Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmalz Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet viertelijährlich 1.4 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 146 75 4, einschließlich 
40 ñ Zustellungsgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 B, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 , bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 20. 
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Für die Monate Februar und 
F März nehmen die Postanstalten, 
die AuUsträger sund die Expedition Bestell⸗ 
ungen auf dieses Blatt entgegen. 
Volitische Uebersicht. 
Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins 
deutscher Eisen- und Stahlindustrieller 
helief sich die Roheisenproduktion des deutschen Reichs 
einschließlich Luxemburgs) im Monat Dezember 
1883 auf 292,129 Tonnen, darunter 176,822 
Tonnen Puddelroheisen, 11,431 Tonnen Spiegel- 
eisen, 36,395 Tonnen Bessemer⸗, 833,982 Tonnen 
Thomasroheisen und 81,199 Tonnen Gießereiroh⸗ 
eisen. Die Produktion im Dezember 1882 betrig 
283,758 Tonnen. Vom 1. Januar bis 31. Dez 
1883 wurden produziert 3,380,788 Tonnen gegen 
3,170,957 Tonnen im Vorjahr. 
Fran kreich hat nicht bloß die Operationen 
gegen Bacninh, sondern auch die diplomatischen 
Verhandlungen mit China vorläufig eingestellt. Der 
neueste journalistische Schachzug des Marquis Tseng, 
sein Brief an den Herausgeber der Deutschen Revuͤe 
hat anscheinend troß der nachträglichen Entschuldig⸗ 
ung des Votschafters, der Brief sei nur von seinem 
Secretär geschrieben, die französische Regierung so 
zerstimmt, daß sie weitere Verhandluͤngen mit Tseng 
als unmöglich bezeichnete, worüber sie durch Wad— 
dington in London entsprechende Erklärungen an 
Lord Granville abgeben ließ. Das französische 
Cabinet will nunmehr die Beendigung der militä— 
rischen Operationen in Tongking abwarten und im 
gegebenen Augenblicke in Peking direkt mit dem 
Tsung⸗ki Yamen verhandeln. Lord Granville, von 
diesem Vorhaben unterrichtet, soll den Standpunkt 
3 französischen Cabinets vollständig gewürdigt 
daben. 
Ein franzoͤsisches konservatives Provinzblatt „Le 
Nouvelliste“ bringt auffallender Weise die ganze 
Ordre de Batailsie“ der französischen Armes im 
Falle einer Mobilmachung. Es ist schwer zu er⸗ 
rathen, ob es sich hier um eine jedenfalls unnöthige 
ind inkorrekte Indiskretion, oder um eine bloße 
Erfindung handelt. Wie dem auch sei, es geht 
aus den Mittheilungen des Nouvelliste hervor, daß 
ꝛei eintretendem Krieg der frühere Kommandant in 
Algier, General Soussier, als Generalisimus die 
wei Millionen Truppen, welche nach der Heeres⸗ 
Aganisation vom Jahte 1872die frangofische 
Armee bilden, ins Feuer zu führen beauftragi ist. 
der vielbesprochene General v. Miribel würde als 
heneralstabschef mit den Generälen Lamy und 
Helliot als Adjutanten fungiren. Der Bruder des 
bräsidenten der Republik, General Grevh, ist als 
bhef der gesammten Artillerie und General Par— 
mentier als Höchstkommandirender der Genie⸗Truppen 
»efignirt. Es sollen vier Armeen gebildet werden, 
wovon die erste von Bellot, die zweite von Generai 
Schmitz, die dritse von General Ferrier, die vierte 
dom General Lewal kommandirt werden und von 
denen jede aus vier Armeekorps bestehen soll. Zwei 
Reserve-Armeekorps mit Haupiquartier in Paris 
und Lyon bilden den Rüdhalt der in erster Linie 
ambfenden aktiven Heere. — Die ganze Geschichte 
heint uns nichts weiler zu sein als eine Wichtig⸗ 
huerei des Nouvbelliste““ der mur aller Gewan 
inmal von sich reden machen wollte. Das ist ihm 
»vun auch im vollsten Maße gelungen. 
Dienstag, 29. Januar 1884. 
n Deutsches Reich. 
Kaiserslautern, 28. Januar. In der 
gestrigen Wahlversammlung zu Landstuhl stellte 
Abg. Dr. Buhl in Aussicht, daß Ende Februar 
ein Parteitag anberaumt werde, um einen Zusammen⸗ 
chluß aller liberalen und nationalen Pfaͤlzer äußer— 
lich fichtbar werden zu lassen. Redner kritisirte 
)ann die Grundzüge des Unfallversicherungsgesetzes 
als kaum durchführbar bei den zahlreich verstreuten 
Betrieben. Der letzte Antrag von Buhl und Genossen 
ei immer noch der denkbar beste. 
München, 26. Januar. Die im VII. Aus— 
chuß gefaßten Beschlüsse zu dem Gesetze über Hei— 
nath, Verehelichung und Aufenthalt vom 16. April 
868 lauten nach der von der Redaktionskommission 
zemachten Zusammenstellung folgendermaßen: 
„Es sei an Se. Maj. den König die Bitte zu 
ichten, mit Gesetzeskraft zu verordnen, das mi 
Wirksamkeit vom 1. Mai 1884 an J. dem Art.] 
des Gesetzes vom 16. April 1868 über Heimath 
Verehelichung und Aufenthalt als letzter Absatz bei⸗— 
zefügt werde: „Die von Leiner Frauensperson in 
die Ehe gebrachten Kinder, auf welche nicht Absat 
II des gegenwärtigen Artikels anzuwenden ist, be— 
jalten ihre bisherige Heimath, soferne die Ehe mit 
einem Angehörigen der rechtsrheinischen Landestheile 
ibgeschlossen wird.“ II. Art. 86 Absatz 1 desselben 
Besetzes zu lauten habe: „Die Gemeinde, in welcher 
der Mann seine Heimath hat, kann gegen die Aus— 
stellung des Verehelichungszeugnisses Einspruch er⸗ 
heben: 1. wenn und solange gegen den Mann oder 
die Braut wegen Verbrechens oder Vergehens öffent⸗ 
liche Klage erhoben ist; 2. wenn der Mann oder 
die Braut wegen Verbrechens oder Vergehens ver⸗ 
urtheilt worden ist und sich weder über Abbüßung 
noch Nachlaß der Strafe auszuweisen vermag; 8. 
venn der Mann oder die Braut zu einer Zucht⸗ 
Jausstrafe oder wegen Verbrechens oder Vergehens 
gegen die Sittlichkeit oder wegen Diebstahls, Unter— 
chlagung, Betrugs, Hehlerei, Fälschung, Gaukelei, 
»der innerhalb der unmittelbar vorhergehenden 
»rei Jahre wiederholt wegen Arbeitsscheue, Land⸗ 
treicherei oder Bettels verurtheilt worden ist und 
eit Abbüßung oder Nachlaß der Strafe drei Jahr 
noch nicht verflossen find; 4. wenn die Brauf 
vegen gewerbsmäßiger Unzucht verurtheilt worden 
st und seit Abbüßung oder Nachlaß der Straft 
drei Jahre noch nicht abgelaufen sind, sowie wenn 
die Braut innerhalb der unmittelbar vorhergehenden 
drei Jahre wegen gewerbsmäßiger Unzucht polizei⸗ 
icher Aufficht unterstellt war; 5. wenn der Mann, 
»der die Braut innerhalb der unmittelbar vorher⸗ 
jehenden drei Jahre öffentliche Armenunterstützung 
zeansprucht oder erhalten hat; 6. wenn und solange 
der Mann oder die Braut sich mit den der Ge—⸗ 
meindekasse oder Armenkasse der Heimathgemeinde 
zegenüber obliegenden Leistungen im Rückstande be— 
findet; 7̃. wenn und so lange der Mann unter 
Vormundschaft steht, oder gegen ihn Antrag auf 
Entmündigung gestellt, oder über sein Vermögen 
das Konkursverfahren eröffnet ist; 8. wenn der gedeih⸗ 
iüche Bestand der zu gründenden Familie dadurch 
ausgeschlossen erscheint, daß der Mann oder die 
Braut mit einem koͤrperlichen oder geistigen Gebrechen 
hehaftet ift; 9. wenn gegen den Mann oder die 
Braut aus den unmittelbar vorhergehenden drei 
Jahren Thatsachen vorliegen, welche die Annahme 
cechtfertigen, daß der gedeihliche Bestand der zu 
gründenden Familie durch dauernden Mangel an 
Urbeitsamkeit, Nüchternheit oder Sparsamkeit aus— 
eschlossen sei.“ 
19. Jahrg. 
München, 27. Januar. Auf Grund aller— 
höchster Ermächtigung des Königs wurde mil der 
großherzoglich badischen und der groß⸗ 
herzoglich hessischen Regierung in Betreff der Kosten 
der Rechtshülfe in Strafsachen eine Ver— 
einbarung erzielt, die im wesentlichen dahin geht: 
daß in den von Amtswegen verfolgten Strafsachen 
auf die Ablieferung der beibringüchen und von 
Zahlungspflichtigen zu erhebenden Beträge solcher 
Kosten, welche im Rechtshilfe-Verkehr zwischen den 
beiderseitigen Gerichten der ersuchenden Behörden 
erwachsen sind, abgesehen von Ablieferungs⸗ und 
Strafvollstreckungskosten, wechselseitig verzichtet wird. 
Bexlin, 28. Januar. Bestattung Lasler's. 
Die festlich erleuchtete und würdevoll geschmückte 
Synagoge war vollständig gefüllt. In dem Mittel. 
schiff nahmen der Reichstags-Präsident von Levetzow, 
Freiherr v. Heeremann, Dr. Windthorst, v. Bernuth, 
Braf Flemming v. Camphausen, Delbrück und 
Behr⸗Schmoldow Platz. An der —A 
strats befanden sich von Forckenbeck und Straßmann, 
die sämmtlichen Parteien der Linken waren vollzählig: 
außerdem die Freiconservativen v. Lohren und VBo 
pelius, sowie einige Vertreter der Universität an⸗ 
wesend. Punkt 11 ühr nahmen die Verwandien bor 
dem Katafalk Platz. Nach Chorgesang und Orgel⸗ 
S»egleitung hielt Oberrabiner Frankl die Trauerrede. 
Derselbe entwarf ein Lebensbild Lasker's und dantte 
den Bürgern der Vereinigten Staaten für die gast⸗ 
liche Aufnahme der Vertreter des deutschen Volkes. 
Nach abermaligem Gesange widmete De. Friedrich 
Kapp dem Verstorbenen einen längeren Nachruf 
Namens seiner Partei, und legte einen Kranz am 
Sarge nieder. Soeben bewegi sich der Zug nach 
dem Friedhofe. 
Ausland. 
London, 28. Januar. Meldung der Times 
aus Khartum vom 25. d.: Der Versuch der von 
hier ausgesandten Dampfer die Pontonbrüdke über 
den blauen Nil zu zerstören, ist wegen des seichten 
Wasserstandes mißlungen. Die Rebellen griffen die 
Dampfer an, wurden aber nach heftigem Kampfe 
mit starkem Verlust zurückgeschlägen. 
Prinz Heinrich in Habana. 
Einem dem „B. Tgbl.“ von befreundeter 
Seite überlassenen Privaibriefe aus Habana vom 
5. Januar cer, entnehmen wir folgende gewiß recht 
interessante Mittheilungen über den Aufenthalt des 
Prinzen Heinrich dortselbst. Der Schreiber des 
Briefes ist ein junger Kaufmann aus Kassel, der 
s. Z. mit dem Prinzen das Kasseler Gymnasium 
zusammen besucht haät und jezzt in Habana kon— 
ditionirt: 
„Seit dem J. Januar ist die Korvette „Olga“ 
mit Prinz Heinrich hier. Ich stellte mich dem 
Prinzen wieder vor und wurde von demselben sehr 
herzlich empfangen. Wir haben viele alte Jugend⸗ 
exinnerungen ausgetauscht und ich wurde gleich an 
Bord zum Diner behalten, wobei ich mich in dem 
sehr netten Offizierskreise recht gut amüsirte. Der 
Prinz zeigte mir zur Verwunderung des ganzen 
Publikums persönlich alle Räume dez Schiffes und 
schenkte mir seine große, soeben in Pernambuco 
fertig gewordene Photographie mit eigenhändiger 
Widmung. ... 
Am Donnerstag Abend (83. Januar) hatten 
die hiefigen Deutschen dem Prinzen zu Ehreu ein 
‚riesiges Fest“ in der Quinda Sanlo Venia ver—