Full text: St. Ingberter Anzeiger

n seiner schlichten Weise, daß er früher gekommen, 
g man erwartet, weil er vernommen, welche An⸗ 
salten zu seinem Empfange getroffen wurden. Alle 
rierlichkeiten, die mit Glanz und Siegesgepränge 
Abunden seien, müsse er von sich ablehnen, da die 
Innahme von Huldigungen dieser Art seinem Cha⸗ 
utter und seinen Grundsätzen widerstrebte. Wenn 
et das, dankbare Vaterland dem Heere einen Beweis 
zet Anerkennung dessen, was sie geleistet, zu geben 
wunsche, so wolle er gern der Erste sein, der sich an das 
gerechte und die Nation ehrende Gefühl anschließe; 
J dieser Voraussicht wolle er die getroffenen Ein— 
eitungen mit einigen Beschränkungen genehmigen 
greitag, den 7. August, erfolgte alsdann der hoch 
tliche Einzug. Vom Brandenburger Thor bis 
um Schlosse bildete die Linden entlang die Gar ⸗ 
ison Spalier; im innern Schloßhofe war die 
zurgergarde aufmarschirt und hatte daselbst die Wache. 
das Brandenhurger Thor war festlich geschmückt; 
mder Stille der Nacht war die Victoria, die nach 
zer Einnahme von Paris im Triumphzuge zurück- 
zführt war, wieder aufgestellt worden. Noch aber 
jand das Kunstwerk verdeckt, denn die Hülle sollte 
ist im Augenblick des Einzugs fallen. — Am kleinen 
Ziern empfingen die königlichen Prinzen — unter 
hnen der siebzehnjährige Prinz Wilhelm, unser 
eziger Kaiser — und die Generalität den König. 
In dem Augenblicke, als der König sich dort an 
die Spitze der Truppen setzte und der Einzug be— 
gann, sank die Hülle unter den jauchzenden Hoch— 
tufen der ungezählten Menschenmassen von der 
Siegesgöttin: in neu errungener Glorie strahlte 
hictoria. 
In Mainz sindet im Laufe dieses Monats 
die Generalversammlung der Cäcilienvereine aller 
Lünder deut scher Zungen statt. Auf Ansuchen haben 
die bagerischen und württembergischen Staatsbahnen, 
die Reichsbahn in Elsaß-Lothringen, die hessischen 
und pfälzischen Bahnen die Giltigkeitsdauer der 
aetourbillete für die Zeit vom 17. bis 24. Aug 
vderlängert. Die badische Bahn hat ein dahin zie— 
lendes Gesuch abgelehnt, von den betheiligten vreußi⸗ 
schen Bahnen steht die Entscheidung noch aus. 
fKarlsruhe, 9. Aug. Das Urtheil gegen 
den berüchtigten Halsabschneider Hausmann laufete 
auf 6 Jahre Gefängniß, 8000 M. Geldstrafe event. 
eine weitere Gefängnißstrafe von 1 Jahr und 6 
Monaten und 5 Jahren Ehrverlust. 
München, 8. Aug. Zur großen Be— 
ztübniß unseres biertrinkenden Publikums, zu dem 
siet alle Welt gehört, ist das Hofbräuhausbier 
hon ausgetrunken. Die alten Trinkräume am 
Platzl“ sind geschlossen. 
fMemmingen, 9. Aug. Heute wurde 
das Urtheil in dem Bierverfälschungsprozeß ver⸗ 
lündet. Die eine Gruppe, 26 Angeklagte, welche 
unler der Anschuldigung standen, in Bayern nicht 
ugelassene Ingredienzien zum Bierbrauen bezogen 
nhaben, wurde zu Gefängnißstrafen von 20 Tagen 
is 8 Monaten und zu Geldstrafen von 200 dis 
900 Mt. (wobei eventuell für je 10 Mk. ein Tag 
hefängniß angesetzt wird) verurtheilt. Vitus Goßner 
u Seisershofen und die Wittwe Agathe Wiefst in 
Jeue Usm, angeklagt, den Bierbrauet Fahrenschon 
hei seinen Manipulationen durch Rath und That 
unterstüßt zu haben, wurden zu je 180 Mk. Geld— 
liufe verurtheilt; die Fabrikanten Prokasky in 
hacenheim und David Gumprecht, die unter der 
lechen Anklage standen, wurden zu Geldstrafen 
n 100 bez. 200 Mk. oder Gefängniß, Geschäfts⸗ 
hender Oswald Rosemann aus München, der den 
berlauf der Surrogate besorgt hatte, zu 5 Monat 
hesängniß. die Lieferanten Kaufmann Franz Wich 
und Kaufmann Fricker, Beide aus Muͤnchen, zu 
fängnißstrafen don 10 und 8 Monalen und 
hedstrafen von 730 Mark verurtheilt. Außerdem 
i die Einziehung ver Surrogaie und die Pu— 
iüation des Urtheus verfügt. 
Aus Schwaben. S. M. der König 
Lahern hat jüngst die Zahl seiner auf hohen 
nd höchsten Bergen belegenen Besitzungen durch 
n Anlauf der auf einem steil anstegenden Berge 
n bei Weißbach an der Tyroler Grenze gelege— 
Ruine Falkenstein wieder um eine vermehrt. 
man hört, soll die Ruine in ein Bergschloß 
Arraut werden, was natürlich keine geringe Kosten 
utsachen würde. Gegenwärtig und Acbeiter 
n. und Werktag beschäftigt, um einen Fahr⸗ 
Jauf die steile Höhe herzuslellen. 
iitt nwald, Wieder hat leichtsinnige, 
Unlenntniß beruhende Mißachtung der mit einer 
tbesteigung verbundenen Gefabren ein jiunges 
frisches Menschenleben gefordert. Am Sonntag 
raf mit vier Gefährten der 27jährige Lehrer Otto 
VBollroth aus Werdau a. Pl. hier ein. Mittags 
herließ er unsern freundlichen Markt, um allein 
unter Zurücklassung seiner Effekten und ohne seinen 
steisekollegen ein Wort von seiner Absicht zu sagen, 
den Aufstieg zum Wetterstein zu versuchen. Um 
1 Uhr Nachmittags verließ er Leutasch; er sollte 
aicht mehr zurückkehren. Heute Nachmittag fanden 
hha der herzogl. nass. Jagdgehülfe Hölzl und der 
Polizeisoldat Bader, gräßlich zerschmettert. Der 
stopf war auseinandergeschlagen, ein Fuß gebrochen 
und der Rücken ganz zerfleischt. Er lag unterhalb 
der Wettersteinwände, nahe des Ferchensee's. 
FFramersheim. „Alles schon dagewesen“, 
jagt Ben⸗Aliba. Der Satz des alten Philosophen 
st durch Vorgänge eigenthümlicher Art hier über den 
Daufen geworfen. Denn daß es außer dem von 
dem Gemeindevorstand angenommenen Gänsehirten 
noch einen zweiten hier gibt, dem die antiliberalen 
Gänse — wollte sagen die Gänse der Antiliberalen 
— andbvertraut werden sollen, das ist etwas Neues in 
hiesigem Orte. Des Morgens, wenn die Hähne krähen, 
kann man hier zwei verschiedene Singnale hören. 
Während der freisinnige Hüter sich einer Pfeife be— 
dient, benützt der nationalliberale Marschall eine 
Tagesreveille. So kann man während dieses Sommers 
äglich zweimal die verschiedenen Regimenter im 
Hänsemarsch unter Pfeifen und Trompetengeschmetter 
zjinausziehen sehen und dort wahrnehmen, wie den 
Rettern des Kapitols der Segen der Stoppelfelder, 
aach Parteien getrennt, zugewendet wird. (Das alte 
Augsburg hatte selbst seine Schweineställe nach — 
konfessionen getrennt.) 
F Aus Hamburg, 5. Aug., wird der N. 
Pr. Ztg. gemeldet: Die Frau des Kapitäns Gätjens 
yon hier reiste am Dienstag nach Marseille, um 
hren von Reunion kommenden Mann zu begrüßen, 
kam Donnerstag dort an und starb am Freitag an 
der Cholera. 
F (Geltener Rechtlichkeitssinn.) Das 
Journal de Freibourg“ erzählt folgende Geschichte: 
rxin Kaufmann von Freiburg reiste vor einigen 
Tagen an den Genfersee, um dort in einem waadt⸗ 
ändischen Städtchen eine Erbschaft zu holen, die 
einer Frau und mehreren Seitenverwandten zuge— 
allen war. Die Erblasserin, eine achtzigjährige 
Frau, hatte ihren letzten Willen in einem Akten⸗ 
tück niedergelegt, in welches das Datum des Tages 
und des Vonats sorgfältig eingeschrieben war; durch 
einen eigenthümlichen Zwischenfall war die Jahres— 
zahl vergessen worden. Diese Auslassung wäre nun 
aach dem Zivilgesetz ein Grund für die Nichtgiltig- 
eitserklärung des Testaments gewesen. Dem 
Nanne der Verstorbenen legte nun der Friedens— 
ichter die Frage vor, ob er die Schenkungen seiner 
Frau anerkenne, oder ob er von dem Gesetz Gebrauch 
nachen wolle, daß das Testament für ungiltig er— 
lärt werde. Der Mann erklärte ohne Zögern, daß 
er den letzten Willen seiner Frau anerkenne, wenn 
auch die fehlerhafte Form ihm das Recht geben 
vürde, das Testament zu kassiren und das ganze 
Bermögen von 30.000 - 40.000 Fr. in seinen 
Sack zu stecken. 
Gochzeit ohne Geläute.) In der 
nächsten Nähe Berlins liegt ein Dorf, in wel⸗ 
hem sich bis auf den heutigen Tag die alte Sitte 
rhalten hat, daß bei Hochzeiten der Brautzug vom 
dochzeitshause bis zur Kirche vom Geläute der 
Blocken begleitet wird. Diese Ehre erweist man aber 
nur derjenigen Braut, deren, Jungfräulichkeit“ nicht 
angezweifelt wird. Böse Zungen hatten in dieser 
Beziehung eine junge Dame verdächtigt, welche 
ürzlich mit dem Sohne eines reichen Gastwirthes 
irchlich getraut werden sollte. Die standesamtliche 
Trauung war bereits am Vormittag erfolgt, Nach- 
nittags 3 Uhr sollte die kirchliche Feier stattfinden. Zur 
rechten Zeit hatten sich die Hochzeitsgäste im Gast⸗ 
jofe, wo die Hochzeit hergerichtet war, eingefunden; 
Alles war bereit, um beim Beginn des Geläutes 
n feierlichem Zug aufzubrechen. Aber kein Glocken⸗ 
on ließ sich hören, man wartete und wartete, schon 
jatte es auf dem Thurme vier geschlagen und noch 
mmer blieben die Glocken stumm. Unter den Gästen, 
namentlich den weiblichen, begann ein heimliches 
Flüstern, der Braut, oder besser der jungen Frau, 
sttanden die Thränen in den Augen, der junge 
Fhemann machte ein versteinerles Gesicht. Da sah 
ich denn der alte joviale Schwiegerpapa gezwungen, 
einzugreifen und den Hochzeitshimmel wieder klar 
zu machen. „Kinder!“ rief er, „Ihr sollt durch 
den Eigensinn der Kirchenalocken weder um Eueren 
Hochzeitszug, noch die Gaäste um den Schmaus kom⸗ 
men. Musik! Vorwärts! Angetreten! Ich werde 
selbst den Zug führen!“ Gesagt gethan. Die Musik 
ntonirte den Hochzeitsmarsch und der Zug setzte 
sich in Bewegung. Voran schritt, umgürtel mit dem 
Stolze eines Hochzeitsvaters, der alte Gastwirth ge⸗ 
radenwegs auf die Kirche zu, aber nicht in diese 
hinein, sondern nur um dieselbe herum und dann 
wieder zum Hochzeitshause zurück. Anfangs er—⸗ 
taunt, dann aber recht verständnißvoll folgle der 
zug, und bald saß die ganze Gesellschaft uüm die 
schwerbelasteten Hochzeitstafeln. Derweilen erwartete 
der Pfarrer das Brautpaar vergeblich in der Kirche. 
— Es ist früher wohl schon vereinzelt vorgekom⸗ 
nen, daß in ärmeren Landgemeinden die Volks— 
chullehrer zeitweilig auf die Auszahlung ihres Ge⸗ 
jalts warten mußten, jetzt erzählt aber die „Päda⸗— 
jogische Ztg.“ einen schier unglaublichen aus einem 
Dorfen, in fruchtbarer und wohlhabender Gegend 
Mittelschlesiens“, wo die zur Tragung der Schullasten 
Lerpflichteten sich nicht einigen können und in 
Folge dessen der J. Schullehrer des Ortes bereits 
über 1000 Mtk. rückständiges Gehalt zu fordern 
jat. Auf die Weise kann es auch in Volksschul⸗ 
ehrerkreisen einmal zu einer Kapbitalansammlung 
ommen. 
F Ein Bürgermeister rühmte sich seiner 
Maßregeln zur Abwehr der drohenden Cholera also: 
„Die Leute sind hier störrisch und lassen die Mist⸗ 
jauche in hellen Bächen über die Strußen laufen. 
Mein Vorgänger schluckte das Alles hinunter, er 
war ein guter, schwacher Mann, aber ich habe mich 
sofort d'reingelegt.“ 
fFürst Alexander von Bulgarien 
hat sich endlich eine Lebensgefährtin erkoren und 
zwar ist seine Wahl, wie die Prager „Narodni 
Listy“ wissen wollen, auf die zweite Tochter des 
Fürsten Nikolaus von Montenegro, Prinzessin Mi— 
litza, geboren am 26. Juli 1866, gefallen. Fürst 
Nitolaus werde am 15. August nach Sofia reisen, 
woselbst die Verlobung stattaͤnden soll. Der Kaiser 
oon Rußland habe persönlich die Verbindung ge— 
wünscht und werde der Braut eine Million Francs 
als Morgengabe mitgeben. 
F In der Umgebung von Toulon muß das 
jerrliche Obst massenhaft verfaulen, weil es Nie⸗ 
mand zu genießen wagt. 
F Rom, 11. Aug. Im Laufe des gestrigen 
Tages sind in den inficirten Ortschaften der Pro— 
»inzen Genua, Massacarrara und Turin 14 neue 
Tholerafälle, wovon 7 tödtlich verliefen, vorgekom⸗ 
nen. Ein Tags vorher an der Cholera erktanktes 
Indibiduum ist gestern gestorben. 
F Der nihilistische Mörder des russischen Gene⸗ 
rals Sudeikin soll auf deutschem Boden weilen. 
3000 Rubel erhalt der allenfalsige Entdecker seines 
Wohnorts, 10,000 Rubel. wer an der Verhaftung 
Theil nimmt. 
fF New⸗-York, 11. Aug. An der atlan⸗ 
tischen Küste von Portland bis Philadelphia hat 
eine zehn Sekunden dauernde Erderschütterung statt⸗ 
gefenden. Niemand wurde verletzt, doch verließ 
die in Schrecken gesetzte Bevölkerung eiligst die 
Häuser. Einige Gebäude sind beschädiat. 
Sterbefaälle. 
Gestorben: in Kusel Michael Ochs, Zug—⸗ 
jührer; in Newyork die Gattin von Joh. Phil. 
Schmenger, Elisabetha geb. Schlicher aus Hoch⸗ 
peyer; in Homburg Susanne Rottmann, 67 
J. a.; in Dürkheim Heinrich Röder, 28 J. a.; 
ebenda Hans, 7423 J. a., S. v. Wilbelm Eckert; 
in St. Johann a. d. Saar Lothar Dörr, 87 
J. a.; in Maikammer Andreas Anslinger, 48 
X. alt. 
Fur die Redaktion verantwortlich: F. X. Deme z. 
Nr. 97 des praktischen Wochenblattes für alle 
Hausfrauen „Fürs Haus“ enthält: 
Pflegt die Kunst! — Frühaufstehn. — Brief— 
tabellen. — Binz. — Geheimschrift. — Obstpasteten. 
— Ein gutes Wort findet eine gute Stätte. — 
Der Thee. — Hauswirthschaftlicher Kalender für 
August. — Keuchhusten. — Künstliches Trommel⸗ 
ell. — Maulwärfe zu vertreiben. — Kornelkirsche. 
— Abfallen der Rosenknospen. — Kranker Oran⸗ 
genbaum. — Stücke für Klavier und Flöte. — 
dlavierschule. — Glaskasten. — Altdeutsches 
Zammetmükchen — Deutsche FäIraßhr 6453*