Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Iugherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
* „St. Jugberter Auzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1.AM 60 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen I.) 75 4, einschließlich 
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179. 
Politische Uebersicht. 
Nach den ausführlichen Berichten der süddeutschen 
ßlaͤtter war der Empfang, welchen der Kron— 
prinz am Montag in Amberg fand (der 
Stadt der Katholikenversammlung, welche in der 
origen Woche Windthorst zum Ehrenbürger gemacht 
jat), ein außerordentlich herzlicher und begeisterter. 
MNan brachte dem Kronprinzen Abends einen Fackelzug 
bei welchem folgende Anrede gehalten wurde: „Kaiser⸗ 
liche Hoheit! Zum zweiten Male führt Sie die Pflicht, 
deutsche Wehrkraft zu prüfen und zu wahren, in 
unsere Stadt. Zum zweiten Male ist es uns ge⸗ 
goͤnnt, Sie, den Führer der süddeutschen Truppen, 
in unserer Stadt herzlichst zu begrüßen. Das erste 
Mal. es war im Jahre 1873, gelobten wir feierlichst, 
zu Kaiser und Reich treu und fest zu stehen. Zu 
Kaiser und Reich! Zu welcher Machtffülle ist seit⸗ 
dem das Deutsche Reich herangewachsen! Keine 
Machtfrage im Rathe der Völker kann ohne Deutsch⸗ 
ands Zustimmung gelöst werden. Ja, es ist wahr! 
Deutschland marschirt an der Spitze der Völler 
Dieses verdanken wir nächst Gott Ihrem gottbe⸗ 
gnadeten Vater, unserem edlen Kaiser, Ihnen, 
seinem edlen Sohne, dem genialen? Staatenlenler 
Bismarck, dem genialen Schlachtenlenker Moltke 
und all den tapfern deutschen Männern, welche im 
blutigen Kampfe den glorreichen Sieg errangen. 
Gestalten Sie, daß wir Ihre Anwesenheit benüßen, 
um den Gefühlen unserer Dankbarkeit wiederholi 
dadurch Ausdruck zu geben, daß wir wiederholt ge⸗ 
loben, treu und fest zu Kaiser und Reich zu stehen, 
und daß wir mit aller Begeisterung und Liebe Ihnen 
jubelnd zurufen: Se. kaiserliche Hoheit der deutsche 
Kronprinz lebe hoch! 
Deutsches Neich. 
M.P.O. München, 14. Sept. Prinz Luitpold 
wird Ende nächster Woche als Generalinspektor der 
baher. Armee seine Inspizirungsreise antreten. — Der 
Minister des Aeußeren Frhr. v. Crailsheim 
begibt sich am 19. d. nach Bregenz, um den Er—⸗ 
ünungsfeierlichkeiten der Arlbergbahn anzuwohnen. 
Würzburg, 12. Sept. Von weiteren Be— 
chlüssen des Juristentages theilen wir als bemerkens⸗ 
verth mit: Aus Abtheilung 1 der Antrag Munckel 
ind Harburger: Der deutsche Juristentag wolle als 
eine Ueberzeugung aussprechen: die Einführung der 
derufung zum Oberlandesgerichte gegen die erst⸗ 
ustanzlichen Urtheile der landgerichtlichen Straf⸗ 
ammern ist dringend zu wünschen, wird mit er— 
drückender Majoruät angenommen; dagegen sprach 
Etenglein ⸗Leipzig. Aus Abtheilung 2: Ein An⸗— 
tag Heinsen ⸗Hamburg lautet: Der Juristen tag 
atlart Ein wirksamer Schußz gegen die beim Spe— 
uationsverkehr in Zeitgeschaäften vorkommenden 
Nißbräuche ist von einer im Wege der Geseßgebung 
n normirenden, auf Handhabung einer straffen 
Riznplinargewalt abseiten der Börsenorgane gerich⸗ 
eten Börsenordnung nicht zu erwarten. Die Ab⸗ 
heilung dagegen empfiehlt dem Juristentag, die 
drage zur weiteren Behandlung, ob nicht gesetzlich 
nit Strafe und ebenluell dem Verluste der bürger⸗ 
hen Ehrenrechte zu bedrohen waͤre ) Wer öffent⸗ 
h in Bekanntmachungen wissentlich faifche Than— 
echen vorspiegelt oͤder wahre Thatsachen entstellt, 
zm zur Betheiligung an einem Anlehen zu be⸗ 
iimnen 2) Wer in betrügerischer Absicht auf 
uschung berechnete Mittel anwendet, um auf den 
9 von Effekten oder den Marktpreis von 
aaren einzuwirken; 3) Wer mit Personen oden 
Montag, 15. September 1884. 
19. Jahrg. 
für Personen, welche öffentlich oder von Privaten 
Angestellte sind, in Kenntniß dieser ihrer Eigenschaft 
hne Vorwissen ihrer Vorgesetzien oder Prinzipale 
Zeitkaufgeschäfte schließt; 4) Wer unter wissentlicher 
Benützung des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit 
ines Andern für oder mit demselben Zeitkaufge⸗ 
chafte schiießt. Dieser Antrag wird nach lebhafter 
Debatte angenommen. Der Juristentag beschloß 
serner eine Resolution zu Gunsten der Einführung 
der Berufung gegen die Urtheile der Straflammern 
hezüglich des Strafmaßes. 
Berlin, 183. Sept. Ueber die Kaiser⸗ 
Zusammenkunft wird geschrieben: Der Kaiser 
ritt morgen, Sonntag Abend 11 Uhr, seine Reise 
an, den Weg über Thorn⸗Alexandrowo nehmend. 
In seiner Begleitung befindet sich der Reichskanzler 
Fürst Bismarck; diese Thatsache kennzeichnet mehr 
als irgend eine andere die weittragende politische 
Bedeutung der Zusammenkunft. Das Gefolge des 
daisers besteht aus den beiden Generalen à la suite, 
rafen v. Lehndorff und Fürsten Anton Radziwill 
»em Chef des Militärkabinets, General v. Albedyll, 
owie dem Oberstlieutenant v. Bomsdorff. Neben 
)en beiden Leibärzten, Generalarzt Leutholdt und 
Dr. Timann, bilden mehrere Hofstaatsbeamte das 
veitere Gefolge des Monarchen. Der der Person 
des Kaisers attachirte russische Militärbevoslmächtigte, 
Beneral Dolgorucky, folgt gleichfallz dem Kaiser, 
benso wie der deutsche Militärbevollmächtigte, 
Beneral v. Werder, dem Zaren. Der Reichskanzler 
vird zunächst von seinem Sohne, dem Gesandten 
Zerbert v. Bismarck, begleitet sein, dem sich wahr⸗ 
cheinlich eine zweite Persönlichkeit aus dem aus⸗ 
värtigen Amie anschließen wird. Die vielfach ver⸗ 
hreitete Meldung, der Staatssekretär des auswärtigen 
Amtes, Graf v. Hatzfeldt, werde an der Reise 
heilnehmen, ist, wie wir erfahren, eine irrthümliche. 
die Ankunft in Skierniewiece soli am Montag 
‚wischen 11 und 12 Uhr des Vormittags erfolgen, 
die Rückreise am Dienstag, den 16., Abends 11 
Ahr, so daß unser Kaiser die Gastfreundschaft des 
Zaren im Ganzen für 36 Stunden in Anspruch 
nimmt. Die Ankunft des Kaisers in Berlin wird 
am Mitiwoch Mittag erfolgen. Von dem Befinden 
Sr. Majestät wird es abhängen, ob der Monarch 
nach kurzem Aufenthalt hier die Reise nach dem 
KRhein fortsetzt, doch sind hierüber endgiltige Be— 
timmungen noch nicht getroffen. 
Berlin, 18. Sept. Der Kaiser erließ eine 
dabinetsordre an den Chef der Admiralität, worin 
er dem Kommandanten und der Mannschaft der 
„Sophie“ seine Anerlennung ausspricht für ihr 
Verhalten bei dem Zusammenstoß mit dem „Hohen⸗ 
taufen“. 
Ausland. 
Brüfsel, 14. Sept. Die „Gazette de Bruxelles“ 
hestätigt, daß der König das Schulgesetz unterzeich— 
net habe und richtet an die Liberalen die dringende 
Aufforderung, sich ruhig zu verhalten. Von 
Zeiten der Polizei und der Gendarmerie sind 
zier umfassende Vorkehrungen getroffen, um etwaige 
Kuhestörungen zu verhindern; zu gleichem Zwecke 
ind Gendarmerie⸗ Abtheilungen in die benachbarten 
Irtschaften von Brüssel entsandt worden. 
Wien, 13. Sept. Der Kaiser und der König 
on Serbien wohnten auf dem Marchfelde den 
Truppenmanövern bis zum Schluß bei und kehrten 
Nachmittags hierher zurück. — Der „Pol. Corr.“ 
vird aus Warschau gemeldet: Dem deuischen Kaiser 
ind für die Dauer seines Aufenthalts in Rußland der 
VHeneral der Kapvallerie. Generaladiutant Graf Paul 
Schuvaloff und General Baron Korff zur persoͤn⸗ 
zichen Dienstleistung zugetheilt. 
Wien, 13. Sept. Die amtliche „Abendpost“ 
chreibt an der Spitze ihres Tageberichtes: Der 
raiser tritt in nahen Stunden eine Reise an, um 
nit den Kaisern von Rußland und Deutschland zu⸗ 
ammenzutreffen. Die Zusammenkunft der drei 
nächtigen Kaiser geschieht unter dem Zeichen der 
ungetrübtesten Freundschaft. Der herzliche Dank 
der Voölker für die Segnungen des Friedens gibt 
dem Kaiser das Geleite bis über die Grenze. 
Warschau, 11. Sept. Das russische Kaiser⸗ 
paar dürfte im Laufe des Sonntags, also am 14. 
d. M., in Slierniewiece eintreffen, und zwar direkt 
aus Nowo⸗Georgiewisk. Das Eintreffen der Gäste 
des Kaiserpaares wird für den 15. d. M. erwartet, 
und zwar gegen 2 Uhr dasjenige des Kaisers Franz 
doseph und des Grafen Kalnoky, etwas später das⸗ 
jenige des deutschen Kaisers und des Fürsten Bis— 
narck. Beide Majestäten werden durch die ihnen 
ugetheilten Ehrenoffiziere an den Landesgrenzen 
ingeholt und im Namen des Kaisers Alexander III. 
zegrüßt werden. Die Abreise von Skierniewiece ist 
ür den 17. d. M. anberaumt. Der russische Boi— 
chafter in Wien, Fürst Lobanoff, trifft Sonntag in 
Skierniewiece ein; der Botschafter in Berlin, Fürst 
Irloff, ist durch augenblickliche Krankheit gehindert, 
einen Souverän zu begrüßen. 
— 
Zokale und pfeͤlzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 15. Sept. Wie der 
„Speyerer Zeitung“ mitgetheilt wird sollen die 
seichsstagswahlen am Montag den 27. Okt. 
tattfinden. 
* Der pfälzische Kreis-Stiftungsrath der 
Wittelsbacher Landesstiftung zur Förderung des 
dandwerks hat eine Aufforderung erlassen, elwaige 
zeeignete Vorschläge zur statutenmäßigen Verwen⸗ 
hzung der pro 1884 zur Verfügunq stehenden Be⸗ 
räge zu machen. 
* Wie wir hören traf heute Vormittag die von 
Frau Oskar Krämer für die protestantische Kirche 
zestiftete Thurmuhr hier ein. Dieselbe wird in 
den nächsten Tagen von ihrem Erbauer, Herrn 
Thurmuhrfabrikanten Seybold in Landau, an dem 
ür sie bestimmten Orte aufgestellt werden. 
* In der Nacht von Samstag auf Sonntag 
vurde der Aushang⸗Kasten des Herrn Photographen 
Ollig hier gewaltsamerweise erbrochen und der größte 
Theil der Photographien daraus entwendet. Es ist 
zies der zweite ähnliche Fall. Der Eigenthümer 
ichert Demjenigen, der ihm bestimmte Anhaltspunkte 
zur gerichtlichen Verfolgung des Attentäters geben 
ann, 30 Mark Belohnung zu. 
— Bei dem gelegentlich der Hauptversammlung 
des Vereins der GustavAdolf ⸗Stiftung in Wies- 
baden stattgefundenen Diner brachte Herr Consisto—⸗ 
rialrath König von Speyer, das älteste Mitglied 
des Vereins, enen Trinkspruch den Freunden und 
Bönnern der Retscher⸗Vereinssache. 
— Für das bayerischeLandesdenkmal 
zu Wörth⸗Fröschweiler sind bis jetzt 44,000 Mark 
gesammelt und verzinslich angelegt. 
— Gegenüber der Nachricht des „L. Anz.“, 
»ie auch wir demselben entnommen, wonach einem 
Berüchte zufolge die Festung Germersheim berstärkt 
und erweitert werden solle, schreibt das „Germ. 
Wochenbl.“, daß in Germersheim selbst von diesem 
Herüchte nichts bekannt sei und sich dasselbe schon 
einer Natur nach jeder weiteren Verbreilung und 
Besprechung entzieben müsse