die Ge⸗ 
chöftsleute, soll der Angestellte das ganze Jahr 
ammeln, um Anfang Januar so und so viel hun— 
dett Mark bereit zu haben alle Rechnungen zu 
hezahlen? Wir kennen einen Herrn, der machte 
*õ anders. Er hatte Oefen in einem Geschäfte ge— 
sauft, konnte aber troz wiederholter Mahnungen 
die Rechnung nicht erhalten. Was that er? Er 
hrachte das dafür bereit liegende Geld in die Spar— 
tasse. Als dann endlich nach Monaten am 1. Jan. 
die Rechnung kam, mußte der Kaufmann sich von 
der Sparkasse das Geld holen und der Privatmann 
eckte die Zinsen ein. 
Es liegt auf der Hand, für Geschäftsleute 
vie Abnehmersist es weitaus das Beste, 
möglichst sofort, jedenfalls aber min— 
destens halbjährlich Rechnungen zu 
schreiben. 
In kleineren Städten ist auch bei Schuhmachern, 
Schneidern und anderen Geschäften noch immer 
nicht Rabatt bei Baarzahlung eingeführt. „Billiger,“ 
qeißt es dann, „können wir es nicht geben, das 
ist der äußerste Preis.“ Gut, dann kaufe ich in 
diesem Jahre vielleicht für 300 Mk. Waaren und 
lasse sie anschreiben, bringe das Geld auf die Spar— 
lasse und zahle erst allmälig in einem Jahr oder 
noch später. Dann habe ich doch meine 4 pCt,. 
Rabatt heraus. Möglichst gar keine Rechnungen, 
sonst sofort und oft schreiben, oder Baarzahlung mit 
Rabatt, das wäre für Verkäufer und Käufer das 
Beste. Gerade die Verkäufer aber können das 
Meiste dazu beitragen, daß dies immer mehr Sitte 
werde in unserem Vaterland 
Vermischtes. 
F Am 18. Aug. d. J. feiert der komman— 
dirende General des 'bayerischen 2. Armeekorps, 
General der Infanterie v. Orff, sein 50— 
ähriges Dienstjubiläum. Karl v. Orff ist am 10. 
dezember 1817 zu Alzey im Großherzogthum 
hessen geboren. Seine militärische Erziehung erhielt 
er im Kadettenkorps zu München. Im Kriege 1866 
jungirte er im Stabe der Reserve und der 3. Di⸗ 
ision. Im Jahre 1867 wurde er Direktor der 
driegsakademie, einem Institut, dessen Entstehung 
in Bayern in erster Linie v. Orff zu danken ist. Im 
Jahr 1868 wurde derselbe mit der Neubearbeitung 
des Exerzirreglements der Infanterie betraut, das 
algemeine Anerkennung fand. Am 1. Februar 1870 
erfolgte unter Beförderung zum Generalmajor seine 
krnennung zum Kommandanten der 2. Juͤf. -Bri⸗ 
ade. Als solcher machte er den ganzen glorreichen 
Feldzug mit. Er nahm Theil an den Schlachten 
hei Wörh und Beaumont, den Gefechten an den 
drücken von Bazeilles, der Schlacht bei Sedas, Ge⸗ 
scht bei Artenah, Einnahmee von Orleans, Treffen bei 
oulmiers, Gefecht bi La Fourge, Gefecht bei 
dillepion, an den Schlachten bei Loigny-Poupry, 
Ittenap, Orleans, Gefecht bei Meung und an der 
dägigen Schlacht bei Beaugench. dann von Anfang 
dunuar 1871 an der Belagerung von Paris bis 
un dessen Fall. General v. Orff hat sich in dem 
deldzug als ein hervorragend begabter, tüchtiger 
sühter, als tapferer Soldat erwiesen. Als ganz 
sondere militärische Leistung wird feine Thätigkeit 
ndem Treffen von Coulmiers gerühmt, in welchem 
den eigner Initiative einer feindlichen, seiner 
sia de weit überlegenen Kolonne, deren weiteres 
ordringen für das I. bayer. Armeekorps sehr ge⸗ 
ührlich werden muͤßle. ecntaegenttat und sie zum 
hdalten brachte. Auch seine Thätigkeit in den Schlach 
ten von Sedan, Loigny⸗Poupry und Beaugency 
wird allgemein als eine ganz vorzügliche angeführt. 
Meisenheim, 6. Aug. Unsere schon so 
ange gehoffte Eisenbahn dürfte plötzlich und uner⸗ 
vartet in ein neues Stadium eintreten, indem der 
Reichsanzeiger“ und die „Kölnische Zeitung“ die 
offizielle Nachricht brachten, daß der Handels- und 
Verkehrsminister Maybach die Direktion der links— 
cheinischen Eisenbahn zu Köln aufgefordert habe, 
zur Erbauung einer Sekundärbahn von Staudern⸗ 
jeim nach Meisenheim generelle Vorarbeiten vor—⸗ 
iehmen zu lassen. Kann die Sache noch diesen 
Herbst vor den Landtag kommen und genehmigt 
wverden, so dürfte der Bau der Bahn schan nächstes 
Frühjahr in Angriff genommen und die nur ca.2 
Wegstunden bdetragende Strecke im Spaätherbst be⸗ 
ahren werden können. Freilich ist es zur Förde— 
ung des Projektes nöthig, der Behörde nach Mög—⸗ 
lichkeit entgegenzukommen: denn es ist nicht daran 
zu zweifeln, daß dieselbe von Seiten der interessirten 
Bemeinden Opfer zum Bahnbau fordern wird. Möge 
nan keine Mühe und Opfer scheuen, um das lang— 
ersehnte Ziel zu erreichen! Ist der Bau der Strecke 
Staudernheim⸗Meisenheim erst beschlossene Sache, so 
vird bayerischer Seits mit dem Weiterbau der 
rauterthalbahn bis nach Meisenheim gewiß nich 
jezögert werden. 
7 (In Diedenhofen) wurde einem Dienst⸗ 
mädchen, welches seit 40 Jahren ununterbrochen 
zei einer Herrschaft gedient hat, dieser Tage vom 
treisdirettor im Namen Ihrer Majestät der Kaiserin 
ein goldenes Kreuz verliehen, dem ein eigenhändiges 
—„chreiben der hohen Frau beigefügt war. 
F Ein sensationeller Wucherprozeß 
vird augenblicklich in Karlsruhe verhandelt. 
Am 4. d. nahm vor der dasigen Strafkammer ein 
Brozeß seinen Anfang, der selbst über die Greuzen 
des badischen Landes hinaus Interresse erregt. Wir 
neinen, die Anklage gegen Sonnenwirth und 
dandelsmann Hirsch Hausmann von 
Flohingen bei Bretten wegen gewerbsmäßigen 
Vuchers, Erpressung, Betrugs, Vernichtung und 
Fälschung von Privaturkunden. Der 48 Jahre alte 
Angeklagte betreibt seit nahezu 25 Jahren einen 
nit sehr geringen Mitleln begonnenen Viehhandel an 
der badisch; württembergischen Grenze in den Aemtern 
Breiten und Eppingen (badisch), Brackenheim und 
Maulbronn (württembergisch). Bald nahm sein 
dandel mit Vieh und Grundstücken durch Anwen⸗ 
dung nicht gerade sehr wählerischer Manipulationen 
einen bedeutenden Aufschwung, und heute ist Haus— 
mann ein reicher Mann. Allein die in den Ge⸗— 
richtzakten befindlichen Schuld- und Pfandurkunden 
stellen einen Werth von etwa 300,000 Mik. dar. 
Dazu kommt aber noch ein bedeutender Besitz in 
Liegenschaften, der sich auf verschiedene Orte der 
»benerwähnten Aemter vertheilt. Eine amtliche Be— 
ichlagnahme sämmtlicher Papiere des Hausmann in 
Folge einer gegen denselben erhobenen Anklage 
wegen Betrugs deckte die ganze Sache auf. Die 
Verhandlung liefert einerseits ein trostloses Bild 
inersättlicher Habsucht und erbarmungslosen Eigen— 
autzes, andererseits ist zu beklagen eine unbegreifliche 
Sorglosigkeit, eine bedauerliche Sucht, zerrüttete 
Vermögensverhältnisse aus Ehrgeiz mit allen Mitteln 
bdor den Augen der Welt zu verdecken. Wie Haus⸗ 
mann in seinem unsauberen Treiben verfuhr, wer— 
den die folgenden Zeilen darstellen. Der Schuldner 
mußte ihm unentgeltlich Haushaltungsgegenstände 
liefern, Kleidungsstücke und Nahrungsmittel, er 
mußte unentgeltlich Taglöhnerdienste auf Hausmann 
ugehörigen Grundstücken thun; konnte Dies der 
Schulduer nicht selbst, so hatten es dessen Ange— 
pörige zu besorgen. Konnte ein Schuldner zur 
Verfallzeit nicht zahlen, so wurde eine sogenannte 
Abrechnung gemacht, Zins und Zinseszins, sowie 
ieue Provisionen der ursprünglichen Schuld zuge— 
chlagen, Theilabzahlungen häufig unberücksichtigt 
gelassen; es wurden dem Schuldner geringwerthige 
Frundstücke, werthloses Vieh, unbrauchbare Geräth— 
chaften zu unerhörten Preisen aufgenöthigt, oder 
ein für Hausmann vortheilhafter Tausch in Vieh 
u. s. w. gemacht. Siellte man Hausmann hierin 
nicht sofort zufrieden, so war derselbe um wirksame 
Drohungen nie verlegen. Hausmanns Abrechnungen 
varen in unklarer, weitschweifiger Sprache und 
indeutlicher Schrift abgefaßt, und brachte es der— 
elbe in verhältnißmäßig kurzer Zeit dahin, daß 
eine Darlehen auf den 6 bis Sfachen Betrag an— 
chwollen ohne eine Gegenleistung von seiner Seite 
odaß das Opfer zum Verganten reif war. Haus— 
mann hielt an Sonntagen foörmliche Amtstage in 
seiner Wirthschaft zu Flohingen ab, sodaß häufig 
Leute von Morgens bis Abends warten mußten, 
dis sie gerufen wurden, worauf sie, vom Genuß 
der geistigen Getränke betäubt, die „Abrechnungen“ 
willenlos, und ohne sie recht verstehen zu können,. 
unterschrieben. 
* Memmingen, 5. Aug. Seit gestern 
pielt sich vor der hiesigen Strafkammer ein großer 
Prozeß gegen 30 Bierbrauer oder eigentlich Bier⸗ 
zantscher ab, von denen 12 Süßholz, 5 Zuckercou⸗ 
leur und die übrigen Natron und Weinsteinsäure 
zerarbeiteten. Außerdem saßen auch noch 3 Liefe⸗ 
ranten dieser angenehmen Ingredienzien auf der 
Anklagebank. Sämmtliche Angeklagten wolllen nicht 
zewußt haben, daß sie etwas Verbotenes thaten; 
Einer will dem Geriht sogar weißmachen, er habe 
nur das Bier verpantscht, das er selbst trank. Das 
Artheil steht noch aus. 
F.München, 5. Aug. In Starnberg starb 
vorgestern in einem Alter von nur 47 Jahren der 
erbliche Reichsrath Maximilian Graf v. Mont⸗ 
gelas, Enkel des herühniten Staatsministers. Er 
war Mitglied der Kammer der Reichsräthe seit 1870, 
und geht nun das gräfliche Fideikommniß und die 
Reichsrathswürde auf den einzigen Sohn des Ver— 
torbenen über, der übrigens erst im 11. Lebens⸗ 
ahre steht. — Unter den zur Zeit hier weilenden 
Fremden befindet sich auch der Generalfeldmarschall 
Graf v. Moltke. (Derselbe ist mittlerweile nach 
Lindau und von da in die Schweiz abgereist)) 
f Reichenhall, 4. Aug. Am verflossenen 
Freitag ereignete sich dahier ein sehr trauriger Un— 
UMücksfall. Die Gouvernante einer hier weilenden 
Familie ging mit den ihrer Aufsficht anvertrauten 
tindern auf dem zum Besitze des Herrn Dr. Pach⸗ 
mayer (Bad Kirchberg) gehörigen Berg spazieren. 
Das älteste dieser Kinder, ein 11jähriges Mädchen, 
gehorchte der Gouvernante nicht und lief voraus, 
um Blumen zu pflücken. Bei dem Suchen kam 
das Mädchen einem Abhange zu nahe und stürzte 
etwa 25 Meter tief hinab und blieb sofort todt. 
Ein schlechter Witz ist einem Bäuerlein bei 
Triebenreuth theuer zu stehen gekommen. Der—⸗ 
elbe machte im Wirthshause zu Triebenreuth 
seinem gepreßten Herzen darüber Luft, daß 
die Menschen nicht mehr so gefällig und frei— 
zebig seien wie früher, er könne micht so sein, 
er gebe das Hemd und die Hosen her, wenn es 
ihm nur bezahlt werde, das sei ihm Alles gleich. 
Auf Befragen, ob er die Hosen wirklich abgeben 
würde, erwiederte er, wenn er dafür 3 Mk. bezahlt 
erhalten würde, so wolle er dieselben sofort ablassen. 
Die Hosen wurden richtig mit 8 Mt. bezahlt. 
Das Bäuerlein zog die Höslein aus und legte den 
Weg von einer kleinen halben Stunde bis zu Hause 
ohne solche zurück. Das Gericht bekam aber, wie 
die „Oberfr. Ztg.“ weiter erzählt, von der Sache 
Wind, verstand keinen Spaß, und nun muß unser 
Bäuerlein zehn Tage in Stadtsteinach brummen 
und obendrein noch die Kosten zahlen. 
F Frankfurt a. M, 6. Aug. Das Haus 
Judenbrückchen Nr. 7 war gestern Äbend 29 Uhr 
der Schauplatz eines schweren Verbrechens. Ein 
nichtsnutziger, dem Trunke ergebener Schuster Na— 
mens Schunk, verheirathet und Vater von 5 
Kindern, sollte gestern früh wegen Mißzandlung 
seiner Frau eine 10tägige Gefängnuißstrafe antreten, 
wurde aber wegen seines trunkenen Zustandes von 
dem Gefängnißinspektor zurückgewiesen und auf 
Jeute bestellt. Das Erste, was er darauf that, war, 
sich wieder zu betrinken und dann seine bedauerns⸗ 
werthe Frau (eine Butterhändlerin auf der 
Markthallen-Galletie) gröblichst zu mißhandeln, 
sodaß auf deren Geschrtei zwei andere Haus— 
nachbarinen in das Zimmer eindrangen, um 
die am Boden Liegende von dem rohen Menschen 
zu befreien. Am Abend wiederholte sich die Szene, 
und außer einer jener Frauen eilte auch ein im 
hause wohnender Dachdeckergehiffe Namens Roth 
in die im 1. Stock gelegene Wohnung der Schusters- 
leute hinab, suchte den wüthenden Mann zu be— 
ruhigen und redete mit energischen, verständigen 
Worten auf den Schuster ein, ohne der Schimpf⸗ 
worte und der Drohungen desselben zu achten. Als 
ex aber besauftigend die Hand auf des Mannes 
Schulter legte, stieß der Kerl, nebenbei erwähnt, 
ꝛin kleiner, schwächlicher Mensch, ihm plötzlich ein 
chuhlanges Messer, einen sogenannten Schusterkneip 
in die Brust. Tief aufstöhnend stürzte der Getroffene 
zusammen, einige krampfhafte Zuckungen, und nach 
kaum einer Minute war der Unglückliche eine Leiche.