Full text: St. Ingberter Anzeiger

Berlin, 28. Januar. Der Statthalter von 
Manteuffel verlängerte auf Einladung Bismarck's 
seinen Aufenthalt in Friedrichsruhe bis morgen und 
kehrt Nachmittags 3 Uhr 40 Min. hierher zurück. 
Hamburg/-23. Januar. Die Hamburger 
Bürgerschaft verwies den Senatsantrag auf Ge⸗ 
nehmignng des Vertrags, betreffend Uebergang der 
Hamburger Vahnstreden an Preußen an einen elf⸗ 
gliederigen Ausschuß. Letzterer wurde trotz mehr— 
fachen Widerspruchs sofort gewählt. 
Ausland. 
Paris, 22. Januar. In Folge der gestern 
von der Kammer votirten theilweisen Uebernahme 
des Budgets der Polizeipräfektur auf das Ministe⸗ 
rium des Innern, macht sich unter den Konstablern 
eine gewisse Erregung geltend. Dieselben protestiren 
gegen die Veränderungen ihrer Pensionsbedingungen, 
doch ist es bisher noch zu keinem Stricke oder 
Zwischenfall gekommen. Seitens des Ministeriums 
dird ein anderweiter Enwurf vorbereitet, worin 
den Wünschen der Konstabler Rechnung getragen 
werden soll. 
Paris, 23. Januar. Der Temps meldet: 
Auf dem Posten Bonne Nouvelle verweigerten gestern 
—AI entschlossen sich aber in 
Folge der energischen Haltung der Offiziere zu 
veiterer Dienstübung. Auf anderen Posten stellten 
einige wenige Constabler den Dienst gänzlich ein. 
das Journal Paris veröffentlicht ein Telegramm 
aus Hongkong vom 22. d. M., wonach die Ope— 
rationen gegen Bacninh bis zur Ankunft der Ver⸗ 
stärkungen, wahrscheinlich bis Anfangs März, ver⸗ 
schoben wurden. — Nachrichten aus Madagascar 
bom 27. Dezember zufolge ist der Gesundheitszu⸗ 
sland der französischen Truppen befriedigend. Die 
Garnison von Tamatave machte mehrere Ausfälle. 
Ueber das Schicksal der madagassischen Gesandten 
daselbst ist nichts belannt. Am 13. November 
Nachts machten 500 Howas einen Angriff auf 
Majunga, um sich der Person der Königin zu be⸗ 
mächtigen, mußien sich aber mit einem Verlust von 
60 Todten zurückziehen. 
Zondon; 24. Januar. Die Krönung der 
neuen Königin von Madagaskar fand am 22. 
November statt. Der erste Minister erklärte hiebei 
in feierlicher Weise, den Franzosen keine Handbreit 
madagassischen Bodens abtreten zu wolleů. 
— — 
Lokale und pfaälzische Nachrichten. 
I St. Ingbert. Leider ist der bei jüngster 
Hauptversammlung des Turnvereins St. Ing⸗ 
hert geäußerte Wunsch, die Turnerei in hiesiger 
Stadt wachsen zu sehen, bis jetzt noch nicht in Er⸗ 
füllung gegangen. Im Gegentheile, eine merkliche 
Abnahme ist eingetreten! Aber immerhin zählt der 
Verein noch tüchtige Kräfte, welche treu zur Sache 
stehen. Wie aus dem Annoncen- Theil ersichtlich, 
findet am Sonntag Schauturnen mit darauf fol⸗ 
gender Unterhaltung statt. Hoffen wir auf einen 
Jahlreichen Besuch derselben, welcher dem Vereine 
neue Freunde gewinnen möge! 
— Neustadt, 24. Januar. In Folge des 
Sturmes stürzte heute früh auf dem Trautmann'- 
schen Hause ein Rauchfang gegen die Niederhöfer'sche 
Werkstaͤtte und zertrümmerte einen Theil der Fen— 
ster der letzteren. Der Geschäftsführer des Herrn 
Niederhöfer, der gerade diese Stelle passiren wollte, 
konnte sich noch zur rechten Zeit retten. 
— Deidesheim. Nach der „Allg. Wein⸗ 
Revue“ ging kürzlich ein 1875er Forster Langen⸗ 
höhl⸗Auslese von Herrn Dr. Deinhard hier für 
die Summe von 10,000 Mk. pro 1000 Liter in 
den Besitz der Firma Friedrich Seyler hier über, 
ein Beweis, daß in der Pfalz Hochgewächse er—⸗ 
ziell werden, welche denen aus dem Rheingau eben⸗ 
bürtig zur Seite stehen. 
— Erpolzheim, 283. Januar. Jedenfalls 
dürfte es eine Seltenheit sein, zu sehen, daß in 
dieser Jahreszeit Oleanderbäume blühen, wie 
dieses in dem Wartesaale hiesigen Bahnhofes der 
Fall ist. Die Bäume sind zudem noch mit zahl⸗ 
reichen Knospen geschmückt, die in kurzer Zeit sich 
entfalten werden. Wenn der Volksmund recht hat, 
so dürften wir deßhalb gute Aussichten für dieses 
Jahr haben. Denn es heißt, blühen die Oleander⸗ 
bdäume reichlich (bekanntlich kommen diese in mancher. 
Jahren nicht zum Blühen), so giebt's auch reichlich 
Wein. Wollen's hoffen! (D. A.) 
— Bergzabern, 21. Januar. Heute früh 
ist es einem im hiesigen kgl. Amtsgerichts⸗Gefäng⸗ 
aifse wegen Bettel und Landstreicherei inhaftirt ge— 
wesenen Individuum gelungen, zu entweichen. Der— 
telbe, ein Tuchmacher aus Lambrecht, sollte in 
einigen Tagen im Arbeitshause auf längere Zeit 
Aufenthalt nehmen. Die Gensdarmerie faäahndet 
eifrigst nach demselben, bis jetzt doch ohne Erfolg. 
— Zeiskam, 22. Januar. Der Sohn eines 
hiesigen Bürgers, der ein Metzger ist, begab sich 
dor Wochen schon auf die Wanderschaft. Lange Zeit 
konnte er keine Arbeit finden. Zu Groß⸗Steinheim 
in Hessen endlich erhielt er solche. Er theilte das 
seinem Vater brieflich mit und fügte bei, daß er 
borhabe, längere Zeit da zu verbleiben. Nicht 
lange aber, so erhielt der Vater eine Postkarte aus 
Carden in Rheinpreußen, worauf zu lesen war, daß 
iich derselbe wieder auf Reisen befinde, daß ihm 
sein Wanderbuch gestohlen worden und ihm auch 
das nöthige Reisegeld fehle, weßhalb er bitte, ihm 
»ehn Mark und ein neues Wanderbuch zu schicken. 
Das Verlangte möge man postlagernd nach Trier 
enden, wo er dasselbe abholen wolle. Von da 
aus werde er sich waͤhrscheinlich nach Köln begeben. 
Es kam das dem Vater zwar sonderbar vor, gleich⸗ 
vohl that er, wie der Sohn es wünschte. Dann 
anuch schrieb er nach Groß⸗Steinheim und erkündigte 
ich hier noch des Näheren. Von da aus ward 
him die Antwort, daß alles das, was die besagte 
Postkarte enthalte, erlogen sei. Sein Sohn stehe 
noch in Dienst, habe ein Wanderbuch und sei auch 
nicht ohne Geld. Hievon wurde dem Postamte 
und der Polizei in Trier Mittheilung gemacht. 
Zum Glück waren die eingeschickten Poststücke noch 
aicht verabfolgt worden und es gelangten dieselben 
dieser Tage wieder in die Hände des Absenders. 
Von dem Schwindler aber hat man bis jetzt noch 
eine Spur. (V. T.) 
— In Bobenheim haben die Landwirthe 
h»eschlossen, nur solches Bier zu trinken, das aus 
einheimischer Gerste hergestellt wird. Beschlüsse in 
dieser Beziehung wurden schon öfter gefaßt, daß sie 
aber auch irgendwo ausgeführt worden seien, haben 
wir bisher noch nicht gehört. 
— Haßloch, 22. Januar. Die Tabakpflanzer 
unserer Gegend zeigen sauere Gesichter; denn trotz 
der guten Qualität der diesjährigen Tabakernte 
inden sich nur wenige Käufer ein, welche so ge⸗ 
inge Preise bieten, daß die Produzenten nicht los⸗ 
chlagen. Die Angebote bewegen sich nämlich meistens 
wischen 18 und 22 Mark per Zentner. (L. T.) 
— Frankenthal, 22. Jan. In der An⸗ 
klagesache gegen die Weinhändler Heinr. und Herm. 
Cron in Neustadt erfolgte Freisprechung. 
Vermischtes. 
F München. Boshafte Menschen haben den 
hayerischen Abgeordneten nachgerechnet, was eine 
zinstündige Rede in der Abgeordneten— 
sammer kostet. Es bekommen 159 Abgeord⸗ 
aete täglich je 10 Mk. Taggelder, wozu dann die 
stosten für Stenographie, Druck und Hausdienst 
ommen. Die Gesammtsumme, für eine vierstündige 
Sitzung auf 2400 Mt. berechnet, macht auf die 
Stunde Reden 600 Mt. 
Die „Str. Post“ bringt aus Mez eine 
Nachricht, die im Falle ihrer Bestätigung auch für 
die Pfalz von Bedeutung wäre. Danach sollen die 
in Metz garnisonirenden beiden bayerischen Regi⸗ 
menter auf die Stärke der Regimenter des Garde— 
Torps gebracht werden, was eine Vermehrung pro 
Tompagnie von 40 Mann, im Ganzen also von 
60 Mann zur Folge haben würde. Die beiden 
Regimenter rekrutiren sich bekanntlich aus der Pfalz 
und es läge sonach die Nutzanwendung auf der Hand. 
F Der „Eisenzeitung“ zufolge will die Firma 
Toulon de Montigny in Mühlhausen (Elsaß) 
ein bisliges und einfaches Verfahren erfunden haben, 
im Wasser in seine Bestandtheile zu zerlegen und 
das sogenannte Wassergas zu gewinnen, welches 
nach der Ansicht vieler Leute den Brennstoff der 
Zukunft abgeben soll. Dies wird auf chemischem 
Weg, also ohne Feuer erzielt. Das Coulon'sche 
Gas eigene sich nicht blos zum Brennen, sondern 
auch zur Beleuchtung und gebe ein reines, weißes 
rauch⸗ und geruchloses Licht ab. Es soll 60 pCt. 
billiger sein als gewöhnliches Steinkohlengas. Viel 
wohlfeiler sei aber das Gas, wenn es blos als 
Brennstoff diene, also nicht mit Kohlenstoff versetz 
zu werden braucht. Da koste es so gut wie nichts 
veil die Nebenprodukte den Herstellungspreis voll⸗ 
tändig decken und nur die Anlage zu verzinsen ist. 
— — — — 
Das Komité des Mainzer Karnevalsvereins 
Jat beschlossen, die Karnevalstage durch einen großen 
Ldarnevalszugam Fastnachtmontag zu bechließen. 
F Durch die Geistesgegenwart des Bahn— 
varts am Seckacher Tunnel der Odenwaldbahn ist 
ürzlich ein großes Unglück verhütet worden. Ein 
Fuhrwerk, das noch über die Schienen fahren wollte. 
⸗he ein Zug einfuhr, fiel um und konnte nicht 
rechtzeitig entfernt werden. Da eilte der Bahnwart 
dem heranbrausenden Zug entgegen und brachte ihn 
hurch Winken und Rufen zum Stehen, wodurch die 
Befahr beseitigt war. — In Karlsruhe wurde am 
Zonntag Abend ein betrunkener Civilist von einigen 
Zoldaten zur Rede gestellt, da er dieselben ange— 
rannt hatte. Der Betrunkene zog alsdann ein 
dolchartiges Messer und sticht es einem der Soldaten 
hurch den Oberarm in die Achselhöhle, worauf er 
die Flucht ergriff. Die Soldaten setzten ihm nach, 
za der Verfolgte aber seinen Dolch schwang, wollte 
hn Niemand aufhalten, bis ein entgegenkommender 
polizist seinen Säbel zog, worauf der Bursche seine 
Waffe wegwarf und verhaftet wurde. Der Ver— 
wundete war durch den starken Blutverlust ohn⸗ 
mächtig geworden, doch soll seine Wunde nicht ge— 
sährlich sein. 
Die „Rh.⸗Westf. Ztg.“ meldet aus Reck— 
linghausen: Auf Zeche „General Blumenthal“ 
and eine Explosion stait. Soweit bekannt, gab es 
dabei 12 Todte und 10 Verwundete. Die Ursache 
ist noch nicht ermitielt. 
Ein höchst interessanter und nütz 
licher Apparat ist von der Schweninger Uhren⸗ 
fabrik in Schweningen konstruiert worden. Es ist 
dies ein Lufi-Zirkulationsapparat, der dazu dient, 
dem Zimmer entweder eine parfümierte oder eine 
»esinfizierte, oder auch eine durch Eis abgekühlte 
duft zuzuführen. Diefe Zuführung geschieht durch 
ein Uhrwerke, welches turbinenartig einen Flügel 
zreibt und so die Luftzirkulation herbeiführt. Der 
in eleganter Ausführung hergestellte Apparat ift 
eine schöne Zierde des Schreibtisches. In hygiei ⸗ 
anischer Hinsicht ist dieser Luftzirkular von unge— 
deuerem Werthe. 
(in preußischer Mulatte!) Das 
BGarde - Jägerbataillon in Potsdam hat einen 
merlwürdigen Soldaten in Reih und Glied, einen 
fraustöpfigen Mulatten. Der rauchgelbe Krieger 
ist aber preußischer Unterthan und Forstmann von 
Beruf. Sein Bater ist nämlich der Mohr des ver— 
torbenen Prinzen Karl, den dieser von seiner Orient⸗ 
reise im Anfange der vierziger Jahre mit nach 
Berlin gebracht hatte. 
Der Reichs⸗Anzeiger meldet: Die aus Anlaß 
des Unglücks auf dem Bahnhofe Steglit 
zerichtsseitig eingeleitete Untersuchung der Ursachen 
Jes Unfalles hat ergeben, daß den diensthabenden 
Ztationsvorsteher, gegen welchen der Vorwurf einer 
Bernachlässigung der ihm obliegenden Pflichten er⸗ 
soben worden war, kein Verschulden trifft, der Un⸗ 
all vielmehr lediglich auf das eigenmächtige Ver⸗ 
Jalten des Publikums zurückzuführen ist. 
fpueber die letzten Augenblide 
Ldasker“s entnimmt das B. T. einem Briefe 
des seit zehn Jahren in New⸗York als Meerschaum⸗ 
und Bernsieindrechsler etablirten Herrn Rafael Lin⸗ 
iewicz an seine Schwester die folgende Schilderung 
„Ich machte am Freiiag, ungefähr 1194 Uhr Abends, 
it meinem Bruder Rarun mein Geschäft zu. Es 
war kalt, wir gingen schnell, um bald nach Haufe 
zu kommen. Kaum hatten wir indessen 100 Sqritie 
urückgelegt, so sahen wir auf den Stufen eines 
dauses einen Mann sitzen; ein anderer Mann stand 
aneben und rief uns, als wir näher kamen, au 
Englisch um Hilfe an. Ich überzeugte mich zuerst, 
ob die beiden Männer nicht betrunken waren, denn 
s kommt hier sehr häufig vor, daß man bei sol⸗ 
cher Gelegenheit in allerlei Unannehmiichkeiten gerath 
Auf den“ ersien Buck erkannte ich jedoch, daß sich 
der Herr, welcher auf der Stufe saß, sehr unwoh 
fühlen müsse, und sprang sofort zur Hilfe herbei 
Mein Begieiter theilte mir mit, daß der Kranke 
Dr. Lasker sei. Wir versuchten, seine Hünde ze 
reiben, er wurde dabei bewußtlos. Neben dem 
Haus, auf dessen Stufen Dr. dasker saß, befindet 
äch ein Privatstall. Es war soeben der stutscher 
mit seinem herrschaftlichen Wagen nach Hause ge⸗ 
sommen. Der Kutscher kam auch zur Hilfe herbei; 
in anderer Herr brachte ein Glas Wasser. Da 
es, wie gesagt., sehr kait war, so machte der Kut⸗ 
cher den Vorschlag, den Kranken in den Wagen⸗ 
chuppen zu bringen, wo er sich vielleicht eher er⸗ 
solen würde. Der Vorschlag wurde sofort ausge⸗