Full text: St. Ingberter Anzeiger

nicht einsam: ein zärtliches Kind würde Euch 
flegen und sich bemühen, Euch Alles zu vergelten, 
has Ihr an ihm gethan habt. Darum sorget bei 
Jiten, daß Euer Haus erfüllt wird durch das 
hliche Geplauder eines ohne Euch elternlosen 
Hesens.“ 
vs Mannheim, 30. Aug. Gestern Vor— 
utag hatte ein Gefreiter der 7. Compagnie des 
jesigen Infanterie-Regiments eine Abtheilung der 
nberufenen Reservisten hinter der Kaserne zu exerziren. 
ziner seiner Schüler mag nun das Vorbeugen des 
zorpers nicht so gut fertig gebracht haben, als es 
er Gefreite wünschte und half ihm in der Weise 
ach, daß er ihm mit dem Fuße ins Kreuz trat, 
» daß der Soldat sofort schwer verletzt zusammen⸗ 
ürzte und ins Lazareth gebracht werden mußte. 
zelbst als der Soldat am Boden lag, setzte der 
Jerr Vorgesetzte“ seine Mißhandlungen noch fort 
ad einige dem Acte zusehende Herren mußten 
hhalb die Intervention eines in der Kaserne 
indlichen Offiziers anrufen. Das Publikum war 
der die Rohheit des Gefreiten so empört, daß es 
enselben sicher gelyncht haben würde, wenn man 
n nicht bei Seite geschafft hätiee. Wir würden 
n solches Vorgehen auf das Tiefste beklagt 
aben, da bei unseren Rechtsbestimmungen dies die 
helsten Folgen für die Betheiligten gehabt haben 
pürde; gewundert hätten wir uns allerdings über 
me Selbstjustiz durchaus nicht, wenn man bedenkt, 
velche Rohheiten und Mißhandlungen schon von 
ilitärischen Vorgesetzten so u. A. seitens einiger 
dffiziere bei den letzten Landwehrübungen begangen 
vurden, ohne daß man bis jetzt erfuhr, ob und 
jelche Strafe dieselben betroffen hat. Daß das 
techtsgefühl des Volkes durch derlei Vertuschungen 
röblich verletzt wird, ist nur zu erklärlich; denn 
ie Mißhandlung eines vollständig Wehrlosen, die 
mscheinend ohne Sühne bleibt, ist viel verabscheuens— 
vürdiger, als derlei Rohheiten, die aus gegenseitigen 
Schlägereien und sonstigen Raufhändeln resultiren 
ind oft mit schweren Strafen belegt werden. — 
der betr. Gefreite wurde, wie wir hören, alsbald 
a Untersuchungsarrest abgeführt. Gegen einen 
Fivilisten, der sich an dem Gefreiten, im Unwillen 
zegen die Rohheit, thätlich vergriff, ist gleichfalls 
Antersuchung eingeleitet worden. 
FDüsseldorf, 80. Aug. Eine originelle 
zmpfehlung finden wir in hiesigen Blättern. Das 
etteffende Inserat lautet: Allen Anwohnern der 
zost⸗, Harold-, Wasser-, Reichs- und Elisabethstraße 
twohl anzurathen, baldmöglichst ihr Leben zu 
ersichern, da bei den pestilenzialischen Ausdünstun-— 
jen der dort stehenden Gewässer ansteckende, lebens— 
efährliche Krankheiten unvermeidlich entstehen werden. 
9. Hölzke, Hauptagent der Berlinischen Lebens— 
hersicherungsgesellschaft. 
—Aus Bahern, 29. Aug. In den letzten 
lagen sind mehrere Vergiftungen durch Genuß von 
schwämmen vorgekommen. So starben in einer 
Rtschaft dei Holztirchen ein Bauer und sein er— 
vachsener Sohn, während die Ehefrau des ersteren 
ud eine weitere Person schwer krank darniederliegen. 
durch häufigere Ermahnung zur Vorsicht und Be— 
hrung über die Kennzeichen der giftigen Schwämme 
oͤnnten Behörden. Lehrer u. s. w. manches Unglück 
verhüten. 
Wäürzburg, 28. Aug. Die Inspektion 
xt 4. Armeedivision durch den deutschen Kronprinzen 
tbrigadeweise auf den 7. und 8. September bei 
vunzenhausen vorgesehen. 
Bamberg, 27. Aug. In dem vergangenen 
Nonat hat der zur Schwimmschule kommandirte 
rebondelieutenant Görz des 5. Jufanterie-Regiments 
nem Bedienten nach einem angeblichen Woriwechsel 
uf einem öffentlichen Wege im Hain drei Säbel— 
jede über den Kopf verfetzt. Der arme Bursche 
legt, wie dem „M. Fremdenblatt“ gemeldet wird, 
eute noch im Lazareth und ist sein Zustand sehr 
cdenkllich, weil sich nach Innen an der Wunde 
itergeschwüre gebildet haben. Der Lieutenant soll 
it einer einfachen Präterirung auf unbestimmte 
reit davon gekommen sein! 
JDas Kapitel der „Bierpantschereien“ 
ifert doch auch heitere Episoden. Hier eine solche, 
eaus Regensburg gemeldet wird: „Die dortige 
aatsanwaltschaft ist im Besiße des Namens einer 
iteren, mit der Fabrikation bierverderbender 
sitel sich befassenden Firma. Ein Brauer hatte 
uͤnlich Geld in einer Rechnung über Lieferung 
Alcher edler Mittel eingewickelt und das Packet ver— 
gen. Der Finder trug den ganzen Fund an die 
cbtige Adresse. nämlich an die Staatzanwaltschaft.“ 
F München, 29. Aug. Der Krieg von 
1870 fordert noch immer Opfer. So mußte sich 
inlängst im Krankenhause r. J. ein ehemaliger Un⸗ 
eroffizier des 10. Regiments (Ingolstadt), Georg 
Mederer, einer schrecklichen Operation unterziehen. 
derselbe erhielt am 2. Dezember 1870 vor Orleans 
inen Schuß in die Brust, und seit 14 Jahren la⸗ 
sorirt der Mann, Vater von 2 Kindern, an einer 
vahrhaft gräßlichen Wunde. 
* (Ein theures Dienstzeugniß.) In 
München stellte eine Beamtenfrau einem unehrlichen 
Mädchen, obgleich es sich mehrfache Unterschlagungen 
u Schulden kommen ließ, auf sein Bitten das 
zeugniß „treu und ehrlich“ aus. Im nächsten 
dienste unterschlug es 300 Mark, welche die un— 
zorsichtige Zeugnißausstellerin nun ersetzen muß. 
F Wien, 30. Aug. Die Eröffnung der Arl⸗ 
»ergbahn ist nunmehr endgiltig auf den 20. Sept. 
estgesetzt. — Prinz Joseph von Sachsen -Koburg, 
iin Enkel des Kaisers von Brasilien, ist am Frei⸗ 
ag von der Trisselwand, unweit Alt⸗Aussee herab— 
zestürzt und nicht unerheblich verletzt. 
F (VBater, Mutter und Sohn.) Eine 
ehr heikle Affaire ist es, mit der sich seit Tagen 
»as Polizei-Kommissariat in Wien, Innere Stadt, 
vefaßt. Ein in der innern Stadt etablirter Kauf— 
nann machte eines Tages die unangenehme Wahr— 
iehmung, daß ihm aus der Schublade seines Schreib⸗ 
isches ein Geldbetrag von 400 Gulden weggekommen 
ei. Anfangs lenkte sich der Verdacht der Thäter— 
chaft gegen einen Angestellten des Hauses; dieser 
iber wußte seine Schuldlosigkeit zu erweisen, und 
der Kaufmann hatte umsoweniger Anlaß, gegen den 
hetreffenden Bediensteten seines Hauses vorzugehen, 
ils er bald die unumstößliche Gewißheit erlangt 
hatte, sein eigener Sohn, ein junger Mann von 
19 Jahren, habe den Diebstahl verübt. Es kam 
zu einer erregten häuslichen Szene, der junge Mann 
dersprach Besserung, und es schien Alles wieder gut 
zu werden. Da verschwanden vor etwa drei Wochen 
ius der verschlossen gewesenen Kasse des Kaufmannes 
1000 Gulden und mehrere werthvolle Pretiosen. 
der Verdacht lenkte sich diesmal naturgemäß sofort 
jegen den eigenen Sohn, und dieser gestand auch, 
daß er infolge Anrathens seiner Mutter den in 
stede stehenden Diebstahl verübt habe. Die Mutter 
ätte ihm versprochen, ihm die Hälfte des gestohlenen 
heldes zu geben, und er habe sich dann zu der 
That entschlossen. Der unglückliche Kaufmann er⸗ 
tattete von diesem Diebstahle die Anzeige bei der 
zolizei Behörde; der junge Mann, der ein volles 
zeständniß abgelegt hatte, wurde verhaftet und so— 
ort dem Gerichte eingeliefert, indeß die Frau vor— 
äufig auf freiem Fuße belassen wurde. Der Fall 
ualifizirt sich nicht als Verbrechen des Diebstahls, 
ondern als Uebertretung der öffentlichen Sittlichkeit, 
eganzgen durch einen Diebstahl in der Familie. 
Gierzig Tage ohne Nahrung.,) 
lus Wiesen, Post Halbstadt in Böhmen, wird 
»em „Pr. Tgbl.“ geschrieben: „Am 16. August 
)». J. fand der Revierförster Selysko in einer Schlücht 
es Rabengebirges eine abgezehrte Menschengestalt 
— die 56 Jahre alte Inwohnerin Marianna Kle— 
acek aus Bernsdorf bei Trautenau, welche am 5. 
zuli ihre mehrere Stunden entfernt wohnende 
S„chwester besuchen wollte und sich derart im Ge—⸗ 
zirge verirrt hatte, daß sie keinen Ausweg fand 
ind nur durch einen glücklichen Zufall gerettet wurde. 
Sie ist trotz ihres bedauerlichen Körperzustandes bei 
„ölligem Bewußtsein und erzählte ihrer Schwester 
Folgendes: Etwa eine Stunde von Bernsdorf ent⸗ 
ernt, bemerkte ich, daß ein Gewitter im Anzuge 
ei. Ich wollte auf dem kürzesten Wege umkehren, 
)erfehlte jedoch den richtigen Weg und irrte bis in 
zie tiefste Nacht im Gebirge herum. Im dichten 
Hestripp erwartete ich den nächsten Tag, um aufs 
Neue unter fortwährenden Hilferufen einen Ausweg 
zu suchen. Da ich nicht die mindeste Nahrung bei 
nir hatte, stellte sich in der zweiten Nacht eine der— 
artige Müdigkeit ein, daß ich fast bewußtlos umsank. 
Mit Anbruch des driften Tages wollte ich weiter, 
ullein die Füße versagten ihren Dienst. Unter 
mmer schwächer werdenden Hilferufen weiter kriechend, 
zjelangte ich zu Beeren, von denen ich einige genoß, 
im den wüthenden Hunger zu stillen. Am vierten 
Tage ließ der Hunger etwas nach, dafür stellte sich 
iber ein brennender Durst ein, welchen ich durch 
das auf den Blättern befindliche Thauwasser nur 
invollkommen löschen konnte. Noch vermochte ich 
nich vierzehn Tage herumzuschleppen, dann aber 
varen, da ich keine Beeren fand, meine letzten 
Zräffte aufgezehrt. In einem Geisftrüppe, welches 
mir einigermaßen Schutz gegen die starken Gewitter— 
regen gewährte, blieb ich liegen und konnte nichts 
weiter thun, als mit der hohlen Hand Wasser aus 
der Quelle, die neben mir rieselte, zu schöpfen, um 
den quälenden Durst — der Hunger war weniger 
empfindlich, zu befriedigen. Manchmal schien es mir, 
ala hörte ich in der Nähe lieblichen Gesang ertönen, 
dies wird aber die Folge der zunehmenden Nerven⸗ 
chwäche gewesen sein. Zweimal hörte ich in der 
Ferne das Rollen eines Holzwagens, konnte aber 
nicht rufen, sondern nur wimmern. Die letzten 
Tage vor meiner Auffindung konnte ich kein Glied 
rühren, daher weder Wasser zu mir nehmen, noch 
die lästigen Mücken entfernen. Winselnd lag ich 
da, gequält von dem entsetzlichen Gedanken, die 
Füchse, welche in unmittelbarer Nähe Jagd auf 
dasen machten, würden sich bald an mich wagen. 
Wie dankte ich dem Schöpfer, als eines Tages der 
Förster erschien und bestürzt die Antworten auf 
seine Fragen vernahm. Der brave Mann reichte 
nir ein wenig Semmel, welche ich nicht genießen 
sonnte, goß dann Branntwein aus seiner Flasche, 
üllte sie mit Wasser und labte mich damit. Nach 
einigen tröstenden Worten entfernte er sich, um einen 
Wagen zu holen, der mich nach langer qualvoller 
Fahrt nach Bernsdorf zurückbrachte. 
F (Ein Pulver-Velozipede) Ein 
Londoner Fabrikant hat einen Pulvermotor erfunden, 
der ausschließlich für den Betrieb von Velozipedes 
hestimmt ist. Derselbe besteht aus einem Cylinder, 
n welshem durch Oeffnen eines Ventils in gewissen 
Abständen Platzpatronen gelangen, die durch eine 
Nadel entzündet werden und deren Explosionskraft 
»en Kolben treibt. Es mag Leute geben, die gerne 
»ei einem ununterbrochenen Gewehrfeuer fahren, es 
st aber zu befürchten, daß diese Neigung sich mit 
)en polizeilichen Verordnungen schwer verträgt und 
daß die nicht militärfrommen Pferde das Pulver- 
Belozivede nicht gerade mit Freuden begrüßen werden. 
F GBrücken in China.) Zu den bemer⸗ 
kenswerthen Brücken in der Welt gehört unstreitig 
»ie in Langang, China. Diese Brücke ist über einen 
Arm des chinesischen Meeres gebaut, hat eine Länge 
»on 5 Meilen und nicht weniger als 300 Bogen. 
Auf der Säule eines jeden Bogens ruht ein mar— 
norner Löwe von 21 Fuß Länge. Der Fahrweg 
der Brücke ist 75 Fuß breit. 
Newyork, 1. Sept. Die strikenden 
Hrubenarbeiter des Kohlendistrikts Hocking (Ohio) 
»egannen am Samstag die ersten Ruhestörungen 
ind griffen die zum Schutze der Gruben aufgestellten 
Wachen an. Ein Wächter wurde getödtet und zwei 
erwundet und der Telegraphendraht durchschnitten. 
Die Strikenden lagern bei den Gruben, um die 
nichtstrikenden am Arbeiten zu verhindern. Zur 
derstellung der Ruhe wurden Truppen abgesendet. 
der Gouverneur von Ohio begab sich persönlich 
an Ort und Stelle. Der Sheriff wurde angewiesen, 
die Tumultuanten heute zum Auseinandergehen auf— 
zufordern. Nach den Meldungen hat die Zahl der 
Rubestörer zugenommen. 
F Ein Wirbelsturm wüthete in Ebans— 
pille, Indiana, und vernichtete Hunderte von Ge— 
Ȋuden und viele Menschenleben. Auf dem Ohio 
chlug ein Fährboot um. wobei 14 Personen 
atranken. 
Sterbefaälle. 
Gestorben: in Landstuht Wwe. Margarethe 
duhn, geb. Rockenbach; in Saarbrücken Hulda 
Sichholtz, verw. gew. von Rohr, geb. von Owstien; 
n Louisenthal Maria Engel, 25 J. a.; in 
Taiserslauterrn Mina Anhäuser, geb. Diener, 
33 J. a.; ebendaselbst Heinrich Wiegel; in 
Frankenthal Katharina Schmitt, geb. Heckmann, 
78 J. a.; in Heßheim Anna Maria Bäcker, geb. 
Rausch, 63 J. a.; in Neunkirchen Ludw. Phil. 
Fisenbeis 71 3. a. 
Dienstesnachrichten. 
Der Aufschlageinnehmer Fr. Rachinger ist von 
Blieskastel auf Ansuchen nach Haßfurt versetzt, der Steuer⸗ 
rufseher Franz Hegenau in Homburg auf Ansuchen als 
Aufschlageinnehmer nach Blieskastel und der Grenzaufseher 
J. Hast in Ruhpolding als Steueraufseher nach Homburga 
ersekßt worden. 
Fur die Redaktion verantwortlich: F. X. Deme tz.