Lüderitz, sich damit begnügt, ihm Schutz in dem
von ihm erworbenen Rechte zu versprechen, sondern
hier hat das Reich selbst direkt anneltirt, und
Cameroons ist in diesem Augenblicke so gut ein
deutscher Handelsplatz, wie irgend ein Hafen an
der Nord⸗ und Ostsee. Darin liegt ein gewaltiger
Unterschied. Die Bedeutung der Sache wird sich
aber noch erheblich steigern durch die in nächster Zeit
bevorstehende Wiederholung an anderem Orte. Der
Augenblick ist also gekommen, wo neue deutsche und
alte englische Interessen unmittelbar aufeinander—
stoßen, und es muß sich jetzt zeigen, wie weit Eng
land in seiner bisher versteckten Gegnerschaft gegen
die neu aufgetauchten kolonialen Bestrebungen zu
gehen wagt. Die Ruhe, mit welcher das Geheim—
niß gewahrt worden, und die Entschlossenheit mit
welcher gehandelt worden ist, als der Augenblich
gekommen war, zeigt, daß die Reichsregierung den
Weg, welchen sie, eingeschlagen, mit voller Ueber⸗
zeugung verfolgt und die Konsequenzen zu ziehen
bereit ist; an ein Zurückweichen ihrerseits ist nicht
zu denken, und zwar um so weniger als sie das
formelle Recht auf ihrer Seite sieht. Es bieibt
England überlassen, sich mit den vollendeten That—
sachen abzufinden, denen wie gesagt noch andere
folgen werden.
Englische Stimmen über das Ver—
hältniß Englands zu Deutschland. Die
Times“ bringt einen Artikel über das Verhältniß
zwischen Deutschlaud und England, worin sie die
bon der englischen Regierung in der Angra Pequena⸗
Angelegenheit Deutschland gegenüber beobachtete
Haliung tadelt und hinzufügt, Afrika sei groß ge—
nug, um Spielraum für friedliche Unternehmungen
Deutschlands wie Englands zu bieten. Die Be—
strehungen Deutschlands an der Südwestküste Afri⸗
kas, Märkte für sich zu eröffnen oder Kolonien zu
gründen, könnten die Engländer ohne Eifersucht
betrachten. Die „Times“ gibt schließlich ihrem
Vertrauen auf die Fortdauer der guten Beziehungen
Englands und Deutschlands Ausdruck. — Die
„St. James Gazette“ und „Pall Mall Gazette“
sprechen sich entschieden mißbilligend über die Poli—
lit Gladstone's gegenüber Deutschland aus. Die
„Pall Mall Gazette erklärt, die Freundschaft mit
Deutschland müsse ein Fundamentalgrundsatz der
auswärtigen Politik Englands sein und bleiben.
Ueber die Lage des deutschen Ausfuhr—
handels nach Ostasien spricht sich ein Bericht
des deutschen Konsuls zu Manila folgendermaßen
aus. Deutschlands Exporthandel nach Ostasien hat
in den letzten 10 Jahren bedeutende Fortschritte
gemocht und ist in stetem Zunehmen begriffen.
Zesonders gilt dies bezüglich der Philippinen, indem
er fich hier in der genannten Periode sicher auf
das Zehnfache seines ursprünglichen Werthes erhoben
hat, von einer Million Mark nämlich auf 10 Mil-
lionen. Noch vor drei Jahren waren in den fei—
neren Detailgeschäften Manila's deutsche Fabrilate
unbekannt. Jetzt sind Portefeuillewaaren und die
unzähligen Artikel des Kunstgewerbes aus Bronze,
cuivre poli, Nickel, Holz, Glas und Porzellan, so—
wie Moͤbel, ausschließlich deutscher Herkunft; in
Gold- und Silbersachen, Bijouterien, Mode⸗, Kon⸗
fektions- und Wäsche-Artikeln sind wir allen anderen
Konkurrenten ebenbürtig geworden, und sogar
deutsche Konserven haben solche Beliebtheit erlangt,
daß sie in den Anzeigen der Eß- und Delikateß⸗
waarenhandlungen neben französischen und englischen
als Reklame figuriren. Der Artikel hat zwar für
die Philippinen keine große Bedeutung, aber die
Thatsache beweist in erfreulicher Weise, daß hier
wenigsiens der deutsche Ursprung der Waaren nicht
mehr wie früher als ein Hinderniß für den Absatz,
sondern geradezu als eine Empfehlung gilt. Im
Engrosgeschäft endlich werden, um nur die bedeu⸗
lenderen Artikel zu nennen, Wollenwaaren, Seiden⸗
und Sammetstoffe, Hüte, Lampen, Eisenwaaren und
Biere entweder ausschließlich oder in beträchtlichem
Maße von Deutschland eingeführt. Unser Handel
ist fortgeschritten auf Kosten Frankreichs, vielleicht
auch Belgiens; England ist von seiner Höhe nicht
gewichen, im Gegentheil, die Macht seines Handels
und Kapitals wirkt erdrückender denn je.
Ist eine deutsche Akerbaukolonie in
Afrika möglich? Auf diese Frage gibt Herr
Dr. Pogge in einem längeren Berichte folgende
interessanle Auskunft: Pogge bemerkt ausdrücklich
daß daselbst die Bestellung des Bodens leicht sei.
und daß er der Ansicht vieler Reisender, wonach
ein Europäer daselbst keine Handarbeiten dauernd
vornehmen könne, aufs Entschiedenste widerstreite.
Allerdings würde ein europäischer Arbeiter nicht
imstande sein, ohne gesundheitsschädliche Folgen
dort ebenso lange und schwer zu arbeiten, wie in
Furopa; aber ebenso zweifellos werde er vermögen,
ohne erhebliche und der Gesundheit nachtheilige
Ktörperanstrengung des Morgens und während des
päteren Nachmittags einige Stunden leichte land-
wirthschaftliche Arbeiten, etwa mit dem Pfluge, zu
derrichten und eine Arbeitsstunde bringe in land—
wirthschaftlicher Beziehung dort in Afrika vielleich
»ehnmal mehr Resultate, als in Norddeutschland.
dausarbeiten, d. h. Arbeiten im Schatten eines
Zauses vollzogen, würden dort von Europäern
ebenso lange wie in Europa vorgenommen werden
können. Denn nicht die relative Wärme, sondern
nur die brennenden Strahlen der Sonne thäten
wehe und nur vor ihnen müsse sich der Ankömm-
ling schützen. Da Pogge von Hause aus prak—
tischer Landwirth war, so dürfte seine Ansicht von
besonderem Gewicht für die Möglichkeit sein, im
äquatorialen Afrika durch Europäer Ackerbau zu
hetreiben.
Das auffallend langsame Wachsthum der Be—
dölkerungsziffer in Frankreich ist eine
allbekannte, von den namhaftesten französischen
Ztatistikern nachgewiesene Thatsache. Man ninmmt
auf Grund der neuesten diesbezüglichen Forschungen
an, daß die Geburtsziffer in Frankreich folgendem
GBesetze unterworfen ist: dieselbe steht in direktem
Verhältniß zu dem der Kinder harrenden Lebens—
berufe. So haben die normännischen Kleingrund—
besitzet in der Regel nur ein Kind, da sie zur
Wahrnehmung ihres Berufes keiner weiteren Stütze
bedürfen, wohingegen die bretonischen Küstenfischer,
welche für ihr Gewerbe Matrosen brauchen, sich
einer sehr zahlreichen Nachkommenschaft zu erfreuen
pflegen. Analoge Wahrnehmungen lassen sich ziemlich
allgemein in Frankreich machen; es erhellt daraus,
daß die nahezu stagnirende Tendenz in der Beweg⸗
ung der französischen Bevölkerung nicht sowohl auf
ohysiologische, sondern vielmehr auf soziale Ursachen
zurückgeführt werden muß.
Deutsches Reich.
Die Meldung aus dem Wahlkreise Hom—⸗
burg — Kusel, daß die dortigen nat.lib. Ver—⸗
rauensmänner ihrem langjährigen hochverdienten
Vertreter im Reichsstage Herrn Dr. Armand Buh!
hr inniges Vertrauen und den Wunsch ausgesprochen
saben, derselbe möge eine neue Wahl wieder an⸗
nehmen, ist auch von den rechtsrheinischen Gesinnungs⸗
jenossen mit aufrichtiger Freude begrüßt worden.
In der „Bayer. nationallib. Korresp.“ wird aus
diesem Anlaß Herr Dr. Buhl ausdrücklich als „zu
den Arbeitsbienen des Reichstags“ gehörend bezeich—
net. Der Wunsch, daß eine solche Kraft dem deut⸗
ichen Parlament auch in der nächsten Session er—
halten bleibe, meint die „B. nat. lib. Korresp.“
im nationalen Interesse auf das Lebhafteste unter
stützen zu müssen, mit dem Hinzufügen, daß Dr.
Buhl sich demungeachtet des ganz besonderen Hasses
der Deutschfreisinnigen Partei erfreue, deren Kniffen
und Schlichen in pfälzischen Wahlkreisen er mi⸗
ebensoviel Entschiedenheit als Loyalität entgegen—
trete. (Pf. L. C.)
Müunchen. General v. Orff wurde durch
folgendes Allerhöchste Handschreiben Sr. Maj
des Koönigs ausgezeichnet: „Herr General v. Orff
Wie Mir berichtet wurde, begegen Sie am 18. ds
Ihr fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Indem Ich
Ihnen aus diesem Anlasse in huldvoller Auer—
lennung Ihrer hervorragenden, mit treuester Hin⸗
zebung geleisteten Dienste das Chrenkreuz des
eudwigs-Ordens übersende, spreche ich Ihnen zu
der für Sie so erhebenden Erinnerungsfeier Meine
aufrichtigsten Glückwünsche ans. Zugleich freue ich
Mich Ihnen mitzutheilen, daß Ich Sie, um Ihren
Ehrentag durch einen weiteren Beweis Meiner An—
heilnahme auszuzeichnen, à la suite des 6. In⸗
anterieregiments, in welchem Sie Ihre ruhmooll
nilitärische Laufbahn begonnen, gestellt habe.
Empfangen Sie bei dieser Gelegenheit die Ver—
icherung wohlwollender Gesinnungen, mit welchen
Ich bin Ihr gnädiger König Ludwig. Hohen
chwaugau, 15. August 1884.“
Berlin, 20. Aug. Ueber die Entrevue
n Varzin zirkuliren hier Gerüchte, die ich mit
Borbehalt wiedergebe. da auch die „Nat.⸗“Z3tg.“ da⸗
von Notiz nimmt. Danach habe es sich um Ab.
wehrmaßregeln gegen anarchistische Umtriebe gehan.
delt; es sei ein Einvernehmen erzielt, und der du—
ritt Rußlands und der übrigen Staaten gesichert
Ferner würden Deutschland und Oesterreich destimm—
sormulirte Forderungen bezüglich der Entschadigun
ihrer Unterthanen für Verluste in Alexandrien ian
Auch die Dreikaiserzusammenkunft wird ernst ge.
nommen, und die Verschiebung der rheinischen Ma.
növer damit in Zusammenhang gebracht.
Deutsche Kolonialpolititk. Nach einem
dem „Hamb. Corresp.“ zugegangenen Telegramm aus
Madeira soll der Generalkonsul Dr. Nachligal, der
als kaiserlicher Kommissar mit dem Kanonenbooie
„Moeve“ auf dem Wege nach dem Congo und
Angra Pequena befindlich ist, auf Cameroons und
Bimbia die deutsche Flagge entfaltet haben. Die
Nachricht einiger hiesiger Blätter, daß dabei die
englische Flagge erst beseitigt sei, wird hier an amt.
licher Stelle für unbegründet gehalten; es ist auch
nicht anzunehmen, daß der deutsche Generallkonsul
ohne zwingende Provokation von anderer Seite einen
derartigen Schritt auf seine Verantworklichkeit gethan
haben sollte. Nähere Aufklärung über den Erlaß
zu der sensationellen Meldung muß abgewartet werden.
(S. Pol. Uebersicht.)
Ausland.
Paris, 20. Aug. Die Abendzeitungen melden
di⸗Fong⸗Pao werde morgen die letzte Unterredung
mit Ferry haben, der ihm die Entschließungen de
französischen Regierung mittheilen werde. Letztert
sei entschlossen, an 80 Millionen Entschädigung
estzuhalten. Dieselbe könne durch Erhebung der
Zölle entrichtet werden, welche Frankreich an gewissen
Junkten überlassen würde. Eine zweitägige Frist
ist bewilligt. Die Antwort der chinesischen Regierung
ist noch zu erwarten. Im Weigerungsfalle ist Cour—
bet beordert, das Arsenal in Foutscheu und andere
Punkte weqzunehmen. Mehrere Schiffe gehen dem⸗
nächst zur Verstärkung des Geschwaders nach den
hinesischen Gewässern ab.
London, 20. Aug. Der „Standard“ finder
die Nachrichten über das Vorgehen Deutschlands
an der Westküste Afrikas unangenehm, doch seien
die Gerüchte, Englands Flagge sei insultirt worden,
unbestätigt; man könne es, meint das Blatt, von
Bismarck nur natürlich finden, daß er die deutsche
Auswanderung von Nordamerika nach anderen
Orten, wo die nationale Flagge wehe, zü dirigiren
wünsche.
Petersburg, 21. Aug. Neuen Disposi⸗
tionen zufolge findet am 27. d. in Gegenwarf
des Kaisers ein Flottenangriff auf die nördlichen
Befestigungen Kronstadt's, am 28. ein Geschwader⸗
gefecht im Bjoerkoe-Sund, und am 29. d. eint
Kaiserrevue über die gesammte Flotte im Bioerkoe⸗
Sund statt.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
*æ St. Ingbert. Wir machen darauf auf—
merksam, daß nach der Anleitung zum Unfalloder—
sicherungsgesetz vom 6. Juli d. J. die Betriebsunter—
nehmer in Geldstrafe bis zu 100 Mte. verfallen,
wenn sie die vorgeschriebenen Anmeldungen nicht
bis spätestens den 1. September bewirkt haben
Die Anmeldepflicht erstreckt sich auf alle im 81
—
'atz 126 lautet:
Alle in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsan⸗
talten, Steinbrüchen, Gräbereien (Gruben), auf Werf⸗
en und Bauhöfen, sowie in Fabriken und Hüttenwerken
veschäftigten Arbeiter und Betriebsheamten, letztere so⸗
'ern ihr Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Gehal!
weitausend Mk. nicht übersteigt, werden gegen die
Folgen der bei dem Betriebe sich ereignenden Un—
lle nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Ger
setzes versichert.
Dasselbe gilt von Arbeitern und Betriebsbeamten.
welche von einem Gewerbetreibenden, dessen Gewerbe⸗
betrieb sich auf die Ausführung von Maurer⸗, Zim ⸗
mer⸗, Dachdecker⸗, Steinhauer⸗ und Brunnenar⸗
beiten erstreckt, in diesem Betriebe beschäftigt werden,
dwie don den im Schornsteinfegeraewerbe beschäf
tigten Arbeitern.
Den im Absatz 1 aufgeführten gelten im Sinne
dieses Gesetzes diejenigen Betriebe gleich, in welchen
Dampfkessel oder durch elementare Kraft (Wind,
Wasser, Dampf, Gas, heiße Luft u. s. w. bewegte
Triebwerke zur Verwendung kommen, mit Ausnahme
der land- und forstwirthschaftlichen nicht untet den
Absatz 1 fallenden Nebenbetriebe, sowie derjeniun
geschhe, uͤr elche ur borubergebend eine nich