Full text: St. Ingberter Anzeiger

zt. Jugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
— 
xer „Et. Ingberter Anzeiger“ erscheint wbchentlich füufmalz Am Montag, Dienstag, Donunerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöoͤchentlich mit Unterhaltungt 
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M” 175. 
Politische Uebersicht. 
die Zusammenkunft der Kaiser von Ruß⸗ 
ind, Deutschland und Oesterreich findet 
m 15. Sept. in Skierniewize statt. Fürst 
zismarck, Graf Kalnoky und von Giers werden, 
ie das „Deutsche Montags-Blatt“ berichtet, der 
trevenue beiwohnen. Skierniewize liegt an dem 
notenpuntt der Wien ˖ Warschauer und der Thorn⸗ 
darschauer Eisenbahn. Das daselbst befindliche 
rachtrolle Schloß gehörte früher der Fürstin Lo— 
itjsch, der Gattin des Großfürsten Constantin, 
ingeren Bruders des Kaiser Nikolaus. 
Eingeweihte Kreise behaupten, daß außer Skier⸗ 
newieze noch zwei andere Schlösser in der Nähe 
on Warschau, deren Namen geheim gehalten 
erden, eventuell für die Monarchen⸗Zusammen⸗ 
unft ausersehen seien. Die fortwwährende Nennung 
terniewize lasse die Zusammenkunft an diesem 
yt unwahrscheinlich erscheinen. 
Der Verein deutscher Eisen- und 
ztahl-Industrieller umfaßt nach einer so— 
ben von Herrn Dr. Rentzsch veranstalteten Publi— 
nion nicht weniger als 14,625 Betriebe mit 339,877 
lrbeitern. Davon entfallen auf die Groß-Eisen⸗ 
idustrie 1393 Betriebe mit 146,696 Arbeitern, Ma⸗ 
hinenbau 8738 Betriebe mit 92,431 Arbeitern, 
lein· Eisenindustrie und Handwerksbetrieb 4140 
zetriebe mit 68,500 Arbeitern, Waggon⸗ und 
zisenschiffbau 59 Betriebe mit 32,250 Arbeitern. 
ileber die Entfaltung der deutschen Flagge in 
damerun und Bimbia sind am 4. Sepi. die 
tsten authentischen brieflichen Nachrichten ein getroffen. 
in die Firmen C. Wörmann und Jantzen & Thor⸗ 
nählen in Hamburg wurde von Herrn Joh. Foß 
nKamerun darüber folgendes berichtet: 
m Morgen des 14. Juli wurde im Namen 
er Firmen C. Wörmann und Jantzen & Thor⸗ 
nͤhlen die Cessionsakte dem Herrn Generalkonsul 
dx. Nachtigal überreicht und um 9 Uhr begann 
ei leichtem Regenwetter der Akt der Proklamation 
Konig Bells Stadt. Herr Generalkonsul Dr. 
dachtigal in voller Uniform, geschmückt mit zahl⸗ 
eichen Orden und Ehrenzeichen, begleitet vom Ka— 
itan zur See, Becker, Korvetten ⸗Kapitän Hoffmann, 
N. Schubert und einem Detachement Marinesoldaten 
inter der Führung des Lieutenants zur Sce, Mand, 
nit Trommlern und Pfeifern, begaben sich nach 
em auf einem Hügel am Ufer des Flusses belege- 
en, weithin sichtbaren Flaggenmast. Nachdem die 
eertreter der deutschen Firmen so wie König Bell 
hhein die Nähe des Herrn Generalkonsuls begeben 
aAten, wiederholte derselbe in englischer und deut- 
her Sprache den Inhalt des mit den Kamerun— 
uten geschlossenen Vertrages, wie er in der Akte 
umulirt war, und erklärte, daß er dieses Land 
b deutsches Territorium und im Nomen 
. Majestät des Kaisers und des Reiches in Besitz 
ehme und dasselbe umter den Schuße von Kaiser 
id Reiche stele. Mit einem Hoch auf den Kaiser 
urde die Flagge gehißt, und von dem Detachement 
ri Gewehrsalben abgegeben, womit die Frier in 
nig Bells Stadt beendet war. Der Regen hatie 
sdehört und die Sonne brach sich Bahn. Wir 
Nen nun nach Aquas Stadt und nach Didos 
—A vorge⸗ 
ommen wurde. Sobald die Flagge auch in Didos 
hehit. war winden don S. Me Sahi 
döwen 21 Schüsse als Nationalsactt elst ug 
Dienstag, 9. September 1884. 19. Jahrg. 
von den beiden deutschen Faktoreien mit einigen 
Schüssen erwiedert. Die Engländer hatten gleichfalls 
hre Flaggen aufgehißt. Am nächsten Tage sandte 
der Generalkonsul Dr. Nachtigal ein Zirkular herum 
vei den Engländern und nach der Mission, worin 
sauptsächlich betont wurde, daß er hoffe, die seit 
ange zwischen den Engländern und den deutschen 
Faktoreien bestehenden guten Beziehungen würden 
zurch die neuen Verhältnisse nicht gesiört werden. 
Dann wurde darin des Court of Equity Erwäh—⸗ 
iung gethan und den Herren mitgetheilt, daß dieser 
ie Form wechseln müsse und unter dem Namen 
ines Rathes bis auf weiteres beibehalten werden 
olle unter dem Vorsitz des Vertreters des Kaisers 
Bis zum 19. Juli blieb die „Möwe“ in Kamerun, 
im 20. fuhr sie, begleitet von den Booten der 
Deutschen, nach Bimbia, wo die englische Kor— 
zette „Opal“ am Tage vorher gewesen war und 
ersucht hatle, die Bakhwiru⸗Neger zu überreden, 
»aß sie für England stimmen möchten. 
Dieselben blieben aber fest und erklärten, daß sie 
»as Land bis zur Nicol-Insel und alle Hoheitsrechte 
an die deutsche Firma C. Wörmann abgetreten 
hätten. Ein alter Bimbiamann sagte in bezug auf 
die von den Engländern wiederholt betonten Kriegs- 
dienste, welche die Neger dem deutschen Reich leisten 
müßten: „He no be German, he be Englispman!“ 
Er ist kein Deutscher, er ist nur ein Engländer.) 
Nachdem die „Möwe“ auch dort die Flagge unter 
ihnlichen Ceremonien gehißt hatte wie in den Ka— 
merun⸗Orten, dampfte sie nach Malimba weiter, 
vo Herr Schulze, der Vertreter der Firma C. Wör⸗ 
mnann in Gabun, schon alles vorbereitel hatte. Unter— 
deß war der französische Aviso Dumont d'Urville 
in Kamerun gewesen und hatte Offiziere an Bord 
»er Hulk „Louise“ gesandt, welche Herrn Voß mit⸗ 
heilten, sie seien von Gabun ausgeschickt, um die 
Möwe“ zu suchen, die nach einem dort verbreiteten 
herücht an der Küste verloren gegangen sein sollte. 
da man den Herren den Bescheid geben konnte, 
ie „Möwe“ sei wohlbehalten wieder aus dem 
Flusse gegangen, so dampften die Franzosen wie⸗ 
er ab.“ 
Dies ist der Verlauf der Sache, der für die 
ʒeutschen Interessen ein so glücklicher war. Die 
Thatsache selbst stand ja schon fest, es ist aber ebenso 
nteressant als wichtig, aus diesen neuesten Mitthei⸗ 
ungen die ganze Art und Weise der Besitzergreifung 
ruuthentisch kennen zu lernen. 
Blattes wird das Verhältniß zwischen Frankreich 
ind England erörtert. Das Blatt gibt dabei aber 
zu verstehen, daß man über den Engländern die 
andern „lieben Nachbarn“, die Deutschen nicht ver— 
gessen werde. Mit den Deutschen ist nach den be— 
jcheidenen Hoffnungen des „Anti⸗Anglais“ früher 
oder später, wenn Frankreich auf diplomatischem 
Wege oder durch Waffengewalt wieder in den Be— 
sitz seiner natürlichen Rheingrenzen gelangt sein 
wird, Friede zu erhoffen; man wird das Geschehene 
vergessen und einen Schleier über die Vergangen— 
jeit breiten können. Nicht so mit England, einer 
reulosen Nation, welche Frankreich von jeher nur 
Böses zugefügt hat, am meisten aber, wenn es 
Frankreichs Verbündeter war. Und nun folgt die 
Aufzählung aller Missethaten Englands von 1855 
bis 1884. England und Deuischland wollen diese 
Bramarbasse also verspeisen, das übrige Europa 
dagegen in Ruhe lassen. Sehr gnädig! 
Deutsches Reich. 
Muünchen, 5. Sept. Ueber die Inspek— 
tionsreise des deutschen Kronprinzen 
in Bayern liegen nunmehr nähere Bestimmungen 
dahin vor, daß derselbe am 8. September (Mon⸗ 
iag) in Weiden in der Oberpfalz (Eisenbahnlinie 
Eger⸗Regensburg) eintreffen wird und den Uebungen 
der 5. Brigade sowie der 3. Division anwohnt, 
dann über München nach Rosenheim zu den Uebungen 
der 2. Brigade und der 1. Division, von dort zu 
jenen der 2. Division im Riese und endlich zu 
enen der 4. Divifion in Mittelfranken bei 
Dinkelsbühl reist. Mitte September begibt sich der 
johe Herr über Ansbach und Würzburg nach Köln. 
Zönig Ludwig hat Dienerschaft, Pferde und 
Equipagen zur Verfügung gestellt. Die bayerische 
Armee ist zum guten Theile gegenwärtig mobü. 
Ueberall trifft man marschirende und übende Trup⸗ 
ven, überall freudigen Eifer und ernste Ausdauer. 
München, 6. Sept. Sen.k. Hoh. Prinz 
Leopold von Bayern traf gestern Abend, von 
den Manvövern der 5. und 6. preuß. Kavallerie⸗ 
brigade in Oberschlesien kommend, wieder 
hier ein. Am 14. d. begibt sich der Prinz mit 
einer großen Suite aus Siabsoffizieren zu den in 
der Rheinprovinz Statt findenden Kaiser ma⸗ 
növernn und nimmt zunächst in Köln Wohnung. 
Berlin, 7. Sept. Die „Köln. Ztg.“ theilt, 
weil „auch in dieser Frage Klarheit für Freund 
und Gegner Werth hat“, mit, daß der Reisch s— 
kanzler am Schluß der jüngsten Reichstagssesfion 
es gegen einen Nationalliberalen als seinen drin⸗ 
jenden Wunsch ausgesprochen hat, für den nächsten 
seichstag möglichst viele National— 
liberale gewählt zu sehen; zur Kritik der 
früher eingeschlagenen verkehrten Politik führte Bis— 
marck näher aus, daß die höheren Verwaltungs— 
organe z. B. in Hannover sich eingebildet hätten, 
dort eine besondere konservative Partei gründen zu 
müssen, während es dort naturgemäß nur zwei 
Parteien gebe: die nationalliberale und die anti— 
nationale, die Welfen. 
Berlin, 8. Sept. Der „Reichsanzeiger“ 
meldet: Nach telegraphischer Anzeige des kaiser— 
sichen Konsuls in Kanton ist die Mündung des 
Fantonflusses von den chinesischen Behörden für 
Seedampfer gesperrt worden. 
Kiel, 6. Sept. Der Chef der Admirali— 
tätt, General v. Caprivi, hat der Besatzung der 
„Sophie“ für ihr gutes Verhalten bei dem Zu— 
ammenstoß mit dem „Hohenstaufen“ daärck 
Der 14. Geburtstag der französischen Republik 
4. September) ist diesmal fast spurlos vorüber⸗ 
jegangen; nur vereinzelt wurden Festbankette ab—⸗ 
jehalten, die aber sämmtlich friedlich genug ver— 
aufen sind. In Fran kreich tritt eben alles 
Andere hinter den Konflikt mit China zurück. In 
ẽrmangelung zuverlässiger Nachrichten über das 
jeue Operationsfeld der französischen Flotte ergeht 
nan sich in Vermuthungen über den Ort, wo die⸗ 
elben stattfinden werden. Als der Wahrscheinlich⸗ 
eit am nächsten kommend wird angenommen, daß 
die Insel Formosa in Besitz genommen werden 
vird und daß noch einige andere Hafenplätze und 
vomöglich die ganze chinesische Flotte zerstört 
verden sollen. Ueber die von englischen Blättern 
rhobenen Einwendungen glaubt man sich hinweg⸗ 
etzen zu können, wie man denn überhaupt von 
»en Engländern möglichst viel Schlechtes spricht. 
Charakteristisch für die gereizte Stimmung gegen 
England ist das Erscheinen eines Blattes unter dem 
ritel „Anti⸗Anglais“. In dem ersten Artikel dieses